Where love finds us - Mia Newman - E-Book

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Mia Newman

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Beschreibung

Ausgerechnet Montana ... Als die New Yorker Fotografin Amy Brooks für einen Job ins entlegene Montana geschickt wird, um die wilden Weiten und Menschen dort zu fotografieren, ahnt sie nicht, dass sie dort auf den wortkargen Cowboy Jackson Redwood trifft, der sie nicht nur vom Flughafen abholt, sondern auf dessen Ranch sie während ihres Aufenthalts auch wohnen wird. Jackson hält nicht besonders viel von Großstädtern und hegt so seine Vorurteile, die Amy auch noch zu erfüllen scheint. Zu dumm nur, dass sie in nächster Zeit viel miteinander zu tun haben werden und sich dabei unweigerlich näherkommen. Nur hat Amy ihren Teilzeit-Verlobten Damian in New York und Jackson so seine Gründe, Menschen auf Abstand zu halten. In der berauschenden Natur Montanas stellt sich Amy die Frage, ob sie in ihrem Leben nicht doch falsch abgebogen ist und was das für Gefühle sind, die Jackson in ihrem Herzen auslöst. Wieso genießt sie seine Nähe so sehr und vermisst plötzlich weder New York noch Damian? Und auch Jackson fühlt sich mehr und mehr zu Amy hingezogen, die es irgendwie schafft, hinter die Fassade zu blicken. Aber ist er wirklich bereit, auch sein dunkles Lebenskapitel mit ihr zu teilen ...? Es handelt sich hierbei um eine Neuauflage des 2021 erschienen Romans WO DIE LIEBE DICH FINDET.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Mia Newman

Where love finds us

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Titelei

Mia Newman

Where love finds us

Impressum

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Impressum Bernd Jakob Kurt-Schumacher-Str 22 67346 Speyer

Copyright © 2022 Mia Newman/Adriana Popescu

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN: 9783757937225Umschlaggestaltung: Grace Gibson Design,

unter Verwendung mehrer Motive von Unsplash

Tim Collins

Ian Liberry

Korrektorat: Sabrina Cremer textwerkstatt.org

Es handelt sich hierbei um eine Neuauflage des 2021 erschienen Romans WO DIE LIEBE DICH FINDET.

Widmung

Für all die Leute, die mal wieder kurz durchatmen müssen.

Und für dich.

Ja, genau, für dich!

Kapitel 1

Kapitel 1

»Du hast das große Los gezogen, Amy.«

Susan zwinkert mir verschwörerisch zu, als ich mein Büro betrete. Aber ich befürchte, nicht so ganz zu verstehen, was sie mir damit sagen will, immerhin habe ich an keiner Tombola teilgenommen.

»Habe ich was verpasst?«

»Du gehst nach Montana.«

Sie deutet auf meinen großen Kalender, der hinter meinem Schreibtisch an der Wand hängt. Alle meine Aufträge habe ich ordentlich eingetragen, aber selbst nach genauer Prüfung finde ich dort noch immer keine Hinweise auf einen Trip nach Montana.

»Ich befürchte, ich verstehe nicht so recht.«

»Du kriegst die Story in Montana. Natur, noch mehr Natur und jede Menge Natur. Zwei Wochen.«

Susan lehnt sich in den Türrahmen zu meinem Büro. Ihre roten Haare trägt sie heute hochgesteckt, die lässige Bluse steckt in ihren Highwaist Jeans. Wie immer sieht sie toll aus.

»Montana?«

»Jap. Hast du Cowboystiefel?«

»Landschaftsfotografie? Das ist nicht gerade meine Stärke.«

»Nein, nein. Du sollst die Menschen dort fotografieren. Was treibt sie um? Was sind ihre Träume? Was ihre Geheimnisse? Wie lebt man in Montana?«

»So wie überall, nehme ich an.«

»Du weißt schon, die weite Wildnis, Pferde, Cowboys …«

»Wieso macht das nicht George?«

Mein Kollege, der schon einige Jahre länger hier für das Magazin arbeitet, und zwar eher im Bereich Sportfotografie zu Hause ist, aber dennoch eine bessere Wahl für Montana wäre, als ich es bin.

»Der hat es im Rücken und kann nicht.«

»Und was ist mit Paula? Die ist auch gut.«

»Man könnte fast den Eindruck gewinnen, du willst den Job nicht.«

»Unsinn. Aber ich und die weite Wildnis?«

»Das Thema bietet extrem viel Spielraum. Vielleicht kriegst du sogar einen echten Cowboy vor die Linse.«

Susan klingt dabei so, als würde sie viel lieber an meiner Stelle nach Montana fliegen.

»Verlockend.«

Dabei verziehe ich fast unbewusst den Mund. Ich bin eine Stadtpflanze. Ich werde schon unruhig, wenn ich nachts nicht von den ständigen Sirenen auf den Straßen vor meiner Wohnung geweckt werde. Wie soll ich wissen, ob ich noch am Leben bin?

»Ist dir Montana nicht angesagt genug, oder was?«

»Nein. Das ist es gar nicht.«

»Was ist es dann?«

Doch so, wie sie in mein Büro kommt und leise die Tür hinter sich schließt, werde ich das Gefühl nicht los, dass sie schon längst weiß, was das Problem ist.

»Damian.«

Mein Verlobter. Oder Ex-Verlobter. Oder gerade wieder nicht Ex-Verlobter. So recht können wir uns nicht entscheiden und sein letztes Memo zu unserem Beziehungsstatus habe ich noch nicht gelesen. Je nach Schreibblockade neigt er dazu, alles über den Haufen zu werfen. Gerne auch unsere Beziehung.

»Es ist dein Job, Amy.«

»Ich weiß, aber gerade haben wir wieder eine ziemlich gute Phase und er wird sicher nicht begeistert sein, wenn ich …«

Susan verschränkt die Arme vor der Brust und ich weiß, dass es keinen Sinn macht, weiterzusprechen. Und so höre ich ihr und ihren Ausführungen über mein Liebesleben und meinen Job von meinem Platz am Schreibtisch aus zu.

»Es ist nicht so, als würdest du Urlaub machen. Du wirst da hochfahren und die schönsten und besten Fotos machen, die dieses Magazin jemals zum Thema ›Weite Wildnis‹ zu sehen bekommen hat.«

»Mhm.«

»Oh, nein. Nein, nein. Wir sind nicht wieder an dem Punkt, an dem du dich für eine mittelmäßige Fotografin hältst!«

»Das tue ich gar nicht!«

Susan deutet auf die andere Seite der Bürowand, wo ich meine besten Schnappschüsse in dicke schwarze Rahmen gespannt habe. Wie eine Trophäensammlung, damit alle Besucher begeistert und ehrfürchtig darauf schauen.

»Wie hat Damian deine Fotos betitelt?«

Sie legt so zielsicher den Finger in die Wunde, dass ich gar nicht dazu komme, mir eine Ausrede oder Notlüge einfallen zu lassen.

»Ich glaube, das Wort, das er benutzt hat, war … gewöhnlich.«

Das Wort benutzt er ohnehin gerne, wenn er meine Arbeit beschreibt. Susan schnaubt verächtlich.

»Nun, ich halte ihn für ein gewöhnliches Arschloch.«

Kurz muss ich lachen und schüttele den Kopf, aber auch das lässt mir Susan nicht durchgehen.

»Das ist er. Immer muss er dich kleinhalten. Verkaufen sich seine Romane wirklich so schlecht?«

Seine Romane.

»Ganz im Gegenteil, er soll eine Lesereise durch das ganze Land machen. Sie sind wohl total begeistert von seinem neuesten Werk und wollen schnell Nachschub.«

»Ach, der feine Herr darf eine Lesereise durch die Welt machen, aber wehe seine Freundin muss beruflich nach Montana.«

»Er ist nur nicht gern alleine.«

»Nun, das Magazin zahlt nur für eine Person. Und das bist du. Pack deine Kamera und warme Pullover ein und dann ab nach Helena. Dort wird dich ein Fahrer abholen und in deine Unterkunft bringen.«

»Alles schon geplant, ja?«

»Sagen wir es so: Eine Kollegin, die an dieser Stelle lieber ungenannt bleiben möchte, hat so eine Reaktion von dir schon erwartet und dafür gesorgt, dass alles schnell gebucht wird, bevor du es dir anders überlegen kannst.«

»Ach so. Diese eine Kollegin.«

»Genau diese.«

Kapitel 2

Kapitel 2

Mein Gepäck sieht unbeschädigt aus, mein Gesicht eher weniger. Aber schön, dass meine Kopfschmerzen mir wie ein treuer Hund bis hierher gefolgt sind.

Der Flug hat insgesamt etwas länger als zehn Stunden gedauert. In Seattle musste ich den Flieger wechseln und habe mir dort einige Magazine gekauft, die ich für den Rest der Strecke durchgeblättert habe. Mich interessieren selten die Texte, obwohl ich mir sicher bin, dass sie nicht nur gut recherchiert, sondern auch gut geschrieben sind. Für mich stehen immer die Fotos im Fokus. Jedes Mal stelle ich mir den Fotografen oder die Fotografin dahinter vor und frage mich, welche Gedanken ihm oder ihr bei der Aufnahme wohl durch den Kopf gegangen sind.

