Wie kommt das Glück in den Kopf? - Gerald Hüther - E-Book

Wie kommt das Glück in den Kopf? E-Book

Gerald Hüther

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Beschreibung

Alles, was Groß und Klein über das Glück wissen wollen

Felix und Feline begeben sich auf eine Entdeckungsreise: Wie ist es, in einer Tätigkeit voll und ganz aufzugehen? Selbstwirksamkeit, Gestaltungsfreude und Verbundenheit – so kann echtes Glück aussehen! Die beiden machen sich aber auch auf Spurensuche, warum so viele Erwachsene die Fähigkeit verlieren, glücklich zu sein und unbeschwert im Moment zu leben. Liegt es an unserer schnelllebigen Welt? Daran, dass uns Raum und Zeit fehlen? Wo in unserem Alltag ist Platz zum Spielen und Erkunden, zum Lernen und Denken, für Zugehörigkeit und Geborgenheit?

Die Geschichte von Felix und Feline lädt uns ein, über das Glück nachzudenken und neu zu entdecken, wo wir es finden.

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Seitenzahl: 68

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Feline wickelte das Bonbon aus dem Papierchen. Mmmmh – ihre Lieblingssorte. Sie schob es genüsslich im Mund hin und her. Wenn sie länger lutschte, wurde das harte Bonbon weich – und wenn sie dann etwas fester zubiss, entlockte sie dem Bonbon eine zitronensaure, prickelnde Brause. Für wenige Sekunden fühlte es sich an, als hüpfe die Brause auf ihrer Zunge.

Feline strich das Bonbonpapier glatt. Hellblaues Papier mit gelben Zitronen darauf. Zitronen … das erinnerte sie an den Urlaub auf dem Campingplatz in Italien. Da standen viele Zitronenbäume, auch Bäume mit Orangen. Und mit – Feline zog die Stirn kraus – was waren das noch mal für andere Früchte? Sie sahen aus wie kleine grüne Zitronen und erinnerten sie an ihre Freundin Mette. Ah! Genau! Limetten gab es dort auch. Ein ganz besonderer Urlaub war das dieses Jahr. Und er war ihre eigene Idee gewesen. Sie selbst hatte ihrer Mama vorgeschlagen, zusammen mit ihrem besten Freund Felix und seinem Vater zu verreisen.

Bis zuletzt, bis sie in das gepackte Auto gestiegen waren, hatten Felix und Feline nicht geglaubt, dass aus ihrer Urlaubsidee etwas werden würde. Fast ein Jahr hatte es gedauert, bis aus dem Vorschlag eine echte Reise werden konnte.

Feline erinnerte sich an die vielen Einwände und Sorgen ihrer Mama:

Was wäre, wenn sie sich mit Felix’ Vater nicht verstehen würde? Was wäre, wenn Felix und Feline sich plötzlich nur streiten würden? Was wäre, wenn die Waschräume auf dem Campingplatz schmutzig sein würden?Was wäre, wenn sie im Zelt nicht gut schlafen könnte und furchtbare Rückenschmerzen bekommen würde? Was wäre, wenn keiner sie verstehen würde, weil sie kein Italienisch spricht?

»Was wäre, wenn …« – irgendwann hatte Felix genervt gesagt: »Und was wäre, wenn wir es einfach probieren würden?«

Feline summte vor sich hin. Seit diesem Schuljahr besuchte sie Freitagnachmittags eine ganz besondere Arbeitsgruppe. Bis zum Schuljahresende sollten sie ein eigenes Lied für ihre Schule schreiben, einen Schul-Song nach der Melodie der »Vogelhochzeit«. Seitdem Feline in der AG war, fielen ihr dauernd Texte zur Melodie ein, zum Beispiel jetzt.

Sie sang halblaut vor sich hin:

Was wär’, wenn ichs probieren würde?

Ginge dann die Welt kaputt?

Nein, das tut sie nicht, nein, das tut sie nicht,

nein, das tut sie wirklich nicht.

Feline schluckte den Rest des Brausebonbons hinunter. Wie schön und fröhlich ihre Mutter in Italien in ihrem roten Wickelkleid ausgesehen hatte. Selbst über ihre Rückenschmerzen hatte sie während des ganzen Urlaubs kaum geklagt, obwohl sie doch auf einer Luftmatratze und nicht in ihrem bequemen Bett schlief.

Richtig glücklich hatte sie sich mit ihrer fröhlichen Mama gefühlt. Ihre Mama hatte sie auch viel öfter als sonst in den Arm genommen, manchmal sogar schon morgens beim Frühstück. Abends wurde manchmal ein Lagerfeuer angezündet. Dann kam eine kleine Band aus dem Dorf ans Feuer – eine Sängerin, ein Gitarrenspieler und eine Klavierspielerin. Die Kinder tanzten, und ihre Mama hatte im Rhythmus der Musik hin und her gewippt. Felix’ Papa hatte sie sogar einmal zum Tanzen aufgefordert, aber Felines Mama hatte den Kopf geschüttelt.

Seltsam, dachte Feline, dass Erwachsene so viele Bedenken-Gedanken haben oder so schnell Nein sagen, bevor sie etwas Neues ausprobieren. Und dabei sagen sie manchmal selbst: »Probieren geht über Studieren.«

Feline wusste, was der Spruch bedeutete. Ihre Sportlehrerin hatte ihn ihr erklärt. »Es ist zum Beispiel leichter, einen Handstand auszuprobieren und immer wieder zu üben, als ein Buch darüber zu lesen«, hatte sie gesagt. Das hatte Feline sofort eingeleuchtet. Ein Buch darüber zu lesen, wie man einen Handstand macht, anstatt einfach loszulegen … Das wäre wirklich zu blöd.

