Wild Heart – Wo der Himmel den Ozean berührt - Melanie Lane - E-Book

Wild Heart – Wo der Himmel den Ozean berührt E-Book

Melanie Lane

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Beschreibung

It started with a kiss. How did it end up like this?

Der begehrte Extremsportler Jacob hält Ellie bei ihrem ersten Treffen fälschlicherweise für eine Journalistin, die ihn interviewen will. Ellie, abgelenkt durch Jacobs unnatürlich blaue Augen, verpasst den Moment, ihm die Wahrheit zu sagen. So flunkert sie weiter und findet sich kurze Zeit später in einem Flugzeug wieder. Um nicht als Lügnerin entlarvt zu werden, begleitet sie Jacob und ein Filmteam auf seiner Reise durch Vietnam. Dabei kommen sich Ellie und Jacob immer näher – doch ist sie wirklich bereit für eine neue Liebe? Und was wird geschehen, wenn Jacob erfährt, wer sie wirklich ist? 

Eine einzigartige Liebesgeschichte voller Abenteuer und Lebensfreude in atemberaubender Kulisse.

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Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Ellie Mansfield ist jung, erfolgreich und zufrieden mit ihrem Leben. Eigentlich. Aber irgendwie auch nicht. Denn seit einem tragischen Unfall vor drei Jahren hat ihr Herz nicht mehr richtig geschlagen. Die Liebe ist seitdem kein Thema mehr, stattdessen konzentriert sich Ellie auf ihre Karriere.  Eine Karriere, die ihr nichts bedeutet. In einer Stadt, in der sie sich nicht zuhause fühlt. Durch Zufall – und eine leichtsinnige, kleine Lüge – lernt sie den charmanten Extremsportler Jacob Harrison kennen. Doch anstatt Jacob die Wahrheit zu erzählen, flunkert Ellie immer weiter und findet sich plötzlich auf einem anderen Kontinent wieder. Mit einer quirligen Kameracrew und einem viel zu interessanten Jacob, der sie mit seinen blauen Augen herausfordert zu leben, mutig zu sein und der Liebe erneut eine Chance zu geben.

Auf ihrer gemeinsamen Reise durch Vietnam findet Ellie immer mehr zu sich selbst zurück. Aber ist sie schon bereit für eine neue Liebe? Und was passiert, wenn Jacob erfährt, wer sie wirklich ist?

Über Melanie Lane

Melanie Lane stammt aus der schönen Stadt Hamburg, in der sie lebt und in ihrem eigenen Design Studio »schockverliebt« arbeitet.  Sie ist  – laut eigenen Angaben – begeisterungsfähig, laut, trinkt gerne Vino und verabscheut Schubladendenken. Als bekennende Feministin lebt sie Themen wie Gleichberechtigung und Diversität, was sich auch stets in ihren Titel wiederfindet. Sie liebt Sarkasmus, ist eine große Tierliebhaberin und Schreiben ist ihre absolute Leidenschaft. Neben ihren Romance Titeln, die im Aufbau Verlag erscheinen, veröffentlicht sie 2020 auch ihr Fantasy Debüt »Von Blut und Magie« im Isegrim Verlag.

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Melanie Lane

Wild Heart – Wo der Himmel den Ozean berührt

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

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1 Verdammt. Diese Augen.

2 So verloren wie Alice. So verrückt wie der Hutmacher.

3 Lieber ein »Ups« als ein »Was wäre, wenn …«

4 Alles wird gut. Für wen, steht noch nicht fest.

5 Manchmal wollen wir nichts lieber, als die Chance, zu fallen.

6 Wie beschreibe ich dieses Gefühl?

7 Auch der beste Plan ist zum Scheitern verurteilt, wenn man unfähig ist, ihn umzusetzen.

8 Du lächelst, und die Welt verändert sich.

9 Wenn nichts sicher ist, ist alles möglich.

10 Das gefährlichste Tier ist der Schmetterling im Bauch.

11 Ein einziges Reiskorn kann die Waage kippen.

12 Deine Augen sind der Grund, warum meine Seele Feuer fängt.

13 Atme den Himmel ein und die Sterne wieder aus.

14 Alles, was wir sehen, ist eine Perspektive. Keine Wahrheit.

15 Ich glaube, es zu wagen, macht unglaublich viel Sinn.

16 Sich zu verlieben ist ein kreativer Prozess.

17 Mit Mut fangen die schönsten Geschichten an.

18 Einmal »Alles wird gut« zum Mitnehmen, bitte.

19 Träumen. Sternschnuppen zählen. Frische Luft atmen … Kraft tanken.

20 Fortschritt. Keine Perfektion.

21 Denk doch nicht schon vorher alles kaputt.

22 Ich fühlte so viel, dass ich anfing, nichts zu fühlen.

23 Der einzige Weg aus der Dunkelheit führt mitten hindurch

24 Gehen wir zu weit? Oder nicht weit genug?

25 Urgh.

26 Kannst du es fühlen, wenn ich an dich denke?

27 Zum Schweigen fehlen mir die richtigen Worte.

28 Taktisch unklug, aber emotional notwendig.

29 Manchmal sind es die glücklichsten Erinnerungen, die am meisten wehtun.

30 Mach Platz für die Möglichkeiten.

31 Ich glaube, dass du und ich Schicksal sind.

32 Ich liebe die Momente, die man nicht in Worte fassen kann.

33 Plot-Twist: Er mag dich auch.

34 Gänsehaut lügt nicht.

35 Ist man wirklich jemals bereit?

36 Manchmal ist es die Dunkelheit, die dich ins Licht zurückführt.

37 Ich mag Leute, die lächeln, wenn es regnet.

38 Schöner als jetzt kann der Regen nicht fallen.

39 Konfetti im Herzen.

40 Und manchmal haut die Realität der Hoffnung voll in die Fresse.

41 Wieso wird alles immer so furchtbar kompliziert, wenn man Menschen mag?

42 Liebe und lass dich lieben.

43 Vielleicht geht es gar nicht nur um das Happy End, sondern um den Weg dorthin.

Epilog

Danksagung

Impressum

»Die Liebsten in unseren Herzen werden uns stets begleiten.«

– Aus: Vaiana

Ich hab euch lieb.

