Wie man einen Menschen hat - Mau T. T. Miau - E-Book

Wie man einen Menschen hat E-Book

Mau T. T. Miau

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Beschreibung

Das meiste an aktueller Katzenliteratur ist schlichtweg Schund: Weltraumkatzen, genetische Superkatzen, Kater-Detektive oder übersentimentale Geschichten, zuweilen auch reichlich Mord und Totschlag, geistern durch die Bücher. Nur Weniges wird den geliebten Fusselbacken wirklich gerecht. Dieses Buch ist anders. Man erlebt in feinsinnig verknüpften Zeitebenen die hinlänglich belegte Tatsache, dass Katzen uns Menschen seit vielen Jahrhunderten begleiten. Und es wird erzählt unter ganz eigenen, nämlich kätzischen Gesichtspunkten! - Danke. Eure belesene und langjährige Katzenfreundin Sissi Puh, was’n Buch! Ein historischer Roman, dessen Schreiber Katzen, Menschen und Würmchen mag und wunderbar einen an der Waffel hat. Alles Gute für das Buch, Lisa “Lady Gi”, eine Menschenkatze, die später nicht zu ihrer Aussage stehen wollte und die überhaupt anonym bleiben will: Durch diesen Katzen-Porno fährt man wie auf einem Fahrrad mit viereckigen Rädern! (Kater Mau hierzu: “Frech wie Kater Oskar, diese Katze!”) Lieber Kater Mau, was Du geschrieben hast, hat mir sehr gut gefallen. Daher meine Frage: Geht es weiter, gibt es einen zweiten Teil, wie sich aus dem Titel zu ergeben scheint? Kathrin Ein spannender historischer Streifzug durch die skurrile, liebenswürdige Welt der Katzen!! Liebe Grüße von Jutta, Pädagogin i. R.

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Seitenzahl: 434

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Ähnliche


Für meine Mama und Tante Beck’s

Inhalt

Ein etwas längerer Prolog

Teil I: Im Nest meiner Kindheit

Mama und die Babytraumzeit

Mama und die Welt der Welpen

Tante Beck’s und unsere Katzenschule

Geheimnisse

Papa

Abschiede

Mein Mensch?

Zeitreise zu Katze Anna

Ende der Zeitreise zu Katze Anna

Mein Mensch!

Zeitreise zu Kater Murr

Ende der Zeitreise zu Kater Murr

Zeitreise nach Venedig (Karneval und Casanova)

Ende der Zeitreise nach Venedig (Karneval und Casanova)

Zeitreise zu Opa Jacob (Casanovas Geheimnis)

Ende der Zeitreise zu Opa Jacob (Casanovas Geheimnis)

Aufbruch

Ein etwas längerer Prolog

Ciao-miau, werte Menschenkatzen!

Ciao-miau, werte Menschenkater!

Ciao-miau, liebe Menschenwelpen (ab 12 Jahren)!

Mein Mensch wird oft gefragt, wie es kommt, dass ich als ›sein Kater‹, der Autor von Erzählungen und Gedichten, ja sogar Komponist von Liedern sein kann. Also zunächst mal: Ich bin nicht der Kater meines Menschen, sondern der hat das Glück, bei mir Mensch sein zu dürfen, und zwar als mein lernbereiter Schüler und williger Diener, endlos geduldiger Gespiele und mich umsorgender Schmeichler. Ich danke es ihm natürlich gebührend – allerdings ohne es zu übertreiben.

Und in diesem wunderbaren Verhältnis zueinander haben wir auf Grund meiner offensichtlich einzigartigen genetischen Ausstattung, aber auch dank der vielfältigen, wenn auch manchmal etwas sonderbaren Begabungen meines Menschen, in relativ kurzer, aber intensiver Entwicklungsarbeit etwas Geniales erreicht: nämlich eine einzigartige Form von umfassender, vielschichtiger Kommunikationsvernetzung zwischen uns beiden, die eigentlich nur als sensationell bezeichnet werden kann.

Oder einfacher ausgedrückt: Irgendwann hatte sich mein Mensch zum Dialogmedium qualifiziert!

Ich werde über die Entstehung und Verfeinerung dieses außergewöhnlichen Phänomens und über die Entwicklung seiner Zweckbestimmung in der später folgenden Erzählung bei sich zeigenden Gelegenheiten noch im Einzelnen zu berichten haben.

Für den Augenblick soll hier nur das Grundlegendste und für Sie, meine lieben Leser, das vielleicht Erstaunlichste erwähnt sein: Trotz des lauten Getöses menschlicher Kommunikation und trotz der besonderen Fähigkeit der Menschen, ihre Gedanken durch Schriftzeichen, die ich ›Das Gekringel‹ nenne, aufzubewahren (hübsch formuliert und geordnet), ist die Sprache der zweibeinigen Tiergattung nur ein winziger Teil des tatsächlich stattfindenden, allgegenwärtigen Signalaustausches in der uns allumgebenden Natur.

Der normal entwickelte, gemeine Mensch allerdings bekommt davon nur das Offenkundige mit, wie das Zwitschern der Vögel in Sträuchern und Bäumen um ihn herum, das Bellen der Hunde vorm Haus, das Blöken seiner Nutztiere in den Ställen oder das ferne Brüllen der Wildtiere in ihren Territorien (neben einigen anderen ›geheimnisvollen‹ Geräuschen der Nacht).

Hierzu gehören natürlich auch das Rufen, Fauchen und Knurren als die hörbaren Ausdrucksformen von uns großen und kleinen Katzentieren, entweder draußen in der Respekt einflößenden Wildnis seines Fernsehbildschirms oder in seiner persönlichen Nähe, die für uns kleinere Samtpfoten mit der besonderen Menschenvorliebe unwiderstehlich einladend ist. Deshalb miauen wir Katzen auch besonders gern in Anwesenheit von Menschen. – Und um unseren Wunsch nach dem Bündnis mit einem speziell Auserwählten unter ihnen auszudrücken, wenden wir für unseren oft etwas begriffsstutzigen Zweibeiner sogar ein ganz exklusives Hinweiszeichen an: unser kätzisches Schnurren. Dieses sanfte, aber unüberhörbare Sondersignal mit seinem deutlichen Geräuschpegel ›Je lieber, desto doller‹ wurde uns Katzen in frühester Kindheit von unseren Mamas beigebracht und dürfte nur wirklich emotional Schwerhörige verfehlen. Und je besser der Mensch im Laufe der Zeit unser Schnurren verstand, desto selbstverständlicher haben wir, unsere Zweifüßer liebenden Katzenvölker, ihn als Menschenkatze, Menschenkater und Menschenwelpen in unserem Empfinden verinnerlicht.

Meine Tante Beck’s, die von mir aus Welpenzeiten sehr geliebte und über alles verehrte Erzieherin, hat übrigens zeit ihres Lebens versucht, und versucht es wohl heute noch, die Ursachen dieser geheimnisvollen Schicksalsverbindung zwischen Katzen und Menschen zu ergründen. Und von der Lust an diesem Hobby muss ich selbst auch einiges abbekommen haben.

Im Gegensatz zu den bellenden Antikatzen, die den Menschen ganz klar als den vom Hundegott vorgegebenen Führer ihres Rudels sehen, ist es bei uns Katzen und Einzelgängern bislang ein ungelöstes Rätsel geblieben, aus welchem genauen Grunde wir vor unendlich langer Zeit die Hälfte unserer Freiheit freiwillig an ein anderes Tier abgegeben haben. War es ein ausgeprägter Hang zur Bequemlichkeit? Oder die Neigung zu einer besonderen Form von Eitelkeit, sich einen eigenen (oder sogar mehrere) Menschen ›zulegen‹ zu können? Ja, meinten unsere kätzischen Vorfahren vielleicht sogar, es genüge – bei Notwendigkeit oder spontanem Bedarf nach Wildheit –, wenn wir als so genannte Hauskatzen uns jederzeit innerhalb einer Millisekunde vom Schmuser zum Scheucher, vom Knuddler zum Killer, von der Fuggelkralle zur Todespranke zurückverwandeln könnten? – Immerhin ist daran einiges wahr, oder? Fragen Sie die Mäuse!

Tante Beck’s hat zur Auflösung dieses Katze-Mensch-Mysteriums bereits manche anstrengende Zeitreise in das endlose Universum aller kätzischen Erinnerungen, kurz: Gedächtniskollektiv, unternommen und dort auch schon einige Indizien für ein Höheres Katzentum, wie sie es nennt, entdeckt, das in uralten Zeiten mit dem Menschentum in ganz enger, ganzheitlicher Verbindung gestanden haben soll.

Ach ja, das Erinnerungskollektiv … Zeitreisen … das Höhere Katzentum … Ich sehe, ich verliere mich in Dinge, die ich erst später erzählen wollte. Zumal zur Aufklärung der geheimnisvollen Ursachen für die Katze-Mensch-Symbiose noch reichlich mehr unternommen werden muss. Und weil ich auch das ahnungsvolle Gefühl habe, dass Tante Beck’s hierbei noch meiner Unterstützung bedarf. – Ich kralle also besser den Faden meiner bisherigen Erläuterungen wieder auf; wir waren ja beim Thema ›Die Vielfalt der Kommunikation in der Natur – ahnt der Mensch überhaupt etwas?‹ stehen geblieben.