Jetzt habe ich alle Magazine in meinen kleinen Reiserucksack gestopft und ziehe meinen Koffer hinter mir her, während ich das Handy mit der anderen Hand ans Ohr halte.

»Ja, ich weiß, dass es schon spät ist.«

Dabei liegen gerade mal zwei Stunden Zeitverschiebung zwischen New York und Helena, Montana. Aber offensichtlich reicht das, um Damians Laune zu vermiesen.

»Ich war gerade auf dem Weg ins Bett.«

»Ich wollte dir nur sagen, dass ich heil gelandet bin.«

»Das freut mich.«

Noch immer ist die schlechte Laune, die bei unserem Abschied herrschte, nicht besser geworden. Vielleicht würde ich nicht so weit gehen und von einem ausgewachsenen Streit sprechen, aber auf jeden Fall fiel die Verabschiedung etwas kühl aus. Er hat es mir noch immer nicht verziehen, dass ich tatsächlich meinen Job mache und nach Montana geflogen bin.

»Wie ist das Wetter bei dir?«

»Kalt.«

»Kein Wunder, du bist ja auch am Arsch der Welt gelandet.«

»Ja. Sicher.«

»Und wie sieht es aus?«

»Was?«

»Montana.«

»Es ist zu dunkel, um das zu sagen.«

Auch wenn es gerade genau genommen sehr hell ist, immerhin stehe ich noch immer im Flughafen und unter dem Licht der grellen Neonröhren.

»Na ja, es ist sicher ganz schön. Viele Berge und sonst nichts.«

Als hätte ich nicht ganz New York, sondern nur ihn zurückgelassen, will er mir meinen Trip madig machen. Weil er das immer so macht, wenn für mich etwas läuft und für ihn gerade nicht.

»Ich treffe mich morgen mit Lisa und wir besprechen die Sache wegen meiner Lesereise.«

»Okay.«

»Und bevor du dir Sorgen machst, Lisa ist nur meine Assistentin.«

»Ja, ich weiß, wer Lisa ist.«

Und weil ich das tue, weiß ich auch, wieso er mich unbedingt daran erinnern will, dass sie es ist, die seine Lesereise organisiert. Lange dunkle Haare, volle Lippen, tolle Augen und Modelmaße gab es on top noch dazu.

»Gut. Die treffe ich morgen.«

»Damian …«

»Was?«

»Du musst nicht eifersüchtig auf einen Bundesstaat sein.«

Er lacht, aber ich kenne ihn zu lange und zu gut, um zu wissen, dass er genau das ist. Statt bei ihm zu sitzen und mir Auszüge aus seinem neuen Manuskript vorlesen zu lassen, bin ich in einen Flieger gestiegen, der mich an die Grenze zu Kanada geflogen hat.

»Ich bin nicht eifersüchtig!«

Es ist die Art und Weise, wie er es sagt, die mich wissen lässt, dass er es eben doch ist.

»Gut. Es gibt nämlich gar keinen Grund dafür.«

Damit verlasse ich die Flughafenhalle, in der niemand auf mich gewartet oder ein Schild mit meinem Namen in die Höhe gehalten hat, und mir schlägt der frische Abendwind eiskalt ins Gesicht. Da ich auf Susan gehört habe, ziehe ich meinen Schal etwas höher und blinzele in die Dunkelheit vor mir.

»Ich wünsche dir eine gute Nacht und viel Erfolg bei dem Meeting mit Lisa.«

Die Tatsache, dass meine Stimme dabei ruhig und unberührt klingt, dürfte ihn ärgern. Wer weiß, vielleicht habe ich sie genau deswegen so klingen lassen.

»Ja, dir auch eine gute Nacht.«

Dann legt er auf und unterbricht meine Verbindung mit der mir vertrauten Zivilisation an der Ostküste.

»Mrs. Brooks?«

Eine Stimme aus der Dunkelheit zu meiner Rechten lässt mich von meinem Smartphone aufschauen. Ein Mann in einer dunklen Jacke, in Jeans und dem obligatorischen Cowboyhut tritt aus dem Schatten auf mich zu. In seiner Hand hält er eine Papierserviette, auf die mit einer schnoddrigen Handschrift mein Name geschrieben steht.

»Das Empfangskomitee hat sich leider einen Hexenschuss zugezogen und jetzt müssen Sie sich hiermit begnügen.«

Er wedelt mit der Serviette, als wäre es die weiße Fahne und er müsste sich ergeben.

»Nun, das tut mir für das Empfangskomitee sehr leid.«

Der Kerl schiebt sich den Cowboyhut etwas weiter aus der Stirn und ich erkenne blaue Augen, die mich kritisch mustern. Er trägt einen Dreitagebart, sein Lächeln fällt knapp aus.

»Ist das Ihr gesamtes Gepäck?«

»Ja.«

»Und ich dachte, Frauen aus New York reisen mit einer ganzen Kofferflotte an.«

Wenn er lächeln würde, könnte ich es für einen Scherz halten, aber er bleibt ernst und nickt auf meinen Rollkoffer.

»Darf ich, Ma’am.«

Dabei klingt es nicht wie eine Frage und er nimmt mir meinen Koffer einfach ab, setzt sich in Bewegung, ohne mir zu sagen, wohin wir gehen oder wie er heißt. Da er keine Anstalten macht, auf mich zu warten, folge ich ihm hastig, nur für den Fall, dass das hier ein mieser Trick und er ein Kofferräuber ist.

»Mir wurde gesagt, ein Mr. Richard Redwood würde mich abholen.«

»Ganz richtig. Der hat jetzt aber einen Hexenschuss.«

»Und Sie sind?«

»In Eile.«

»Hören Sie, ich werde wohl kaum zu einem völlig Fremden in den Wagen steigen.«

Um meine Meinung zu untermauern, bleibe ich stehen und verschränke die Arme vor der Brust.

»Und wie wollen Sie dann auf die Ranch meines Großvaters kommen, Mrs. Brooks?«

Der Typ, der meinen Koffer noch immer als seine Geisel hält, bleibt etwas zeitverzögert stehen, dreht sich aber noch immer nicht zu mir um.

»Es wird hier doch wohl Taxis geben.«

In New York lernt man schnell, wie man ein Taxi anhält und auch, wie teuer es sein kann. Das Lachen meiner Begleitung klingt bitter und schlecht gelaunt.

»Es gibt hier Taxis, aber die fahren Sie sicher nicht knappe vierzig Minuten durch die komplette Dunkelheit quer durch die Einöde.«

»Vierzig Minuten?«

»Yep, Ma’am.«

Erst jetzt dreht er sich so weit zu mir, dass ich sein Profil im Halbschatten sehen kann. Er lächelt ein bisschen, wenn auch nicht besonders überzeugend.

»Wenn Sie mir jetzt also bitte folgen würden, ich wäre gerne vor Mitternacht in meinem Bett.«

»Gibt es hier kein Motel, in dem ich übernachten kann?«

»Es mag Sie überraschen, Mrs. Brooks, wir haben Motels, Taxis und sogar Restaurants. Aber wenn ich meinen Großvater richtig verstanden habe, sind Sie nicht hier, um Fotos eines Motels zu machen.«

Mit dem rechten Arm deutet er auf den Parkplatz vor uns, wo nur ein alter Pick-up-Truck steht.

»Ich befürchte, Sie werden mir vertrauen müssen, Mrs. Brooks.«

»Miss.«

»Wie bitte?«

So selbstbewusst, als müsste ich in New York ein Taxi anhalten, setze ich mich wieder in Bewegung.

»Miss Brooks.«

Als ich auf seiner Höhe bin, reiche ich ihm die Hand, ein Lächeln inklusive.

»Und mit wem habe ich das Vergnügen?«

Kurz befürchte ich, er wird mich einfach stehen lassen, aber dann gibt er sich doch einen Ruck und nimmt meine Hand an.

»Jackson Redwood.«

Sein Händedruck ist fest, aber nicht unangenehm, seine Haut rau, vor allem an den Fingerkuppen, und ich kann mir denken, dass er vermutlich das wahr gewordene Klischee des typischen Cowboys ist. Wortkarg, mürrisch und verschlossen. So werden sie doch immer in Hollywood-Streifen und romantischen Western beschrieben. Genauso sieht Jackson Redwood aus.

Doch jetzt bricht ein kurzes Lächeln auf seinen Lippen aus und revidiert meine Annahme.

»Willkommen in Montana, Miss Brooks.«

Kapitel 3

Kapitel 3

Das Radio ist auf einen Country Sender gestellt und Jackson trommelt den Takt gedankenverloren auf dem Lenkrad mit. Der Motor des Pick-ups klingt nicht gerade so, als würde er die Strecke bis ins tiefste Nirgendwo ohne einen Zusammenbruch schaffen. Auf dem Boden im Fußraum liegen zerknüllte Servietten, eine leere Wasserflasche und ein Paar ausgelatschter Cowboystiefel. Sitzheizung lässt dieses Modell ebenso vermissen wie auch bequeme Sitze.

Seit wir Helena verlassen haben, hat er kein Wort gesagt, den Cowboyhut nicht abgenommen, und ich habe beschlossen, sein Spiel mitzuspielen.

Ich bin müde vom langen Flug, enttäuscht von dem Telefonat mit Damian und versuche, erneut eine Nachricht an Susan rauszuschicken, damit sie zumindest weiß, dass ich gut gelandet bin und jetzt neben einem miesepetrigen Kerl durch die Nacht fahre.

