Western Legenden 50: Das Ende der Fährte - Alfred Wallon - E-Book

Western Legenden 50: Das Ende der Fährte E-Book

Alfred Wallon

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Beschreibung

Noch immer hält sich Michael Phelps in Red Lodge, Montana, auf, um die Geschichte des legendären John Liver-Eating Johnston aufzuschreiben. Das abenteuerliche Leben eines alten Mannes, der nicht mehr lange zu leben hat. Nach seiner Zeit als Holzfäller heuert John Johnston bei der Armee als Scout an und nimmt an zahlreichen Kämpfen gegen die Plains-Indianer teil. Einer seiner Weggefährten ist der bekannte Scout Luther Yellowstone Kelly. Das Erzählen fällt Johnston schwer. Seine Lebenszeit verrinnt. Zweiter Teil des Romans, der nach authentischen Zeitzeugenberichten und historischen Quellen geschrieben wurde. Die Printausgabe des Buches umfasst 178 Seiten. Die Exklusive Sammler-Ausgabe als Taschenbuch ist nur auf der Verlagsseite des Blitz-Verlages erhältlich!!!

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Western Legenden

In dieser Reihe bisher erschienen

9001 Werner J. Egli Delgado, der Apache

9002 Alfred Wallon Keine Chance für Chato

9003 Mark L. Wood Die Gefangene der Apachen

9004 Werner J. Egli Wie Wölfe aus den Bergen

9005 Dietmar Kuegler Tombstone

9006 Werner J. Egli Der Pfad zum Sonnenaufgang

9007 Werner J. Egli Die Fährte zwischen Leben und Tod

9008 Werner J. Egli La Vengadora, die Rächerin

9009 Dietmar Kuegler Die Vigilanten von Montana

9010 Thomas Ostwald Blutiges Kansas

9011 R. S. Stone Der Marshal von Cow Springs

9012 Dietmar Kuegler Kriegstrommeln am Mohawk

9013 Andreas Zwengel Die spanische Expedition

9014 Andreas Zwengel Pakt der Rivalen

9015 Andreas Zwengel Schlechte Verlierer

9016 R. S. Stone Aufbruch der Verlorenen

9017 Dietmar Kuegler Der letzte Rebell

9018 R. S. Stone Walkers Rückkehr

9019 Leslie West Das Königreich im Michigansee

9020 R. S. Stone Die Hand am Colt

9021 Dietmar Kuegler San Pedro River

9022 Alex Mann Nur der Fluss war zwischen ihnen

9023 Dietmar Kuegler Alamo - Der Kampf um Texas

9024 Alfred Wallon Das Goliad-Massaker

9025 R. S. Stone Blutiger Winter

9026 R. S. Stone Der Damm von Baxter Ridge

9027 Alex Mann Dreitausend Rinder

9028 R. S. Stone Schwarzes Gold

9029 R. S. Stone Schmutziger Job

9030 Peter Dubina Bronco Canyon

9031 Alfred Wallon Butch Cassidy wird gejagt

9032 Alex Mann Die verlorene Patrouille

9033 Anton Serkalow Blaine Williams - Das Gesetz der Rache

9034 Alfred Wallon Kampf am Schienenstrang

9035 Alex Mann Mexico Marshal

9036 Alex Mann Der Rodeochampion

9037 R. S. Stone Vierzig Tage

9038 Alex Mann Die gejagten Zwei

9039 Peter Dubina Teufel der weißen Berge

9040 Peter Dubina Brennende Lager

9041 Peter Dubina Kampf bis zur letzten Patrone

9042 Dietmar Kuegler Der Scout und der General

9043 Alfred Wallon Der El-Paso-Salzkrieg

9044 Dietmar Kuegler Ein freier Mann

9045 Alex Mann Ein aufrechter Mann

9046 Peter Dubina Gefährliche Fracht

9047 Alex Mann Kalte Fährten

9048 Leslie West Ein Eden für Männer

9049 Alfred Wallon Tod in Montana

9050 Alfred Wallon Das Ende der Fährte

9051 Dietmar Kuegler Der sprechende Draht

9052 U. H. Wilken Blutige Rache

9053 Alex Mann Die fünfte Kugel

9054 Peter Dubina Racheschwur

Alfred Wallon

Das Ende der Fährte

Liver-Eating JohnstonBand 2

Als Taschenbuch gehört dieser Roman zu unseren exklusiven Sammler-Editionen und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt.Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.© 2022 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-671-2