Knowing what would happen – the heartbreak, the tears, the love, the hope, the betrayal, the heartbreak (yes, it was always about the heartbreak) – would she do it all over again?

And she knew the answer was yes because of how it all ended.

Jane Gloriana Villanueva, Snow Falling

1 Verdammt. Diese Augen.

Viele Menschen haben ein Hobby. Basteln, Lesen, Bungeejumping. Was auch immer sie nach einem beschissenen Tag aufheitert. Ich hatte auch solch ein Hobby: Ich beobachtete Menschen am Flughafen. Nach einem langen, stressigen Tag oder auch, wenn ich nicht schlafen konnte, kam ich gern an den Flughafen, setzte mich in die Ankunftshalle und studierte die Leute um mich herum. Für mich gab es nichts Schöneres, als die lachenden und weinenden Gesichter jener Menschen, die sich nach langer oder kurzer Zeit wiedersahen und sich glücklich in die Arme fielen. Die Freude und die Liebe, die sie ausstrahlten, waren einfach wunderschön. Sie fühlten all das, was ich seit Jahren nicht mehr empfunden hatte. Ich dachte darüber nach, wo sie gewesen sein mochten und welche Geschichten sie zu Hause erzählen würden. So vergaß ich wenigstens für eine kurze Zeit, dass ich selbst nichts zu erzählen hatte. Nicht mehr. Tja, also das war mein kleines, trauriges Hobby. Aber hey, als ob Töpfern oder Stricken so viel besser wäre!

Seufzend stand ich auf und schulterte meine kleine schwarze Handtasche. Ich war direkt nach der Arbeit hierhergefahren, um auf andere Gedanken zu kommen und mich zu beruhigen. Chad – Schleimbeutel – Danes, mein Boss, hatte mich geschlagene dreißig Minuten angeschrien, weil ich es nicht geschafft hatte, unserem neuen Investor eines unserer Prestige-Objekte zu verkaufen. Dabei hätte ich es sehr wohl geschafft, wenn ich es gewollt hätte. Aber wie hätte ich dem netten, alten Herrn mit den tadellosen Manieren diese Ruine andrehen können? Sir Mortimer Wentworth war der Inbegriff von altem Londoner Geld, aber er war auch ein Gentleman, und ich weigerte mich, ihm ein Objekt zu verkaufen, welches es nicht durch unsere interne Qualitätsprüfung geschafft hatte. Eine von Chads zahlreichen schlechten Angewohnheiten war, jedes Mal geldgeil zu werden, wenn es um die Londoner High Society ging. Nur wegen seiner Geldgier würde ich einem Mann wie Mortimer jedoch keine zweitklassige Immobilie andrehen. Also hatte ich Mortimer bei seinem Nachmittags-Tee im The Montcalm London Gesellschaft geleistet und Klartext mit ihm geredet. In dem Wissen, dass dies mich meinen Job kosten könnte. Als ich schließlich ins Büro zurückgefahren war, um zu beichten, war Chad fuchsteufelswild gewesen. Rausgeworfen hatte er mich jedoch nicht. Leider hörte ich die kleine, fiese Stimme in meinem Kopf, die sich manchmal einschaltete, wenn ich mich vor schweren Entscheidungen drücken wollte. In den letzten Jahren war ich gut darin geworden, die Stimme zu ignorieren. Sehr gut. Ich hatte bereits die ersten Schritte Richtung Subway getan, als ein paar Reisemagazine in einem der Schaufenster meine Aufmerksamkeit erregten. Spontan betrat ich den Buchladen. Dank dieses kleinen Abstechers würde ich morgen früh sowieso total erledigt sein, und ich konnte mich gar nicht mehr daran erinnern, wann ich einen Buchladen zuletzt von innen gesehen hatte.

Wenn Chad mich nicht bald feuerte, dann musste ich ernsthaft darüber nachdenken, selbst zu kündigen. Als freiberufliche Maklerin konnte ich tun und lassen, was ich wollte, bis jetzt hatte ich aber einfach noch nicht die Kraft gefunden, genau das zu tun. Ob mein Job mich nun erfüllte oder nicht – was er definitiv nicht tat –, er bezahlte meine Rechnungen. Was sollte ich auch sonst tun? Ich ließ meine Finger über die zahlreichen Buchrücken in dem Regal vor mir gleiten. Vor Jahren noch hatte ich davon geträumt, meinen eigenen Namen in solch einem Regal zu finden. Meine Geschichte. Mein Buch. Aber dann hatte mein Leben sich drastisch verändert, und ich fühlte es einfach nicht mehr. Da waren keine Geschichten mehr in mir. Keine Kreativität. Ich wanderte weiter und blieb vor den Reisemagazinen stehen. Thailand. Bali. Peru. Die Coverabbildungen waren wunderschön. Ich entdeckte einen Reiseführer über Südafrika, und ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Was Helen jetzt wohl tat? Meine beste Freundin würde mir die Hölle heiß machen, wüsste sie, was ich hier gerade tat. Alleine. Am Flughafen.