Feline schnupperte noch einmal an dem Bonbonpapier. Es roch ganz schwach nach Zitrone. Sie beschloss, es zu behalten. Vielleicht konnte sie ja etwas anderes darin einwickeln? Feline öffnete die Schublade ihres Schreibtisches. Sie nannte sie »Schatzlade«. Schublade kam von schieben, das war ja klar, aber langweilig, fand sie. In der Schatzlade sammelte sie ihre Schätze: getrocknete Rosenblätter und Glitzersteine, Muscheln, vierblättrige Kleeblätter und einen Marienkäfer aus Glas. Nachdenklich guckte sie in ihre Schatzlade: Was könnte sie in das Bonbonpapierchen einwickeln?

Einwickeln. – Wie immer, wenn Feline ein Wort merkwürdig vorkam, begann es plötzlich in ihrem Kopf zu tanzen. Einwickeln, auswickeln, Babys wurden gewickelt, Kinder sollten sich entwickeln. Es gab Wickelkleider wie das, was ihre Mama im Urlaub getragen hatte. Und machte ihre Oma nicht manchmal Krautwickel? Unter den Krautblättern war dann das eingewickelte Fleisch versteckt. Feline schüttelte sich. Krautwickel mochte sie nicht.

Dann musste sie lachen. Vielleicht sind Erwachsene ja auch eingewickelt, und sie wissen es nur nicht? Vielleicht versteckte sich ja in jedem Erwachsenen ein geheimnisvoller Schatz? Ihre Oma und ihr Opa waren jedenfalls zwei solche Schätze. Manchmal sagte ihre Mutter sogar »Goldschatz« zu Oma.

Feline entschied sich, den kleinen weißen Kieselstein in das Bonbonpapier einzuwickeln. Nur Feline wusste, warum gerade dieser Kieselstein in der Schatzlade lag. Sie legte das »Bonbon« zu den Glitzerglanzbildern, die ihre Oma ihr geschenkt hatte.

»Manches Alte kommt zurück«, hatte ihre Oma gesagt und erzählt, dass sie früher, als sie so alt wie Feline war, mit ihren Freundinnen solche Glitzerglanzbilder getauscht hatte. In Zigarrenkisten hätten sie die Bilder gesammelt. »Und stell dir vor«, hatte sie gesagt und dabei gestrahlt, »gestern habe ich in der Buchhandlung am Marktplatz genau solche Glanzbilder gesehen.«

Feline fand die Bilder zwar etwas kitschig, aber sie freute sich über die Freude ihrer Oma. Und die Freude eines anderen sollte man nie kaputt machen. Da war Feline sehr energisch, seitdem sie im Urlaub mitbekommen hatte, wie Eltern über die Freuden ihrer Kinder etwas Schlechtes sagten. Zweimal hatte sie das in Italien erlebt.

Einmal am Strand: »Das soll eine Sandburg sein? Das sieht ja aus, als hätte ein Hund einen Haufen gemacht«, hatte ein Vater zu seinem kleinen Sohn gesagt.

Und einmal auf dem Campingplatz: »Du hast dir einfach ein Eis schenken lassen? Das ist heute schon das zweite. Du wirst schon sehen, nachher hast du Bauchschmerzen, und dann können wir dich nicht mit in die Stadt nehmen, und dann musst du alleine auf dem Campingplatz bleiben …«

Feline ging diese Szene nicht mehr aus dem Kopf. Das kleine Mädchen, das am Kiosk ein Eis geschenkt bekommen hatte, hatte so geweint. Es hätte nicht viel gefehlt, und Feline wäre voller Zorn zum Nachbarzelt gegangen und hätte gesagt, man solle doch wegen einer kleinen Kugel Eis nicht so ein Theater machen. Aber ihre Mama ahnte wohl Felines Gedanken und hatte sie mit einem Blick angesehen, an dem Feline ablesen konnte, dass sie es lieber lassen sollte.

Feline wusste, dass auch ihre Mama Mitleid mit dem Mädchen hatte. »Wie kann man nur so lieblos mit einem Kind umgehen?«, hatte sie zu Felix’ Papa gesagt und den Kopf geschüttelt. Dieser hatte genickt und dann mit den Schultern gezuckt. »Da können wir uns nicht einmischen«, hatte er geantwortet.

Trotzdem … Bis heute war Feline nicht sicher, ob sie sich nicht doch hätte einmischen sollen. So ganz bei sich dachte sie, dass sich dieses »Nicht-Einmischen« ein wenig nach »Sich-nicht-Trauen« anhörte. Wenn sie groß wäre, würde sie sich jedenfalls einmischen, wenn jemand lieblos mit einem Kind umging, das hatte sie sich fest vorgenommen. Und um sich auch später noch daran zu erinnern, hatte sie schnell einen kleinen weißen Kieselstein aufgehoben und ihn in ihre Hosentasche gesteckt. Jetzt lag er als verkleidetes Bonbon in der Schatzlade.

Feline schaute auf ihre Uhr. Noch eine Stunde, bis Felix bei ihr vorbeikommen würde. Seit er die weiterführende Schule besuchte, hatte er erst am späteren Nachmittag Zeit. Das schien ihm aber nichts auszumachen. Jedenfalls wirkte er glücklich in der neuen Klasse. Vor allem, weil er dort gute Freunde gefunden hatte. Das war ihm wichtig. Felix wurde oft erst so richtig lebendig, wenn er mit vielen Freunden unterwegs war. Bei Feline war das ein bisschen anders: Sie dachte manchmal, dass für sie ein einziger Freund wie Felix schon Glück genug war. Viele Freundinnen zu haben, fand sie hin und wieder ganz schön anstrengend.