1. Kapitel

22. Juni 1869

Zwischen Fort Benton und Eagle Creek

Ich wagte es, meine Fahrt über den Turkey Trail erst wieder fortzusetzen, als die Sonne längst hinter den Bergen untergegangen war und sich die Nacht über die wal­digen Hügel des nördlichen Montana gelegt hatte. Die beiden Pferde, die den Pritschenwagen zogen, legten diese ­Strecke nicht zum ersten Mal zurück. Diese lange und holprige Strecke, die auf Umwegen durch die Hügel führte, wurde nur von denjenigen benutzt, die einen guten Grund hatten, das Tageslicht zu meiden. Schließlich trans­portierte ich auf der Ladefläche meines Wagens keine übliche Handelsware, sondern insgesamt zehn Holzfässer mit jeweils fünf Gallonen Whiskey, den ich in den abgelegenen Camps der Jäger und Fallensteller unweit der kanadischen Grenze und darüber hinaus zu Geld machen wollte.

Im vergangenen Herbst hatte ich zum ersten Mal begriffen, dass man mit billigem Whiskey Geld verdienen konnte, denn Fort Benton war in diesen Jahren ein Sammelpunkt von Pelzjägern, Abenteurern, zwie­lichtigem Gesindel und geschäftstüchtigen Männern. Schon zu dem Zeitpunkt, als Beidler und ich am Ufer des ­Musselshell River Holz geschlagen und es an die vorbeifahrenden Dampfschiffe verkauft hatten, war Fort ­Benton ein wichtiger Anlegepunkt gewesen. Das hatte sich in den letzten Jahren sogar noch verstärkt. Ich hatte jedoch nicht viel davon mitbekommen, denn nachdem Beidler und ich unsere Partnerschaft beendet hatten, hatte ich es vorgezogen, der sogenannten Zivilisation für ein paar Jahre den Rücken zu kehren und mich in die Wälder und Berge weiter nördlich zurückzuziehen, um dort zu jagen, Pelze zu erbeuten und diese in einem der Camps zu verkaufen, die zwischenzeitlich als Vorposten der Zivilisation errichtet worden waren.

In den Zeiten, in denen ich jedoch nicht hatte jagen können, hatte ich mittlerweile lernen müssen, dass dann das Geld knapp wurde und ich von irgendetwas leben musste. Ein gewiefter Händler in Fort Benton namens Charly McCormack hatte mich dann auf die richtige Idee gebracht, als ich schließlich wieder der Wildnis den Rücken gekehrt hatte und letzten Herbst nach Fort ­Benton gekommen war. Dort lebte ich unter sehr bescheidenen Verhältnissen und fristete mein Dasein mit Gelegenheits­jobs, von denen es zum Glück immer noch jede Menge gab. Denn ich war ein guter Schütze und konnte mir mit der Jagd immer so viel verdienen, dass ich halbwegs über den Winter kam.

Ich stieg auf den Bock des Wagens, griff nach den Zügeln und trieb die beiden Pferde an. Neben mir lag eine Winchester 66 immer griffbereit, falls es unerwarteten Ärger entweder mit weißen Wegelagerern oder marodierenden Indianern gab. Aber mit den Indianern hatte ich bisher keinen Ärger gehabt, egal, ob es die Sioux oder die Blackfoot-Indianer waren. Selbst wenn ich jedes Mal mit meinem Wagen in die Nähe ihrer Jagdgründe kam. Die Legende, die sich um meinen Namen gebildet hatte, hatte in den letzten Jahren einen deutlichen Bekanntheitsgrad gewonnen. Und wenn ich ehrlich bin, ich tat auch alles, um meinen berühmt-berüchtigten Ruf als Kannibale und unangenehmer Zeitgenosse zu wahren und sogar noch zu verstärken. Vielleicht ließen mich die roten Hundesöhne auch deswegen in Ruhe. Weil sie wussten, dass sie einen verdammt hohen Preis dafür zahlen würden, wenn sie sich mit mir anlegten.