Seufzend griff ich nach einem der Magazine. »Jacob Harrison« stand in großer, fetter Typo auf dem Cover. Ein unglaublich attraktiver blonder Mann strahlte in die Kamera, lediglich mit einer neonfarbenen Badehose bekleidet und mit Tauchausrüstung auf dem Rücken. Seine nassen Haare standen wild in alle Richtungen ab, und Wassertropfen glitzerten auf seiner perfekt gebräunten Haut. Das Faszinierendste an ihm waren jedoch seine Augen. Strahlend blau starrten sie mich von dem Magazin in meinen Händen beinahe herausfordernd an. »Ein Tag am Meer mit Extremsportler Jacob Harrison.« Ich sah mich um, und zu meiner Überraschung, entdeckte ich sein Gesicht auf zwei weiteren Magazinen. Offensichtlich war dieser Jacob im Trend. Und definitiv hatte jemand bei der Bildbearbeitung in Photoshop ein wenig übertrieben. Niemand konnte solch azurblaue Augen haben.

»Jacob Harrison«, murmelte ich und versuchte, mich daran zu erinnern, woher ich den Namen kannte. Hatte ich nicht irgendeinen Bericht über ihn und eine bekannte Rockband gelesen? Was war das doch gleich gewesen?

»Wollen Sie die Magazine kaufen oder sie einfach nur anstarren, Lady?«

»Wie bitte?« Erschrocken wirbelte ich herum und starrte den übel gelaunten Teenager mit den schlecht gefärbten Haaren vor mir irritiert an.

»Lady«, wiederholte er genervt, »wir schließen in fünf Minuten. Wollen Sie die Dinger kaufen oder nicht?«

Sein Blick fiel auf die Magazine in meiner Hand. Was zur Hölle sollte ich mit drei Reisemagazinen? Auf keinen Fall jedoch würde ich mir vor diesem Achtzehnjährigen die Blöße geben und sie zurücklegen. Also gab ich ein kleines Vermögen für drei völlig überflüssige Magazine aus und verließ schnellen Schrittes den Laden. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es bereits kurz vor zehn war. Ich sollte wirklich langsam nach Hause fahren, mir ein Glas Wein einschenken und den heutigen Tag vergessen. Immerhin hatte ich jetzt genug Lesestoff. Mit den Magazinen im Arm durchquerte ich die Ankunftshalle und dann, plötzlich, sah ich ihn. Jacob Harrison. Extremsportler-Cover-Model-Jacob-Harrison. Das konnte doch bloß ein schlechter Scherz sein. Ich blickte auf die Cover in meiner Hand. Nein, mit Sicherheit kein Scherz und definitiv Jacob Harrison.

Live und in Farbe. Himmel, die Magazine wurden ihm in keinster Weise gerecht. In Jeans, weißem Shirt und abgeranzter Lederjacke stand er da, eine Dufflebag im Military Look lässig über die Schulter geschwungen. Er war größer, als ich angenommen hatte. Die Magazine mit seinem Gesicht darauf fest an meine Brust gepresst, stand ich einfach nur da und starrte ihn an. Blonde zerzauste Haare, ein wenig zu lang, so dass sie sich an den Ohren bereits zu kringeln begannen. Ein kräftiges Kinn mit rötlich-blondem Drei- oder vielleicht auch Vier- oder Fünftagebart. Eine athletische, muskulöse Statur. Ich hatte es nicht darauf abgesehen, aber mein Blick glitt wie von selbst über das kantige Kinn, die breiten Schultern und blieb an dem dünnen Shirt unter der Lederjacke hängen. Ein Shirt, das so eng war, dass einem die wohlproportionierten Muskeln darunter gar nicht entgehen konnten.

Der Mann ist Sportler, Ellie, es ist sein Job, so auszusehen, es …

Mit einem Mal verflüchtigte sich jeglicher Gedanke aus meinem Kopf, denn Jacob Harrison hatte seinen Kopf gedreht und sah mich nun direkt an.

Seine Augen sind nicht gephotoshopt.

Sogar auf die vier, fünf Meter Entfernung konnte ich das erkennen. So blaue Augen hatte ich noch nie in meinem Leben gesehen. Sofort dachte ich an Saphire, den blauen Himmel über London – wenn man ihn denn mal sah –, das Meer… Ich hätte ewig so weitermachen können. Jacob Harrisons Anblick löste völlig unerwartet viele verschiedene Gefühle und Gedanken in mir aus, aber der wahrscheinlich lauteste Gedanke in meinem Kopf war: Wow. Für einen Moment starrten wir uns einfach nur an. Ob mir bewusst war, dass ich wie der größte Stalker aussah? Definitiv, ja. Aber ich hätte nicht einmal wegsehen können, wenn mir jemand eine Million Pfund dafür angeboten hätte. Sein Blick war hypnotisierend.

Als der Blickkontakt begann, mir unangenehm zu werden, löste er seinen Blick von meinem Gesicht und entdeckte die Magazine in meiner Hand. In diesem Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass der Erdboden sich auftun und mich verschlingen möge. Jacobs Mundwinkel zuckten. Anstatt sich abzuwenden und diesen Moment das sein zu lassen, was er war – lediglich ein Moment –, setze er sich in Bewegung und kam auf mich zu.

Ach du heilige Scheiße …

Je näher er kam, desto mehr Details fielen mir an ihm auf. Seine tief gebräunte Haut, der leichte Rotstich seiner blonden Haare, der nicht nur in seinem Bart präsent war, und ein Haufen extrem attraktiver Lachfältchen.

Mein Herz machte einen Satz.

Was sollte ich tun? Wegrennen? Ihn ebenfalls anlächeln? Wieso lächelte er mich überhaupt an?

Die Dufflebag landete mit einem dumpfen Aufprall vor mir auf dem Boden.

»Hi.«

Äh …

Jacob grinste, und für einen Moment vergaß ich das Atmen.

»Hi«, wiederholte er, als ich stumm blieb.

In den Tiefen dieser unglaublichen Augen blitzte etwas auf. Er musterte erst mich, dann die Magazine in meiner Hand. »Ich bin Jacob.«

Wie gelähmt starrte ich ihn an. Sag etwas, Ellie. Irgendetwas. 