Die meisten von Ihnen, meine lieben schnurrophilen Katzenversteher, werden sicherlich mit den vielen verborgenen Mitteilungszeichen Ihrer eigenen Gattung und denen Ihrer näheren tierischen Verwandten in Haus und Hof vertraut sein, die oft sogar ohne ein hörbares Signal funktionieren. So werden Sie auf ganz selbstverständliche Weise bei Mensch und Tier auch die äußeren Anzeichen von Freude und Wohlbefinden, Trauer und Schmerz lesen und unterscheiden können. Und selbst bei Pflanzen und in der ›unbelebten‹ Natur gibt es Ausdrucksformen, die Rückschlüsse darauf zulassen, ob das Wesen oder die Wesenheit sich wohl fühlt oder nicht. Wie Sie vielleicht sogar wissen, schreiben manche Forscher einigen Gewächsen sogar unterschiedliche außersinnliche Wahrnehmungen zu, beispielsweise bei Musikdarbietungen oder Bedrohungen. Spötter ironisieren das zuweilen als ›graue Zellen beim Grünzeug‹.

In jedem Fall werden die sensiblen Gemüter unter Ihnen nicht nur das Leiden einer verwelkenden oder verletzten Pflanze oder die stumme Anklage an den Schnittstellen eines gefällten Baumes erahnen, sondern auch die Qual in den Fratzen abrutschender Berghänge und die Traurigkeit im Geröllbett eines sich zurückziehenden Gletschers erspüren können.

Aber genug von den Selbstverständlichkeiten! Ich hatte Ihnen, meine geduldigen Leser, ja etwas von einem für Sie kaum erahnbaren Umfang von Signalaustauschen in der allgegenwärtigen Natur angedeutet und auch davon, dass ich und mein Mensch hierbei einen sensationellen, genialen und, sofern ich weiß, bisher von nur ganz wenigen erreichten Wundergipfel erklommen haben. Jedenfalls, was die vielschichtige Wesensvernetzung zwischen uns zwei Katern, also dem Katzenkater und dem Menschenkater, betrifft.

In der Hauptsache handelt es sich hierbei um etwas für uns Tiere ganz Alltägliches, Normales und Selbstverständliches, zumindest für die meisten unserer Arten. Allerdings leider auch um etwas, das der gemeine Mensch wohl während seiner so genannten Höherentwicklung fast vollständig verlernt und verloren hat, nämlich den banalen telepathischen Austausch von Gedanken.

Was beispielsweise uns Katzen betrifft, so dreht es sich hierbei praktischerweise meist um Bilder, Geräusche, Gerüche, Gefühle und dergleichen, aber zuweilen auch um Gesamtmitteilungen, wie zum Beispiel: »Ich habe Hunger und gehe jetzt zurück in meinen Menschenbau«, oder: »Ich habe Lust zum Jagen oder Spielen oder Schmusen oder Anstarren«, oder: »Ich möchte jetzt allein sein.« Auch Grunderkenntnisse wie: »Dich könnte ich gelegentlich mögen«, oder: »Dass ich auf deinem Territorium bin, interessiert mich nicht; denn ich bin stärker als du!«, werden als telepathische Einheiten im Ganzen vermittelt.

Natürlich gefällt es uns hierbei zuweilen, den Austausch unserer Gedanken mit Körpersignalen oder durch Katzensprache zu ergänzen, wobei zum Beispiel ein ausgiebiges Angähnen des Telepathiepartners als gönnerhafter Vertrauensbeweis zu verstehen ist oder ein drohendes Knurren aus den Tiefen des Brustraumes als eine deutliche, mit Androhung von Prügel verbundene Verstärkung des telepathischen Hinweises, beim Liebesspiel mit einer rolligen Katze nur Zuschauer dulden zu wollen.

Da bei uns diese Gedankenbilder, Seelenzustände und telepathischen Gesamteinheiten überhaupt nicht nach Menschenart formuliert zu werden brauchen und ihre Übertragung, unabhängig von der Entfernung, moment-identisch erfolgt, verbraucht diese Art der Verständigung überhaupt keine Zeit. Allerdings erscheinen uns die Gedanken von in der Nähe befindlichen telepathischen Austauschpartnern ›vordergründiger‹ als die aus der Ferne.

Beim Senden von Botschaften ist es ähnlich; um zum Beispiel weit entfernte kätzische Freunde oder Verwandte zu erreichen, bedarf es ein bisschen der Konzentration und des ›deutlicheren‹ Ansprechens, am besten mit einer bildlichen Vorstellung von unserem letzten Zusammentreffen. – Um allerdings einen (eigentlich ja längst verstorbenen) medialen Ansprechpartner für eine Zeitreise in die Vergangenheit erreichen zu können, hat man sich mit geschlossenen Augen zu konzentrieren und mit ›lauten‹ Gedankenrufen, hinein in das unendlich groß erscheinende mystische Universum aller kätzischen Erinnerungen, respektvoll die Erfüllung seiner besonderen Wünsche zu erbitten.

Meinem Menschen sind leider (oder für ihn: zum Glück?) lebendige Zeitwanderungen durch das Gedächtniskollektiv von uns Katzen bisher nicht möglich, ganz zu schweigen von Reisen in die Vergangenheit seiner eigenen Gattung. Aber immerhin kann ich ihm meinerseits davon telepathisch berichten. Statt eigener Vergangenheitsreisen kann mein Mensch jedoch auf das immerhin nicht unbedeutende Literatur-›Gekringel‹ vieler seiner Artgenossen (wie gesagt: hübsch formuliert und geordnet) zurückgreifen oder sich auf eine der verfügbaren Zeitreisen seines Fernsehbildschirms begeben (die, wie ich weiß, seltsamerweise auch in die Zukunft gehen können).

Mit etwas Willenskraft kann übrigens auch ich das gesammelte Wissen meines Menschen – sofern brauchbar – zu Hilfe nehmen, indem ich in den Vorstellungen in seinem Kopf ›herumkrame‹. Genauso kann ich auch Dinge durch seine Augen sehen, wenn ich mich leicht konzentriere; besonders mag ich das, wenn ich mich in der Nähe meines Menschen zum Dösen gemütlich zusammengerollt habe und mir innerlich mit anschaue, was er gerade betrachtet. Sollte er dabei in einem gebundenem Blätterstapel mit ›Gekringeltem‹ lesen, so schmökere ich gelegentlich über seine bildlichen Vorstellungen mit. Sollten dann darin zufällig Katzen vorkommen, wird es meist sehr lustig. Wie kann man sich über uns nur so viele komische, völlig abwegige oder auch selbstverständliche Gedanken machen!

So ist und bleibt meinem Menschenkater und mir das wichtigste Wunder unseres Lebens: die telepathische Verbindung zwischen zwei verschiedenen Tiergattungen. Wodurch es wohl ermöglicht wurde? – Lassen wir später auch in dieser Frage meine gute Tante Beck’s spekulieren!

Jetzt werden Sie, meine sicherlich schon eine ganze Weile ungläubig dreinschauenden, mir aber hoffentlich weiterhin wohlgeneigten Leser, sich schon längst gesagt haben: »Grau ist alle Theorie, jetzt aber bitte mal ein paar praktische Beispiele!«, und vielleicht würden Sie nach Art meines Menschen anfügen wollen: »Aber ein bisschen rucki-zucki!!«

Nun gut. Die Praxis liegt mir als jungem, aber gestandenem Katzenmann sowieso besser.

Also plaudere ich zunächst mal ein wenig über meine unmittelbare Lebenswirklichkeit:

Ich, der von seinem Menschen Mau genannte Kater, wohnhaft in seinem Bau bei den Hinterhöfen einer großen Menschensiedlung in der Nähe eines breiten Flusses, verstehe beispielsweise die Sprache meiner liebsten Spielkameraden, also der Vögel und Mäuse, überhaupt nicht. Weder ihre hörbare noch telepathische; denn es herrscht strikte kommunikative Artentrennung! So kann ich zwar ihr aufgeregtes Geschrei und klägliches Gefiepe deuten, auch ihre gedanklichen Bewegtheiten und seelischen Befindlichkeiten erahnen, aber Genaueres ist mir bedauerlicherweise nicht ergründbar. Und wie gern würde ich ihnen doch so manches Mal zum kulinarisch bedingten Abschied meine Anerkennung für die Lieferung eines fairen Kampfes ausdrücken!

Anders ist dies bei meinen eigenen Artgenossen. Schon wenn ich frühmorgens die Balkonstiege mit den kleinen Querbalken von meinem und meines Menschen Bau verhaltenen Schrittes – jedoch fast immer mit stolz erhobenem Schwanz – zum Dach des Fahrradschuppens hinunterschreite, erreichen mich erste, klare Wahrnehmungen: Zunächst ist es meist das verinnerlichte Bild von dem gleichaltrigen, gelbbraun getigerten Kater ›Möhrchen‹ (wie ihn seine beiden Menschenkatzen Gabi und Natascha genannt haben), die Erinnerung an seinen Duft, der Status seiner Gefühlslage, die telepathische Mitteilung, ob er hungrig und durstig ist oder satt, die Geneigtheit, mir zum gegenseitigen Anstarren und telepathischen Austausch begegnen zu wollen oder, wenn es noch dunkel ist, mich zu einem gemeinsamen Katersingen auf der Gartenmauer zu bitten. Manchmal haben wir auch Lust, uns ein bisschen zu prügeln.