Dazu meine Kopfschmerzen.

»Verdammt.«

Wieder kein Erfolg. Jackson Redwood sieht so überrascht zu mir rüber, dass ich kurz befürchte, er hätte vergessen, dass ich seine Beifahrerin bin. Entschuldigend lächele ich ihn an.

»Ich scheine hier keinen Empfang zu haben.«

»Daran wird sich die nächsten zwanzig Meilen auch nichts ändern.«

»Oh. Okay.«

Etwas enttäuscht lasse ich das Handy sinken.

»Wenn Sie jemanden anrufen wollen, wir haben eine ganz gute Leitung auf der Ranch.«

»Und Internet?«

Kopfschüttelnd sieht er wieder nach vorne auf die Straße, wo uns seit geraumer Zeit kein Auto mehr entgegengekommen ist und wir gerade so viel sehen, wie die Scheinwerfer zulassen. Alles andere um uns herum liegt versteckt im dunkelsten Schwarz, das ich seit Langem gesehen habe.

»Sie kommen aus New York, ja?«

»Das stimmt.«

Die Hoffnung auf ein bisschen Small Talk schwindet, als er nichts weiter sagt, und ich gebe mich geschlagen, starte einen Gegenversuch.

»Waren Sie schon mal in New York, Mr. Redwood?«

»Nein.«

»Wollen Sie vielleicht mal hin?«

»Ist das eine Einladung?«

Keine Ahnung, wieso ich lache, denn sein verdutzter Gesichtsausdruck lässt mich wissen, dass es gar kein Witz war, und so schüttele ich schnell den Kopf.

»Nein, war es nicht. Ich wollte nur …«

Wieso gebe ich mir eigentlich Mühe? Es ist offensichtlich, dass er nicht hier sein will und ihn sein Großvater dazu genötigt hat, mich abzuholen. Mit einer abwinkenden Handbewegung sehe ich wieder aus dem Seitenfenster, wo ich nichts erkennen kann, und beende meinen Versuch.

»Ich wette, Sie denken, ich sei nur ein weiterer Hinterwäldler, der der Schönheit New Yorks nichts abgewinnen kann, weil er nur noch nie dort war.«

»Zugegeben, ich kann mir vorstellen, dass New York selbst Sie überzeugen könnte. Oder etwa nicht?«

In der dunklen Scheibe kann ich die Spiegelung seines Gesichts sehen und weiß, dass er nicht zu mir sieht. Auch meine Frage beantwortet er nicht sofort.

»New York hat mich nie gereizt.«

»O sicher.«

Es rutscht mir nur so raus und sofort wird mir bewusst, wie arrogant das alles klingt. Als gebürtige New Yorkerin bin ich sehr stolz auf meine Stadt und ja, ich halte sie auch für den schönsten Ort der Welt.

»Können Sie sich nicht vorstellen, dass es jemandem zu laut, zu groß und zu eng ist?«

»Wie kann etwas zu groß und gleichzeitig zu eng sein?«

»Eine Stadt, in der man sich verlaufen und gleichzeitig kaum atmen kann.«

Er bringt es so erschreckend genau auf den Punkt, dass ich doch wieder zu ihm sehe und bemerke, dass auch er mich ansieht.

»Das klingt fast so, als wären Sie doch schon mal in New York gewesen, Mr. Redwood.«

»Waren Sie schon mal in Montana, Miss Brooks?«

»Nein.«

»Haben Sie New York überhaupt mal verlassen?«

»Ja.«

»Natürlich.«

»Es hat mich nur nie in ländliche Regionen gezogen.«

»Ländliche Regionen?«

»Ja, Sie wissen schon. Ich war in L.A., Chicago, San Francisco, Detroit, Houston, Buffalo. Und wenn ich jetzt darüber nachdenke, ich war sogar schon mal in Utah.«

»Was Sie nicht sagen.«

»Dann werde ich mit Montana ja wohl gerade noch fertig.«

»Oh, daran habe ich keine Zweifel.«

Nur klingt es eher so, als würde er das Gegenteil von dem meinen.

»Sie mögen mich nicht besonders, oder?«

»Ich kenne Sie doch gar nicht, Miss Brooks.«

»Nun, ich werde eine kleine Weile hier sein, das wird sich also ändern.«

»Dann kennen Sie Montana nicht. Wenn ich es darauf anlege, werden wir uns in der ganzen Zeit, in der Sie hier sind, nicht mal aus der Ferne sehen müssen.«

»Ist das so?«

»Das ist so.«

Und wieso fände ich das sehr schade?

Kapitel 4

Kapitel 4

»Beim warmen Wasser müssen Sie ein bisschen warten, aber dann wird das schon.«

Es ist ein kleines Haus mitten in der Dunkelheit. Und wenn ich Dunkelheit sage, dann meine ich das auch so. Als wäre alles um uns herum verschluckt worden, keine Straßenlaterne, kein Licht in einem anderen Haus. Als Jackson vorhin die Scheinwerfer am Truck ausgemacht hat, war es kurz so dunkel, dass ich fast nach seiner Hand gegriffen hätte, nur um sicherzugehen, dass er noch da ist.

Über einen kleinen Weg hat er meine Koffer in dieses Gästehaus, eine Art Blockhütte, gebracht und mir alles gezeigt. Im Inneren ist es angenehm warm, gemütlich eingerichtet und mir doch fremd. Keines der Gesichter auf den Fotos, die gerahmt an den Wänden hängen, kenne ich, kein Geruch ist mir vertraut. Fast glaube ich, mir wäre ein schäbiges und unpersönliches Motel doch lieber gewesen. Hier werde ich das Gefühl nicht los, dass ich störe, auch wenn ich nicht genau sagen kann, wieso.

Aber selbst die Möbel zeigen Spuren eines anderen Lebens, das hier geführt wurde und in dem ich keinen Platz habe.

»Meine Großmutter hat Ihnen den Kühlschrank aufgefüllt, allerdings wurde ich ausdrücklich darum gebeten, Sie morgen zum Frühstück einzuladen.«

Sobald wir das Haus betreten haben, hat Jackson den Cowboyhut abgenommen. Jetzt kommt sein kantiges Gesicht noch besser zur Geltung. Im Licht der Küchenlampe sind seine Augen nicht mehr so dunkel wie vorhin, erinnern nicht mehr an die unsicheren Tiefen des Ozeans, sondern eher an einen klaren Bergsee. Nur das Lächeln, das bleibt auch jetzt noch blass, was sicherlich der Uhrzeit geschuldet ist.

»Danke.«

»Das Bett oben ist frisch bezogen, die Handtücher sogar mit Weichspüler gewaschen.«

»Das hat alles Ihre Großmutter gemacht?«

»Ja, Ma’am.«

Es könnte auch nur ein Ferienhaus sein, das sie an Touristen vermieten, die bei ihrer Großstadtflucht ein bisschen echte Wildnis hier oben erleben wollen.

»Wenn Sie mich dann nicht mehr brauchen …«

Jackson nimmt seinen Hut vom Küchentisch und nickt in Richtung Tür.

»Werden Sie sich jetzt in ganz Montana vor mir verstecken, Mr. Redwood?«

Da! Ich habe es ganz genau gesehen, auch wenn es schon wieder verschwunden ist. Da war ein Lächeln und er weiß, dass ich es bemerkt habe.

»Nein, Ma’am. Ich bin nur wirklich unglaublich müde und sehne mich sehr danach, meine Gräten auszustrecken und eine Mütze voll Schlaf zu bekommen, bevor es morgen wieder an die Arbeit geht.«

»Als was arbeiten Sie denn?«

»Sie sind auf einer Ranch, ich bin Rancher.«

»Zu meiner Verteidigung, es ist hier so dunkel, dass ich rein gar nichts erkannt habe.«

»Dann freuen Sie sich auf den Morgen. Möglich, dass Ihnen der Ausblick die Sprache verschlagen wird.«

Er zwinkert mir zu und dreht sich nun wirklich in Richtung Tür. Er ist müde, ich bin müde und auch ich sehne mich nach einer kurzen Dusche und einem warmen Bett. Trotzdem folge ich ihm ins kleine Wohnzimmer.

»War es schon immer Ihr Traum, in Montana Rancher zu werden?«

»Ja.«

»Wollten Sie nie hier weg?«

Doch er hat die Tür bereits erreicht und wirft mir nur noch einen letzten Blick über die Schulter zu.

»Ich dachte, Sie seien Fotografin und keine Journalistin.«

»Ein bisschen bin ich beides.«

Den Stolz in meiner Stimme kann ich nur mit Mühe verbergen, denn tatsächlich ist es mir gestattet, zu meinen Fotos ab und an auch die redaktionellen Texte zu verfassen. Nicht immer, aber immer öfter. Jackson Redwood kann ich damit aber ganz offensichtlich nicht beeindrucken. Er setzt sich in aller Ruhe den Hut auf, tippt dann kurz an die Krempe und öffnet die Tür.

»Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, Miss Brooks.«

»Das wünsche ich Ihnen auch, Mr. Redwood.«

Keine Ahnung, wieso wir es nicht auf der Fahrt geschafft haben, uns bei den Vornamen zu nennen, immerhin hatten wir genug Zeit. In New York ist man schon per du, wenn man in die gleiche Subway steigt, aber hier dauert das offensichtlich länger. Dann höre ich, wie Jackson in seinen Wagen steigt, den Motor startet, die Scheinwerfer einschaltet und wendet. Als die Geräusche verstummen, horche ich in die Stille des Hauses und komme mir plötzlich schrecklich alleine vor. Ohne Handyempfang kann ich Susan noch immer nicht wissen lassen, dass ich heil angekommen bin, und die Vorstellung, Damian auf dem Festnetz anzurufen, kommt mir albern vor. Außerdem ist es viel zu spät in New York. Er schläft sicher schon und wenn ich ihn wecke, muss ich nur wieder seine miese Laune ertragen. Er wird es mir schwer machen, mir das Gefühl geben, ich hätte ihn zurückgelassen. Dabei hatte ich mir sogar überlegt, ihm anzubieten, mich für einen Teil der Zeit zu begleiten. Hier könnte er sicher an seinem neuen Roman arbeiten. Aber dann habe ich es mir anders überlegt. Es geht hier um meinen Job, nicht um seinen. Außerdem hat er doch diesen Termin mit Lisa. Daran musste er mich immer und immer wieder erinnern. Damian ist etwas älter als ich und hat oft das Gefühl, mir sagen zu müssen, dass er das Spiel des Lebens bereits verstanden hat, während ich mich erst noch finden müsste.

Und er neigt auch dazu, mir zu zeigen, wie glücklich ich mich schätzen kann, dass er sich für mich entschieden hat. Immerhin kann er mich jeder Zeit verlassen. So wie er es bereits zweimal getan hat.

Aber Damian ist jetzt weit weg und ich bin erst mal alleine.

Jackson war so nett und hat mir meinen Koffer die Treppen nach oben getragen, ihn mir aber nicht in das kleine Schlafzimmer gestellt. Ohnehin konnte er es kaum abwarten, endlich zu gehen, und obwohl ich ihn nicht mal ansatzweise gut genug kenne, so werde ich das Gefühl nicht los, dass er keine große Lust auf meine Gesellschaft mehr hatte. Möglich aber auch, dass ich mir das inzwischen alles einrede, weil ich übermüdet bin und die Kopfschmerzen neue Bohrarbeiten in meinen Gehirnwindungen vornehmen.

Unter der Dusche entspannen sich meine Muskeln und meine Gedanken, also beschließe ich, auf Susan zu hören und mir hier oben eine schöne Zeit zu machen. Die Fotos, die ich am heimischen Laptop zu Montana gegoogelt habe – ja, genau so professionell bin ich – waren alle vielversprechend. Wenn die Natur einen guten Tag hat, könnte ich hier wirklich einige atemberaubende Fotos machen, die ich nicht nur für unser Magazin nutzen, sondern vielleicht sogar weiterverkaufen kann. Meine Stärke, so sagt man, liegt zwar in dem Einfangen von Menschen und ihren Emotionen in besonderen Momenten. Deswegen hat Susan mich wohl auch für diesen Job vorgeschlagen. Nur fühlt es sich trotzdem so an, als müsste ich hier meine Komfortzone verlassen. Aber manchmal tut es ja gut, neue Dinge auszuprobieren und vielleicht mal etwas anderes zu sehen. Leider hat sich Montana bei unserer ersten Begegnung sehr bedeckt gehalten und mir dazu auch noch einen schlecht gelaunten Chauffeur verpasst. Das war ein eher holpriger Start, aber ich bin mir fast sicher, dass morgen, wenn wir alle ausgeschlafen und bessere Laune haben, die Welt schon ganz anders aussehen wird.

Als ich mich ins Bett kuschele und das Handy zum Laden auf mein Nachtkästchen lege, bemerke ich, dass es hier nicht nur viel dunkler als in New York, sondern auch deutlich stiller ist. Außer dem leisen Klopfen der Heizung, die im Hintergrund dafür sorgt, dass ich es schön warm habe, höre ich absolut gar nichts. Keine Autos, kein betrunkenes Geschrei, keine Sirenen und nicht mal die Musik meiner Nachbarn.

Eines wird mir schon in meiner ersten Nacht in Montana klar: New York ist wirklich so weit weg, dass ich es nicht mal in meiner Erinnerung hören kann.

Kapitel 5

Kapitel 5

Es nimmt kein Ende.

Irgendwo ganz da hinten, wo die schneebedeckten Gipfel der Berge den Himmel küssen, da hört es vielleicht auf. Oder es geht da auch noch weiter. Egal wohin ich blicke, ich sehe nur diese große Weite, die mir – wie Mr. Redwood prophezeite – den Atem raubt. Das Grün ist grüner, satter und wilder als daheim, die Luft frisch, fast kalt. Der Nebel, der sich gerade auflöst, taucht alles wie in einen Filter, zeichnet die scharfen Kanten der Gipfel weicher, löst sich wie kalter Atem in Luft auf und hinterlässt eine Weite, die mir kurz Angst macht.

Montana, das weiß ich tatsächlich noch aus der Schulzeit, liegt perfekt zwischen den Rocky Mountains und den Great Plains, was seine vielfältige Landschaft erklärt. Die Nationalparks locken Besucher, die mal schneebedeckte Gipfel, mal die vielen Seen oder alles dazwischen besuchen wollen. Obwohl ich Bilder von Orten wie diesem hier gesehen habe, kann man den tatsächlichen Anblick dennoch nicht damit vergleichen. Die Kamera, die um meinen Hals baumelt, kommt mir mit einem Mal so unfassbar schwer vor. Wie soll es mir gelingen, die Magie und Schönheit dieses Ortes einzufangen? Ihm gerecht zu werden? Lässt sich so ein Anblick überhaupt auf ein Hochglanzfoto bannen oder wird es immer nur ein billiger Abklatsch von dem bleiben, was ich gerade wahrhaftig vor mir sehe?

Statt der Stille der Nacht höre ich jetzt die volle Partitur der Natur. Vögel, die hoch über mir in den Baumwipfeln zwitschern, der Wind, der eine kleine Sinfonie pfeift, irgendwo räuspert sich eine Kuh oder ein Rind und in der Ferne bellt ein Hund.

Zumindest hoffe ich, dass es ein Hund ist.

Was ich nicht höre, ist der hektische Alltag der Menschen, die hier leben.

Da ich Susans Tipp angenommen habe, trage ich jetzt dicke Stiefel mit ordentlich Profil, die an den Fersen scheuern, weil ich zu faul war, um sie daheim einzulaufen, und New York dafür einfach nicht das richtige Terrain bietet. Man muss schnell sein, egal ob auf der Treppe zur Subway oder auf der Jagd nach einem Taxi. Schwere Stiefel wie diese an meinen Füßen, nein, die wären die falsche Wahl, so würde ich niemals einen Termin einhalten können.

Jetzt stapfe ich damit durch die kleinen Pfützen auf dem matschigen Weg, der mich von meinem Domizil in Richtung Haupthaus lenkt. Dort, so verriet mir ein Zettel auf meiner Veranda, würde ich die Familie Redwood finden, die mich gerne bei einem Frühstück und Kaffee kennenlernen möchte. Die Frage, ob Jackson Redwood auch anwesend sein wird, schwirrt mir bei dem kleinen Marsch zum Haus im Kopf herum.

»Sie müssen Mrs. Brooks sein!«

Eine ältere Frau in Jeans, Stiefeln, einer roten Jacke und einem Cowboyhut kommt um das Haus direkt auf mich zu. Ihre Schritte sind zielsicher und bestimmt, ebenso wie ihr Händedruck, als sie mich erreicht. Sie hat braune Haare, die bereits deutlich von grauen Strähnen durchzogen sind, und ein ehrliches Lächeln. Die Fältchen um ihre Augen verraten mir nicht nur, dass sie älter sein muss, als ich von Weitem angenommen habe, sie scheint in ihrem Leben auch viel gelacht zu haben.

»Ich bin Jane Redwood. Sie haben mit meinem Mann telefoniert. Richard.«

Richard Redwood, der Mann mit dem Hexenschuss.

»Ganz richtig.«

»Kommen Sie rein. Richard kann es kaum abwarten, Sie kennenzulernen.«

Jane geht voraus, streift die Stiefel auf der Fußmatte vor der Tür ab, die uns laut Aufdruck herzlich willkommen heißt, und sieht über die Schulter zu mir.

»Haben Sie denn gut geschlafen, Mrs. Brooks?«

»Für meine Verhältnisse schon. Und nennen Sie mich bitte Amy.«

»Aber nur, wenn Sie mich Jane nennen.«

Im Gegensatz zu ihrem Enkel ist sie freundlich und offenherzig.

»Wollen Sie einen Kaffee?«

Die Frage stellt sie mir, als die Tür hinter uns ins Schloss fällt und wir uns im warmen Inneren des Hauses befinden. Es riecht nach Lavendel und Tabak, ein bisschen auch nach Weichspüler und Kaffee. Eine Geruchsmischung, die ich unweigerlich mit Familie in Verbindung bringe. Mir wird bewusst, dass es sich hier weder um ein Hotel noch um ein professionelles Bed & Breakfast handelt, sondern um eine echte Familie, eine echte Ranch und um echte Menschen.

»Richard? Ich bringe Besuch, ich will also schwer hoffen, du hast inzwischen eine Hose angezogen!«

Dabei zwinkert sie mir verschwörerisch zu und ich lächele.