»Äh, hi.« Nicht unbedingt meine Sternenstunde, aber immerhin hatte ich eine Art Begrüßung zustande gebracht. Jacobs Lächeln wurde breiter, und ich sah eine Reihe strahlend weißer Zähne.

»Bist du vom Traveller?«

Ob ich was war? »Wie bitte?«

»Das Interview«, half er mir auf die Sprünge und musterte mich erneut. Intensiver diesmal. Er lächelte noch immer, doch jetzt lag noch etwas anderes in seinem Blick, was ich nicht ganz definieren konnte. Verwirrung? Amüsement?

»Bist du die Reporterin, die mich für das Interview mit dem Nat Geo Traveller abholen soll?«

Nat Geo … wie in National Geographic? Das weltweit berühmte Reisemagazin? Ganz bestimmt nicht. O nein. Nein!

Im Nachhinein kann ich mir nicht erklären, was mir in diesem Moment durch den Kopf ging. Vielleicht war es der miese Tag, der hinter mir lag, das lange Telefonat mit Helen gestern Abend oder aber die letzte Stunde, die ich alleine am Flughafen verbracht hatte, aber aus irgendeinem mir unerklärlichen Grund, begann ich zu nicken, und ein leises Ja entfuhr mir. Jacob runzelte die Stirn, und für einen kurzen Moment sah er überrascht aus. Überrascht, weil er jemand anderes erwartet hatte? Überrascht, weil ich, in meinem eher adretten Kostüm, nicht ganz dem Bild einer Reisemagazin-Journalistin entsprach? Was zur Hölle tat ich denn hier? Ich musste ihm sagen, dass die richtige Antwort auf seine Frage Nein lautete. Ein dickes fettes Nein. Dann aber leuchteten seine Augen auf, und sichtlich erfreut streckte er mir seine Hand entgegen. Jeglicher Gedanke daran, diese skurrile Situation aufzuklären, verflüchtigte sich aus meinem Hirn.

Verdammt. Diese Augen …

»Versuchen wir es noch mal«, sagte er. »Ich bin Jacob.«

Diesmal reagierte ich ein wenig souveräner und ergriff seine ausgestreckte Hand, während ich mir die Magazine unter den Arm klemmte. Ein großer Fehler. In dem Moment, in dem unsere Hände sich berührten, ging ein Stromstoß durch meinen gesamten Körper. Ein Kribbeln begann in meinen Fingerspitzen und zog sich über meinen Ellenbogen den Arm hinauf. Hier passierte gerade etwas, erkannte ich. Mein Körper reagierte auf Jacob, wie er noch nie zuvor auf ein anderes menschliches Wesen reagiert hatte.

Was zur Hölle?

»Ich bin Ellie«, murmelte ich und zog die Hand zurück, als hätte ich mich an ihm verbrannt.

»Es freut mich wirklich sehr, Ellie.«

Bildete ich mir das nur ein, oder war seine Stimme gerade ein wenig tiefer geworden? Ein beinahe herausforderndes Funkeln lag in Jacobs blauen Augen, und ich bemühte mich redlich, überall hinzusehen, nur nicht in seine Augen.

»Mich, hm, mich auch.«

»Wollen wir dann los?« Er nickte in Richtung der Magazine, die ich noch immer so fest umklammert hielt, dass es kein Wunder wäre, wenn ich blaue Flecken an den Armen bekommen würde. Auf keinen Fall würde ich den Flughafen mit Jacob Harrison verlassen.

»Okay«, hörte ich mich selbst sagen. Augenscheinlich hatte ich jegliche Kontrolle über meinen Körper, meine Stimme und generell meinen gesunden Menschenverstand verloren. Am liebsten hätte ich mir mit der flachen Hand gegen die Stirn geschlagen. Ganz offensichtlich verwechselte Jacob mich. Ein berechtigtes Missverständnis, bedachte man, dass ich ihn auffällig angestarrt hatte. In der Ankunftshalle eines Flughafens. Mit seinem Gesicht an meine Brust gepresst. Und das auch noch in dreifacher Ausführung. Anzunehmen, dass ich die Reporterin war, die ihn offensichtlich abholen sollte, war wesentlich schmeichelhafter als alles, was mir sonst durch den Kopf ging. Irrer Stalker stand dabei ganz oben auf meiner Liste. Jacob griff nach seiner Tasche, und ich beobachtete fasziniert, wie sich die Muskeln unter dem weißen Shirt und den hochgekrempelten Ärmeln seiner Jacke anspannten. Beinahe jungenhaft warf er seine etwas zu langen blonden Haare zurück und zwinkerte mir zu.

»Bist du mit dem Auto hier, oder nehmen wir ein Taxi?«

»Taxi«, krächzte ich und räusperte mich leise. »Wir nehmen ein Taxi.«

Es sei denn, er wollte sich mit mir in eine überfüllte Subway quetschen, denn so war ich hergekommen. Mit der Bahn. Alleine. Nach der Arbeit … verdammt, was genau tat ich hier?

Jacob zuckte mit den Schultern. »Soll mir recht sein«, erwiderte er und blickte mich erwartungsvoll an, bis ich mich in Bewegung setzte. Zum Glück kannte ich den Flughafen in- und auswendig, andernfalls hätte ich mich gnadenlos verlaufen. Ich nahm weder den Weg noch meine Mitmenschen um mich herum war. Mein komplettes Sein war auf den Mann neben mir konzentriert. Ich überlegte fieberhaft, was ich sagen könnte. Als Reporterin, die angeblich hier war, um ihn abzuholen, sollte ich doch etwas sagen, oder nicht? Aber mein Kopf war leer. Immerhin war ich nur hierhergekommen, um mich ein wenig zu entspannen, nicht, um den Flughafen mit einem fremden Mann zu verlassen.