Wo er gerade inmitten des Hofgebüsches und des Grünbewuchses steckt, weiß ich meist sofort durch telepathische Ortung, und unseren Treffpunkt vereinbaren wir auf gleichem Wege, eventuell mit der Übertragung eines Bildes – meist vom Garagendach, von einer der Grenzmauern zwischen den Hinterhöfen oder vom Garten seiner Menschenweibchen. Ob er mich zugleich von irgendwoher beobachtet oder mich und meine Absicht, auf den Hof zu kommen, nur telepathisch aufgegriffen hat, ist dabei unbedeutend; denn zum einen spielt es für unser weiteres Leben keine Rolle, zum anderen wird es sich sowieso bald darauf herausstellen.

Parallel zu Möhrchens Begrüßung empfange ich auf dem Weg zum Hofgang noch andere Gedankensignale, die ich nach Klärung der Rendezvous-Angelegenheit mit ihm dann in nachrangiger Reihenfolge der Wichtigkeit abarbeite: Der ängstliche kleine Schwarze-mir-ähnlich-Sehende-aber-ohne-weiße-Schwanzspitze macht sich leise bemerkbar, der Alles-markierende-rostbraunhaarige-Möhrchenähnliche will mich über die Asphaltstraße in den Park locken, obwohl ich ihm bereits oft genug (natürlich telepathisch) mitgeteilt habe, dass allzu häufige Fahrbahnüberquerungen Ärger mit meinem Menschen bringen würden, und ein kleines weißes Katzen-Etwas hinter den Büschen am Ende des schmalen Verbindungsweges zum gegenüberliegenden Parkeingang meldet sich zaghaft und sagt, es sei auch noch da.

Eine Verpflichtung, sich telepathisch bemerkbar zu machen, besteht natürlich nicht, und so bemerke ich Carlo, den riesigen, langhaarigen, schwarz-weißen Perserkater mit dem grimmigen Gesicht meist erst, wenn ich an seiner hinteren Terrasse vorbeigehe. Ob er vorgeben will, er gehöre einer anderen Tiergattung an? Wie dem auch sei – wir spielen sehr gern zusammen, meist Verfolgungsjagd.

Und dies alles läuft ab vor dem akustischen Hintergrund eines allgemeinen, leisen und nur durch genaues ›Hinhören‹ auseinanderzuhaltenden, telepathischen Gedankengewirrs – das wir Katzen zum Glück auf Wunsch auch ausblenden können, wenn es uns einmal stören sollte.

Erhielte ich in diesem Fall allerdings eine direkte, also persönliche Telepathie-Ansprache, also zum Beispiel von meiner Mama, Tante Beck’s oder meinem Freund Felix (alle wohnen mit ihren Menschen weit entfernt), so würde die gedankliche Innenwelt für mich sofort wieder gegenwärtig werden. Gerade so, als forderte mich ein weiches, warmes, lecker-saftiges Vögelchen direkt neben mir plötzlich mit lautem Zwitschern zum Spielen auf.

Natürlich ist die telepathische Kommunikation nur eine Art Gedankenüberbau für das tägliche Hinterhofleben und die mannigfaltigen Expeditionen in dessen Geheimnisse. Hierüber werde ich mich im später folgenden zweiten Teil meiner Aufzeichnungen auslassen, den ich Im Bau meines Bipeden genannt habe, selbstverständlich wieder, als meine Leser wissen Sie es ja: via Gekringel von hilfreicher menschlicher Pfote.

Wenn ich schon bei praktischen Beispielen bin, hier noch ein Wort zu den außersinnlichen und sonstigen Umgangsformen zwischen mir und meinem Menschen.

Also: Ich glaube sagen zu können, dass mir die Erziehung meines Menschen ganz passabel gelungen ist – dank meiner soliden Ausbildung von Seiten meiner Mama und meiner Tante Beck’s im Katzennest meiner Geburt. Mehr darüber werden Sie, meine geschätzten Leser, im jetzt sofort und stehenden Pfötchens folgenden Teil 1 meines Berichts erfahren, der schlicht mit Im Nest meiner Kindheit benannt ist. Er handelt in weiten Teilen von einem sehr praktischen Unterricht für vier Katerwelpen in der gründlichen Einschätzung und Beurteilung von Menschen, in der erfolgreichen Gewinnung von Zweibeinern und im späteren dauerhaften, artgerechten Haben, Halten und Behalten des auserwählten Exemplars.

Der einzigartige telepathische Kontakt speziell zwischen mir und meinem Menschen, als Angehörige zweier sich nahestehender, aber immerhin verschiedener Gattungen, war spontan von Anfang an gegeben. Er musste aber, da weder ich noch mein Mensch darauf vorbereitet waren, erst Schrittchen für Schrittchen in seiner Tatsächlichkeit entdeckt und vorsichtig weiterentwickelt werden.

Besonders herausfordernd war hierbei nicht so sehr die Übermittlung von Bildspuren, Empfindungen und Wünschen, sondern die Übertragung telepathischer Inhalte in Gekringel; denn trotz allen ausdrucksreichen Miauens und Schnurrens, Fauchens und Knurrens gibt es keine direkte Übersetzung von verbaler Katzen- in Menschensprache. Und umgekehrt können wir Katzen eigentlich nur an den stimmlichen Nuancen dessen, was der Mensch verbal so von sich gibt, erraten, was er vielleicht meinen könnte. Die gefühlsträchtigen »Oooh, wie niedlich!«‚ »Ja, wo isser denn?«‚ »Nu guck doch mal: Bautz!« und »Mein Gott, oooch nee …« sind einige leichte, allerdings wenig ruhmreiche Beispiele hierfür.

Das sah anfangs bei mir und meinem Menschen nicht anders aus. Natürlich konnte auch ich mit einiger Übung auf Katzenart sofort im Kopf meines Menschen nach Gedanken stöbern, und alles lief völlig einseitig und normal. Bis ich bemerkte, dass dieser Mensch offensichtlich begann, auch in meinen Gedanken zu lesen. – Unfassbar! Mein Mensch! Nur leider wollte er zunächst nicht wahrhaben, dass die Bilder, Gefühle, Gerüche, Geräusche und Zeichen, die er von mir am Anfang nur ganz schwach empfing, tatsächlich von ›seinem‹ Kater Mau kamen, dem Katzenkater also, ich kann es nicht oft genug sagen, der in Wirklichkeit ihn als seinen Menschen auserwählt hatte.

Glücklicherweise fing der nun allmählich damit an, nach Katzenart in den verschiedenen Nuancen zu miauen, auch mal zu knurren oder zu fauchen und vor allem – wie rührend! – zu schnurren. Und weiter ging es mit Näschenstupsen und Kopf-an-Köpfchen-Reiben.

Aber ich verliere mich schon wieder. Bis später in Teil 2!

Nur zur Sicherheit: Dass mein Mensch derjenige ist, der meine Gedanken in dem für seine Gattung typischen Gekringel niederschreibt, ist Ihnen, meine liebe Lesergemeinde, doch sicherlich bereits aufgegangen. Oder?

Was ihm aber die ganze Zeit dabei recht schwerfällt, ist das Mäulchenhalten. Nicht, dass er seinem ›Meister‹ Mau gegenüber widerborstig werden wollte. Nein, was ihn so unruhig macht, ihn des Öfteren rucken und zucken lässt, ist das angeblich Unvollständige, Ungenaue, Ungeordnete, das er mit seinem Menschenkopf sehr gern so ergänzend aufkringeln möchte, dass alles in der von ihm gewohnten Weise verkompliziert wird. Also, wie ich immer gönnerhaft sage, ›hübsch formuliert und geordnet‹.

Aufmerksamen Lesern wird es sicherlich keine Schwierigkeiten bereiten, diese gelegentlichen Textstellen zu entdecken.

Wenn ich es aber richtig überdenke, werde ich am besten meinem Menschen hin und wieder erlauben, während seines Übersetzungsgekringels meiner telepathischen Botschaften auch eigene Anmerkungen zu machen. Schließlich hatte er mich ja zu meiner Arbeit angespornt und mich auch überredet, vor einen engeren Kreis der literarischen Öffentlichkeit zu treten.

Nicht verschwiegen werden darf im Zusammenhang mit meiner ›Eigenkringelei‹ meine Motivation auch durch ein berühmtes Vorbild, das als menschlicher Kringler eine wunderschöne Geschichte über die vier Katzen schrieb, deren Mensch er sein durfte – und den ich zusammen mit meiner Tante Beck’s auf einer Zeitreise besuchte. Ich werde später noch davon erzählen.

Also, mein Übersetzungs- und Kringelmensch, bist du bereit?

(Ja, ja, endlich! – Danke, Meister Mau! – Freudige Anm. d. Menschen)

Ich kenne dich doch, mein Mensch!

Und unsere Gespräche während deiner Übersetzungsarbeit schreibst du bitte auch hübsch auf.

(Jawoll, kleines Pantherschnäuzchen, mach ich: als Nebenprotokoll. Etwas eingerückt. Habe damit schon angefangen!)

Außerdem wäre dann da auch noch Gelegenheit für ergänzende Ideen, die von dir selbst kommen dürfen.