Die Jäger und Abenteurer in den abgelegenen Camps waren deshalb bereit, einen höheren Preis dafür zu zahlen, wenn ich ihnen den Whiskey brachte. Weil sie wussten, dass mein Name der Garant dafür war, dass diese Transporte auch ans Ziel gelangten. Und so war ich ein äußerst willkommener Händler, der in regelmäßigen Abständen solche Camps wie Fort Spitzee, Oldham, Belly und High Rivers aufsuchte. Letzterer Ort befand sich in der Provinz Alberta auf der kanadischen Seite, und ich war mindestens alle zwei Monate dort, um meinen Handel mit Whiskey zu tätigen, den man bei Kennern auch Forty Rod nannte. Vor allen Dingen deswegen, weil die meisten nach häufigem Genuss dieses gepanschten Alkohols gerade noch in der Lage waren, vierzig Schritte zu Fuß zurückzulegen, bevor sie dann völlig betrunken zusammen­brachen.

Das interessierte mich jedoch herzlich wenig, denn jeder von den Männern da draußen in der Wildnis war für sein eigenes Schicksal verantwortlich. Ich verkaufte den Whiskey nur, trank ihn aber selbst nicht, weil ich genau wusste, welche Folgen das auslösen konnte. Charly McCormack war nicht gerade zimperlich, wenn es darum ging, alle möglichen Zusatzstoffe in den Whiskey zu mischen. Guter Kentucky Straight war eine Sache, aber dieser billige Whiskey in Fässern eine ganz andere. Und man konnte verdammt gutes Geld damit verdienen, und zwar ganz besonders auf der kanadischen Seite. Deshalb hatte ich mir die ganze Sache von Anfang an gut durch­gerechnet und war zu dem Entschluss gekommen, in dieses Geschäft einzusteigen. McCormack zahlte ich drei Dollar für die Gallone, also insgesamt fünfzehn Dollar für das Fass. Zehn Fässer transportierte ich auf der Ladefläche meines Wagens, also kostete mich die gesamte Fracht 150 Dollar. In der Provinz Alberta konnte ich die Gallone jedoch ohne jegliche Probleme für fünfzehn Dollar verkaufen, das Fass also für fünfundsiebzig Dollar. Und der Wert der gesamten Fracht betrug in Kanada somit 750 Dollar. Da brauchte man nicht lange zu rechnen, um sofort zu erkennen, was man beim Whiskey­handel verdienen konnte.

Natürlich gab es einige Gesetzeshüter, die es gar nicht gerne sahen, wenn man die kanadische Grenze überquerte, um auf der anderen Seite Profit zu machen. Vor allem nicht, wenn jemand die Absicht hatte, diesen Whiskey an die Indianer in der Piegan-Reservation zu verkaufen. Deshalb musste ich immer ganz besondere Vorsicht an den Tag legen, wenn ich mich der Grenze näherte, denn der Verkauf von Alkohol an die Indianer war strengstens untersagt und hätte drastische Konsequenzen für mich gehabt, wenn mich irgendeiner dieser gesetzestreuen Sternschlepper mit meiner heißen Fracht erwischt hätte. Meine Whiskey­vorräte wären konfisziert worden, und ich hätte mehr als 300 Dollar Strafe dafür zahlen müssen. Ich wusste aber auch von Fällen, wo man einige Händler sogar zu Gefängnis­strafen verurteilt hatte. Aber ich machte diesen Job nicht zum ersten Mal und wusste genau, was ich zu tun hatte, um meine Spuren zu verwischen. Und ein Mann wie ich, der so lange allein in der Wildnis gelebt hat, den kann man so schnell nicht erwischen.

Wind kam auf, und ich spürte die einsetzende Kälte der Nacht. Ich schlug den Kragen meiner Jacke etwas höher und konzentrierte mich auf das unter mir liegende Gelände. Der Turkey Trail war an einigen Stellen sehr unübersichtlich und unwegsam dazu. Deshalb musste ich besonders darauf achten, dass der Wagen mit einem der Räder nicht in einer unebenen Stelle stecken blieb. Denn dies hätte zwangsläufig das Ende dieses Transportes und somit auch einen Verlust für mich bedeutet.

Hinter den Wolken drängte sich jetzt wieder der Mond nach vorn und übergoss die bewaldete hügelige Landschaft mit seinem silbernen Licht, sodass ich meine nähere Umgebung sehr gut wahrnehmen konnte. Deshalb erkannte ich auch die beiden Reiter frühzeitig, die auf einmal auf einer Hügelkuppe auftauchten und mich im selben Moment entdeckt hatten wie ich sie.