»Wie lange machst du diesen Job schon?«, fragte Jacob mich, und ich suchte in seinem Blick nach etwas anderem als freundlicher Neugierde. Wusste er es? Ahnte er, dass ich ihn anlog? Anstatt jedoch mit dem Finger auf mich zu zeigen und »Betrügerin« zu rufen, erwiderte er meinen Blick lächelnd – und vor allem fragend.

»Eine Weile«, antwortete ich vage. Fünf Minuten. Aber das konnte ich ihm schlecht beichten, nicht ohne mich komplett zum Affen zu machen. An diesem Punkt hatte ich nur noch die Möglichkeit, mitzuspielen und dann so schnell wie möglich abzuhauen. Immerhin würde ich jemanden wie Jacob Harrison nie wiedersehen. Der Mann war berühmt. Und ich? Ich war eine gelangweilte Immobilienmaklerin, die in einer Zweizimmerwohnung in Greenwich lebte. Ich hatte nicht mal eine Katze. Das Aufregendste, was in meinem Leben passierte, war der Schlussverkauf bei Harrods. Traurig, Ellie. Wirklich traurig.

»Und du?«

Eine von Jacobs Augenbrauen wanderte fragend nach oben. Dann hob er eine Hand und winkte eines der zahlreichen schwarzen Taxis zu uns heran.

»Solltest du das nicht wissen?«

Verdammt. Natürlich sollte ich das. Immerhin war ich hier die Reporterin. Wenigstens für den Moment. »Ja, ich, äh, höre das immer gern selbst von den Leuten, mit denen ich mich treffe. Die ich interviewe«, verbesserte ich mich rasch.

Jacob warf mir einen langen Blick zu. Wahrscheinlich fragte er sich gerade, wie ich den Job bekommen hatte, obwohl ich es nicht einmal schaffte, einen halbwegs vernünftigen Satz zu formen. Wir stiegen ins Taxi, und erleichtert hörte ich ihn den Namen seines Hotels nennen.

»Ich hoffe, es stört dich nicht, wenn wir uns in die Hotelbar setzen? Ich bin müde und habe seit Ewigkeiten nichts gegessen.« Er grinste verschmitzt. »Ich hab das Essen im Flieger verschlafen.«

Wie jemand in solch einer Blechkiste überhaupt schlafen konnte, war mir ein Rätsel.

»Total okay für mich.«

Zufrieden ließ er sich in die weichen Polster des Taxis sinken. Die Augen geschlossen, fuhr er sich mit der Hand durch die bereits zerzausten blonden Haare. Er sieht müde aus. Mit zusammengezogenen Brauen betrachtete ich seine sonnengebräunte Haut und das markante Kinn ein wenig genauer. Auch live und in Farbe stand er den Titelblättern meiner neu erworbenen Reisemagazine in nichts nach. Und er hatte Sommersprossen, stellte ich verzückt fest. Etwas, was man auf den Fotos nicht hatte erkennen können.

»Über fünfzehn Jahre«, sagte er auf einmal, und ertappt wandte ich mich ab und sah aus dem Fenster.

»Wie bitte?«

»Du hast gefragt, wie lange ich bereits von Häusern springe oder mich aus Flugzeugen stürze.« Seine Mundwinkel zuckten. »Über fünfzehn Jahre«, wiederholte er.

»Eine lange Zeit.«

»Mhm«, machte er, die Augen noch immer geschlossen. Das konnte alles und gleichzeitig nichts bedeuten. Während Jacob sich entspannte, versuchte ich mich derweil daran zu erinnern, was genau ich bis jetzt über ihn gehört oder gelesen hatte. Jacob Harrison, Extremsportler. Er musste Mitte oder Ende dreißig sein. Ich erinnerte mich daran, dass sein Name vor knapp zwei Jahren in aller Munde gewesen war, weil er für eine berühmte Rockband und deren Musikvideo ein paar mehr als halsbrecherische Stunts aufgeführt hatte. Ein Abstecher nach Hollywood hatte ihn Ende letzten Jahres endgültig weltberühmt gemacht. Der Mann war so etwas wie ein A-List-Promi. Na ja, zumindest ein B-List-Promi. Verdammt, was genau machte ich hier? Und warum hatte ihn niemand vom Flughafen abgeholt? Es lief mir eiskalt den Rücken runter, als ich daran dachte, dass just in diesem Moment eine richtige Reporterin, oder ein richtiger Reporter, auf Jacob in der Ankunftshalle wartete und sich wunderte, dass dieser nicht auftauchte.

Beruhige dich, Ellie, du hast den Mann schließlich nicht entführt.

Nein, entführt hatte ich ihn nicht, nur unter Vorspiegelung falscher Tatsachen aus dem Flughafen gelockt. Ich legte eine Hand auf meinen plötzlich nervös rumorenden Magen.

»Wir müssen das heut Abend auch nicht machen«, flüsterte ich in die Stille des Taxis. Jacob öffnete seine Augen und drehte den Kopf, um mich anzusehen. Schon wieder waren diese intensiven Laseraugen auf mich gerichtet.

»Was müssen wir nicht machen?«

Okay, ich musste mich vielleicht etwas weniger kryptisch ausdrücken. »Das Interview. Du siehst müde aus und ich … wir können das Interview auch auf einen anderen Tag schieben.« Was mir die Gelegenheit geben würde, aus diesem Auto zu steigen und Jacob Harrison einem Profi zu überlassen. Seltsamerweise machte mich dieser Gedanke irgendwie traurig.

»Ist schon okay«, antwortete er und kramte sein Portemonnaie hervor, um den Fahrer zu bezahlen. Überrascht sah ich aus dem Fenster und entdeckte die prachtvolle Fassade des Mandarin Oriental. Waren wir so schnell gewesen, oder hatte ich ernsthaft über dreißig Minuten damit verbracht, den Mann neben mir anzustarren?