(Au, fein!! – Jubel-Anm. d. Menschen)

Sie sehen also selbst, meine Leser, es funktioniert. Und dabei fällt mir ein, dass ich Sie im Übrigen spätestens an dieser Stelle mit aller Dringlichkeit bitten wollte, über unsere einzigartigen Kater-Mensch-Gesprächsinhalte, deren Mitwisser Sie ja nun einmal geworden sind und auch weiterhin sein werden, in der Öffentlichkeit Stillschweigen zu bewahren und die Einzelheiten für sich zu behalten. Um ganz sicherzugehen wäre es sogar noch besser, wenn Sie meine gesamte Erzählung, mit all den weiteren, teilweise konspirativen Feinheiten, in Ihrem Herzen, liebe eingeweihte Lesergemeinde, fest und exklusiv einschließen würden.

Natürlich nur die verbale Version und für den Moment. Denn sollten Sie in einer vielleicht nicht allzu fernen Zukunft plötzlich einmal einen einschlägigen telepathischen Impuls – sei es von einem Tier oder von einem Menschen – empfangen, können Sie sicher sein, jetzt Ihr persönliches Portal zum konspirativen Kreis von vertrauenswürdigen, mit Überwissen erhellten Kommunikationspartnern gefunden zu haben.

Warum aber heute noch die Besorgtheiten um Ihre Verschwiegenheit, meine guten Menschen und Leser?

Nun, alle Entwicklung schreitet fort – aber nicht ohne riskante Brüche und gefährliche Rückschritte. Auch nicht immer in eine für das Leben verträgliche Richtung, und schon gar nicht, wenn der Mensch sie angezettelt hat. Und der Bipede …

(Habe ich ›Zweifüßer‹ nicht elegant übersetzt, mein kleiner Meister Mau? Und du selbst bist dann selbstverständlich bipedophil! – Beifall heischende Anm. d. Menschen)

Na gut. Wir wollen aber doch die Diensteifrigkeit nicht übertreiben!

… hat wohl, wenn ich den historischen Kopfinhalt meines Menschen richtig deute, in diesem Sinne bereits eine ganze Menge fragwürdiger ›Entwicklungsarbeit‹ geleistet. Womit es andererseits auch kein Wunder ist, dass der Zweifüßer, vielleicht eher durch Zufall, im Laufe der Zeiten auch einiges richtig gemacht zu haben scheint. Der Weiterentwicklung der Gentechnik kann in diesem Sinn wohl mit skeptischem Optimismus entgegengesehen werden, auch zugunsten kreativer Verbindungen von Mensch und Tier.

Einerseits.

Dagegen bauen sich neue, große und schöpferische Momente der Evolution über sehr, sehr lange Zeiträume und unter dem zielgerichteten Druck von Zweckmäßigkeiten auf, für die unser Planet ein Gespür hat und in denen möglicherweise nicht danach gefragt wird, ob diese Sternstunden sich alle Beteiligten redlich verdient haben – und hierzu zähle ich den für die Zukunft vorstellbaren, allgemeinen Entwicklungssprung in eine perfekte Katze-Mensch-Symbiose mit allen Schikanen der Interspezies-Kommunikation.

Andererseits.

Man weiß also nie …

Möglicherweise bleibt ja der eher zufällige Quantenhüpfer multilateraler Kommunikation bei mir und meinem Menschen kein Einzelfall … egal aus welchen Gründen, einerseits oder andererseits.

Jedenfalls ist die Vermutung nicht ganz auszuschließen, liegt möglicherweise sogar nahe, vielleicht näher, als man denkt, dass im Zuge künftiger Entwicklungssprünge der einen oder anderen Art … und vielleicht sind Fortschritte in den Menschenköpfen auch mit Hilfe der Biochemie bisher zu eng gedacht …

Achtung, mein Mensch: Ich sehe in deinem Kopf, dass meine eigentlich schlichten, hoffnungsvollen Gedankenbilder jetzt beim Übersetzen deinen Hang zum Komplizieren auslösen. Also: bitte nicht übertreiben! Aber dennoch – weiterhin viel Spaß beim bedeutungsreichen Eindrucksgekringel! (Oh ja, das heißt, nein. Danke, Meister! Formulierungen wie ›Gekringel‹ und ›In-den-Kopf-Schauen‹ sind so unübertrefflich an Einfachheit. Ich werde versuchen, mich danach zu richten.)

Also zurück zu meinem heftig blinkenden, inneren roten Warnlicht. – Ich rede vom Fall allgemein zugänglicher Verständigungsmöglichkeiten zwischen Mensch und Tier oder zumindest einigen Tierarten.

Vielleicht aber zunächst auch nur aus Gründen des jeweils eigenständigen, aber dennoch intimen Zusammen-Lebens, speziell zwischen uns Katzen und den Menschen.

Hier kann die Sache ziemlich gefährlich werden! Unabhängig davon, welche Entwicklungsvariante – Menschenfortschritt oder Evolution? – zutreffen mag.

Man stelle sich in der Folge vor, die populärwissenschaftliche Öffentlichkeit und sogar offizielle wissenschaftliche Kreise würden sich berufen fühlen, über ein intellektuell ebenbürtiges Verhältnis zwischen einigen Tierarten und dem Menschen (als Krone der Schöpfung, ha-ha-miau!) zu diskutieren.

Ursache hierfür könnten zukünftige Forschungsergebnisse sein, die in einigen Bereichen sogar eine versteckte, zuvor nicht wahrgenommene, überlegene Intelligenz von Tieren beweisen.

Allein die hypothetische Fiktion wäre für das Selbstverständnis des ›Homo sapiens‹ katastrophal. Und zwar in so totaler und globaler Weise, dass das Auffinden der sterblichen Überreste des Gottessohnes der Menschen in einem Altjerusalemer Knochensarg dagegen als eine leicht reparable Panne der Berichterstattung angesehen werden könnte.

Mensch, oh mein, hast du es vergessen? Ich habe in den Rück-Bildern von deinem Gekringel nichts von meiner immer geäußerten Vermutung gefunden, dass manche Tiere dem Menschen möglicherweise schon jetzt ganz offensichtlich nicht nur ebenbürtig sind; denn beim Zweifuß besteht doch jederzeit der Verdacht eines Vielzuviel an schlauer Kopfintelligenz und eines Vielzuwenig an verständiger Lebensklugheit!

(Ich hätte es gleich erwähnt, lieber Mau und Gebieter, und zwar im Zusammenhang mit der gefährlichen Überentwicklung des Menschenkopfes. Keine Katze oder auch kein Schwein würde beispielsweise so intelligent sein wollen, uns alle umbringen zu können. Weder auf eine der langsamen Arten noch mit der Ruckizucki-Bombe. )

So ist es recht, mein Mensch: Wir sind die zwar bescheidenere, aber dadurch höhere Lebensform! – Zur Ruckizucki-Bombe habe ich später allerdings noch Fragen.

Man stelle sich weiter vor, dass in der Folge von hochnotpeinlichen Recherchen (beschämend natürlich nur für den Menschen!) und späteren Debatten zwischen Mensch und ›Tier‹ es dazu käme, dass zum Beispiel in der naturwissenschaftlichen Fakultät einer berühmten Universität oder an einer bekannten Tierärztlichen Hochschule ein Team von Katzen nebst ihrem menschlichen Übersetzer einen evolutionshistorischen Vortrag halten würde, sagen wir über ›Die Biologie und Ökologie der Katzenkolonien im altägyptischen Memphis‹.

Die darin enthaltenen, bisher für die Menschheit weitgehend unbekannten Fakten wären sensationell; denn wir zeitgenössischen Katzen verfügen ja, wie schon erwähnt, über ein tief in uns eingeprägtes mystisches Wissen bezüglich unserer eigenen zehntausendjährigen Geschichte, das wir jederzeit meditativ abrufen, ja sogar bereisen können – mit Hilfe unserer kätzischen Ahnen als Geistführer.

Beim Anblick einer in sich hineinsinnierenden Katze weiß also, ganz nebenbei gesagt, ein Außenstehender nie, welche telepathischen Weltengefilde sie gerade durchwandert. – Aber wie versprochen, später mehr darüber.

Als Konsequenz derartig epochaler Umbrüche in der Lebensnormalität einer ganzen Menschenwelt wäre allerdings abzusehen, dass es über kurz oder lang zu ernsten Konflikten zwischen den Konföderationen der starken, altpuristisch-anthropozentrischen Ordnung und den Anhängern einer zaghaft expansiven neovitalen Bewegung kommen würde.

Oh, du mein Mensch! Welch überirdisch klingende Übersetzung meiner einfachsten Empfindungen! Ich meinte eigentlich nur, dass ihr Menschen euch möglicherweise wieder einmal wegen eurer höheren Ideen gegenseitig umbringen würdet.

Und leider müsste dann in diesen Fällen mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass in Folge dieser Auseinandersetzungen, entsprechend allen historischen Erfahrungen mit der Menschheit, sich auch wieder die üblichen Hexenjagden – modern formuliert: Verfolgungen von Minderheiten – einstellen würden.

Diese neuen Menschenhatzen, sicherlich wie so oft in der Vergangenheit, in Verbindung mit dem Quälen und Ermorden von uns Katzentieren, würden dann trotz ihrer tagesaktuell speziellen Ursachen und Verläufe immer dem üblichen, gleichen Muster folgen: Eine einschichtig primitive Mehrheit reagiert sich auf Kosten der jeweiligen, den kulturell-wissenschaftlichen Fortschritt vertretenden, Minderheit ab. Mit der dabei wohl immer gängigen Beimischung religiösen Gewürzes muss dann allerdings ebenfalls gerechnet werden.

