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Obwohl es ein authentisches Buch ist, ist es mehr als nur eine Autobiografie. Es beginnt mit einer Liebesgeschichte wie aus 1001 Nacht. Mit der Autorin tauchen wir ein in den Zauber einer anderen Welt, ihr Paradies. Dank ihres Schwiegervaters kann sie frei von Konventionen ihre innere Heimat im Iran finden, nicht als Christin oder Muslimin, sondern als Gottvertrauende. Als sie im Krieg aus ihrer Stadt flüchten müssen, ist das die Vertreibung aus dem Paradies. In der Ehe kriselt es. Sieglinde tut alles, um ihre Ehe zu retten, nichts ist ihr für ihre Liebe zu viel. Dabei überschreitet sie immer wieder die eigenen Grenzen, woran sie fast zugrunde geht. Erst als die Stimme in ihr sagt: "Du musst gehen!", ist sie bereit, das Geschehene anzunehmen und zu gehen. Und zu vergeben, auch sich selbst.
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Seitenzahl: 597
Veröffentlichungsjahr: 2024
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.
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© 2024 novum publishing
ISBN Printausgabe: 978-3-99146-711-3
ISBN e-book: 978-3-99146-712-0
Lektorat: Jasmin Fürbach
Umschlag- und Innenabbildung: Hadi Marashi
Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh
www.novumverlag.com
Zitat
Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine
Hand mich führen und deine Rechte mich halten
– Psalm 139, 9-10 –
In liebevollem und dankbarem Gedenken an Isolde Nees, Autorin aus Darmstadt, die mich zu diesem Buch inspirierte. Auf den Flügeln ihrer Morgenröte hat sie uns im Januar 2022 für immer verlassen.
Sieglinde Maraschi
Wie auf Flügeln der Morgenröte
Ich lebte im Iran, dem Heimatland meiner Kinder
Widmung
Für meine Kinder
Manche Namen der in diesem Buch handelnden Personen wurden auf deren Wunsch und aus Datenschutzgründen geändert.
Die Schreibweise der persischen Namen und Wörter ist größtenteils der deutschen Aussprache angepasst. Die im Text kursiv geschriebenen Begriffe sind im Glossar alphabetisch angeordnet erklärt.
Lesetechnische Hilfe
â - wie französischer accent circonflexe, ein dunkles „a“
dj - wie „dsch“
tj - wie „tsch“
gh - wird in der Kehle ausgesprochen, klingt wie „g“ und französisches „r“, zusammen ausgesprochen
z - wie weiches „s“
Danksagung
Ich danke meiner Familie und allen Freunden, die mich begleitet und motiviert haben, dieses Buch zu verwirklichen. Ohne ihre Liebe und ihren unerschütterlichen Glauben ans Gelingen wäre es nie entstanden.
Ein extra Dank geht an Hadi, meinen Fels in der Brandung und Retter in der Not. Ohne ihn würde das Buch nicht mehr existieren. Er war in Rund-um-die-Uhr-Notrufbereitschaft, um zu retten, was noch zu retten ging, wenn ich wieder einmal aus Versehen das Speicherprogramm ausgeschaltet hatte und die Dateien verschwunden oder sogar gelöscht waren.
Besonders bedanken möchte ich mich bei Dr. Ninja Roth, die mich als Lektorin während der Entstehungszeit des Manuskripts begleitete. Mit unendlicher Geduld glich sie meine Unerfahrenheit am Computer aus und machte mir Mut, tiefer in meine Emotionen zu gehen und darüber zu schreiben. Mit viel Toleranz für meinen ungewöhnlichen und oftmals blumigen Schreibstil, der ein Vermächtnis aus der Zeit im Iran ist.
Prolog
Geschrieben habe ich dieses Buch,
um meinen Kindern und all meinen Lieben Einblick zu gewähren in ein verlorengegangenes Paradies. Und auch, damit sie verstehen können, warum ich gehen musste, obwohl ich lieber bei ihnen geblieben wäre;
als eine Hommage an meine große, liebenswerte Familie im Iran, die mich herzlich aufgenommen hat und mich wertschätzte als eine der ihren, und dies immer noch tut, obwohl lange Jahre der Trennung zwischen uns liegen. Von ihnen lernte ich, Schwierigkeiten im Leben mit einer auf Gottvertrauen beruhenden Leichtigkeit und Gelassenheit anzunehmen und zu bestehen;
ebenso als eine Hommage an alle Menschen im Iran, die tief in ihrer Religion und den Traditionen einer hohen, Jahrtausende alten Kultur verwurzelt sind, und diese als wertvoll erachten und pflegen. Auch die einfachsten Menschen tragen die Würde und den Reichtum dieses Erbguts in sich, sodass sie im Einklang mit ihrem Glauben und den Traditionen leben. Wenn ihnen Unrecht geschieht, gegen das sie machtlos sind, üben sie keine Vergeltung, sondern überlassen die Verursacher des Unrechts der Gerechtigkeit Gottes. So bewahren sie sich ihren Seelenfrieden. Was weltweit im Namen Allahs geschieht, hat nichts mit dem Glauben und der Kultur dieser Menschen gemein;
in Dankbarkeit an meinen Schwiegervater, der mir ermöglichte, relativ frei von Konventionen und Dogmen meine religiöse innere Heimat im Iran zu finden, weder als Christin noch als Muslimin, sondern als Gottvertrauende in einer uralten Tradition, Kultur und Atmosphäre. Obwohl ich ihn nur vier Jahre erleben durfte, verdanke ich ihm die vielen glücklichen Jahre mit meinem Mann und den Kindern, in der Geborgenheit einer Großfamilie;
um Mut zu machen, auf die innere Stimme zu hören, die ein Schrei unserer Seele sein kann. Mut, im Vertrauen, dass wir geführt sind, dem Seelenplan zu folgen, auch wenn dieser anders und schmerzhafter sein mag als der eigene Lebensplan mit all unseren Träumen, Wünschen und Hoffnungen. Und den Mut, sich zu wehren, wenn die Seele unter Fremdbestimmung leidet.
Ich habe mich noch einmal auf mein Leben im Iran eingelassen und bin den bereits zurückgelegten Weg wiedergegangen. Ich konnte ihn getrost gehen, denn was geschehen würde, war schon längst geschehen. Dieses Mal war ich am Wegesrand meine eigene Beobachterin. Es war ein anderer Blickwinkel, und ich konnte Einzelheiten klarer und im Zusammenhang mit anderen Ereignissen besser erkennen. Ab und an habe ich meinen Beobachterposten verlassen und war wieder mitten im Geschehen, und ich habe die jeweilige Freude, aber auch den Schmerz einer Situation, unmittelbar wieder erlebt. Manchmal kam ein neuer Schmerz dazu, und manche Freude habe ich intensiver erleben können.
Es ist meine eigene Geschichte, so wie ich sie in Erinnerung habe. Viele Traditionen, Rituale und Gewohnheiten werden abweichen von denen, wie sie in anderen Regionen oder anderen Familien zelebriert werden. Auch die politischen Ereignisse, wie den Umbruch, den Sturz desSchahs, die darauffolgende Islamische Revolution und den achtjährigen Krieg mit dem Irak, habe ich so beschrieben, wie ich sie wahrgenommen und erlebt habe. Das kann von historischen Fakten abweichen.
Ich freue mich, dass Sie den Weg ins Land der Morgenröte mit mir gehen wollen. Lassen Sie sich verzaubern von dem Mythos von 1001 Nacht und fühlen Sie sich willkommen und eingebettet in die Gastfreundschaft und in die Liebenswürdigkeit der Menschen. Dann werden auch die schlimmen und schweren Zeiten, durch die Sie mich begleiten, Ihnen so manches Lächeln abgewinnen.
Sieglinde Maraschi
Glückliche Jahre
Alles, was geschieht und uns zustößt, hat seinen Sinn, doch es ist oft schwierig, ihn zu erkennen. Auch im Buch des Lebens hat jedes Blatt zwei Seiten: Die eine schreiben wir Menschen selber mit unserem Planen, Wünschen,
Hoffen, aber die andere füllt die Vorsehung, und was sie anordnet, ist selten so unser Ziel gewesen.
– Nezami –
– 1 –
Es war mein erster Flug, damals, Mitte Juli 1968.
Ich sitze mit meinem fünf Monate alten Sohn, Reza, in einer Boeing 733 der Iran Air, RichtungTeheran. Die graue Nebeldecke, durch die wir seit unserem Abflug von Frankfurt fliegen, verdichtet meine Flugangst noch mehr. Zweifel kommen auf, ob es die richtige Entscheidung war, ohne meinen Mann, der noch zwei Klausuren schreiben muss, in den Iran zu fliegen. Sein letzter unverheirateter Bruder hatte uns zu seiner Hochzeit eingeladen, und mein Mann sah das für mich als gute Gelegenheit, seine große Familie kennenzulernen.
Meine Gedanken überschlagen sich: „Was wird mich dort erwarten? Was ist, wenn ich mich in der mir fremden Familie nicht wohlfühle oder sie mich nicht akzeptieren? Darf ich meinem Kind, das einen strukturierten Tagesablauf gewohnt ist, diese plötzliche Veränderung zumuten? Was soll ich tun, wenn es krank wird?“ Allein der Gedanke, dass Reza etwas zustoßen könnte, steigert meine Angst ins Unermessliche. Mein Körper fühlt sich an, als wäre er in eine Schraubzwinge gespannt, steif und handlungsunfähig. Mit tränenverschleierten Augen schaue ich auf mein Kind, das entspannt in meinen Armen schläft. Die Wärme seines zarten Körpers und das gleichmäßige, kaum sichtbare und doch spürbare Heben und Senken seiner Bauchdecke beim Atmen wirken beruhigend auf mich. Ich merke, wie meine Anspannung allmählich abfällt und meine Atmung ruhiger wird, bis sie im Einklang ist mit den Atemzügen meines Kindes.