Ich murmelte einen leisen Fluch, weil mir jetzt bewusst wurde, dass es sich bei den beiden Reitern auch um Gesetzesbeamte handeln konnte, die mir jetzt die Suppe gewaltig versalzen konnten. Aber meine wertvolle Fracht hatte ich nicht nur mit einer Plane gesichert, sondern über die Fässer auch mehrere Decken­stapel gelegt und davor drei schwere Kisten mit billigem Werkzeug gestellt. Wer die Ladung unbedingt inspizieren wollte, würde bei einer ersten Überprüfung nur die Kisten und die Decken sehen.

Ich zog die Zügel an und wartete die Ankunft der beiden Reiter ab. Währenddessen hatte ich mir die Winchester griffbereit gelegt und ließ mir keine Aufregung anmerken, während die beiden Reiter schräg neben dem Wagen ihre Pferde zügelten. Sie trugen normale Kleidung, breitkrempige Hüte und wirkten so, als hätten sie einen langen Ritt hinter sich.

„Guten Abend“, sagte derjenige, der ganz links von mir sein Pferd gezügelt hatte. „Nichts für ungut, Mister“, fuhr er dann mit einem kurzen Blick zu dem zweiten Reiter fort, der etwas gedrungener wirkte. „Wir haben Sie und den Wagen gesehen und wollten einfach nur mal wissen, wer unseren Weg kreuzt. Hier draußen muss man vorsichtig sein, sonst ...“

„Ich habe euren Weg nicht gekreuzt“, erwiderte ich. „Also, was wollt ihr?“

„Nelson, der Bursche ist unhöflich zu uns“, ergriff nun der zweite Mann das Wort. Er hatte eine unangenehm klingende Fistelstimme und eine Zahnlücke in der oberen Reihe. „Meinst du nicht, er sollte bessere Manieren an den Tag legen?“

„Halt die Schnauze, Jessup!“, fiel ihm der Mann namens Nelson ins Wort. „Lass mich das machen, verstanden? Wo wollen Sie denn hin, Mister?“

„Ich wüsste nicht, was dich und deinen Kumpan das angeht“, erwiderte ich leicht gereizt, weil ich mir von diesen Strauchdieben keine Vorschriften machen lassen wollte. Deshalb beschloss ich nicht eine einzige Sekunde lang, mich von diesen Typen einschüchtern zu lassen, sondern ihnen stattdessen auf sehr eindeutige Weise Paroli zu bieten. „Ich sage euch was“, fuhr ich kurz darauf fort. „Ihr geht eure Wege, und ich tue das Gleiche – okay?“

„Wir haben es aber gar nicht so eilig“, meinte der immer noch grinsende Nelson, dessen Augen aber jetzt kälter wurden. „Jessup und ich interessieren uns dafür, was Sie dort hinten auf dem Wagen transportieren. Vielleicht können wir ja ein Geschäft miteinander machen?“

„Ich mache Geschäfte nur mit Leuten, die ich kenne“, erwiderte ich, während die Fingerspitzen meiner rechten Hand den Schaft der Winchester 66 zu fassen bekamen. „Außerdem sind es nur Werkzeuge und Decken, die ich bei mir habe. Ich glaube nicht, dass diese Dinge für euch nützlich sind.“

„Ich denke, das sollten wir entscheiden“, konnte sich Jessup diese Bemerkung einfach nicht verkneifen, während er urplötzlich mit der rechten Hand zum Revolverholster fuhr und versuchte, seine Waffe blitzschnell zu ziehen. Aber ich hatte schon von Anfang an gewusst, dass der Kerl mit der Fistelstimme der eigentliche ­Schwachpunkt war. Deshalb hatte ich auch jede seiner Bewegungen verfolgt und konnte entsprechend rechtzeitig reagieren.

Bevor Jessup seine Waffe zog, war ich bereits schneller, riss die Winchester hoch und feuerte einen Schuss auf ihn ab. Die Kugel traf den Kerl hoch in die Brust und stieß ihn seitlich vom Pferd. Das registrierte ich aber nur am Rande, denn meine Aufmerksamkeit galt jetzt Nelson, der nun ebenfalls die Schocksekunde überwunden hatte und mit einem lauten Fluch nach seiner Waffe griff und einen Schuss auf mich abfeuerte.

Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass ich ihn austricksen würde. Denn für mein Alter von vierundvierzig Jahren war ich noch gelenkiger und reaktions­schneller als ein um Jahre jüngerer Mann. Die Wildnis hatte mich gelehrt, dass man nur überleben konnte, wenn man die Gefahr rechtzeitig erkannte und handelte. Und das tat ich auch diesmal. Bevor seine Kugel mir gefährlich werden konnte, hatte ich mich geduckt und einen Schuss abgefeuert. Nelson wurde in den Bauch getroffen und konnte sich nicht mehr im Sattel halten. Er rutschte vom Rücken des Pferdes, kam hart auf dem unebenen Boden auf und jammerte schrecklich.

Ein kurzer Blick zu Jessup zeigte mir, dass von dem Kerl keine Gefahr mehr ausging. Er hatte es hinter sich. Deshalb drehte ich mich rasch wieder um und ging zu Nelson, der verkrümmt am Boden lag und beide Hände auf die Bauchwunde presste, während kalter Schweiß auf seiner Stirn stand.

„Ich habe euch gewarnt“, sagte ich kalt. „Ihr hättet besser die Chance nutzen und weiterreiten sollen.“

Nelson bemerkte meinen mitleidlosen Blick und wusste, dass es zu Ende mit ihm war.

„Wer ... wer bist du?“, keuchte er mit schmerz­verzerrtem Gesicht.

„John Johnston“, nannte ich meinen Namen mit sichtlicher Genugtuung. „Man nennt mich auch Liver-Eating Johnston.“

Die Augen des tödlich getroffenen Wegelagerers weiteten sich vor Schreck, als ihm bewusst wurde, welchen tödlichen Fehler er und sein Kumpan begangen hatten.

„Ihr Hundesöhne habt es nicht anders gewollt“, erwiderte ich ohne jegliches Mitleid. „Und ihr habt euch so stümperhaft dabei angestellt, dass ihr einfach den Kürzeren ziehen musstet.“

Ich wandte mich ab, als Nelson noch etwas von sich gab, was ich aber nur mit halbem Ohr wahrnahm. Es interessierte mich einfach nicht. In dieser Wildnis galt nur das Recht des Stärkeren, und zum Glück war ich derjenige gewesen, der am längeren Hebel saß und diesen kurzen, aber umso gnadenloseren Kampf für sich entschieden hatte.

Ich durchsuchte zunächst den Toten, den ich zuerst niedergeschossen hatte. Aber weder er noch sein Kumpan Nelson hatten etwas bei sich, was für mich von großem Wert war. Selbst die Waffen waren nicht mehr die neuesten Modelle. Ich beschloss, sie aber trotzdem zu behalten, und kümmerte mich auch um die beiden Pferde. Ich brauchte etwas Zeit, um die aufgeschreckten Tiere wieder zu beruhigen, aber ich hatte schon immer ein gutes Händchen für Pferde gehabt und schaffte es auch diesmal, dass sie ihre Scheu verloren und sich von mir anfassen ließen.

Ich band die Pferde hinter dem Wagen an, durchsuchte kurz die Satteltaschen und fand außer schmutziger Wäsche auch nichts, das man zu Geld machen konnte. Alles, was ich nicht gebrauchen konnte, ließ ich hier, stieg wieder auf den Bock des Wagens und griff anschließend nach den Zügeln. Die Pferde setzten sich in Bewegung und die anderen Tiere, die ich hinten am Wagen angebunden hatte, folgten willig. Die beiden Toten, die ich zurückließ, würdigte ich keines einzigen Blickes mehr.

*

Manchmal gibt es Situationen, in denen man einfach hofft, dass daraus keine Probleme entstehen. Dazu gehörte auch die Begegnung mit den beiden Wegelagerern, die für ihren plumpen Überfall einen hohen Preis dafür bezahlen hatten müssen. In der Nacht trug der Wind manchmal das Echo von Schüssen sehr weit, und ich hatte nicht die geringste Lust, noch weitere Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Zumal ich natürlich auch damit rechnen musste, dass Gesetzesbeamte diesen Abschnitt besonders gründlich kontrollierten, weil sie den illegalen Handel mit Whiskey jenseits der Grenze mit allen Mitteln verhindern wollten. Aber wenn sie glaubten, mich erwischen oder gar überführen zu können, dann ­mussten sich diese Leute ganz gewaltig anstrengen. Denn ich hatte es in den letzten Wochen und Monaten immer wieder geschafft, unerkannt nach Kanada zu gelangen. Und genau das hatte ich diesmal auch wieder geplant.