»Er tut nämlich gerne so, als wäre er jetzt quasi unselbstständig und auf meine Hilfe angewiesen. Aber so unter uns, Amy …«

Sie wirft einen kurzen Blick über die Schulter in die Küche.

»… ich glaube, er wollte gestern nur nicht mehr im Dunkeln fahren und hat eine Ausrede gebraucht, damit Jackson Sie abholt.«

»Ich hätte auch ein Taxi nehmen können, wenn es Umstände gemacht hat.«

»Ein Taxi? Bis zu uns hier raus?«

Sie schüttelt entschlossen den Kopf.

»Nein. Das hätte keiner gemacht. Und falls doch, dann hätten die Sie auch noch über den Tisch gezogen. Jackson hat das sehr gerne gemacht.«

Da bin ich mir allerdings nicht so sicher.

»Wir sind so froh, dass er wieder hier ist.«

Sofort wird ihr Lächeln weicher und ich erahne, dass sie ihren Enkel sehr liebt.

»War er denn mal weg?«

»O ja. Ständig. Überall war er. Aber nach der Sache … nun. Es ist besser, dass er wieder hier ist. Bei uns.«

Damit schiebt sie die Küchentür auf und deutet mir an, ich solle ihr folgen, was ich tue, da der Duft frischen Kaffees mich zusätzlich zu meiner Neugier nach Mr. Richard Redwood antreibt.

Da sitzt er, in einem blauen Jeanshemd, ordentlichen Haaren, der weiße Stetson ruht neben ihm auf dem Tisch, eine Tasse in der Hand, der Blick ruhig und gelassen.

»Ich habe deine New Yorkerin gefunden.«

Jane zwinkert mir zu.

»Er hat noch nie eine New Yorkerin getroffen, wissen Sie.«

Sofort erhebt sich Richard und kommt um den Tisch auf mich zu, seine Bewegungen sehen wirklich nicht nach einem Hexenschuss aus. Er streckt mir die Hand entgegen und seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, bin ich das achte Weltwunder.

»Mrs. Brooks, ich kann es noch immer kaum glauben, dass Sie wirklich hier sind.«

Sein Händedruck ist dem seines Enkels sehr ähnlich.

»Miss Brooks, Grandpa. Nicht Mrs.«

Wie aufs Stichwort taucht jetzt auch Jackson hinter seinem Großvater auf. Ein ordentliches weißes Hemd, Jeans, ein Gürtel mit einer lächerlich großen Gürtelschnalle, den Hut in der Hand, die Haare etwas unordentlich. Und obwohl er mit seinem Auftritt all meine Aufmerksamkeit hat, richten sich doch alle Blicke auf mich. Und somit setze ich zu einem Lächeln an, das allerdings nur seinen Großeltern gilt.

»Amy, um genau zu sein.«

Sein Großvater, der mein Lächeln erwidert und auf den reichlich gedeckten Tisch deutet, lädt mich damit ein, in der Familie Platz zu nehmen.

»Haben Sie Hunger, Amy?«

»Und wie. Im Flieger hatten sie nur ungesundes Zeug.«

»Nun, ob wir gesundes Essen haben, bleibt abzuwarten, aber wir haben das beste Essen, das Sie hier kriegen können.«

Dann mustert er mich kurz besorgt.

»Sie sind doch nicht etwa Vegetarierin?«

Jackson setzt sich neben seinem Großvater und schüttelt den Kopf.

»Veganer, Grandpa.«

»Was?«

»In New York sind inzwischen alle Veganer.«

Doch ein freches Lächeln huscht über Jacksons Gesicht und ich kann sehen, dass er es nicht ernst meint, sondern nur seinen Großvater aufziehen will.

»Wirklich? Nun, Sie sind auf einer Rinderfarm gelandet, Amy.«

»Das ist kein Problem. Ich bin keine Veganerin.«

»Na dann.«

Jane schenkt mir eine Tasse Kaffee ein, die ich dringend benötige, da mir die Müdigkeit nicht nur in den Knochen steckt, sondern sicher auch in meinem Gesicht zu sehen ist.

»Ich muss schon sagen, ich bin ein bisschen stolz, dass Sie sich für uns entschieden haben, Amy. Als der Anruf aus New York kam, da war ich ziemlich baff.«

Richard lacht und nippt an seinem Kaffee.

»Wissen Sie, es verschlägt nicht sehr viele Menschen hierher.«

»Was auch besser so ist.«

Der Einwurf seines Enkels sorgt für Fragezeichen in meinen Augen, die Jane sofort beantworten will, sobald sie sich neben mich niederlässt.

»Hören Sie nicht auf den Griesgram. Er schätzt die Ruhe hier oben.«

Jackson schmiert etwas Butter auf seinen Toast.

»Und Miss Brooks schätzt den Lärm der Großstadt.«

»Das ist so nicht ganz richtig.«

»Aber Sie halten New York für die tollste Stadt der Welt, oder?«

»Ich halte New York lediglich für mein Zuhause.«

Damit habe ich ihm den Ball so wuchtig zurück geschmettert, dass Jackson mich kauend beobachtet und erst mal still ist. Dafür stellt sein Großvater all die Fragen.

»Sie sind also eine berühmte Fotografin?«

»So weit würde ich nicht gehen. Aber ich bin eine Fotografin.«

»Sind Sie schon mal in Montana gewesen?«

»Das hier ist mein erstes Mal.«

»Haben Sie Familie, Amy?«

Bei der Frage sieht auch Jackson von seinem Toast auf und ich nicke, während ich die Schultern zucke.

»Irgendwie ja.«

»Das klingt nicht besonders überzeugt.«

»Nun, ich habe keine eigene Familie. Noch nicht. Ich bin verlobt.«

Wobei das nicht so recht stimmt. Damian hat vorgeschlagen, wir sollten die Verlobung wieder lösen, zumindest für den Moment. Denn seitdem er mir den Antrag gemacht hat, litt er an einer fiesen Schreibblockade, weil der Druck der anstehenden Hochzeit zu viel für ihn wurde. Dabei hatten wir nicht mal einen Termin für die Hochzeit ausgemacht.

»Herzlichen Glückwunsch!«

Jane berührt sanft meinen Ellenbogen und strahlt mich so glücklich an, dass man meinen könnte, sie wäre die Brautmutter.

»Danke.«

»Wo ist Ihr Verlobter denn gerade?«

»In New York.«

»Natürlich. Wie dumm von mir.«

Richard scheint das alles plötzlich unangenehm, Jackson hingegen bleibt von der Tatsache, dass ich einen Verlobten habe, eher unbeeindruckt.

»Können Sie reiten, Amy?«

Eine weitere gute Frage, die ich wieder nur so halb beantworten kann.

»Als Jugendliche bin ich geritten, aber das ist Ewigkeiten her.«

»Unsinn, Sie sind doch keinen Tag älter als zweiundzwanzig.«

Wenn Jackson doch nur etwas mehr vom Charme seines Großvaters geerbt hätte, aber so erkenne ich nur die blauen Augen und das markante Kinn wieder. Die dichten Augenbrauen hält Jackson immer ein bisschen angespannt, was ihn mürrisch und nachdenklich, vor allem aber verschlossen wirken lässt.

»Vielleicht kann Jackson Ihnen nachher unsere Pferde zeigen.«

Jackson selbst scheint von diesem Vorschlag wenig begeistert, verschluckt sich sogar fast an seinem Kaffee und hustet einen Moment.

»Ich habe keine Zeit, um Touristen zu bespaßen, Grandpa.«

»Du sollst sie ja auch nicht bespaßen. Du sollst ihr die Pferde zeigen.«

»Das ist nicht nötig, Mr. Redwood. Ich werde mich erst mal umsehen und zurechtfinden müssen, dann mal sehen, wo ich eine Dunkelkammer ausfindig machen kann und …«

»Was brauchen Sie denn für eine Dunkelkammer?«

Es überrascht mich, dass ausgerechnet Redwood junior diese Frage stellt.

»Nun, die Redaktion versorgt mich mit den Chemikalien und all dem Zeug. Einige Sachen kriege ich sicher irgendwo in der Stadt …«

Dabei lasse ich offen, von welcher Stadt ich spreche, denn ein Blick auf die Straßenkarte in meiner kleinen Unterkunft, hat mir verraten, dass ich ein ganzes Stück fahren muss, um in eine größere Stadt zu kommen.

»… und dann reicht eine Art Abstellkammer oder so. Vielleicht kann ich irgendwo was Passendes mieten.«

Jane sieht zu Richard, der den Blick auffängt und dann zu Jackson sieht, der die Aufforderung offenbar versteht und resigniert nickt, bevor er sich mit einem gespielt fröhlichen Lächeln an mich wendet.

»Ich helfe Ihnen gerne beim Einrichten Ihrer Dunkelkammer.«

»Das ist aber gar nicht nötig.«

Mit dem Buttermesser deutet er auf seine Großeltern, die ihn nur spitzbübisch anlächeln.