Im selben Moment durchbricht das Flugzeug die Wolkendecke. Der Anblick, der sich mir bietet, ist überwältigend: Licht und Sonne, soweit das Auge reicht! Die Wolken wirken nicht mehr grau und bedrohlich, sondern liegen wie eine weiße und flauschige Schneedecke unter mir und reflektieren das Sonnenlicht. Durch meine Tränen erscheint es in vielen Farben und Facetten und glitzert wie Diamanten. Die unendlich scheinende Weite, wie ich sie von der Luke aus sehen kann, lässt mich ahnen, wie unvorstellbar und unermesslich groß das Universum sein muss. Und auch, wie klein und unscheinbar ich bin, eines von Milliarden Teilchen eines winzigen Staubkorns. Und dennoch wahrgenommen und auf meinem Weg, den ich begonnen habe, geführt und beschützt.
Reza ist wach geworden und lächelt mich an. Zärtlich und dankbar drücke ich ihn an mich und eine Liebe, die größer und stärker ist als alles bisher Erlebte, durchströmt jede einzelne Zelle meines Körpers, bis kein Raum mehr bleibt für meine Zweifel. Ich weiß, dass ich auf Gott vertrauen darf und bin bereit, meinen Weg zu gehen.
– 2 –
Angefangen hatte dieser Weg eineinhalb Jahre zuvor bei einer Faschingsfeier. Ich bereitete mich damals auf das große Staatsexamen als Krankenschwester vor. Während meiner Ausbildungszeit träumte ich davon, nach Kalkutta zu fliegen, um Mutter Theresa zu unterstützen, die sich dort in selbstloser Liebe um die Ärmsten der Armen kümmerte. Ich träumte davon, dass Gott mit mir Großes vorhatte und wollte die Welt verändern, indem ich die Liebe, von der ich lebte, an andere weitergab. Ein Mann und vielleicht sogar ein Moslem, wie er mir dann begegnen und all meine Pläne zunichtemachen sollte, hatte eigentlich keinen Platz in meinem Leben. Dass ich mich dann doch verliebte und diesen Mann auch noch heiratete, war für meine Familie, wie auch für Freunde und Bekannte, die Sensation schlechthin. Für mich war es eine wichtige Erfahrung, dass alles Planen umsonst ist, weil unser Plan, ich nenne ihn Seelenplan, schon lange steht.
Der Mann, der meine Pläne durcheinanderbringen sollte, brachte erst einmal mich durcheinander. Das kam so: Der Herbergsvater eines evangelischen Studentenwohnheims hatte bei unserer Oberin angefragt, ob eine Gruppe Schülerinnen zu einer vorgezogenen Faschingsfeier seiner fünfzehn Studenten kommen könnte. Ich erholte mich gerade von einer kleinen Nasenoperation und verbrachte die meiste Zeit in meinem Zimmer. Deshalb bekam ich von der Aufregung und Vorfreude meiner Mitschülerinnen nicht sonderlich viel mit, bis Esther und Gudrun, die mit mir die Ausbildung machten, wenige Stunden vor der Feier bei mir auftauchten und mich bedrängten, zu dieser Party mitzukommen.
„Wir sind erst elf Mädchen, die zugesagt haben. Die anderen müssen am Wochenende arbeiten und dürfen nicht mitkommen, aber du hast doch frei“, versuchte Gudrun mich dafür zu begeistern.
„Und außerdem wird es dir guttun, hier rauszukommen, du bist ja nur noch mit deiner Arbeit und deinen Büchern beschäftigt“, fügte Esther ein wenig vorwurfsvoll hinzu, „und stell dir vor, wir müssen erst um Mitternacht wieder hier sein!” Ich erinnerte sie daran, dass ich an diesem Tag noch krankgeschrieben war und nicht einfach feiern gehen konnte und bekräftigte meinen Einwand mit dem Kommentar:
„Und ganz ehrlich, ich habe mit Fasching nichts am Hut. Beim letzten Mal, als ich zum Fasching gegangen bin, war ich acht Jahre alt und als Braut verkleidet.”
„Oh, dann machen wir das doch wieder!” Esther ließ sich nicht beirren und ignorierte meinen Hinweis auf meine Krankschreibung. Sie hatte auch gleich eine Idee für mein Kostüm: Aus einem weißen Bettlaken wollte sie schnell ein Brautkleid nähen. Doch mein heftiger Protest bremste sie in ihrer Begeisterung. Sie sah schließlich ein, dass das keine gute Idee war. Die Vorstellung, wie ich damit wohl ausgesehen hätte, eher als Geist, denn als Braut, beides gleich schlimm, löste eine Kettenreaktion von Lachanfällen bei uns allen aus. Mit dem Ergebnis, dass wir uns ernsthaft überlegten, wie wir den Studenten einen Streich spielen könnten.
Irgendwie schafften es die beiden doch noch, mich zum Mitkommen zu überreden. Die Oberin hatte keine Einwände und bat mich nur, gut auf mich aufzupassen. Esther zauberte von irgendwoher ein blau-rotes, glänzendes Minikleid mit Doppelrüschen und dazu passende blaue Strumpfhosen, und Gudrun verwandelte meine schulterlangen Haare mithilfe von Drähten in zwei waagerecht abstehende Zöpfe mit Schleifen. Innerhalb kurzer Zeit war aus einer angehenden Krankenschwester, die große Ziele vor sich hatte, wieder ein Teenager geworden, der die jungen Männer ärgern wollte.
Esther hatte die meisten und lustigsten Vorschläge für Streiche. Sie schubste uns mit ihren Ideen in eine ausgelassene Heiterkeit, die uns dermaßen aufputschte, dass wir völlig überdreht und kichernd im Wohnheim ankamen. Wahrscheinlich wollten wir damit unsere steigende Nervosität verbergen.
Unser Plan, den jungen Männern einen Streich zu spielen, löste sich in dem Moment in Luft auf, als wir ihnen gegenüberstanden und die gegenseitige Begutachtung begann. Ein plötzlicher Stromausfall unterbrach uns dabei. Anscheinend geschah das öfter, denn im Nu brannten viele Kerzen. Gudrun entdeckte eine freie Sitzgruppe in einer Ecke des Saals. Dorthin verzogen wir uns, um das Treiben um uns herum zu beobachten. Das Kerzenlicht schuf eine angenehmere Atmosphäre als zuvor das grelle, die Farben wechselnde Scheinwerferlicht. Wir staunten über Esther, die schon einige Studenten um sich versammelt hatte und diese mit ihrer unbekümmerten, humorvollen Art im dicksten schwäbischen Dialekt unterhielt. Besonders einer unter den Studenten schien ihr zu gefallen, denn sie schäkerte mit ihm und himmelte ihn an. Und das mit einem Augenaufschlag, der filmreif war. So kannten wir Esther nicht und wir fragten uns, wo sie das wohl gelernt hatte.
„Bestimmt nicht von ihrer Mutter!“ Gudruns flapsige Bemerkung verursachte bei uns erneut eine Reihe von Lachanfällen, denn Esthers Mutter war eine ehrwürdige Missionarsgattin.
„Wer bist du denn?“, unterbrach eine angenehme männliche Stimme unser Lachen. Vor uns stand ein hochgewachsener junger Mann in einem glitzernden, weiten Gewand. Um den Kopf hatte er einen Turban geschlungen, der von einem mehrfarbigen Glasstein zusammengehalten wurde. Trotz der spärlichen Beleuchtung konnte ich sehen, dass er wunderschöne, große, dunkle Augen mit langen Wimpern hatte, die mich belustigt anschauten. Ich war wie in seinem Bann gefangen und starrte ihn an und war nicht fähig, ihm zu antworten.
Was in jenen Sekunden in mir ablief, ist schwer zu beschreiben. Ich weiß nur noch, dass es in meinem Kopf klingelte, als wäre ein Glöckchen vom Wind erfasst worden. Und es war mir, als ob ich eine Stimme hörte, die mir sagte, dass dies der Mann sei, den ich heiraten würde. Woher diese Stimme kam, weiß ich bis heute nicht, aber sie war da. Ich war irritiert und fragte mich, warum so plötzlich und aus dem Nichts heraus das Thema Heiraten in meinem Kopf herumspukte. Ich versuchte mir einzureden, dass diese Gedanken wohl Nachwirkungen der Narkose sein mussten. Ja, ich war mir sicher, dass ich mir die Stimme nur eingebildet hatte. Niemand hatte gesprochen, sie war nur in meinem Kopf.
Die jäh aufleuchtenden Scheinwerfer holten mich in die Realität zurück. Ich hatte dem Märchenprinzen keine Antwort gegeben und schaute ihm verwundert nach, als er sich wieder unter die anderen Studenten mischte.