Angesichts solch unberechenbarer Horrorvisionen gibt es da für uns Samtpfoten nur eine Lösung: den Schwanz einzuziehen, jeglicher Hexen-, Katzen- und Menschenjagd vorzubeugen und nicht die offizielle Gleichrangigkeit mit den Menschen auf Intelligenzebene anzustreben.

Unsere Interessen, Ziele und Rechte können wir im Übrigen, mit konspirativen Schmusemitteln gut getarnt und abgesichert, im Stillen wesentlich risikoloser weiterverfolgen. Selbstverständlich im Einvernehmen mit den uns Katzen in Liebe ergebenen Menschen – die man natürlich haben muss.

Aber da wäre ja, wie schon angedeutet, noch eine weitere Dimension, die die bisher bedachten katastrophalen Folgen eines Gegeneinander von Katze und Mensch, aber in der Folge auch von Pro-Mensch und Kontra-Mensch in der Katzenfrage, wie eine geringfügige Peinlichkeit erscheinen lassen würde: Trotz unserer kätzischen Einzigartigkeit ist womöglich nicht ganz auszuschließen, dass es auch bei anderen Tierarten, aufgrund der bereits erwähnten evolutionsgenetischen oder anderen Entwicklungszufälligkeiten, zu ähnlichen sensationellen Offenlegungen wie bei uns Katzen kommen wird. Speziell bei den sogenannten höheren Arten!

Ich meine hierbei als Kandidaten nicht nur unsere äffischen Kollegen …

(Siehe auch: Pierre Boulle, »Planet der Affen«)

… sondern auch beispielsweise, wenn Schweine und Rinder, in jahrtausendelanger Assimilation mit den Menschen, plötzlich über geeignete mediale Geistvermittler in der Lage wären, auf die eine oder andere Weise ihre Eindrücke und Empfindungen beim Betreten der Schlachthäuser der menschlichen Öffentlichkeit mitzuteilen. Oder Fettleberpastetengänse ihre Qualen beim Genudeltwerden und bei der anschließenden gnadenlosen Leberschwellung artikulieren könnten. Oder … oder …

Oder Mäuse und Vögel, meine liebsten Spielkameraden … aber lassen wir das lieber. Von Sonnenlicht können ja schließlich nur Pflanzenfresser leben. (Gut, lass ich weg. – Gehorsame Anm. d. Menschen)

Was jedenfalls den Lebensbereich des Menschen betrifft …

(Hätten ›höhere‹ Tiere dann nicht auch das Recht auf Staatsbürgerschaft?! – Konsternierte Anm. d. Menschen)

Staatsbürgerschaft, was ist das denn nun schon wieder? Wenn du das meinst, was ich ahne, dann denken wir doch lieber mal über eine Erdenbürgerschaft für alle Lebewesen nach!

… so wären allein schon die zunächst verheerenden wirtschaftlichen Folgen für ihn unabsehbar, wenn aus Gründen einer dann doch wohl gerechtfertigten Empathie für die Tiere seines Speisezettels, die gesamte Ernährungsindustrie mit einem Schlag auf den zunächst wesentlich mühseligeren und teureren Vegetarismus umgestellt werden müsste.

Diese völlige Abkehr vom bisherigen ›Fresschen‹ würde allerdings, wie schon gesagt, den Interessen von uns Katzen nun überhaupt nicht entsprechen; denn wir sind schließlich Raub- und Prankenwesen.

Und, wie ich an dieser Stelle einmal scherzhaft anzumerken mir erlauben möchte, was nutzt uns Katzen vor kulinarischem Hintergrund die Assistenz selbst des freundlichsten ›Dosenöffners‹ (kleiner Scherz, ha-ha-ha-miau!), wenn der Konserveninhalt, sagen wir mal aus diesem Pflanzenkrümelgeschleim bestehen würde, das ich von meinem vegetarischen Menschen her kenne.

Wie nennst du das noch gleich, mein Mensch: Gewölle?

(Nein, Meister Mau, Müsli!)

Langen Miauens kurzer Sinn: Wir Katzen sind in keiner Weise an einer totalen Änderung der Lebensverhältnisse bei Menschen und Katzen und der Gebräuche zwischen ihnen interessiert – allerdings auf unserer Seite sehr wohl an einer ständigen Verbesserung.

Wir planen erst recht nicht, wie kürzlich von einem zeitgenössischen Bipeden und Kringler behauptet wurde, die konspirative Machtergreifung über den Menschen seitens einer dubiosen, rassisch veredelten Urvariante unserer Katzengattung, gefolgt von der großräumigen Vernichtung aller Zweifüße durch grausame Ausrottung.

(Akif Pirinçci, »Felidae«)

Ja, richtig. Und außerdem, warum sollten wir denn unser eigenes Personal umbringen?

Glauben Sie mir, werter Leser: Wie in dem nunmehr umgehend auf dem Hinterpfötchen folgenden, empirisch-kritisch aufgebauten Bericht in vollem Umfang glaubhaft gemacht werden wird, liegen Motive und Interessen der bipedophilen Katzenvölker in einer völlig anderen, gedeihlichen und genießerischen Richtung, genauer gesagt, in einer andauernden, gönnerhaften Schmuse- und Schmeichelkonstellation zwischen Katzen und Menschen. Und dass dieser wunderbare Zustand am besten durch eine milde, aber gezielt artgerechte Erziehung unserer Zweifüße durch uns zu jedem Opfer bereite Samtpfoten zu erreichen ist, dürfte wohl außer Frage stehen!

Um nun aber die Ungeduld meiner Leser nicht übermäßig zu beanspruchen, nur ganz kurz noch zu einer ersten beispielhaften Beantwortung der eingangs erwähnten Frage meiner Autoren- und Komponisteneigenschaft und der Methode ihrer Verwirklichung.

Mein zu einer weitestgehenden sensorischen Offenheit befähigter Mensch empfängt von mir in ›Nichtsprache‹, das heißt auf Geistebene, gedankliche Vorstellungen, Wünsche oder erforderlichenfalls Befehle, die er dann ›in seinen Worten‹ und mit eigenem Impetus in die Menschensprache überträgt.

So wird zum Beispiel mein Empfindungsbild von einer sehr großen Pflanze mit gewaltigem Stängel als ›Baum‹ übersetzt; von einer künstlichen, offen einsehbaren Höhle mit einer kleinen Welt darin als ›Bildschirm‹ oder ›Fernsehapparat‹; von einer Gegend, die sich glatt unter den Pfötchen anfühlt, als gefährliche ›Asphaltstraße‹; oder schließlich von einer Antikatze als ›Hund‹. – So gelang es mir im Laufe der Zeit, die auf das Wesentliche konzentrierten Dinge des Lebens, übrigens bald auch die komplizierteren, in einfachste gedankliche Bilder und Gefühle zu fassen und diese dann telepathisch in den Kopf meines Menschen zu transportieren.

Bei einigen intuitiven Übertragungen habe ich meinem Menschen allerdings nahegelegt, aus Gründen der Eindringlichkeit möglichst dicht an meinen eigenen unmittelbaren Empfindungen und Vorstellungen zu bleiben. Auf diese Weise kommen auch Menschen, seien sie Katzen oder Kater, gelegentlich zu Mäulchen samt Maulgeruch, Vorderpfoten, Hinterläufen und selbst gemachten Überwurffellen – Letztere, um die Nachteile ihrer bejammernswerten Nacktheit auszugleichen. Und Welpen haben auch bei den Menschen Welpen zu bleiben. – Übrigens, wenn ich es recht verstehe, hat mein Mensch an diesen bedeutungsnahen Begriffen ebenfalls Gefallen gefunden und benutzt sie sogar seit einiger Zeit zugunsten eigener Inspirationen häufig selbst.

Wie schon erwähnt, erhalte ich nach der Übersetzung meiner Bildübertragungen aus dem Kopf meines Menschen eine Rückempfindung zur Kontrolle – bei der es mir allerdings in meinem eigenen Köpfchen vor lauter Komplizierungen oft zu schwirren anfängt. Und wenn es mir in Einzelfällen zu konfus wird, verzichte ich ausnahmsweise auch schon mal freiwillig darauf, seine medialen Produkte völlig verstehen zu wollen. So ist es mir beispielsweise mit den ägyptischen Pyramiden ergangen, bei denen mein Mensch in seine bildlichen Vorstellungen den für mich rätselhaften Gedanken an riesiges, versteinertes Kartoffelpüree einspielte, spitz gehäufelt. Na, ja.

Außerdem, müssen kleine, gelegentliche Vertrauensbeweise nicht auch mal sein?

(Oh Mau und Meister, ich danke dir für dein Verständnis! Und der Patzer mit dem Pyramidenpüree kam doch nur, weil deine Tante Beck’s auf ihrer Zeitreise ins alte Ägypten …)

Pssst, mein Mensch, davon später!

Der umgekehrte Weg, also direkte Gedanken von meinem Menschen zu empfangen, ist für mich leicht; denn sein grandioser Kopf ist für mich wie ein offenes Buch oder, noch besser, wie ein großer Pappkarton aus meiner Welpenzeit, in dem man herumkramen kann. Seine Gedanken sind zwar meist ordentlich sortiert, aber für meinen Geschmack übermäßig kompliziert. Ganz zu schweigen von dem vielen überflüssigen Zeug, das wohl nur Menschen denken können.