»Doch, Ma’am, schauen Sie in diese Gesichter, das ist ganz offensichtlich nötig.«

Kapitel 6

Kapitel 6

Nach dem Frühstück helfe ich Jane, das Geschirr von Hand zu spülen, weil sie keine Spülmaschine hat und nach eigener Aussage auch keine braucht. Ich verkneife mir einen Kommentar dazu und trockne die Tassen und Teller mit einem rot-weiß karierten Handtuch ab, während ich mich in der Küche umsehe. Zugegeben, bis auf die Spülmaschine findet man hier alles, was das Herz begehrt, vor allem jedes Gewürz, für das man in New York den ein oder anderen Geheimtipp auf dem Farmers Market braucht. Jane bemerkt meinen Blick und lächelt schüchtern.

»Es ist ein bisschen mein Hobby, wissen Sie. Ich koche und backe gerne, vielleicht, weil ich darin wirklich gut bin. Und Richard besorgt mir immer die verrücktesten Gewürze, weil er weiß, wie gerne ich neue Gerichte ausprobiere.«

»Ich muss schon sagen, Sie haben eine stattliche Sammlung, Jane.«

»Danke. Kochen Sie gerne, Amy?«

»Ich? Um Himmels willen, nein.«

Und Damian hätte an dieser Stelle einige Anekdoten zu erzählen, wie ich versehentlich versucht habe, ihn mit meiner Kochkunst – oder dem Fehlen davon – zu vergiften.

»Nun, in der Großstadt muss das sicher nicht sein. Da bestellen Sie sich einfach eine Pizza, nicht wahr?«

»Ja. So was in der Art.«

»Ich wollte schon immer mal nach New York.«

Es klingt arrogant und ich weiß das, aber ich verstehe, wieso Leute nach New York wollen. Es ist auf jeden Fall eine Reise wert und ich lade all meine Freunde immer wieder zu mir ein, vermutlich weil ich wirklich stolz auf die Stadt bin. Als hätte ich irgendwas damit zu tun, dass sie jetzt so weltberühmt ist.

»Wieso waren Sie noch nie dort?«

»Nun, Pläne gab es schon. Aber dann auch sehr viel Arbeit. Nach unserer Hochzeit kam recht schnell Michael, dann Clive.«

Sie bemerkt meinen verwirrten Blick.

»Unsere Söhne. Clive ist Jacksons Vater. Ich war Vollzeitmutter und Rancherin, hier ist mein Platz, hier gehöre ich einfach hin.«

Sie spricht mit so viel Liebe über ihre Familie und die Ranch.

»Verstehe.«

Wobei ich das nur so sage. Auch mit Kindern kann man die Stadt besuchen.

»Aber Richard war in Boston, als Jackson seinen Abschluss am College gemacht hat.«

»Wie bitte?«

Ganz so irritiert wollte ich nicht klingen, aber es rutscht mir einfach so raus. Meine Augen müssen die Größe von Untertassen angenommen haben, denn Jane lacht leise.

»Tun Sie nicht so überrascht. Jackson ist ein ziemlich schlauer Junge. Auch wenn er das nicht gerne hört.«

Jackson Redwood, der Mann steckt voller Überraschungen.

»Was hat er denn studiert?«

»Agrarwissenschaften. Aber der Junge hatte schon immer seinen eigenen Kopf.«

»Er scheint nicht besonders gesprächig.«

Jane lacht wieder und tunkt den nächsten Teller in das Spülwasser.

»Da kommt er ziemlich nach seinem Vater. Clive hat auch nicht viel gesprochen. Manchmal dachte er wohl, wir könnten seine Gedanken auch so lesen, wieso also noch alles aussprechen?«

Mit dem sauberen Teller dreht sie sich zu mir.

»Verwechseln Sie sein Schweigen bitte nicht mit fehlenden Manieren. Jackson ist ein ausgesprochen feiner Kerl.«

»Ich werde es mir merken.«

»Und das sage ich nicht nur als Großmutter.«

»Natürlich nicht.«

»Wissen Sie denn schon, was Sie hier fotografieren wollen?«

»Land und Leute.«

Das war zumindest der Wunsch meines Chefs, als ich mich von ihm verabschiedet habe. Er will ein ehrliches Bild von Montana und den Menschen, die hier in der Weite leben. Der Gedanke an die Erwartungen daheim legt sich kurz lähmend auf meine Schultern.

»Alles okay?«

»Ach, ich habe nur Kopfschmerzen.«

»Brauchen Sie eine Tablette?«

»Ich habe bereits eine genommen.«

Jane mustert mich besorgt, aber ich lächele nur und zucke die Schultern.

»Ehrlich gesagt weiß ich nicht mal mehr, wann ich das letzte Mal keine Kopfschmerzen hatte. Das kommt wohl mit dem Job.«

Sie nickt nachdenklich, die Sorge spiegelt sich noch immer in ihren hellen Augen.

»Wollten Sie schon immer Fotografin werden, Amy?«

»Das weiß ich gar nicht mehr. Meine Eltern sagen, ich wollte Tierärztin werden, aber ehrlich gesagt halte ich das für ein Gerücht. Ich kann ja nicht mal Blut sehen.«

»Von der Tierärztin zur Fotografin. Ein ziemlicher Umschwung.«

Seine Stimme überrascht mich, weil ich ihn nicht habe kommen hören. Unbemerkt von uns ist Jackson in die Küche getreten und lehnt lässig an der Arbeitsfläche neben der Mikrowelle. Nachdem ich mich gefasst habe, zucke ich nur kurz die Schultern, da so ein Kommentar nicht der erste ist, den ich zu meiner Karriereentscheidung zu hören gekriegt habe.

»Sie klingen schon wie mein Vater, Mr. Redwood.«

»Nennen Sie mich Jackson.«

Dieses Angebot macht er zumindest mit einem kleinen Lächeln und ich erahne, dass seine Großmutter recht haben mag, zumindest was die Manieren angeht.

»Wenn Sie so weit sind, kann ich Sie gerne in die Stadt mitnehmen. Vorausgesetzt, Helena ist die Stadt, die Sie meinen, Ma’am.«

»Finde ich dort Glühbirnen?«

»Dunkelkammerleuchten?«

Er weiß, dass er mich mit dieser Wortwahl überrascht, und er fühlt sich damit sehr wohl, das verrät sein spitzbübisches Lächeln. Entweder er hat den Fachbegriff recherchiert oder sein Allgemeinwissen verfügt über eine Rubrik zum Thema Fotografie.

»Genau so was suche ich.«

»Wenn wir das in Helena nicht finden, müssen Sie es wohl aus New York einfliegen lassen.«

Er stößt sich von der Arbeitsfläche ab, kommt auf uns zu und drückt seiner Großmutter einen Kuss auf die Wange.

»Ich nehme unsere Touristin mal mit in die Stadt. Bis später, Grandma.«

»Zeig ihr vorher die Pferde, Jack.«

Sie nennt ihn Jack und obwohl ihre Stimme weich ist, lässt sie dennoch keine Widerrede zu, und er nickt, wobei er alles andere als glücklich aussieht. Beide bemerken, dass ich zögere, weil ich das Gefühl habe, nicht so recht zu verstehen, um was es wirklich geht.

»Kommen Sie, Amy?«

Er gibt sich Mühe, sich seine Anspannung nicht anmerken zu lassen, und da mir keine andere Wahl bleibt, als mitzugehen, lege ich das Geschirrtuch auf die Ablage neben mir und schenke Jane ein Lächeln.

»Brauchen Sie etwas aus der Stadt?«

»Jackson hat meinen Einkaufszettel, keine Sorge.«

Sie tätschelt meinen Arm, ihr Enkel ist bereits an der Haustür, und sie beugt sich etwas zu mir rüber.

»Er braucht etwas länger, aber er wird auftauen, keine Sorge.«

Es ist ihr ganz offensichtlich sehr wichtig, dass ich nicht schlecht über ihn denke, und obwohl er mich nicht gerade herzlich empfangen hat, kann ich dennoch nicht sagen, dass ich Jackson Redwood unsympathisch finde. Ganz im Gegenteil, da ist etwas in seinem Blick, das mich rätseln lässt. Als würde er mir nur einen kleinen Teil seines wahren Ichs zeigen wollen. Und ich will herausfinden, was er vor mir verborgen hält.

Und wieso.

Kapitel 7

Kapitel 7

»Haben Sie Angst vor Pferden, Amy?«

Jackson geht mit schnellen, sicheren Schritten, kennt hier jeden Stein, jede Pfütze, jeden Grashalm. Ich brauche etwas länger, auch wenn mein Schuhwerk mich bestens für diesen kleinen Spaziergang ausstattet, so ist mein Gang unsicher, was ich sofort zu ändern versuche.

»Kommt immer darauf an.«

»Worauf?«

»Größe, Temperament und Laune.«

Er wirft mir einen Blick über die Schulter zu, ein entspanntes Lächeln auf den Lippen.

»Von Ihnen oder dem Pferd?«

»Ha ha.«

Kurz tippt er sich an den Hut.

»Verzeihung, Ma’am. Manchmal bin ich etwas vorlaut.«

»Wirklich?«

Nur nicht anmerken lassen, wie unsicher meine Schritte auf dem Boden sind, sonst kann er sich einen Kommentar darüber sicher auch nicht verkneifen. Irgendeinen Seitenhieb gegen New York, den ich dann wieder so persönlich nehme. Vielleicht muss man tatsächlich in New York geboren sein, um zu verstehen, wie verbunden ich mich mit der Stadt fühle. Sie ist wie meine große Schwester, sie nervt manchmal, sie ist laut und ungehorsam, aber sie ist eben auch immer da. New York lässt einen nicht im Stich, irgendwo hat immer etwas offen.