Der Abend begann mit einer Vorstellungsrunde und direkt danach war Damenwahl für den ersten Tanz. Da die Männer in der Überzahl waren, gab es keine Möglichkeit, mich davor zu drücken. Kurzentschlossen ging ich auf den schmächtigsten und kleinsten Studenten zu und bat ihn um den ersten Tanz. Er entpuppte sich als hervorragender Tänzer. Beim ersten Tanz, einem Rock’n’Roll, führte er so gut, dass ich in seinem Tempo mithalten konnte. Ich ließ mich herumwirbeln, als ob meine Gelenke und Knochen aus Gummi wären. Wir tanzten im Laufe des Abends noch öfter miteinander.
Mit dem orientalischen Prinzen tanzte ich bei dieser Feier nicht. Ich versuchte, ihm aus dem Weg zu gehen, denn ich sah in ihm eine Art Widersacher, der meinen Lebensplan durcheinanderbringen wollte. Dabei ahnte ich nicht, dass dieser Mann längst Teil meines Seelenplans war und ich mich meinem Schicksal nicht würde entziehen können. Dennoch ertappte ich mich dabei, wie meine Augen ihn suchten und wie enttäuscht ich war, dass er kein Interesse an mir zeigte. Unter der wachsamen Aufsicht der Herbergseltern verlief der Abend sittsam und in fröhlicher Stimmung und verging viel zu schnell. Kurz vor Mitternacht begleiteten uns die Studenten zum Wohnheim zurück, wo die Oberin uns schon erwartete.
Wegen der anstehenden Prüfungen war ich in den folgenden Tagen abgelenkt und hatte keine Zeit, mich in Tagträumen über den unbekannten Fremden zu verlieren. Der Abend der Faschingsfeier rückte immer mehr in den Hintergrund meiner Gedankenwelt. Langsam verblasste auch die Erinnerung an den Prinzen zunehmend. Ich war überzeugt, dass meine Wahrnehmungen, das Glöckchen und die Stimme, tatsächlich Folgen der Narkose gewesen sein mussten. Dennoch blieb eine innere Unruhe, die ich nicht so recht einzuordnen wusste.
Drei Wochen später bat Gudrun mich um Hilfe. Anlässlich eines Jubiläums unserer Kirchengemeinde sollte ich bei einem Flötenspiel für eine Freundin einspringen, die kurzfristig abgesagt hatte. Ich freute mich, dass Gudrun dabei an mich gedacht hatte, denn Musik war für mich ein Weg, mit dem Universum im Einklang zu sein. Wir benötigten nur einen kurzen Probedurchlauf am Abend vor der Feier. Unsere Aufführung verlief reibungslos und emotional, und der Beifall war entsprechend groß. Nach dem offiziellen Teil der Feier gab es, wie das so üblich ist, Kaffee und Kuchen. Ich war gerade dabei, Zucker in meinen Kaffee zu geben, als jemand sich vor mir verbeugte und fragte:
„Kennen wir uns nicht?” An den Augen erkannte ich ihn: Es war der Prinz von der Faschingsfeier. Und wieder fühlte es sich an, als ob ich in seinen Bann gezogen würde. Wieder fühlte ich mich wie gelähmt. Aus dem Zuckerstreuer rieselte und rieselte es, ohne dass ich es bemerkte. Mit Erstaunen stellte ich fest, dass er auch ohne Faschingskostüm orientalisch aussah, und dass sein Akzent anscheinend echt war und nichts mit seiner Verkleidung zu tun hatte. Ich erinnerte mich wieder an diese Stimme, die mir bei unserer ersten Begegnung eingeflüstert hatte, dass dies der Mann sei, den ich heiraten würde. War ich damals irritiert, so fragte ich mich bei dieser zweiten Begegnung, ob ich dabei war, den Verstand zu verlieren. Wie konnte ich nur auf diese verrückte Idee kommen, dass ich einen Ausländer heiraten würde, der unschwer als solcher zu erkennen war? Außerdem vermutete ich, dass er Moslem war und somit eine gemeinsame Zukunft undenkbar schien.
Meine Kaffeetasse war inzwischen fast gefüllt mit Zucker und der Kaffee lief über den Tisch. Erst als Gudrun, die neben mir saß, mich energisch anschubste und mir den Zuckerstreuer aus der Hand nahm, holte mich die Realität abrupt wieder ein.
Nachdem alles in Ordnung gebracht war, konnte ich den Verursacher dieses Missgeschickes nirgendwo mehr entdecken. So plötzlich, wie er vor mir stand, war er auch wieder verschwunden.
Die Begegnung hatte Spuren in mir hinterlassen. Auf dem Heimweg mit Gudrun war ich schweigsam und nachdenklich. Es beunruhigte mich, dass dieser Typ mich dermaßen aus der Fassung bringen konnte, dass ich sogar die Kontrolle über mich und meine Gedanken verlor. Wie konnte ich daran denken, ihn zu heiraten? Ich hatte doch andere, edlere Pläne! Zudem lag es außerhalb meiner Vorstellungskraft, mit einem andersgläubigen Menschen mein Leben zu verbringen. In welchem Glauben sollten wir unsere Kinder erziehen? Ich erwog, dass er vielleicht gar kein Moslem war. Schließlich wohnte er in einem evangelischen Studentenwohnheim. Und er war auch bei der Feier der Kirchengemeinde dabei. Ich musste mir eingestehen, dass ich mir wünschte, er wäre Christ.
In den folgenden Tagen dachte ich sehr oft an den Mann mit dem Turban. Ich ärgerte mich über mich selbst, dass ich mich verleiten ließ und zumindest in Gedanken dabei war, meine Träume wie Seifenblasen zerplatzen zu lassen. Das durfte nicht geschehen! Ich musste versuchen, ihn zu vergessen. Doch es sollte schon bald eine dritte, auch nicht geplante, Begegnung geben. Wieder war es Gudrun, die eingeladen hatte. Sie wollte im kleinen Freundeskreis Dias von unserem gemeinsamen Frankreichurlaub zeigen. Da im Schwesternwohnheim Männerbesuch verboten war, hatte ihr bester Freund Christoph angeboten, dass wir uns bei ihm treffen. Er hatte uns gefragt, ob er einen Freund dazu einladen durfte. Wir hatten nichts dagegen einzuwenden, zumal der Freund uns allerlei Köstlichkeiten und Gerichte aus seinem Heimatland mitbringen wollte. Wir ergänzten die Runde mit Esther und Saskia. Esther brachte ihren Schönling Rüdiger von der Faschingsfeier mit. Die beiden hatten sich ineinander verliebt und waren seitdem unzertrennlich.
Bei der Begrüßung stellte Christoph uns seine Schwester und seinen persischen Freund Hesam vor. Ich konnte es nicht glauben: Vor mir stand zum dritten Mal der Mann, den ich vergessen wollte. Ich fragte mich, wie das sein konnte, und ob er mich vielleicht verfolgte. Doch er schien genauso überrascht zu sein wie ich. Mein nächster spontaner Gedanke war, die Flucht zu ergreifen und nach Hause zu gehen. Doch was sollte ich als Grund angeben? Ich verwarf den Gedanken wieder und nahm mir vor, ihm ganz normal und höflich zu begegnen. Nur in die Augen durfte ich ihm nicht schauen, um nicht wieder in seinen Bann zu geraten. Zum Glück fiel mir das vorerst nicht schwer, denn Hesam wollte gleich zu Beginn das Essen servieren und verschwand in der Küche. Gudrun schaute mich kritisch an:
„Das war doch eben der Typ vom Gemeindefest, verschweigst du mir etwas? Habt ihr euch hier verabredet?“ Sie schien sichtlich enttäuscht. Einige Tage zuvor hatten wir über diesen Mann gesprochen, weil sie gemerkt hatte, dass irgendetwas mit mir nicht stimmte. Wir waren zu dem Ergebnis gekommen, dass er kein geeigneter Mann für mich war. Obwohl ich selbst nicht mehr an Zufall glaubte, versicherte ich ihr, dass ich rein zufällig wieder in diese Situation geraten war. Gudrun wich an diesem Abend nicht von meiner Seite.
In der Küche hatten viele mitgeholfen und auf dem Küchentisch ein Buffet angerichtet. Wenn das Essen so gut schmeckte, wie es aussah und duftete, versprach es, wie Rüdiger folgerte, ein kulinarischer Hochgenuss zu werden. Es schmeckte allen gut und Hesam erhielt viel Lob.
Nach dem Essen übernahmen Esther und Rüdiger freiwillig den Küchendienst. Saskia und Christoph bereiteten gemeinsam die Gerätschaften für die Diaschau vor. Gudrun und ich übten ein neues Lied mit der Gitarre, und Hesam gesellte sich zu uns. Gudrun fragte ihn, wo er so gut kochen gelernt hatte. Wir erfuhren, dass er im Süden Irans aufgewachsen und fünf Jahre zuvor nach Deutschland gekommen war, um Maschinenbau zu studieren, inzwischen im sechsten Semester. Kochen gelernt hatte er bei seiner älteren Schwester, die ihn auf Deutschland und das Studentenleben vorbereitet hatte. Er erzählte uns von seiner Familie und, dass er der jüngste von zehn Brüdern und zwei Schwestern war. Er betonte, dass seine Geschwister und er alle dieselben Eltern hatten. Er sprach sehr liebevoll von seiner Familie und seine Stimme klang traurig, als er hinzufügte, dass er sie seit fünf Jahren nicht mehr gesehen hatte. Ich schloss daraus, dass ihm seine Familie viel bedeutete.