Doch zurück zu meiner eingangs erwähnten Autoren- und Komponisteneigenschaft. Ich möchte sie Ihnen an einem kleinen Liederbeispiel noch etwas näher bringen.

Zu Trainingszwecken hatte ich in der Initiationsphase meines Zweifußes zum telepathischen Menschenkater bereits viel Zeit damit verbracht, mich von ihm in Wort und Ton als den Kater aller Katzenkater preisen zu lassen, bei dem er Mensch sein darf.

Hierbei erging an ihn mein gedanklicher Hinweis auf Einzelheiten meiner Schönheit, Eleganz und meines edlen Charakters, und der Befehl lautete: »Habe das tiefe Bedürfnis, oh Mensch, mich in deiner Anbetung zu mir zu besingen – unter Nutzung aller inhaltlichen Möglichkeiten deines Erinnerungsspeichers!«

Das Produkt unserer Bemühungen war dann schließlich die bescheidene Premiere des ganz possierlichen Liedchens »Mau«. Das Libretto lautet:

Mau

Mau, so heißt der Kater

mit dem weißen Fleck,

mit dem weißen Fleck.

Ansonsten isser ’ne Schwatter,

und eh’ man hinguckt, isser weg.

Diesen wörtlichen Text meines Erstlingswerkes in Menschensprache kann ich als Katzentier übrigens weder verstehen noch lesen oder gar imitieren. Allein die inhaltlichen und emotionalen Seiten umfasse ich als Gedanken, besser als Geistinhalt, ganz; ich habe sie ja schließlich selbst geschaffen. Und – ich kann durch eine Art Rückempfindung bestätigt finden, was mein Mensch zuvor von mir als Auftrag empfangen und in meinem Sinne ›übersetzt‹ hatte.

Dies als seine eigene ›Inspiration‹ zu bezeichnen, ist somit offensichtlich nur ein ferner Ruf dessen, was hierbei tatsächlich geschieht; denn ich bin die Inspiration!

Was übrigens die Melodie zu dieser Lyrik betrifft, so konnte ich als Komponist nur auf die rudimentären Fähigkeiten meines Menschen zurückgreifen.

Mau

Die nächtlichen Gesänge von uns Katern und Katzen, wo immer möglich noch atmosphärisch verschönt durch den Schein eines Vollmondes, disqualifizieren natürlich jedes musikalische Ansinnen der Zweibeiner in dieser Richtung.

Dennoch werden deren rührende Versuche, kätzischem Leben in Liedern, Singspielen, Filmen und Musicals zu huldigen, von uns Katzentieren als erkennbar guter Wille wohlwollend zur Kenntnis genommen.

(Die ›Partitur‹ der Katzenkonzerte in freier Wildbahn ist für alle Kenner von feinem Gehör jedes Mal aufs Neue ein unnachahmlicher Akt künstlerischer Schöpfung und verweigert sich eigentlich jeglicher Niederkringelung!) So ist es! Aber ich werde darauf später noch zurückkommen.

Im konkreten Fall des »Mau«-Liedes wurde die Melodie einem menschlichen Welpenlied entlehnt, das mit kleinen Wasservögeln zu tun hat und auch in kulinarischer Hinsicht sehr viel versprechend klingt.

(»Alle meine Entchen …«)

Wie Sie sich denken können, liebe menschliche Lesekatzen und Lesekater, ist dies tatsächlich nur ein winziges Lernbeispiel in der multilateralen Kommunikationsvernetzung zwischen mir und meinem Menschen. Die Zeilen, die Sie an dieser Stelle und in den folgenden, für Sie hoffentlich weiterhin beglückenden Momenten lesen dürfen, sind schon die weiter verbesserte grande complication …

Du liebst diese Zierwörter, nicht wahr, Mensch, oh mein?

(Oh ja, du kleiner kluger Simplizissimus!)

Und du weißt, dass ich sie durch dich nur erspüren kann, nicht wahr?

(Oh ja, Meisterkater Mau, ich weiß … und das jetzt Nachfolgende erst recht!)

Na, dann nimm das mal auf deine eigene Kappe!

(Also: … verbesserte ›grande complication‹ dieser Kunst, mit allen ihren sprachlichen Ausweitungen, überflüssigen Anhebungen des Abstraktionsgrades, verstärkten Nutzungen komplizierter, Eindruck schindender Fremdwörter, kapriziösen Syntaxeinschleifungen und Anwendungen einer ordentlich komplizierten, raumgreifenden Grammatik.)

Hm, hm-miau! … Danke. Das reicht!

Aber auch einfache Begriffskreationen eröffnen wegen der Kompliziertheiten im menschlichen Denken ungeahnt putzige Möglichkeiten.

Kleines Beispiel: Meine innere Gesamtvorstellung vom üblichen abendlichen Herumtoben von uns Katzen im Bau unserer Menschen übersetzt mein Zweibeiner mit Verrücktes-fünf-Minuten-Seminar und beschreibt es in allen Einzelheiten. Als Katzenkater verstehe ich hierbei zwar so gut wie kein Wort der Menschensprache, spüre aber das Rührende in der Umständlichkeit dieses Begriffes. – Na ja, mein Mensch tut, was er kann.

Im späteren Teil 2 meines Berichts, Im Bau meines Bipeden, mündet mit der Beendigung meiner Memoiren der Lebensweg meines Menschen zeitlich in den meinen. Dies wird die Möglichkeit bieten, meinen zweifüßigen Zögling über seine medialen Übersetzungs- und Textergänzungsaufgaben hinaus als meinen literarischen Lebensbegleiter auf (fast) gleicher Augenhöhe direkt zu Wort kommen zu lassen. Hierbei werden sich vielfältige Gelegenheiten ergeben, neben der Katzenkultur auch Stärken und Fragwürdigkeiten der menschlichen Zivilisation zu diskutieren.

Bei Katzenkultur fällt mir ein:

Wie Sie ja bereits wissen, meine lieben Menschen und aufmerksamen Leser, verfügen wir Katzenvölker neben unserem persönlichen Erinnerungsvermögen auch über ein gemeinsames Gattungsgedächtnis, unser mystisches ›Vergangenheitskollektiv‹. Den Zugang in dieses besondere Universum finden wir allerdings nicht durch organische oder technische Datenträger, sondern durch Meditation.

(Und das allkätzische Erinnerungskollektiv wäre dann vielleicht der meditative Datenträger …? – Hochspekulative Anm. d. Menschen)

Das kätzische ›Kollektiv‹ ist von unschätzbarem Wert, wenn Dinge des Lebens historisch aufgeklärt werden müssen oder der Rat unserer Vorfahren eingeholt werden soll. Und die Bereitschaft, sich freiwillig und gern – das heißt, auch ohne Androhung von Prügel bei Nichtbeachtung – vom Vergangenen belehren zu lassen, ist im Gegensatz zu den Menschen bei uns Katzen klugerweise vorhanden.

Mehr oder weniger kultivierte Menschen behelfen sich hier mit dem elektronischen Interkringelnetz oder, wenn es hoch kommt, mit einer vielleicht sogar eigenen Bibliothek. Dennoch: Welch ein toter Abglanz im Vergleich zum lebendigen Erinnerungsraum aller Geistwesen der mystischen Katzenvergangenheit!

Zu meiner Welpenzeit wurde das kätzische Gedächtniskollektiv meist von meiner Tante Beck’s bereist. Das hat zunächst zur Folge, dass ich selbst hauptsächlich nur berichten kann, was sie mir damals erzählte.

Nur in einem Fall durfte ich sie bei einer Zeitreise telepathisch begleiten, und auch meinen eigenen kleinen Einführungshüpfer in die Vergangenheit hätte ich als Welpe ohne ihre telepathische Begleitung niemals wagen wollen.

Erst sehr viel später, gesegnet mit eigenem Bau und Menschen, begann ich, regelmäßig eigene Zeitwanderungen zu unternehmen und hierüber meinem zweibeinigen Übersetzer brühwarm zu berichten.

Ich hoffe, meine liebe Lesergemeinde, der direkte Eindruck wird bei Ihnen zu gegebener Zeit mindestens lauwarm ankommen!

Also: Später mehr von diesen Geheimnissen!

Jetzt, nach Klärung erster Verständnisfragen, würde ich endlich gern in meinen Bericht über das ›Haben eines Menschen‹ einsteigen, wobei das ›Haben‹ natürlich weit über die Bedeutung simplen körperlichen Besitzes hinausgeht. Und wie bei allen Verankerungen unverbrüchlicher Wesenseigenschaften in den Tiefen der Lebensursprünge …

(Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose … Danke, Trudchen Steiner! – Geblümte Anm. d. Menschen)

… und eine Katze ist eine Katze ist eine Katze …

… wird auch die unverrückbare kätzische Sehnsucht nach dem harmonischen Haben von Menschen bereits bei den Katzenkindern in frühester Zeit angelegt. Daher werde ich meine Leser zur Einführung am besten zunächst mit der Traumzeit frisch geborener Babywelpen bekannt machen. Und natürlich läuft auch in dieser Daseinsphase bei uns Samttatzen nichts ohne mystische Begleitumstände ab.