O Gott, wie unangenehm …

»Hier Kumpel, für dich.«

Der Taxifahrer nahm das Geld entgegen und bedankte sich überschwänglich bei seinem äußerst großzügigen Fahrgast.

»Ich, äh«, begann ich, ohne genau zu wissen, was ich sagen wollte. »Ich kann das auch bezahlen.« War es nicht das, was Verlage oder Fernsehsender taten? Ihre Stars zu allem einladen? Immerhin hatten sie Jacob in einem Luxushotel untergebracht.

»Ist schon okay. Das Hotel hat sicher genug gekostet. Warum ihr Typen immer darauf besteht, mich in diesen Luxusschuppen unterzubringen, werde ich nie verstehen«, murmelte er und stieg aus dem Wagen. Darauf konnte ich ihm keine Antwort geben. Eilig folgte ich ihm und sah, die Magazine noch immer fest im Griff, dabei zu, wie er sich seine Dufflebag aus dem Kofferraum schnappte. Ein Concierge eilte direkt auf uns zu.

»Mister Harrison, welch eine Freude, Sie bei uns begrüßen zu dürfen«, säuselte er, während ich antwortete: »Ihr Typen?«

Jacob zuckte mit den Schultern, und wir folgten dem Hotelangestellten in die Lobby.

»Presse, Manager … es ist immer das Gleiche. Als ob eine Person eine ganze Suite bräuchte.« Da ich ihm schlecht zustimmen oder gar widersprechen konnte, gab ich ein unbestimmtes Geräusch von mir. Ich hatte ein Hotel wie das Mandarin Oriental noch nie von innen gesehen. Und ganz bestimmt auch keine Suite dieser Preiskategorie. Daher konnte und wollte ich über Jacobs Aussage nicht urteilen. Zwar verdiente ich in meinem Job nicht schlecht, aber Chad würde uns während unserer Geschäftsreisen niemals in einem Hotel wie diesem unterbringen. Das Mandarin Oriental war eines der exklusivsten Hotels in London. Der Concierge beschleunigte das Einchecken so gut es ging, und so saß ich wenige Minuten später in einer privaten Ecke der Hotelbar und wartete darauf, dass Jacob mir nach seiner Dusche Gesellschaft leistete. Nervös sah ich mich um. Zu meiner unendlichen Erleichterung war die Bar so gut wie leer. Außer mir befanden sich aktuell nur ein paar Anzugträger und zwei Pärchen in dem prunkvollen Raum. Keiner der hier Anwesenden wusste, dass ich nur vorgab, eine Reporterin zu sein. Niemand nahm Notiz von mir. Ich erinnerte mich daran, dass ich letztes Jahr einen Artikel darüber gelesen hatte, dass die Bar vor Kurzem renoviert und wiedereröffnet worden war. Am Wochenende tummelte sich hier das Who’s Who der Londoner High Society. Zum Glück war heute Dienstag. Ich ließ meinen Blick durch den Raum wandern und blieb an der Bar hängen. Große Kupferleuchten hingen von der Decke und tauchten die glänzenden und mit dezenten Art-Dekor-Schnörkeln verzierten Milchglasflächen in goldenes Licht. Mit ihrem rechteckigen, leuchtenden Tresen erinnerte die Bar mich ein wenig an einen Laufsteg … Alles in diesem Raum war glamourös und teuer. Alles außer mir. Ich atmete tief durch und versuchte, meine Nerven zu beruhigen. Ich sollte aufstehen und gehen. Es wäre unhöflich, ja, aber weit weniger unhöflich, als Jacob weiterhin eine Rolle vorzuspielen. Bis jetzt hatte ich den Gedanken erfolgreich verdrängt, dass irgendwo am Flughafen womöglich eine richtige Reporterin stand und auf Jacob wartete. Jetzt aber brach die Realität mit gewaltiger Wucht über mir zusammen. Und wie schon im Taxi lief es mir eiskalt den Rücken herab. Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen aus.

Was, wenn sie weiß, wo er wohnt, und hierherkommt? Eine nicht zu leugnende Panik durchfuhr mich bei dem Gedanken. Das konnte ich auf keinen Fall riskieren. Ich musste hier weg!

2 So verloren wie Alice. So verrückt wie der Hutmacher.

Auf leicht zittrigen Beinen erhob ich mich just in dem Moment, als Jacob die Bar betrat. Als ich ihn erblickte, machte mein Herz einen Satz, den es eigentlich nicht machen sollte. Einen Satz, den es unmöglich machen konnte, immerhin hatte ich den Mann vor genau einer Stunde das erste Mal gesehen. Jacob umrundete die Bar und kam näher. Mein Herz stolperte erneut. Mit einem fragenden Ausdruck auf dem Gesicht sah er mich an, während er zu mir herüberschlenderte. Die Jeans und die Lederjacke waren einer schwarzen Trainingshose und einem dunklen Pullover gewichen. An jedem anderen hätte dieser Look wahrscheinlich unpassend gewirkt. Jacob jedoch sah unangestrengt lässig und absolut nicht fehl am Platz aus, trotz unserer spektakulär opulenten Umgebung. Vorhin noch hatte ich es bereut, dass ich mich nach der Arbeit nicht umgezogen hatte, jetzt war ich dankbar. In meiner schwarzen Hose und der hellblauen weiten Seidenbluse passte ich nicht ganz an diesen Ort, fiel aber auch nicht negativ auf. Und mit etwas Glück hatte von dem leichten Make-up, das ich heute Morgen aufgetragen hatte, wenigstens etwas Rouge überlebt.

»Wolltest du wohin?«

Ich zwang meine Lippen zu so etwas Ähnlichem wie einem Lächeln, und meine Gedanken überschlugen sich, als ich versuchte, etwas anderes zu erwidern als Ja. Ja!