Mein Berührtsein blieb Gudrun nicht verborgen. Sie kannte mein großes, mitfühlendes Herz und unterbrach unsere Unterhaltung, indem sie Lieder auf der Gitarre anstimmte und dazu sang. So, als ob sie mich von diesem „Exoten“, wie sie ihn nannte, ablenken wollte. Hesam versuchte mitzusingen. Mit seiner angenehmen, tiefen Bassstimme wäre er in jedem Chor willkommen gewesen, hätte er die Töne getroffen! Er sang entsetzlich falsch.
Gudrun verließ uns kurz, um Tee und ihren selbstgebackenen Kuchen zu holen. Ich blieb mit Hesam allein zurück. Schon bei der Begrüßung hatte ich gemerkt, dass an ihm etwas anders war, ich konnte allerdings nicht benennen, was es war. Deshalb fragte ich ihn direkt, ob er an seinem Aussehen etwas geändert hatte. Anstelle einer Antwort nahm er seine Brille ab und lächelte mich an. Das war es, was anders war. Die Brille ließ die Augen viel kleiner erscheinen, als ich sie, ohne Brille, in Erinnerung hatte. Ich konnte sehen, dass er sich der Wirkung dieses Anblicks vollkommen bewusst war und die Situation sichtlich genoss. Er hatte wirklich wunderschöne Augen mit für einen Mann ungewöhnlich langen und dichten Wimpern. Die flache Stirn bildete unter den buschigen Augenbrauen zwei Wülste, welche die Augen noch markanter zur Geltung brachten.
Zurückblickend glaube ich, dass das der Moment war, als ich mich in ihn verliebte und sich unsere Herzen begegneten. Es war auch der Moment, als mein Lebensplan wie eine Seifenblase zerplatzte und sich alle meine bisherigen Träume in Luft auflösten. Heute weiß ich, dass es der Moment war, in dem mein Seelenplan die Führung übernahm.
Da ich nicht mehr in seinen Bann geraten war, konnte ich den Rest des Abends beruhigt genießen. Als Hesam beim Abschied schüchtern sagte, dass er hoffe, mich bald wiederzusehen, hätte ich dennoch am liebsten gleich einen Termin dafür ausgemacht. Doch ich war noch nicht bereit, mir einzugestehen, dass ich mich Hals über Kopf verliebt hatte.
Die folgenden Tage versuchte ich, die Gedanken an ihn zu verdrängen, indem ich noch mehr lernte. Es gelang mir jedoch nicht, mich auf die Inhalte meiner Lehrbücher zu konzentrieren. Er hatte sich in mein Leben eingeschlichen und ich konnte nichts dagegen tun. Einige Tage später kam ein Anruf von Christoph. Nach wenigen einleitenden Worten kam er bald auf den Grund seines Anrufs zu sprechen:
„Du hast doch meinen Freund kennengelernt, den Hesam. Der Arme ist von seiner Freundin versetzt worden.“ Seine Worte trafen mich unerwartet heftig. Hesam, eine Freundin? An diese Möglichkeit hatte ich überhaupt nicht gedacht. Ein bisher unbekanntes Gefühl nagte an mir und versetzte mich in eine Art Abwehrhaltung.
„Und was geht mich das an?“, fragte ich deshalb ziemlich schroff. Daraufhin erklärte mir Christoph, dass die persischen Studenten am kommenden Samstag ihr Frühlings- und zugleich Neujahrsfest, Noruz, feierten und Hesam sich freuen würde, wenn ich als seine Begleitung mitkäme. Christoph und Saskia waren auch eingeladen. Die beiden hatten sich an unserem Diaabend ineinander verliebt. Innerlich jubelte ich, doch natürlich wollte ich mir das nicht anmerken lassen.
„Und warum kann er mich das nicht selbst fragen? Und überhaupt, was bildet er sich ein? Glaubt er wirklich, dass ich als Ersatz für seine Freundin einspringe?“, antwortete ich empört.
Christoph versuchte, die Situation zu retten:
„Ich hätte dir von der Freundin nichts sagen dürfen. Wenn Hesam hört, dass ich daran schuld bin, dass du deswegen nicht mitkommst, gibt es Ärger.“
„Das ist ja wohl euer und nicht mein Problem!“, erwiderte ich patzig. „Seine Freundin wird schon wissen, warum sie ihn verlassen hat. Er ist ein Feigling! Du kannst ihm das ruhig so weitergeben!“ Während ich den Hörer auflegte, tat es mir schon leid. Da wünschte ich mir nichts sehnlicher als ihn wiederzusehen, und bei der ersten Gelegenheit vermasselte ich alles durch meinen Stolz. Ich war überzeugt, dass ich ihn nie mehr wiedersehen würde und war todunglücklich.
Zu meiner Überraschung rief Hesam am selben Abend noch an, um sich zu entschuldigen, dass er Christoph als Vermittler eingeschaltet hatte. Ihm hatte der Mut gefehlt, selbst anzurufen, weil er befürchtete, eine Absage zu erhalten, gestand er mir. Er deutete an, dass er sich schon bei unserer ersten Begegnung in das Mädchen mit den abstehenden Zöpfen verliebt hatte, sich aber nicht traute, mit mir zu tanzen, weil er dachte, ich wäre erst fünfzehn und minderjährig. Im Laufe des drei Stunden dauernden Gesprächs erzählte ich ihm von meinen Plänen und davon, wie ich mir mein Leben vorstellte. Ich ließ durchblicken, dass ich keine Absichten hegte, eine Beziehung einzugehen oder gar zu heiraten. Das Glöckchen und die Stimme verschwieg ich ihm. Mein einziges Zugeständnis war, dass ich ihn wissen ließ, wie sehr ich mich über seinen Anruf und die Einladung freute.
Der Neujahrsempfang war einige Tage später, am 24. März. Seit unserem ersten Treffen im Studentenwohnheim waren fast zwei Monate vergangen. Die Zeit bis zum Wiedersehen erschien mir endlos lang, obwohl wir täglich miteinander telefonierten. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich richtig verliebt. Es fühlte sich anders an als die Schwärmereien meiner Jugendzeit. Ich war keines klaren Gedankens mehr fähig, denn meine Gefühle schlugen Purzelbäume. Hesam holte mich zum verabredeten Zeitpunkt ab. Er musste unten vor dem Wohnheim warten. Die Begrüßung verlief deshalb sehr verhalten: eine kurze Umarmung und zaghafte Küsschen auf die Wangen. Wir vermieden es, uns anzuschauen, weil wir beide nicht so recht wussten, wie wir mit unseren gerade erwachten Gefühlen umgehen sollten.
Die Feier war in einem großen Saal in der Innenstadt, nur wenige Fußminuten vom Wohnheim entfernt. Als wir uns der Veranstaltung näherten, konnte ich beobachten, wie teure Autos vorfuhren. Wunderschöne Frauen in aufwändigen Abendroben und Männer in perfekt sitzenden Anzügen stiegen aus und gingen Richtung Eingang. Nein, die Frauen gingen nicht, sie schwebten. Ihre Bewegungen wirkten auf mich anmutig, grazil und zerbrechlich, trotz des starken Selbstbewusstseins, das sie ausstrahlten. Ich war stehengeblieben, um zu sehen, was noch geschehen würde. Hesam drängte, dass wir weitergingen.
„Die sind fast alle Abgesandte des Schahs. Nicht einmal an unserem Neujahrsfest lassen sie uns in Ruhe, überall ist der Geheimdienst des Schahs, die Savak, gegenwärtig!“ Seine Stimme hatte einen bitteren Unterton. Im Flüsterton sprach er weiter: „Sie schicken ihre Leute, damit die Studenten bei den Ansprachen nichts gegen den Schah sagen. Tun sie es dennoch, werden sie, falls man ihre Identität feststellen kann, bei der nächsten Einreise in den Iran an der Passkontrolle festgenommen und in Gefängnissen gefoltert. Oft bleiben sie für immer verschwunden. Schon im Eingang haben diese Menschenverächter und Götzenanbeter ihre versteckten Kameras platziert. Schau bitte nach unten, wenn wir in der Eingangshalle sind, damit sie uns nicht fotografieren können.“ Ich war irritiert und bezweifelte, ob das, was er mir zuflüsterte, alles so stimmte. Als ein in Freiheit aufgewachsener junger Mensch konnte ich mir das nicht vorstellen. Dennoch schaute ich nach unten, so wie Hesam es mir geraten hatte.
Aus dem Festsaal klang uns persische Musik entgegen. Als man uns nach der Kartenkontrolle die Tür zum Saal öffnete, erschloss sich mir eine andere Welt. Fasziniert nahm ich diesen ersten Eindruck persischer Kultur in mir auf. Ein mehr als hundertfaches Stimmengewirr rollte über uns hinweg, das so dicht war, dass ich es als Rauschen wahrnahm. Auf einer Bühne und überall im Saal tanzten junge Menschen in Unbekümmertheit und mit Anmut zur Live-Musik einer persischen Band. Der Saal war festlich geschmückt und die Gäste saßen an großen, runden Tischen. Einige standen zu unserer Begrüßung auf und mir völlig fremde Menschen überschütteten uns mit Worten und Wangenküssen. Zum ersten Mal hörte ich Persisch. Die Sprachmelodie und der Klang erinnerten mich sehr an die französische Sprache. Die Atmosphäre war geprägt von einer wohltuenden Heiterkeit, und die Luft vibrierte bei so viel fröhlicher Lebendigkeit. Saskia und Christoph hatten für uns zwei Plätze an ihrem Tisch reserviert. Ich war froh, mich durch ihre Anwesenheit nicht ganz so fremd zu fühlen.