Die Katzensäuglingstraumzeit von mir und meinen drei Brüderchen wird dann später fließend in die herzensnahen Unterweisungen durch unsere Mama übergehen, und auch Tante Beck’s’ unnachahmliche Katzenschule wird sich harmonisch einfügen.

Ob nun Fi …

(… Feature, Essay oder episch-lyrisch-dramatische … – Helfende Anm. d. Menschen)

… Kringelei, die zu schildernden Ereignisse und Abenteuer während dieser Zeit präsentieren sich durchaus auch in ganz idyllisch putziger Form; denn um das gestellte Thema vom Haben eines Menschen gewissenhaft entwickeln zu können, muss es folgerichtigerweise mit dem beginnen, was bei den Menschen unzureichend mit ›Erziehung‹ ihrer Welpen umschrieben wird.

Und wie Sie sich alle selbst erinnern werden, meine liebe Leserschaft, ist in dieser Zeit der Kindheit und Erziehung mächtig was los. Besonders in der Schule!

(Oh selig, oh selig, ein Welpe noch zu sein!)

Wir Katzen würden übrigens, wegen der offensichtlichen praktischen Lehr- und Lerndefizite bei der Menschenwelpen-›Erziehung‹, bei gleichzeitiger Überkomplizierung, wie wir sie oft beobachten können …

(Pädagogik, Didaktik, Methodik, Psychologie, Soziologie …) Ja, danke, das reicht, da ich diese einzelnen Wörter sowieso kaum begreife. Ich spüre aber, was du meinst: la grande complication! Und dieses Lieblingswort von dir verstehe ich über seinen telepathischen Klang!

… dafür eher den Begriff ›Dressur‹ verwenden. – Denn wahre Erziehung von Welpen in der höher entwickelten zwei- und vierbeinigen Tierwelt muss nicht nur träumerisch vertrauensselig, kuschelig schmusig und zeitverschwenderisch genießend sein, sondern von frühester Zeit an auch – wohl dosiert und spielerisch! – wirklichkeitskonsequent, lebensruppig und wettstreitgetrieben. Sie darf außerdem nicht durch überflüssige Schulung und Unterweisung endlos verlängert werden, sondern muss auf Gedeih und Verderb auch baldestmöglich abgeschlossen sein. Schließlich soll ja das richtige, selbständige, rasante und oft raue Leben unverzüglich losgehen!

Bei uns Katzen tritt in der Welpenerziehung allerdings noch die Entwicklung eines gesunden, die Selbstverantwortung verstärkenden Egoismus hinzu und – ohne Frage – eines Sinnes für ausgewogene Selbstverliebtheit, Eigenverherrlichung und gespielte Unschuld.

Alles das versteht sich natürlich in Anerkennung der Welpenzeit-Welt mit ihren eigenen Rechten und Ansprüchen.

Wirkliche Erziehung kann also nur kätzisch sein!

Hierbei liegt mir im charakterlichen Bildungsinteresse unserer gesunden Welpen noch eine besondere Warnung am Herzen: Die freudige Übernahme von überflüssigen Pflichten, die ständige Bereitschaft, sich irgendwelchen Autoritäten zu unterwerfen und das laute Sich-Anbiedern beim Menschen sind die schändlichen Ergebnisse einer ausgesprochen unkätzischen Erziehung! Und meine kundigen Leser wissen schon, an welchen anderen Vierbeiner ich bei dieser Dressurbeschreibung beispielhaft denke.

Wenn gegen die Prinzipien einer auf Eigenständigkeit ausgerichteten Erziehung seitens der dazu Berufenen ununterbrochen verstoßen wird, ist es kein Wunder, dass unwünschenswertes, unterwürfiges Verhalten in Fleisch und Blut übergeht.

Und mit gönnerhaftem Augenblinzeln für welpengesegnete Menschen möchte ich hinzufügen: Diese Warnung vor der hündischen Dressur ist ausdrücklich nicht an vier Pfoten gebunden!

So verstanden, erwartet das Katzenvolk von seinen wohlerzogenen Menschen ausschließlich ein Dienen in stolzer Freiwilligkeit!

Doch tauchen Sie nun, lieber Leser, ein in unsere Katzenwelt und finden Sie dabei auch Ihre Rolle als Mensch dort wieder. Und erleben Sie in der Konsequenz das sichere Gefühl: Die Bipeden haben von uns Katzen nur Gutes zu erwarten und nichts zu befürchten!

Aber bitte nochmals, Ihr guten Menschen: Bewahren Sie über das hier Gesagte konspiratives Stillschweigen! – Sollten Sie durch versehentliches Plappern über Ihr zukünftiges kätzisches Geheimwissen bei Dritten einmal Verdacht erregen, hier ein Tipp: Sie können sich fast immer mit einem Gemurmel über die in esoterischen Kreisen bereits bekannte Interspezies-Kuschelkommunikation oder die viel diskutierte extra…

(… extrasensorische Perzeption (ESP) …)

Hören denn diese Monsterwörter nie auf? Dennoch. Bringen wir es zu Ende:

… aus einer zudringlicheren Befragung herausmogeln.

Teil I: Im Nest meiner Kindheit

Mama und die Babytraumzeit

Meine drei Brüderchen und ich waren noch blind und taub, als Mama bereits im Katzennest begann, uns auf den Menschen vorzubereiten. Während wir, an unserer jeweiligen Stammzitze bei ihr festgesaugt, Mamas warmen, süßen Saft in uns hineinnuckelten und jeden Schluck mit zufrieden gurrendem Schnurren quittierten, sendete sie in unsere zarten Seelen bereits in Gedanken die ersten Bilder von der Welt, die uns erwartete.

Es ging hierbei zum Beispiel um verschwommene Eindrücke von wuseligen und herumhuschenden kleinen Wesen, die wir Katzenbabys zwar überhaupt nicht kannten, aber natürlich aufregend und unendlich faszinierend fanden. Nach einer Weile forderte Mama uns in Gedanken auf, diese winzigen, langschwänzigen Dinger im Traum zu fangen, und lehrte uns auf telepathischem Weg einen ganz bestimmten Sprung, mit dem dies wunderbar gelang.

Ebenso erfuhren wir Winzlinge auf träumerischem Weg von den bunten, meist in der Luft umherschwirrenden Flatterwesen. Bei denen war das heimliche Anpirschen unsere Aufgabe, gefolgt vom Hochspringen und Einfangen dieser warmen, mollig weichen Dinger.

Alles war so aufregend und neu, dass wir von den Sachen, die Mama uns in ihrer Gedankenwelt beibrachte, gar nicht genug kriegen konnten. Aber nach einer langen Weile des Träumens, Milchtrinkens, Herumzappelns und Tapsens am kuscheligen Bauch unserer großen, warmen Mama, fielen wir Miniwelpen regelmäßig in einen erholsamen, wenn auch oft nur kurzen Schlaf.

Wie ich später als ausgebildeter Jungkater, gewohnheitsgemäß im Kopf meines Zweibeines telepathisch nach Neuigkeiten suchend, eher zufällig herausfand, nennen Menschen das, was sich damals bei uns Welpenbabys herausbildete, den ›tierischen Instinkt‹. Wenn sie nur wüssten, wie schön darüber hinaus die Wirklichkeit unserer Traumzeit war …

Auch möchte ich an dieser Stelle der guten Ordnung halber und in aller Bescheidenheit klarstellen, dass es sich bei der Traumzeit keinesfalls nur um einen ›tiefen Schlaf‹ handelt, sondern um eine gewaltige, bunte Welt mit eigenen Gesetzen. Ein ansonsten ganz wunderbarer, weil sich rührend und verständnisvoll um die Belange seines Katers bemühender menschlicher Kringelkollege von mir liefert an dieser Stelle nicht nur ›Murr‹, sondern auch ein bisschen Murks ab.

(Darf ich helfen, Meister?: E. T. A. Hoffmann, »Lebens-Ansichten des Katers Murr«, ca. 1820.)

In unserer Traumzeit lernten wir Babys natürlich auch viele einfache und praktische Dinge für unser späteres Leben kennen, wie zum Beispiel mit unseren rauen Zungen an uns herumzulecken, insbesondere unsere kleinen Zehen und Krallen, unsere Äuglein und unsere Rosettchen sauber zu halten.

Auch das tief geduckte Schleichen und Angreifen, ebenso wie das Herumbalgen und plötzliche Flüchten, Fauchen und Verfolgen wurden bald im Traum oft geübt.

Eine gute Weile verbrachten wir in diesen Träumen auch damit, beim Springen oder Fallen immer hübsch auf unseren Pfötchen zu landen, und zwar – abgesehen von dem Sondersprung auf die kleinen Wuselwesen mit Schwanz – zunächst auf allen vieren zugleich. Da wir uns hierbei nicht selten mitten in der Luft herumzudrehen hatten, spielte der tüchtige Einsatz unserer damals noch kleinen und steifen Schwänzchen eine wichtige Rolle und wurde träumerisch fleißig von uns trainiert.

Manchmal kam Mama auch auf die aufregende Idee, uns Welpenbabys winzige Flügelchen wachsen zu lassen, mit deren Hilfe wir in unserer Traumwelt herumsegeln konnten. Sie pflegte uns dann immer liebevoll zuzurufen: »Huiii, meine vier kleinen Engel-Bengelchen, na, wie gefällt euch das?«

Und wie uns Engel-Bengelchen diese Flugeinlagen gefielen! Nur schade, dass es uns dabei nie gelang, die uns inzwischen schon sehr ans Herz gewachsenen, kleinen, zwitschernden Traumzeit-Flattertierchen bereits in der Luft einzufangen.