»Ich, äh …« Verdammt, Ellie. »Nein.«

»Gut.« Er ließ sich in den Sessel mir gegenüber fallen. Die Sitzecke und der Tisch vor uns waren für einen Mann wie Jacob Harrison viel zu klein. Ihn jedoch schien seine Umgebung nicht im Geringsten zu interessieren. Sobald Jacob saß, erschien ein Kellner neben uns. Jener Kellner, der mich seit über zehn Minuten geflissentlich ignoriert hatte.

»Wasser oder Drinks?«, fragte Jacob mich.

»Drinks.« Definitiv Drinks. Jacob sah ebenso erleichtert aus, wie ich mich fühlte. Mit Alkohol würde ich diesen Abend schon irgendwie überleben. Ein, zwei Fragen, einen Drink und ich würde das Mandarin Oriental und Jacob Harrison so schnell ich konnte hinter mir lassen. Bevor eine wütende Reporterin hier auftauchen und mich auffliegen lassen konnte.

»Mojito?«

Ich nickte. »Klar, warum nicht.«

Jacob bestellte zwei Mojitos und etwas, das verdächtig nach der gesamten Fingerfood-Karte klang.

»Ich war die letzten vier Wochen in Brasilien«, klärte er mich auf, als der Kellner abrauschte, um sich um unsere Bestellung zu kümmern. »Seitdem liebe ich das Zeug.«

Brasilien? Ich unterdrückte ein sehnsüchtiges Seufzen. Was für exotische Orte Jacob wohl schon besucht hatte? Ich selbst hatte es noch nicht einmal geschafft, in den letzten zehn Jahren, in denen ich bereits legal trinken durfte, einen simplen Mojito zu bestellen.

»Woran denkst du?«

Irritiert sah ich auf. »Hm?«

»Das Lächeln auf deinem Gesicht.« Jacob streckte seine langen Beine aus und überkreuzte sie an den Knöcheln. Dabei kam er meinen brav untergeschlagenen Beinen gefährlich nahe. Unsere aktuelle Sitzsituation machte es mir jedoch unmöglich, noch weiter von ihm abzurücken. Um das zu tun, hätte ich aufstehen, meinen Sessel hochhieven und mich aktiv von ihm entfernen müssen. Eine Alternative wäre es gewesen, einfach zu gehen. Etwas, was ich definitiv hätte tun sollen. Bevor Jacob die Bar betreten hatte. »Woran hast du gedacht?«, wiederholte er seine Frage.

Mein erster Impuls war ihn anzulügen. Schon wieder. Da ich jedoch nicht plante, Jacob jemals wiederzusehen, versuchte ich mir ein Beispiel an ihm zu nehmen und mich zu entspannen. Die Magazine mit seinen Coverfotos lagen direkt zwischen uns auf dem kleinen Tisch und verhöhnten mich. Ich blendete sie aus. Der Kellner brachte unsere Drinks und die erste Ladung von Jacobs Monsterbestellung, wobei er die Magazine bemerkenswert nonchalant zur Seite schob. Fasziniert von seiner scheinbar mühelosen Eleganz, sah ich ihm dabei zu, wie er zwei hübsche Kristallgläser und eine Reihe bunt gefüllter Schüsseln auf dem eigentlich viel zu kleinen Tisch arrangierte.

»Ich habe noch nie einen Mojito getrunken«, verkündete ich, als wir wieder alleine waren.

»Wirklich?«

Er klang ernsthaft schockiert. Ich nickte, und wir griffen nach unseren Gläsern.

»Darauf trinken wir.« Jacob stieß mit seinem Glas geräuschvoll gegen meins. »Cheers.«

Neugierig und ja, auch ein wenig aufgeregt, obwohl es sich hierbei nur um ein Getränk handelte, schob ich das kleine Schirmchen aus dem Weg und sog an dem Glasstrohhalm. Wow! Jacob beobachtete mich grinsend. »Und?«

»Ziemlich lecker«, erwiderte ich, nun ebenfalls lächelnd. Der Mojito in meiner Hand, dieser ganze verrückte Abend, waren mit Abstand das Aufregendste, was mir seit Jahren passiert war – und worauf ich mich eingelassen hatte. Mein erstes kleines Abenteuer und ich wurde nicht enttäuscht. Zumindest nicht von meinem Drink. Die süß-bittere Kombi aus Alkohol und Zucker, gepaart mit der Säure der Limetten, schmeckte phantastisch. Definitiv etwas, woran ich mich gewöhnen konnte. Ebenso wie an den Mann mir gegenüber. Whoa, Ellie. Immer mit der Ruhe. Nach diesem Abend würde ich Jacob nie wiedersehen. So deprimierend dieser Gedanke auch war, es war richtig so. Dieser Abend basierte auf einer Lüge. Meiner Lüge. Aber Jacob berührte etwas in mir, etwas, was ich schon sehr, sehr lange nicht mehr gefühlt hatte. Und ich kannte ihn wie lange? Noch nicht mal eine Stunde. Wenn ich nicht aufpasste, dann würde ich mich in seinen blauen Augen verlieren, und so etwas war mir seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr passiert. Ich wollte ja auch gar nicht, dass so etwas passierte. Also musste ich mich zusammenreißen und dieses Gespräch möglichst professionell hinter mich bringen. Das war ich mir selbst und dem, was von meiner Würde noch übrig war, schuldig. Wahrscheinlich schuldete ich es auch Jacob. Immerhin nahm er an, dass er hier einer waschechten Reporterin gegenübersaß. Einem Profi.

»Also«, begann ich, im gleichen Moment, in dem er sich vorlehnte.

»Was willst du wissen?«

»Hast du etwas dagegen, wenn wir, hm, das Interview ein wenig anders aufziehen?«, fragte ich ihn und versuchte dabei möglichst gelassen zu klingen.

»Absolut nicht«, antwortete er. Mittlerweile sah Jacob ein wenig entspannter aus, und etwas irritiert stellte ich fest, dass wir beide unseren Drink bereits zur Hälfte geleert hatten. Er nickte in Richtung unserer Gläser.