Von den vielen Ansprachen verstand ich nichts. Hesam meinte, dass die Redner sehr geschickt politische Themen miteingebracht, aber der Savak keinen konkreten Anlass zum späteren Eingreifen gegeben hatten. Auch die Parolen zwischendurch waren so formuliert, dass sie juristisch gesehen nicht anfechtbar waren. Trotz der beklemmenden Informationen über den iranischen Geheimdienst und dem Gefühl, unter ständiger Beobachtung zu stehen, wurde es ein zauberhafter Abend. Besonders, weil ich verliebt war und dazu noch den Hauptpreis einer Tombola gewann.
Unsere nummerierten Eintrittskarten waren gleichzeitig Lose für eine Tombola. Mithilfe der Losnummern wurden zwei Personen ermittelt, die Fragen über den Iran beantworten sollten. Der Hauptpreis dieses Fragespiels war eine echte Hamadan-Brücke. Wie es der Zufall oder das Schicksal wollte, war ich eine der beiden Personen. Während meiner Schulzeit hatte ich ein Referat über den Iran und ein anderes über den Islam gehalten. Mit dem dafür erarbeiteten Wissen und etwas Glück gewann ich den Hauptpreis. Mein Gegenkandidat war ein Iraner. Nach der Feier rief ich meine Mutter an:
„Stell dir vor, ich habe einen echten Perser gewonnen!” Hesam stand neben mir, die Brücke wie ein Händler geschickt über seine linke Schulter drapiert. Den freien Arm hatte er um mich gelegt. Es war die größte körperliche Nähe, die wir bisher zugelassen hatten. Für mich war es ein unbeschreibliches, noch nie erlebtes Gefühl, auch die Schmetterlinge im Bauch flatterten. Hesams Ergänzung, die er laut in den Telefonhörer rief: „Sie hat zwei Perser gewonnen!”, machte mich unendlich glücklich. Bei meiner Mutter verursachte sie wahrscheinlich vorerst einmal schlaflose Nächte.
Die nächsten Wochen waren wir fast jede Stunde unserer gemeinsamen freien Zeit zusammen. Meistens fuhren wir irgendwohin und machten ein Picknick, obwohl es noch sehr kalt war. Wenn es regnete, bummelten wir Händchen haltend durch die Kaufhäuser. Aus der anfänglichen Verliebtheit wurde innerhalb kurzer Zeit Liebe. Ich merkte es daran, dass ich mir ein Leben ohne diesen Mann nicht mehr vorstellen konnte. Seine vornehme Zurückhaltung, seine Achtung meiner Wünsche, sein Verständnis und seine Geduld für meine Fragen und seine Zärtlichkeit lösten bei mir ein Gefühl von Geborgenheit und Vertrauen aus.
Dennoch hatte ich auch Bedenken, und zwar sehr viele. Unsere verschiedenen Religionen waren eine Barriere, die wir irgendwie überwinden mussten. Vom ersten Treffen an redeten wir sehr viel über unseren Glauben. Das war ein zentrales Thema, denn bevor wir uns auf eine richtige Beziehung einließen, wollte ich unbedingt wissen, wie wir damit umgehen würden.
Eins dieser Gespräche war besonders wichtig. Ich erinnere mich gut daran und will versuchen, es wortgetreu wiederzugeben.
Hesam fiel es schwer, das christliche Bild von Jesus als Gottes Sohn zu verstehen.
„Jesus ist nicht Gottes Sohn! Ihr lästert Gott, wenn ihr das sagt. Gott hat doch nicht mit Maria geschlafen! Außerdem ist Gott allein Gott, ihr aber habt drei Götter!“ Zum ersten Mal erlebte ich Hesam sehr entschieden, fast zornig.
„Das heißt es ja auch nicht“, versuchte ich einzulenken. „Du siehst das falsch.“ Ich erklärte ihm, wie ich die Dreieinigkeit für mich verstanden hatte:
„Gott, Jesus und auch der Heilige Geist sind keine drei Personen. Gott wirkt in uns durch seinen Geist und er zeigt sich uns in Jesus. Gott ist die Liebe, die alles vereint, der Geist und Jesus sind in dieser Liebe. Es ist schwer zu erklären.“
„Ja, weil es so nicht sein kann, weil es so nicht ist“, entgegnete Hesam trotzig.
„Es ist wie mit Wasser, das auch in verschiedenen Formen auftreten kann, als Wasser, als Dampf oder als Eis. Es ist aber dasselbe, nur in anderer Form. So hat man es mir als Kind erklärt.“ Da er nachdenklich zu werden schien, fuhr ich fort: „Gottes Geist wirkt in jedem von uns, er ist das Göttliche in uns, ohne das wir eine leere Hülle wären. Und Gott brauchte Jesus, weil er in Menschengestalt unter die Menschen gehen und ihnen seine Liebe und seine Barmherzigkeit zeigen und sie spüren lassen wollte.“
„Wenn Gott den Menschen etwas sagen wollte, hat er dies durch die Propheten verkündet. Deshalb ist Jesus ein Prophet, aber kein Sohn Gottes! Er ist einer der fünf großen Propheten im Islam: Noah, Abraham, Moses, Jesus und Mohammad. Sie alle sind von Menschen gezeugt und geboren worden. Wir verehren Jesus sehr. Auch Maria, seine Mutter, ist im Islam ein großes Vorbild für Reinheit, schließlich hatte Gott sie als Mutter eines seiner großen Propheten ausgesucht. Fast in jeder unserer Familien gibt es ein Mädchen, das nach ihr benannt ist.“
„Jesus ist mehr als ein Prophet, weil …“, als ob er geahnt hätte, was ich sagen wollte, unterbrach Hesam mich:
„Jesus ist nicht am Kreuz gestorben. Gott braucht keine Blutopfer, um den Menschen zu vergeben! Ihr macht es euch sehr leicht!“
„Das sagst ausgerechnet du? Was ist mit den Millionen von Tieren, die jedes Jahr geopfert werden, wenn in Mekka die große Pilgerreise ist? Wollt ihr bei Gott damit etwas erreichen? Gott lässt sich nicht bestechen. Er hat uns bereits alles geschenkt, bevor wir darum bitten! Warum sollte er von Abraham wollen, dass er seinen Sohn opfert? Das Liebste, das Gott ihm geschenkt hatte? Gott liebt seine Kinder, warum sollte er sie grausam abschlachten lassen? Das war bestimmt nicht Gottes Stimme, die Abraham gehört hat. Die Menschen haben das so weiter überliefert, weil es zur damaligen Zeit in ihren Opfer- und Götzenkult passte.“ Jetzt musste er doch merken, wie widersprüchlich seine Aussagen waren!
Doch er redete unbeirrt weiter: „Du begehst eine große Sünde, wenn du an Gottes Wort zweifelst, die Hölle ist dir gewiss.“ Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen und erwiderte:
„Gott ist ein liebender und kein strafender Gott. Er hat uns die Richtlinien für unsere Entscheidungen gegeben, aber auch die Freiheit, selbst zu entscheiden. Egal, wie wir uns entscheiden, Gott wird uns immer lieben. Die Konsequenzen unserer Entscheidungen sind die Erfahrungen, die wir machen und die uns zu dem Menschen machen, für den wir selbst verantwortlich sind.“ Ich erschrak über meine eigenen Worte, so hatte ich das bisher nicht gesehen. Während ich noch immer fassungslos darüber nachdachte, ob meine Worte ketzerisch waren und woher ich diese „Weisheiten“ hatte, schien Hesam davon nicht sonderlich beeindruckt zu sein. Unbeirrt fuhr er fort:
„Es geht darum, dass Abraham Gott so sehr liebte, dass er auf einen Traum hin bereit war, seinen Sohn Ismael zu opfern. Gott hat dieses Opfer aber nicht angenommen. Stattdessen hat er Abraham angewiesen, ein Tier zu opfern. Mit den Tieropfern in Mekka danken wir Gott für seine Barmherzigkeit“, argumentierte er sehr geschickt.
„Aber ihr opfert sie! Das ist Götzenkult! Stell dir vor, wie jedes Schlachtopfer in seiner Todesangst kämpft und schreit. Die anderen Opfertiere bekommen diese Todesschreie mit, und schon lange, bevor sie an der Reihe sind, verharren sie in Todesängsten. Das ist doch grausam! Tiere haben auch eine Seele! Das würde Gott nie wollen. Und außerdem war es Isaak und nicht Ismael, den Abraham opfern wollte.“ Er ignorierte meinen letzten Einwand und antwortete:
„Dann dürften wir alle kein Fleisch mehr essen. Wir verteilen das Fleisch an die Menschen, die dort leben. Es ist kein Opfer, sondern Nahrung für bedürftige Menschen.“ Ich war sprachlos, das glaubte er doch wohl selbst nicht!
„Wo nehmt ihr für eine Million Lämmer, Schafe, Kamele und Rinder all die Bedürftigen her, und das mitten in der Wüste?“, wollte ich wissen. Er versicherte mir sehr überzeugend, dass alles in riesigen Gefrierhallen gelagert und dann verteilt oder verwertet würde.