Ganz anders als dieser matschige Weg, der von dem Haupthaus in Richtung große Scheune führt, wo jede Pfütze wie eine weitere Prüfung auf mich wirkt.

»Bisher habe ich bei Ihnen nämlich den Eindruck, Sie sind vor allem ziemlich still.«

Jackson macht keine Anstalten, auf meinen Kommentar einzugehen, so wechselt er das Thema und scheint sich dabei viel wohler zu fühlen. Er deutet auf die Ställe vor uns.

»Wir haben einige Pferde, manche sind nur vorübergehend hier, andere bleiben.«

»Kümmern Sie sich ausschließlich um die Pferde?«

»Ich behalte alles ein bisschen im Blick. Mein Großvater ist froh über die Hilfe. Wenn Sie wollen, bin ich wohl so was wie sein Vorarbeiter.«

»Sie arbeiten also für Ihre Großeltern?«

»So was in der Art.«

»Und wo sind Ihre Eltern?«

Meine Frage geht unter, weil er das große, schwere Scheunentor öffnet und in die sanfte Dunkelheit tritt, wohin ich ihm unaufgefordert folge.

»Hier haben wir die Hengste, da drüben die Stuten. Hauptsächlich kümmern wir uns um Mustangs.«

Natürlich sind es Mustangs, weil sie als die schönsten Pferde gelten.

»Aber wir haben auch einige Tennessee Walking Pferde. Sogenannte Gangpferde. Bisher züchten wir noch nicht selber, aber ich habe noch immer die Hoffnung, dass es irgendwann klappt.«

Ob er merkt, wie aufgeregt seine Stimme mit einem Mal klingt? Er sieht mir sogar in die Augen, gestikuliert von hier nach da, scheint völlig in seinem Element.

»Was machen Sie denn mit all den Pferden?«

»Wir bereiten Sie vor.«

Mit »wir« meint er aber wohl nur sich selbst, denn auch wenn Richard so wirkt, als würde er im Sattel noch immer eine gute Figur machen, kann ich mir Jackson bei diesem Job viel besser vorstellen.

»Ich verstehe. Sie bereiten die Pferde also vor. Auf das Leben, oder wie?«

»So was in der Art. Falls Sie also mal Lust auf einen Ausritt haben, wir haben sehr ruhige Exemplare, mit denen Sie auf jeden Fall sicher durch die Gegend kommen.«

Doch plötzlich ist da ein lauter Knall, der von weiter hinten kommt, dann ist das panische Wiehern eines Pferdes zu hören, das ganz und gar nicht ruhig oder entspannt klingt. Jacksons Kiefermuskeln spannen sich an, als er zwischen mich und den Ursprung des Geräusches tritt.

»Was war denn das?«

»Nichts, was Sie beunruhigen sollte. Wollen wir dann los?«

Wieder wiehert das Pferd, es klingt so, als ob es austritt und das Holz der Pferdebox trifft. Und zwar immer und immer wieder.

»Aber es klingt recht beunruhigend …«

Jackson greift nach meinem Unterarm, nicht fest und auch nicht grob und doch zucke ich zusammen. Was allerdings weniger an der Geste, sondern mehr an Jacksons Blick liegt.

»Wir haben eine lange Fahrt vor uns, wir sollten wirklich los.«

»Aber vielleicht braucht das Pferd Hilfe.«

Dabei kenne ich mich mit diesen Tieren wirklich gar nicht aus und ich kenne auch niemanden, der mir mit gutem Gewissen ein Haustier anvertrauen würde. Aber gerade habe ich das Gefühl, das ängstliche Wiehern des Pferdes zu verstehen.

»Ganz sicher braucht es das.«

Jackson lächelt nicht, während er das sagt, und lässt meinen Arm auch noch immer nicht los.

»Aber das sollte nicht Ihr Problem sein, Miss Brooks.«

Mit der Nennung meines Nachnamens baut er wieder die Distanz auf, die ich nach dem Frühstück eigentlich für Geschichte gehalten habe.

»Falls Sie also Ihre Lampe und das andere Zeugs wollen, müssen wir los.«

»Aber –«

»Miss Brooks, ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen. Das hier hat rein gar nichts mit Ihnen zu tun. Und es geht Sie auch nichts an.«

Er sieht mich ernst an, lässt keinen Zweifel an seiner Aussage und deutet dann schließlich in Richtung des Tores, durch welches wir gerade gekommen sind. Als ich nicke, nimmt er seine Hand von meinem Arm und setzt sich in Bewegung, wissend, dass ich ihm folge, obwohl das verängstigte Wiehern des Pferdes mich nicht loslässt und eine Gänsehaut auf meinen Körper zaubert. Selbst als Jackson das Tor schließt, scheint sich das Tier noch nicht beruhigt zu haben.

»Keine Sorge, es geht ihm gut. Er mag nur keine Besucher.«

Das soll mich beruhigen, während wir zu dem Truck gehen, der noch immer dort steht, wo Jackson ihn gestern Nacht abgestellt hat, aber meine Gedanken bleiben bei dem Pferd und der Frage, wieso Jackson so unberührt davon scheint.

»Das wissen Sie so genau? Dass es keine Schmerzen oder so hat? Vielleicht sollten wir einen Tierarzt rufen.«

Er steigt ein, ohne mir zu antworten, und mir bleibt ohnehin nichts anderes übrig, als ihm erneut zu folgen. Ohne Auto und Stunden von der nächsten Stadt entfernt, ist er gerade meine einzige Möglichkeit, mich hier ein bisschen zu bewegen.

»Ich kenne mich mit Pferden ein wenig aus.«

»Weil Sie ein waschechter Cowboy sind, ja?«

Kurz verkneift er sich so was wie ein Grinsen und tippt sich an den Hut.

»Ganz richtig, Ma’am. Ich gebe mir große Mühe, das Klischee bestens zu erfüllen. Aber lassen Sie mich gerne wissen, falls ich noch etwas dicker auftragen soll.«

Er startet den Motor und lenkt den Wagen über den Schotterweg von der Ranch in Richtung Straße, wo er den Blinker setzt, obwohl weit und breit kein anderes Auto zu sehen ist, und fährt dann zügig weiter.

»Was genau ist denn das Klischee eines Cowboys, Mr. Redwood?«

»Sagen Sie es mir, Miss Brooks. Sie sind schließlich aus der Großstadt.«

»So, wie Sie es klingen lassen, klingt es fast wie eine Beleidigung.«

»Formulieren wir es so: Da Sie sicherlich Ihre Vorurteile über uns Hinterwäldler haben, hege ich so meine Skepsis, wenn es um Großstädter geht.«

»Fürs Protokoll, ich halte weder Sie noch Ihre Großeltern für Hinterwäldler.«

»Ist das so?«

Wenn man bedenkt, dass wir das einzige Auto auf dieser Straße sind, sieht er verdammt konzentriert auf die Fahrbahn vor uns und ja nicht zu mir.

»Aber erzählen Sie mir ruhig mehr über Ihre Skepsis.«

»Jetzt klingen Sie fast wie meine Therapeutin.«

»Sie haben eine Therapeutin?«

Ertappt wirft er mir einen Blick zu, den ich auffange und unberührt erwidere. Jackson Redwood ist ein Rätsel für mich. Keine Ahnung, was ich von ihm halten soll. Ich weiß ja nicht mal, ob ich ihn mag. Irgendwie habe ich in seiner Anwesenheit ständig das Gefühl, mich beweisen oder rechtfertigen zu müssen. Blicke wie dieser jetzt, der so prüfend auf mir lastet, bestätigen mich nur in meinem Gefühl.

»Hatte. Nicht mehr. Gelte wohl als geheilt.«

»Geheilt von was?«

»Sie stellen ziemlich viele Fragen für eine Fotografin.«

»Ich bin Journalistin. Die Fotografie ist eher so was wie … keine Ahnung, ein Hobby oder eine Ausrede.«

»Also fahre ich Sie jetzt bis nach Helena, um Ihnen Lampen für Ihr Hobby zu besorgen?«

»Nein. Sie kaufen für Ihre Großmutter ein, ich bin nur ein zufälliger Gast.«

»Verstehe. Drehen Sie die Tatsachen immer so, wie es gerade passt?«

»Wie gesagt, ich bin so was wie eine Journalistin.«

»Und Hobby-Fotografin.«

Er zwinkert mir zu, richtet dann den Blick wieder durch die Frontscheibe nach draußen, was mir die Chance gibt, sein Profil genauer zu studieren. Susan würde ihn ohne Zweifel als attraktiv beschreiben. Sie würde vermutlich auch durch die Zähne pfeifen, wenn er eine Bar in New York betreten würde. Und natürlich würde ich ihr recht geben. Jackson Redwood ist attraktiv, daran können auch die chronisch zusammengezogenen Augenbrauen und die tiefe Falte zwischen ihnen nichts ändern. Wenn ich die Chance bekomme, würde ich ihn gerne vor die Linse meiner Kamera locken. Jetzt hier im Auto könnte ich es wagen, aber wie erkläre ich einen solchen Schnappschuss? Soll ich sagen: Das ist nur ein Foto für meine Freundin daheim, damit sie sehen kann, wie ein echter Cowboy so aussieht.