Mein Ziel war Fort Whoop Up in der Provinz Alberta. Dieser Handelsposten war bekannt dafür, dass sich hier regelmäßig Pelzjäger, Abenteurer und sonstiges zwielichtiges Gesindel trafen. Aber das interessierte mich nicht. In erster Linie wollte ich gute Geschäfte und einen ordentlichen Profit machen. Und ich wusste, dieser Ort war geradezu ideal dafür.

Ich erreichte kurz vor dem Morgengrauen eine Hügelkette, die ich schon mal passiert hatte. Ich wusste, jenseits davon begann Kanada, das Land unendlicher Weiten, Prärien, Seen und Wälder, von denen nicht alle auf einer Landkarte verzeichnet waren.

Bevor ich das Pferdegespann weiter antrieb, ließ ich meine Blicke in die Runde schweifen. Aber ich konnte nichts Verdächtiges erkennen, so sehr ich mich auch bemühte. Wahrscheinlich durchkämmten die Suchtrupps eine andere Stelle dieses Bezirkes, denn sie konnten zum Glück nicht immer und überall gleichzeitig sein.

Als sich die Räder des Wagens in Bewegung setzen, war ich auch diesmal wieder davon überzeugt, dass ich unerkannt die Grenze überqueren konnte, ohne dass sich die Gesetzeshüter gleich an meine Fersen hefteten. Denn auf der anderen Seite der Hügel war das Land weitaus zerklüfteter, und endlose Wälder erstreckten sich bis zum Horizont. Ich kannte trotzdem noch genügend ­verschlungene Pfade, auf denen man zum Ziel kommen konnte. Mittlerweile zeigten sich am Horizont die ersten hellen Schimmer der einsetzenden Morgendämmerung. Höchste Zeit also, dass ich das offene Gelände hinter mich brachte und wieder sicheres Territorium erreichte.

Aber ausgerechnet an diesem frühen Morgen endete meine Glückssträhne, denn noch bevor ich die andere Seite der Hügel erreichen konnte, entdeckte ich plötzlich einen Reitertrupp im Frühlicht, der mich auf dem Wagen ebenfalls erspäht hatte. In dieser Entfernung konnte ich zwar nur winzige Punkte ausmachen. Aber es waren mindestens fünf, und das war eindeutig zu viel für mich!

Ich ließ die Peitsche über den Köpfen der Pferde knallen und trieb sie noch mehr an. Hinter mir auf der Ladefläche begannen die Fässer etwas zu rutschen und ihr Gewicht zu verlagern. Ich stieß einen lauten Fluch aus, weil das unter Umständen bedeuten konnte, dass meine gesamte Fracht durch die Unebenheit der holprigen Wege in Mitleidenschaft gezogen werden konnte. Denn ich konnte den Verfolgern nur entkommen, wenn ich aus den Pferden alles herausholte. Die Tiere strengten sich an, so gut sie konnten, und ich hatte Mühe, mich auf dem Bock zu halten und nicht zur Seite zu rutschen.

Ich drehte mich um und bemerkte, dass die Reiter mittlerweile ein gutes Stück näher gekommen waren. Nun waren es auch keine winzigen Punkte am Horizont mehr, sondern die Konturen waren klar erkennbar. Trotzdem versuchte ich, ruhig zu bleiben, obwohl mir bewusst wurde, dass es dieses Mal ein verdammt hartes Rennen geben würde, und zwar Kopf an Kopf. Natürlich würden mich die Reiter irgendwann einholen, denn mit dem Pritschenwagen würde ich niemals so schnell vorankommen wie meine Verfolger.

Ein Gedanke jagte den anderen, während ich das Gespann weiter antrieb. Für einen kurzen Moment dachte ich, dass sich meine Hoffnungen alle zerschlugen, als eines der Räder mit einem dumpfen Schlag durch eine Unebenheit im Boden rollte und die Speichen durch diesen harten Druck beinahe zerbrochen wären. Dann hätte ich nicht die geringste Chance mehr gehabt.

Aber zum Glück ging alles gut, das Rad hielt und das Gelände wurde jetzt wieder etwas fester. Und auch mein Ziel war mittlerweile deutlich nähergekommen. Ungefähr 200 Meter trennten mich noch von der Hügelkette, während hinter mir die ersten Schüsse fielen. Ich duckte mich unwillkürlich, begriff dann aber, dass meine Verfolger noch viel zu weit entfernt waren, um überhaupt etwas zu treffen.

---ENDE DER LESEPROBE---