„Das schwöre ich dir, in meiner Familie wird nie ein Tier geopfert werden!“ Ich meinte das sehr ernst. Wir diskutierten noch eine Weile über das Thema Ismael oder Isaak. Es erstaunte mich, wie stur er seinen Standpunkt vertrat. Um diesen Disput zu beenden, lenkte ich ein:
„Weißt du, es ist überhaupt nicht relevant, welchen der beiden Söhne er opfern wollte. Wichtig ist die Tatsache, dass er dazu bereit war.“ „Aber es war Ismael, nur der Koran sagt die Wahrheit!“, beharrte er.
Es war ein denkwürdiger Tag mit weiteren, endlosen Diskussionen. Viel früher als geplant, bat ich ihn, mich nach Hause zu fahren. Als Grund gab ich an, mich mit Saskia zum Lernen verabredet zu haben. Sehr nachdenklich verabschiedete ich mich von ihm. In der Nacht fand ich keinen Schlaf. Meine anfänglichen Bedenken wurden zu Befürchtungen und diese machten mir Angst. Die Sturheit im Festhalten seines Glaubens und seine Intoleranz gegenüber meinem Glauben ließen Zweifel aufkommen: War er wirklich der richtige Mann für mich? Der Mann, den mein Seelenplan für mich bestimmt hatte? Wie konnte meine Seele das wollen? Wie konnte Gott das wollen? So konnten wir nicht miteinander leben.
Ich brauchte Klarheit über meine Gefühle und Klarheit darüber, was ich wollte, und ob das im Einklang mit meiner Seele war. Ich brauchte eine Auszeit. Als er am nächsten Tag anrief, um sich mit mir zu verabreden, sagte ich ihm, dass ich nach den Gesprächen des Vortages Abstand brauchte. Ich bat um eine zweiwöchige Bedenkzeit, in der wir uns nicht treffen und nicht miteinander telefonieren sollten und begründete diese mit den widersprüchlichen Gesprächen vom Vortag, die mich sehr nachdenklich gestimmt hatten. Hesam schien überrascht zu sein und sagte, eine Beziehung müsse solche Diskussionen aushalten können. Er meinte, er brauche das nicht, weil er wüsste, dass ich die Frau sei, mit der er sein Leben verbringen wollte. Er willigte dennoch ein, als er realisierte, dass es mir ernst war. Er schien sich seiner Sache sehr sicher zu sein.
Meine Arbeit lenkte mich in den folgenden Tagen ab. Es waren die Nächte, in denen ich mit Gott haderte. Ich warf ihm vor, mir diesen Mann zugedacht und uns zugleich große, unüberwindbare Steine in den Weg gelegt zu haben. Ich war enttäuscht und wütend. Auf Gott, auf Hesam, auf mich und alle, die sich Sorge um mich machten. In meiner freien Zeit verkroch ich mich im Zimmer und starrte auf das Telefon, das schwieg. Es ging mir nach sechs Tagen schlechter als zu Beginn der Auszeit. Bei der Arbeit war ich unkonzentriert. Es musste etwas geschehen. Doch was konnte ich tun?
– 3 –
Mein Blick fiel auf das Bild meiner Patentante, das auf meinem Schreibtisch stand. Vierzehn Jahre zuvor war sie mit ihrer Familie nach Amerika ausgewandert und hatte mir zum Abschied dieses Bild geschenkt.
„Ach, Tante, wenn du jetzt hier wärst, du wüsstest Rat“, seufzte ich, und eine tiefe Sehnsucht nach ihr wollte mir mein Herz zerreißen. Es war, als ob ich ihre liebe, vertraute Stimme hörte: „Und wenn ich Kummer hatte, bin ich zu meinem Baum gegangen.“ Sollte das schon eine Antwort sein? Meine Gedanken schweiften vierzehn Jahre zurück. Meine Tante hatte beobachtet, wie sehr ich unter dem bevorstehenden Verlust litt. Bei meinem letzten Besuch bei ihr waren wir an einem von hohen Bäumen umsäumten Bach entlanggegangen. Ich hatte sie angefleht, nicht nach Amerika zu gehen, weil da so viel Wasser zwischen uns war und ich sie nicht besuchen konnte. Ihr Versprechen, dass ich über das Wasser ja fliegen und ganz schnell bei ihr sein konnte, hatte meine verzweifelte Kinderseele nicht erreichen können. Was sie mir dann noch sagte, hatte sich mir eingeprägt und mich durch mein Leben begleitet:
„Ich weiß, wie das ist, wenn man traurig ist, denn ich bin ja auch traurig, mein Mädchen. Aber wenn du immer nur traurig bist, dann wird die Traurigkeit so groß wie ein Berg und du kannst dich nie mehr freuen und fröhlich sein. Und alle werden mit dir traurig sein, auch ich. Weißt du, was ich, als ich so alt war wie du, gemacht habe, wenn ich Kummer hatte, den ich niemandem anvertrauen konnte? Ich bin zu meinem Baum gelaufen und habe ihm mein Herz ausgeschüttet.“ Sie erzählte mir noch, wie sie mit ihrer Freundin Lisa den Baum ausgesucht und wie er ihr geholfen hatte.
So einen Baum, der so hoch war, dass er dem lieben Gott meine Geheimnisse ganz leise ins Ohr flüstern konnte, wollte ich auch haben. Ich wusste auch schon, wo er stand: In der Nähe meines Elternhauses an einem Waldrand. Er war mir aufgefallen, weil er alle anderen Bäume überragte. Auch sein Stamm war anders. Er hatte eine glatte, helle Rinde, im Gegensatz zu der borkigen und dunkelbraunen Rinde der anderen Bäume. Ich erzählte meiner Tante von dem Baum, und dass er so hoch war, dass sie ihn von Amerika aus sehen konnte. Sie nahm mich in die Arme und versprach mir, dass wir immer im Herzen verbunden blieben, weil der Baum uns mit dem lieben Gott und miteinander verbinden würde: „Der liebe Gott und dein Schutzengel sind immer bei dir, vergiss das nie.“
Nur schwer kann ich mich von der Erinnerung an meine Patentante lösen. Drei Monate bevor sie starb, mehr als sechs Jahrzehnte nach ihrer Auswanderung, arrangierte ihre Tochter ein erstes Wiedersehen von uns beiden in Amerika. Es war ein sehr bewegendes und emotionales Wiedersehen, bei dem wir viele Gemeinsamkeiten entdeckten. Endlich konnte ich ihr Danke sagen. Danke für ihre Liebe, mit der sie mich in den gemeinsamen acht Jahren so reich beschenkt hatte, dass diese Liebe all die Jahrzehnte als leuchtender Stern mir Wegbereiter und Wegbegleiter war. Endlich konnte ich Danke sagen für ihr wertvolles Vermächtnis, das sie mir an jenem Tag auf meinen Lebensweg mitgegeben hatte, als sie mir von ihrem Kummerbaum erzählte. Endlich konnte ich ihr sagen, dass die Erfahrungen meiner Kindheit, die mit dem Kummerbaum verknüpft waren, prägend und hilfreich für meine Entwicklung und später, als ich ohne den Baum auskommen musste, für mein ganzes Leben waren. Wie an jenem Tag, als ich nicht wusste, welche Entscheidung ich treffen sollte und mir war, als ob meine Tante mich indirekt aufforderte, in die Natur und zu meinem Baum zu gehen. Das machte ich dann auch.
Bei strahlendem Sonnenschein radelte ich eine Stunde später auf den vertrauten Wegen meiner Kindheit. Es war ein guter Entschluss. Mit jedem Tritt in die Pedale wurde mir leichter ums Herz und jeder Atemzug trug dazu bei, dass das Chaos in meinem Kopf sich allmählich beruhigte und lichtete. Schon von Weitem sah ich ihn: hochgewachsen, beständig und über alles erhaben stand er da. Seine Krone neigte sich im Wind in meine Richtung, als ob er mich begrüßen und mir seine Freude zeigen wollte. Wie schon als Kind setzte ich mich unter ihn und lehnte mich an seinen Stamm. Über mir brach die Sonne in Tausenden von Strahlen durch das Blattwerk. Es schien, als ob sie aus einer gebündelten und sehr intensiven Lichtquelle direkt über dem Baum kommen würden. Als Kind dachte ich, das Licht über dem Baum wäre mein Schutzengel. Seither verband ich alles Himmlische mit Licht.
Die magische Energie meines Baumes und die Schattenspiele der Lichtstrahlen bewirkten, dass ich innerlich still wurde. Ich war im Einklang mit meiner Seele und im Frieden mit mir selbst. Wie lange ich so gesessen hatte, weiß ich nicht. Erst als ein plötzlich aufkommender, starker Wind in rasantem Tempo dunkle Wolken vor sich hertrieb, merkte ich, dass sich über mir ein Gewitter zusammenbraute. Ich bedankte mich bei meinem Baum und fuhr, so schnell ich konnte, vom Wald weg. Den Gedanken, bis nach dem Gewitter bei meinen Eltern, die in der Nähe wohnten, unterzukommen, verwarf ich wieder. Ich wollte an dem Tag nicht an Hesam denken und schon gar nicht über ihn reden. Ich wollte einfach nur wieder zur Ruhe kommen, um mit klaren Gedanken meine Entscheidung zu treffen. Vielleicht schaffte ich die sechs Kilometer bis zum Wohnheim noch im Trockenen.