»Wieso mögen Sie keine Großstädter, Mr. Redwood?«

»Weil sie sich häufig für etwas Besseres halten.«

Offensichtlich muss er über meine Frage nicht mal nachdenken, so schnell wie seine Antwort kommt.

»Haben Sie den Eindruck auch von mir?«

Diesmal lässt er sich etwas mehr Zeit, bevor er seine Antwort formuliert.

»Ich weiß noch nicht, Miss Brooks. Irgendwie glaube ich sogar, dass Ihnen die Zeit hier oben ganz guttun könnte.«

»Ach ja?«

»Ja. Aber für Sie ist Montana ein Urlaubsort, wo Sie Ihre Akkus aufladen und dann wieder verschwinden. Hier leben, das würden Sie niemals wollen. Zu wenig Action, zu wenig Leben.«

»Sie kennen mich doch kaum.«

»Das stimmt allerdings.«

»Und da Sie ja bereits angedroht haben, sich in Montana vor mir zu verstecken, werden Sie mich wohl auch nicht näher kennenlernen müssen.«

»Nun, vielleicht revidiere ich ja meine Aussage, was das Verstecken angeht.«

Wenn Jackson lächelt, wirkt er sofort jünger und etwas von der Ernsthaftigkeit, die ständig in seinem Blick liegt, verschwindet. So als würde ich einen kurzen Blick auf einen anderen Jackson erhaschen. Einen, den er sonst wohl nur seiner Familie zeigt.

»Das würde mich sehr freuen, Jackson. Weil ich glaube, wenn Sie mir eine faire Chance geben, würden Sie mich vielleicht sogar mögen.«

Wir erreichen eine Kreuzung, allerdings ohne Straßenschilder oder sonstige Hinweise, welchen Weg wir nehmen müssen, um an unser Ziel zu kommen. Jackson verschränkt die Arme auf dem Lenkrad, scheint es gar nicht mehr so eilig zu haben, sieht erst nach links, dann nach rechts und damit zu mir. Sein Lächeln ist noch immer da.

»Wer sagt denn, dass ich Sie nicht mag, Miss Brooks?«

»Keine Ahnung, die Art und Weise, wie Sie mit mir umgehen?«

»Verzeihen Sie bitte, meine Umgangsformen sind in den letzten Jahren etwas eingerostet. Ich gelobe Besserung.«

»Und ich werde mich bemühen, keine typische Großstädterin zu sein. Deal?«

Damit reiche ich ihm die Hand, die er nicht sofort annimmt. Stattdessen mustert er mich und mir fällt auf, wie klar das Blau seiner Augen ist.

»Das klingt nach einem fairen Deal.«

Endlich nimmt er meine Hand an, drückt sie fest und sieht mich dabei direkt an.

»Und machen Sie sich keine Gedanken um das Pferd. Ich werde mich darum kümmern.«

Das Pferd.

An das ich gar nicht mehr und doch ständig gedacht habe.

»Da vertraue ich Ihnen einfach mal.«

Kapitel 8

Kapitel 8

Helena ist eine schöne Stadt, der ich bei meiner Ankunft in der Nacht nicht die Aufmerksamkeit geschenkt habe, die sie verdient hat. Es fehlen zwar die Skyscraper und Gebäude, deren letzten Stock man nicht ausmachen kann, weil sie von den Wolken verschluckt werden, aber dafür enden hier die Häuser früher. Das bringt auch den Vorteil, dass man mehr vom Himmel, der sich auf der Fahrt in die Stadt sehr verdunkelt hat, zu sehen kriegt. Rote Backsteingebäude, kleine Diner, in denen man einen ehrlichen Kaffee und ein gutes Mittagessen bekommt, Hardwarestores, Friseure, Bars und Kneipen. Ein bisschen fühle ich mich wie in einem Film-Set, wo die Zeit an manchen Ecken stehen geblieben ist und wo die Welt noch auf unschuldige Art in Ordnung scheint. Keine Sirenen, niemand schreit und niemand hat es ach so wahnsinnig eilig.

Nicht mal mehr wir.

»Wird es regnen?«

Die letzten Meilen haben Jackson und ich geschwiegen, jeder hing den eigenen Gedanken hinterher. Jetzt aber deute ich nach draußen zum Himmel, der voller tiefer Wolken hängt.

»Schwer zu sagen. Könnte alles auch nur eine Drohgebärde des Himmels sein.«

»Ich habe keinen Regenmantel mitgebracht.«

»Sie kommen nach Montana ohne Regenmantel?«

»Offensichtlich.«

»Den können wir Ihnen noch besorgen, wenn Sie wollen.«

Jackson lenkt den Wagen über die Hauptstraße.

»Wir haben sogar einen Walmart, wenn Sie was brauchen.«

Er bemerkt mein verzogenes Gesicht und lacht kurz auf.

»Okay, okay, ich bringe Sie zu Paul. Der wird Sie wetterfest ausrüsten.«

»Paul?«

»Ihm gehört der Laden mit den besten Regenmänteln der Stadt. Und Sie finden dort auch noch Angelzubehör, Cowboystiefel, Rucksäcke, Hüte …«

»Einen Hut brauche ich auch noch.«

Doch Jackson schüttelt den Kopf.

»Sorry, Ma’am, aber so läuft das hier nicht.«

»Was genau?«

»Sie können nicht einfach in einen Laden marschieren, sich einen Hut aussuchen und kaufen. Nicht am ersten Tag.«

»Wieso denn nicht?«

»Weil Sie sich den Hut erst noch verdienen müssen.«

»Ach, ich verstehe, ich muss beweisen, dass ich es wert bin, einen Cowboyhut tragen zu dürfen.«

»So was in der Art, ja.«

»Ist das nicht ein bisschen albern?«

Auf einem Parkplatz findet Jackson eine Lücke und quetscht seinen Truck zwischen zwei mehr oder weniger baugleiche Modelle, bevor er den Motor abstellt und sich zu mir dreht.

»Natürlich ist es albern, Miss Brooks. Aber es ist auch Tradition. Und mein Großvater legt sehr viel Wert auf so alberne Dinge wie Tradition. Wollen Sie ihm wirklich den Spaß nehmen?«

»Nein.«

»Dachte ich es mir doch.«

Er zieht den Schlüssel aus dem Zündschloss und öffnet die Tür.

»Wollen Sie eine Führung oder lieber direkt zum Elektroartikelladen?«

»Ich will nicht zu viel von Ihrer Zeit stehlen, Mr. Redwood.«

Kurz bevor er aussteigt, wirft er mir einen Blick über die Schulter zu und ich weiß nicht so recht, wie ich ihn deuten soll.

»Ich dachte, genau deswegen sind Sie hier.«

Bevor ich mir eine schlagfertige Antwort einfallen lassen kann, ist er bereits ausgestiegen und schleudert die schwere Tür zu.

Obwohl auch ich nur Jeans und ein Shirt trage, komme ich mir zwischen den ganzen Bewohnern der Stadt so fremd vor. Manche sehen mich an, als wüssten sie genau, dass ich nicht von hier, keine von ihnen bin. Fast glaube ich, ein Neonschild mit der Aufschrift »Frisch aus New York eingeflogen« über meinem Kopf zu tragen. Jackson zeigt sich von all dem ziemlich unbeeindruckt, lenkt seine Schritte sicher über die Straßen, deutet auf verschiedene Gebäude, erzählt mir, wer wann wo mit wem gelebt hat und in welchem Verwandtschaftsgrad historische Personen zu seinem Großvater und damit auch zu ihm stehen. Seine Stimme ist ruhig, angenehm und ich ertappe mich dabei, wie ich ihm gerne zuhöre, an seinen Lippen hänge, als er abrupt stehen bleibt und ich gegen ihn pralle.

»Wir wären da.«

Im Schaufenster des Ladens liegen verschiedene Glühbirnen in jeder denkbaren Ausführung, einige Kabel und Elektrogeräte wie Fritteusen und Fernbedienungen.

»Und Sie glauben, hier werden wir fündig?«

»Das will ich schwer hoffen.«

Mit der Hand drückt er die Tür auf und lässt mir wieder den Vortritt. In New York passiert mir so was selten. Meistens haben es die gestressten Männer in ihren Maßanzügen sehr eilig, schieben und drängeln sich an mir vorbei, immer darauf bedacht, uns Frauen stets mindestens einen Schritt voraus zu sein, sich ja nicht einholen zu lassen. In Helena fehlen dieser Stress, diese Hektik und dieser unterschwellige Wettbewerb komplett. Die Menschen grüßen sich auf der Straße, bleiben für ein Gespräch stehen und lassen sich Zeit. Männer – zumindest Jackson – halten Frauen – zumindest mir – noch die Tür auf. Im Inneren wird er sofort von dem rundlichen Mann hinter dem Tresen begrüßt.

»Ah! Wenn uns da mal nicht eine waschechte Berühmtheit beehrt.«

Einen kurzen Moment glaube ich, der Mann meint mich und ich will schon abwinken, als ich verstehe, dass er Jackson meint, dem dieser Kommentar offenbar unangenehm ist.

»Hi, Frank, und wir wollen doch nicht übertreiben.«

Frank, der Besitzer, wie ich annehme, sieht von meiner Begleitung zu mir, als warte er auf eine Erklärung, wer die Frau an Jackson Seite ist.

---ENDE DER LESEPROBE---