Auch der Umgang mit dem Wasser wurde uns bald von Mama traumzeit-spielerisch beigebracht. Hierbei bekamen wir Kleinen die aufregende Aufgabe, mit unseren Pfötchen winzige, silbrig glänzende Zappelwesen aus ihrer nassen Welt herauszubefördern und mit einem Schwung unserer feuchten Vorderläufe über unsere Köpfchen hinweg hinter uns zu werfen. Klar, dass wir dann blitzschnell herumwirbeln mussten und als Nächstes diese kleinen glitschigen Dinger mit unseren Krallen festzuhalten und auf den Boden zu drücken hatten.

Irgendwann sendete uns Mama eine lebendige gedankliche Vorstellung von einem großen lebenden Etwas, das sie in unserem Empfinden als ganz wichtig erscheinen ließ und dessen Dasein uns auf diese Weise langsam bewusst wurde.

Ich weiß noch, wie riesig uns Babywelpen dieses Wesen bei Mamas Gedankenübertragungen vorkam, und es schien uns anfangs immer beängstigender, diesen Bildern zu folgen. Wie hätten wir es auch damals besser wissen können …

»Wenn eure Nasen fleißig das Riechen üben und ihr auch nicht mehr die Zitzen verwechselt«, ließ uns Mama in traumzeitgerechten Bildern wissen, »werden bald eure Äuglein aufgehen, und ihr könnt dann selbst diese Riesenbrocken, die man ›Menschen‹ nennt, kennen lernen. Ihr werdet bald erfahren, dass man vor den meisten von ihnen keine Angst zu haben braucht, trotz ihrer Ausmaße. Denn eines könnt ihr Zwerge euch schon mal merken: Bei Katzen und Menschen kommt es nicht auf die sichtbare Länge und andere Nebensächlichkeiten an, sondern auf das, was sie wirklich sind. Man kann sich auch merken: Auf die unsichtbare Größe kommt es an. Menschen laufen übrigens nur auf ihren Hinterpfoten!

So. Mehr braucht ihr Nimmersatte im Moment nicht zu wissen. Außer natürlich, dass jeder von euch später selbstverständlich mindestens einen Menschen für sich selbst haben muss. Es kann manchmal aber auch vorkommen, dass wir Katzen uns einen Einzelnen oder sogar ein ganzes Nest von ihnen teilen.«

Nach einer Weile gingen dann Mamas Traumbilder meistens aus, und sie begann, ruhig vor sich hin zu dösen. Da wir Babywelpen jedes Mal sowieso kaum etwas behalten hatten, war es dann immer das Beste, an ihrer warmen Seite noch ein bisschen tastend herumzuklettern, dabei einander ein wenig zu schubsen und sich ein letztes Mal aus der jeweils persönlichen Zitze vollzunuckeln. Hierbei nahmen wir zufrieden schnurrend zur Kenntnis, dass Mamas Milch bei jeder neuen Portion immer dickflüssiger wurde, intensiver roch und auch reichhaltiger schmeckte. Wie schön war es für uns Katzenkinder dann, uns dicht aneinanderzukuscheln und, nach einem letzten, von Mamas Zunge geförderten Bäuerchen, satt und glücklich an ihrem gemütlichen Bauch einzuschlafen, umhüllt von ihrem weichen Fell und geborgen zwischen ihren schützenden Läufen.

(Die ersten, dünnflüssigen Absonderungen aus den Zitzen eurer Mama, das Kolostrum, diente dazu, das Immunsystem von euch Babywinzlingen erst mal tüchtig zu stärken!)

Wie wir Welpenbrüderchen uns später gegenseitig durch Bildübertragungen erzählten, waren dann unsere eigenen Babyträume immer sehr ähnlich: Zuerst sehr vorsichtig, später dann frecher, oftmals unter Toben und Scheinkämpfen, kletterten wir auf den von Mama beschriebenen riesigen, aber friedlichen Ungeheuern herum, bissen und kratzten sie, so toll wir konnten, und setzten uns auf ihre Köpfe.

(Oh, du selige kätzische Traumzeit! Wie schön, dass sich vieles von dir bis in die spätere Welpenwirklichkeit erhalten wird! – Anm. eines friedlichen Menschenungeheuers)

Von hier aus hatten wir noch blinden Katzenkinder in unserer Phantasie den besten Ausblick auf die Umgebung in Mamas Traumzeitbildern. In denen gefielen uns besonders die vielen kleinen, von irgendwo herabfallenden braunen Blätter, die aufregend raschelten, wenn sie von uns durcheinandergewirbelt wurden.

Und was für einen Spaß machte es, unsere Traummonster bei diesen Spielen so oft wie möglich mit unseren Schnäuzchen zu berühren und uns mit unserem Fell an ihnen entlangzurubbeln. Natürlich, um sie mit unserem Katzenduft als unser Eigentum zu markieren; denn diese großen Brocken sollten uns doch ganz allein gehören!

Während wir so träumten und tobten, mussten wir wohl oft Mama mit den friedlichen Ungeheuern verwechselt haben, denn unsere geduldigen Traumriesen gaben zuweilen ein ziemlich ungnädiges telepathisches Katzenstöhnen von sich.

Das meiste aus diesen Träumen sollte sich später auch tatsächlich verwirklichen.

»Es gibt zwei Arten von uns Katzen«, bildberichtete Mama einmal gegen Ende unserer Traumzeit, während sie uns den Welpenschiet von unseren Rosettchen leckte, »und das sind die Zufriedenen mit Mensch und die armen Katzenteufel ohne Mensch. Deshalb seht zu, dass ihr bald einen eigenen Menschen erwischt und auch behaltet. Das Leben mit einem solchen Zweibein ist bequem und sicher. Außerdem will ich euch lästige Bälger nicht ewig hier am Schlafittchen hin und her schleppen müssen, während vielleicht euer Vater …«

Wir Katzenbabys konnten natürlich bei dem Gedankenbild ›Vater‹ noch nichts von dem Geheimnis begreifen, das damit zusammenhing, bekamen aber zugleich eine von Mama vergeblich unterdrückte Gefühlsbotschaft mit, die uns Welpen als ›Fauchen‹ schon aus unseren ersten Traumzeit-Spielkämpfen bekannt war. Etwas Besonderes musste also mit ›Vater‹ noch zu erwarten sein.

Zum Glück hatten wir Welpen mit Mamas innerem Fauchen nichts zu tun. Glaubten wir damals wenigstens.

So verging mit träumerischem Spielen und Üben, sehr vielem Schlafen und Nuckeln und mit der Vorfreude auf eine noch ferne Welt eine lange, schöne und sichere Zeit, ganz dicht bei unserer warmen, kuscheligen und lecker schmeckenden Mama, die sich von uns Welpen gerne alles gefallen ließ.

Bis eines Tages …

Mama und die Welt der Welpen

… bis eines Tages unsere verklebten Welpenbabyaugen von Mama freigeleckt wurden und unsere Traumzeit zu Ende war. Dafür ging uns, zuerst verschwommen, bald aber immer deutlicher, eine gewaltige neue Welt auf, von der wir anfangs überhaupt nichts zu verstehen glaubten. Hinzu kam der neue Eindruck von Geräuschen um uns herum; denn rechtzeitig zum Erreichen der vollen Sehklarheit unserer Äuglein hatten unsere Babyöhrchen das Hören gelernt. Wir konnten jetzt die Geräusche mit ihren sichtbaren Quellen in Verbindung bringen.

Welch ein riesengroßes Glück war es, als wir zum allerersten Mal in die hellblauen Augen unserer wundervollen, großen Mama blicken konnten! Und woran wir kleinen Katzenkinder uns immer so gern gekuschelt und gewärmt hatten, zeigte sich als dunkelbraunes, glänzendes Fell mit einigen großen Flecken in schöner, mildgelber Farbe.

Sie war, wie mir mein Mensch später in Gedanken erzählte, eine ›Siamesin‹ was ich nie verstand und auch wohl nie richtig verstehen werde. Außer, dass eine Siamesin als Mama zu haben, etwas ganz Besonderes sein muss – oder lag das Besondere daran, dass die Siamesin meine Mama war?

Diese Frage würde ich im Laufe meines weiteren jungen Lebens schon recht bald bejahen können; denn überall, wo ich neben meinen drei Brüderchen andere Tierkinder kennen lernte – und das schloss auch meine liebsten späteren Spielfreunde, Mäuse und Vögel, mit ein – sah ich ihr besonderes Hingezogensein zu den jeweiligen Mamas. Und irgendwann wurde mir klar, dass dies auch auf die Menschenwelpen zutreffen musste.

Verständlicherweise wollten meine Brüderchen und ich bald auch Genaueres davon erfahren, worüber Mama, trotz eines regelmäßigen gedanklichen Fauchens, beharrlich schwieg: nämlich die Rolle der Papas (Mama nannte sie ja verächtlich ›Väter‹) dieser jeweiligen Tierjungen. – Erst sehr viel später sollten wir hierüber aufgeklärt werden, und zwar mit Unterstützung von unserer Tante Beck’s; aber davon wird noch zu erzählen sein.

Meine über alles geliebten Kleinen, sprach es oft aus den wunderschönen blauen Augen unserer treuen Mama.