Das Gewitter konnte ich vorerst hinter mir zurücklassen. Als es mich dann doch noch einholte, kam ich gerade an meiner alten Schule, einer Klosterschule, vorbei. Die an das Kloster angrenzende Kirche stand zum Glück offen und ich ging hinein. Gerade noch rechtzeitig, denn die Wetterlage hatte sich zugespitzt. Ein Sturzbach ergoss sich vom Himmel und Donner und Blitz folgten schon dicht aufeinander. Wie in meiner Schulzeit setzte ich mich in die hinterste Bankreihe, die damals den wenigen evangelischen Schülerinnen vorbehalten war. Auch wir Evangelischen hatten jeden Morgen vor Unterrichtsbeginn an der katholischen Frühmesse teilnehmen müssen. Mir machte das nichts aus. Im Gegenteil: Die immer gleichen Rituale, die eucharistische Wandlung und der wunderschöne, liturgische Gesang der Nonnen schufen eine mystische Atmosphäre, in der ich mich wohlfühlte.
Der Wettlauf mit dem Gewitter hatte mich erschöpft. Ich war entspannt, fast schläfrig. Die Gedanken zogen unbeachtet vorbei, in mir war es leer und still. In diese Stille hinein hörte ich mich sagen: „Herr, sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“ Es war ein Gebet, das damals zu den Ritualen der Frühmesse gehörte. Ich nannte es das Vertrauensgebet. Sollte das etwa ein Zeichen sein? Was wollte es mir sagen? Ich spürte, wie mein Herz sich weitete, wie Frieden mich erfüllte, wie ich im Universum versank und nur noch Liebe war. Mit Klarheit erkannte ich, dass meine Seele geschützt war und dass ihr nichts geschehen konnte, was ich nicht selbst wollte. Ich musste nur vertrauen. Auch erkannte ich, dass ich Hesam wirklich liebte. Meine Liebe war größer und stärker als alle Bedenken und Ängste. Ich hatte eine Antwort erhalten, ohne gefragt zu haben. Was geschehen sollte, würde geschehen.
Als das Gewitter vorbei war und auch der Regen aufgehört hatte, machte ich mich auf den Heimweg. Die Luft war rein und klar, alles sah sauber und wie neu erschaffen aus. Am Himmel waren noch einzelne Regenwolken zu sehen, die nach Osten abzogen. Die Sonne durchflutete sie mit ihrem Licht, nichts deutete mehr auf das heftige Gewitter hin. Plötzlich entstand vor meinen Augen ein Regenbogen. Wunderschön, in zarten Farben, ein Wunderwerk der Natur. Es schien, als wollte er mir eine Brücke bauen, von West nach Ost, und an seinem höchsten Punkt sah es aus, als ob er den Himmel berührte und mir eine Botschaft von dort mitbringen wollte. Ich fühlte mich von einer schweren Last befreit und war mir sicher: Wir würden einen gemeinsam begehbaren Weg finden. Einen Regenbogenweg, auf dem auch Platz war für unsere unterschiedlichen Farben! Schließlich war der Gott, an den wir beide glaubten, der EINE Gott. Am liebsten hätte ich Hesam noch am selben Abend gesagt, dass alles gut war, aber ich musste auch ihm genügend Zeit zum Nachdenken lassen. Deshalb nutzte ich die restlichen Tage zum Lernen.
– 4 –
Dass Hesam seine Entscheidung längst getroffen und die Zeit für andere Dinge genutzt hatte, wurde mir bei unserem ersten Treffen nach der Bedenkzeit bewusst. Er holte mich pünktlich zum verabredeten Zeitpunkt ab. Wir hatten am Vorabend kurz miteinander telefoniert und ausgemacht, einen Waldspaziergang zu machen und uns auszusprechen. Doch er hatte eine Überraschung für mich: Er war aus dem Studentenwohnheim in eine kleine Privatwohnung in der Altstadt umgezogen, die er mir zeigen wollte.
Zum ersten Mal erhielt ich Einblick in den persönlichen Bereich des Mannes, den ich liebte. Ich war angenehm überrascht! Mitten in Darmstadt hatte er sich ein Stück Heimat geschaffen. Mit bunten Kissen, einem kleinen Teppich und einem echten Schaffell hatte er sein Bett zu einer gemütlichen Sitzecke verwandelt. Darüber hing eine persische Kupferlampe, deren Licht zauberhafte Reflexe und Schattenspiele auf Wände und Decke warf. In das Kupfer waren nach alter Handwerkskunst filigrane, ausgetriebene Ornamente eingearbeitet, die diese Lichteffekte hervorriefen. Farblich abgestimmte bunte Tücher und Decken mit orientalischen Mustern waren überall im Zimmer verteilt. In einem Samowar, einem Teekocher, blubberte Wasser vor sich hin.
Hesam zündete Teelichter an, die er vorher schon verteilt hatte. Ich hatte noch kein einziges Wort gesprochen, so überrascht war ich. Er steckte mir bereitgelegte Margeritenblüten ins Haar, kniete vor mir nieder und stellte die Frage aller Fragen: „Willst du meine Frau werden?“
Alles in mir jubelte: „Ja, ich will!“, aber ich war wie in Trance und nicht fähig, zu antworten. Hesam holte eine kleine Schachtel mit zwei schlichten, goldenen Ringen aus seiner Jackentasche und wir tauschten diese gegenseitig aus. Als er mich anschließend küsste, wehrte ich mich nicht. Das deutete er als Zeichen meines Einverständnisses und als Zustimmung.
„Jetzt sind wir verlobt. Das ist so gut wie verheiratet“, meinte er glücklich.
Die Erinnerung an diesen denkwürdigen und magischen Moment zaubert mir nach all den Jahren ein Lächeln ins Gesicht. Ich fühle die Liebe und das Glück, wie sie mich damals durchströmten, und weiß, es war der richtige Weg für mich. Das macht es mir leichter, dieses Buch authentisch, ohne Bitterkeit und ohne Schuldzuweisungen zu schreiben.
Es berührte mich zutiefst, wie er sich bemüht hatte, mir einen romantischen Antrag zu machen. Einerseits war ich glücklich darüber, andererseits fühlte ich mich überrumpelt, denn wir hatten noch nicht über unsere Auszeit gesprochen. Ich hatte zwar irgendwann auf einen Heiratsantrag gehofft, aber nicht an diesem Tag. Deshalb gab ich ihm zu verstehen, dass ich mir nichts sehnlicher wünschte als seine Frau zu werden, dass aber bis zu meiner endgültigen Entscheidung noch einige Punkte abzuklären waren. Hesam schien nachsichtiger gestimmt. Auch ihm hatte der Abstand Zeit zum Nachdenken gegeben. Er war bereit, mir Zugeständnisse zu machen und versprach mir, dass ich auch als seine Frau meinen Glauben leben und, falls es die Möglichkeit geben sollte, in eine Kirche gehen und in einem Chor mitsingen durfte, denn das war ein Teil meiner Wünsche. Juristisch gesehen, würde ich in meinen neuen, persischen Papieren Muslimin sein, in meinem Herzen würde ich jedoch immer Christin bleiben, davon war ich überzeugt.
Schon vor der Auszeit war ich damit einverstanden gewesen, dass wir im Iran leben würden. Das war für Hesam wichtig, weil er sich als jüngster Sohn um die Eltern kümmern wollte. Dafür versprach er, dass ich mit unseren Kindern jedes Jahr die drei Monate Sommerferien in Deutschland verbringen könnte. Der nächste wichtige Punkt, den wir damals besprochen hatten, betraf die religiöse Erziehung unserer Kinder. Im Islam werden die Kinder eines moslemischen Vaters schon als Moslem geboren und dürfen in keiner anderen Religion erzogen werden. Hesam meinte, dass diese Regelung im Iran auch vom Gesetz her so festgelegt wäre.
„Die Liebe Gottes ist nicht begrenzt auf Dogmen, Konventionen und Religionen. Sie ist für alle Menschen gleich“, versuchte ich meine noch existenten, unausgesprochenen Zweifel zu beruhigen. Ich dachte, dass Gott einen Grund haben wird, wenn er mich auf einen anderen als den von mir geplanten Weg schickte und mich mit einem Moslem zusammenführte. Solange der gemeinsame Mittelpunkt in unserem Leben Gott war, wäre ja alles gut, sagte ich mir. Ich dachte an den Regenbogen und war mir sicher, dass wir mit unseren unterschiedlichen Wurzeln auf einem gemeinsamen Weg gehen konnten. In gegenseitiger Achtung, er als Moslem, ich als Christin. Einen Weg, auf dem mit viel Großzügigkeit Raum und Akzeptanz für die beidseitigen Wurzeln wäre. Meistens würden sich die Wurzeln vereinen, wie im Alltag, in Gemeinsamkeiten, in Freude und in Leid. Oder wenn wir die unterschiedlichen Festtage gemeinsam feierten. Es müssten aber auch genügend Freiraum und Toleranz sein, bestimmte Wegstrecken allein gehen zu können, wie im Gebet und in der eigenen Meinungsfreiheit. So wie zwei unterschiedliche Bäume auch in Harmonie nebeneinanderstehen und einander ergänzen, indem sie Rücksicht aufeinander nehmen. Auch ihre Wurzeln sind verschieden, aber die Erde, die ihnen festen Halt und Nahrung gibt, ist dieselbe. Die Liebe Gottes, die uns allen gleich geschenkt ist, würde uns verbinden. Der erste Schritt auf diesem Weg waren an jenem Abend unsere Verlobung und mein Jawort.
Zwei Tage später erzählte Hesam mir, dass Verlobte im Iran oft gleichzeitig mit der Verlobung ein Sigheh eingingen, damit sie sich treffen durften. Das wäre eine Art zeitlich begrenztes Ehegelöbnis vor Gott. Zeitlich begrenzt, so erklärte er mir, bedeutete, von einer halben Stunde bis neunundneunzig Jahre. In unserem Fall würde die Zeitehe bis zur standesamtlichen Trauung gelten. Hesam sagte auch, dass wir dieses Gelöbnis in gegenseitigem Einverständnis selbst ablegen konnten, Gott brauche keinen Zeugen. Ich müsste nichts anderes tun, als die von ihm vorgesprochenen, persischen Worte nachzusprechen. Ich wollte wissen, was diese Worte bedeuteten. Hesam versicherte, dass es die gleichen Worte wie bei einer normalen Eheschließung waren, jedoch anstelle der „ewigen Ehe“ die genaue Angabe der Dauer angegeben werden musste.
Ich war mir sicher, dass ein Eheversprechen vor Gott unserer Beziehung eine besondere Wertigkeit geben würde, und ich entschied mich, es in meiner Muttersprache abzulegen. In einer kleinen feierlichen Zeremonie gaben wir uns das gegenseitige Versprechen. So wurden wir vor Gott zu Mann und Frau. Durch dieses Gelöbnis blieb Hesam den Gesetzen des Islam treu, die besagten, dass eine geschlechtliche Beziehung nur in einer Ehe erlaubt war. Ich war glücklich und träumte von nun an nicht mehr von Kalkutta, sondern von einem Leben im Iran mit dem Mann an meiner Seite, den ich liebte.
Mein soziales Umfeld reagierte auf unsere Heiratsankündigung sehr distanziert und unterschiedlich. Einige meiner Freundinnen und Bekannten versuchten, mich davon abzuhalten.
„Du kennst ihn doch noch gar nicht richtig! Du bist verliebt und siehst alles nur durch die rosarote Brille. Warte wenigstens bis nach dem Examen, gebt euch noch etwas Zeit!“, gab Gudrun zu bedenken. Sie konnte nicht verstehen, dass ich nicht warten wollte.
„Weißt du, was für Zustände in Persien herrschen? Die essen noch vom Boden!“, warnte eine Bekannte mich. „Ja, ich weiß und sie essen sogar noch mit den Fingern und alle aus einem Topf!“, ergänzte ich gereizt. Warum konnten sie mir mein Glück nicht gönnen? Meine Oberin machte sich ernsthaftere Sorgen um mich:
„Sie kennen sich gerade einmal drei Monate, da kann man doch nicht wissen, ob man ein Leben lang zusammenbleiben möchte! Das wird nicht gutgehen!“, meinte sie. „Wollen Sie wirklich auf all Ihre Träume und Ideale verzichten? Sie sind Christin, er ist Moslem, in welchem Glauben wollen Sie Ihre Kinder erziehen? Und glauben Sie mir, er wird Sie unterdrücken, sobald er wieder in seinem Land ist!“ Ich versuchte, sie davon zu überzeugen, dass Hesam ein guter Mensch war, aber sie konnte ihn nicht akzeptieren und versuchte immer wieder, mich umzustimmen. Ich war traurig und enttäuscht über die Reaktionen der Menschen in meinem Bekannten- und Freundeskreis.
Meine Mutter war die Einzige, die keine großen Bedenken zeigte. Sie vertraute wahrscheinlich meiner Anpassungsfähigkeit, die sie mir in jahrelanger Erziehung beigebracht, ja, fast übergestülpt, hatte. Sie ahnte damals nicht, dass sie mir damit ein geeignetes Fundament für mein Leben im Iran mitgegeben hatte. Außerdem hatte Hesam ihr Herz im Sturm erobert. Er sah gut aus, war charmant, gebildet, gut erzogen. Ich glaube, der Gedanke, dass ich im Iran in seinen Händen wohl besser aufgehoben war als irgendwo allein in Afrika bei Albert Schweitzer oder in Indien bei Mutter Theresa, war ausschlaggebend für ihre augenblickliche Zuneigung zu meinem zukünftigen Mann. Wo es nur ging, verwöhnte sie ihn. Vielleicht hoffte sie auch, dass er es sich bis zum Ende seines Studiums noch überlegen und doch in Deutschland bleiben würde.
Mein Vater hingegen war skeptischer. Anfangs mochte er Hesam nicht besonders. Wenn die beiden sich unterhielten, benutzte er absichtlich die Kommunikationssprache, die man allgemein den ausländischen Hilfsarbeitern zuordnete. „Du nix verstehen von Arbeit, du gehen Uni“, um nur ein Beispiel zu nennen. Er nahm seinen zukünftigen Schwiegersohn nicht ernst. Für ihn war ein Mann erst dann ein Mann, wenn er mit ihm ein Bier trinken konnte. Hesam jedoch verabscheute Alkohol. Meine Bitte, mit Hesam normal zu sprechen, ignorierte er mit den Worten: „Ich sage nichts mehr, aber du wirst es noch sehen!“ Ich vermutete, dass er einfach nur ein wenig eifersüchtig war.
Der Wendepunkt kam, als sein heißgeliebtes Auto nicht mehr anspringen wollte und es definitiv nicht an der Batterie lag. Wir waren gerade zu Besuch bei den Eltern und Hesam bekam die Chance, seinem Schwiegervater zu imponieren, denn von Autos verstand mein Vater nichts. Hesam hingegen hatte in einer Autowerkstatt ein einjähriges Praktikum absolviert. Mit einem geübten Blick auf den Motor fand er die Ursache schnell heraus und konnte das Problem beheben. Das beeindruckte meinen Vater sehr und von da an benutzte er eine kumpelhafte Sprache, wenn sie über Autos und später dann auch über andere Dinge redeten. Die Krönung war, dass Hesam ein Privileg bekam, das sonst keinem anderen Menschen zuteilwurde: Er durfte das Auto meines Vaters fahren. Vielleicht auch, weil er mich vor einer „Landung in der Gosse“ bewahrt hatte. Mein Vater war Kriminalhauptkommissar und überängstlich, was seine Töchter betraf. Bei der kleinsten Überschreitung seiner Regeln sah er Sodom und Gomorrha über uns alle hereinbrechen und meine Schwester und mich in der Gosse landen.
Meine Eltern stellten nur eine einzige Bedingung: Ich sollte zuerst noch meine Ausbildung beenden, bevor wir heirateten. Das schriftliche Examen war trotz der Ablenkung durch Hesam für mich sehr gut ausgefallen. Vor mir lagen noch drei Monate Einsatz in der Chirurgie mit praktischer Prüfung. Die Bitte meiner Eltern stand unseren eigenen Plänen in nichts entgegen, da auch wir vorhatten, erst nach meiner letzten Prüfung zu heiraten.
Es war klar, dass es sich auf eine standesamtliche Trauung beschränken würde. Eine kirchliche Trauung kam für Hesam nicht in Frage. Er schilderte sehr überzeugend, dass er damit als Moslem Probleme bekäme. Da meine Pläne in eine ganz andere Richtung gegangen waren, bevor ich ihn kennenlernte, hatte ich nie davon geträumt, einmal eine Braut zu sein. Ich war überzeugt, dass Gott uns seinen Segen gegeben hatte, indem er uns zusammenführte. Was bedurfte es da noch einer kirchlichen Trauung?
Wenn ich auf den Schmerz achte, der sich beim Schreiben dieser Zeilen in mir ausbreitet, hat mir das mehr ausgemacht, als ich mir damals und all die Jahre über eingestehen wollte. Es war die erste große, wenn auch unbewusste Lüge in unserer Beziehung. Meine Erinnerung holt eines ihrer lang gehüteten Geheimnisse hervor und konfrontiert mich in meinem Beobachterposten damit. Es ist ein Traum, den ich im Iran oft hatte. Nur im Traum ließ ich die Sehnsucht nach meinen Wurzeln zu. Nur im Traum konnte ich vor dem vertrauten Altar stehen, an dem ich getauft und konfirmiert wurde, und vor dem wir als Jugendgruppe jedes Jahr an Weihnachten ein Krippenspiel aufgeführt hatten. Ganz allein stand ich da, in einem weißen Kleid und bekam den Ehesegen. Ich lasse den Schmerz zu und die Tränen, die ich nie weinen konnte, können endlich fließen. Es ist, als ob Schmerzen und Tränen sich wie Balsam um die gerade geöffneten Wunden legen. Sie dürfen jetzt heilen.
Kurz nach unserem islamischen Ehegelöbnis wurde ich schwanger. Wir kannten uns seit vier Monaten und waren seit sechs Wochen ein Paar. Die Schwangerschaft brachte unsere Pläne zwar etwas durcheinander, aber wir freuten uns sehr auf unser Kind. Meine Mutter war glücklich, es war ihr erstes Enkelkind. Sie bat uns, die Hochzeit vorzuverlegen. Als Grund gab sie an, dass mir das gerade gekaufte Hochzeitskleid dann nicht mehr passen könnte. Ich vermutete, dass es ihr eher um das Gerede der Nachbarn ging. Zwei Monate früher als ursprünglich geplant, bestellten wir das Aufgebot beim zuständigen Standesamt in Darmstadt. Es war das Jahr 1967, das Jahr, in dem im Iran unter der Herrschaft des Schahs das Familienrecht radikal reformiert wurde.