»Noch einen?«

Wollte er mich etwa abfüllen? Oder konnte es sein, dass er diese merkwürdige Chemie zwischen uns ebenfalls spürte?

»Ich meine, ich kenne all die beruflichen Fakten über dich« – noch eine Lüge – »aber ich will ein wenig mehr über den Mann Jacob Harrison erfahren. Nicht über den Sportler Jacob Harrison.«

Er sah mich verblüfft an. Damit hatte er wohl nicht gerechnet. Aber wenigstens das war keine Lüge. Ich wollte mehr über den Mann mir gegenüber erfahren. Was für ein Mensch war Jacob, und warum fühlte ich mich so sehr von ihm angezogen? Etwas blitzte in seinem Gesicht auf. Etwas Intensives und … Beunruhigendes. Ich spielte nervös mit dem Glasstrohhalm in meinem Drink.

»Ist das okay für dich?«

Nach einer kurzen Stille, in der er mich lediglich angesehen hatte, nickte er schließlich. Erleichtert atmete ich auf.

»Gut. Dann nehme ich noch einen Drink«, beantwortete ich seine Frage. Ich wusste nicht, ob es mir als Reporterin untersagt sein müsste, während eines Jobs zu trinken. Da ich aber keine richtige Reporterin war, konnte es mir glücklicherweise egal sein. Da ich ohnehin bereits knietief im Dreck steckte, war das Mindeste, was ich tun konnte, den Abend in vollen Zügen zu genießen. Wann bekam man schon einmal die Gelegenheit, mit einer echten Berühmtheit in einer dunklen Hotelbar Mojitos zu schlürfen?

Zwei Stunden später wusste ich eins mit Sicherheit, Jacob Harrison war ein faszinierender Mann. War unser Gespräch zu Beginn ein wenig holprig gewesen, so war davon jetzt nichts mehr zu merken. Jacob entpuppte sich als richtiger Entertainer und erzählte mir eine spannende Geschichte nach der anderen. Von seinen Stunts, aber auch von den verschiedensten Menschen, die er bisher getroffen oder mit denen er gearbeitet hatte. Regisseure, Schauspieler, Rockbands – so ziemlich alles, was das Fan-Herz höherschlagen ließ.

Ich lehnte mich vor und schnappte mir ein paar der Salzbrezeln, ehe ich mich wieder in meinem Sessel zurücklehnte. Ich konnte nicht glauben, wie angenehm dieser Abend verlief. Jacob war witzig und charmant. Ich hätte ihm den ganzen Abend dabei zuhören können, wie er mir von seinem Leben erzählte. Es war ein einziges Abenteuer, und ich verspürte einen gewissen Neid, wenn ich daran dachte, was er bereits alles gesehen und erlebt hatte. Die meisten Leute träumten lediglich davon, ferne, exotische Orte zu sehen. Jacob jedoch hatte sie alle bereist.

»Also, warum ist Hollywood dann nichts für dich?«, fragte ich interessiert.

»Es war witzig, eine Gastrolle in dem Film zu spielen, aber immerhin habe ich mich selbst gespielt. In eine völlig andere Rolle zu schlüpfen, liegt mir nicht. Ich bin gerne ich.«

Nachdenklich schob ich mir eine Salzbrezel in den Mund. Ich bin gerne ich. Wie viele Leute das wohl über sich selbst sagen konnten? Es musste sich gut anfühlen, so sehr mit sich im Reinen zu sein.

»Außerdem«, fügte er hinzu und riss mich so aus meinen Gedanken, »mag ich es nicht, berühmt zu sein.«

Ich schnaubte wenig damenhaft. »Oh, bitte.«

»Nein, wirklich.«

»Warum?«

»Ich habe kein Problem damit, wenn mich jemand auf der Straße erkennt, versteh mich nicht falsch«, er zog spielerisch eine Augenbraue hoch, »und um Himmels willen, schreib das bloß nicht in deinem Artikel, aber … ich weiß nicht …« Er fuhr sich mit einer Hand durch die blonden, im Schein der Kupferlampen golden leuchtenden Haare. »Ich bin dankbar für meinen Erfolg, der mir all dies hier ermöglicht, aber mein ganzes Leben in der Presse? Immer darüber nachdenken, was ich sage, tue oder wie ich vielleicht wirke. Nein, danke. Als Extremsportler werde ich von Fans des Genres erkannt«, fuhr er fort. »Seit letztem Jahr von ein paar mehr Menschen, an sich bewege ich mich aber in einer Nische und kann mich relativ unbehelligt in der Öffentlichkeit bewegen. Musiker oder Schauspieler hingegen haben diesen Luxus nicht.«

Es schien ihm wirklich ernst zu sein. Einen Augenblick lang musterte ich Jacob. Dann verspeiste ich den Rest meiner Salzbrezeln und nickte.

»Das wäre auch nichts für mich.«

»Du interviewst die Leute lieber …«

Jacob lächelte, aber zum ersten Mal an diesem Abend erreichte es seine Augen nicht. Ob er auch ein Problem mit Reportern hat?

Ich stellte es mir anstrengend vor, von Termin zu Termin zu jetten und immer Leute mit Kameras oder Schreibblöcken um mich zu haben. Während der letzten zwei Stunden hatte ich vollkommen vergessen, warum genau ich mit Jacob Harrison in einer Hotelbar gegenüber dem Hyde Park saß. Nun aber stürmte das Ausmaß meiner eigenen Dummheit mit voller Wucht auf mich ein. Bis jetzt hatte ich verfluchtes Glück gehabt, dass nicht wirklich jemand vom Traveller aufgetaucht war und mich bloßgestellt hatte. Was ich jetzt tun sollte, war bezahlen und gehen.

»Ich übernehme die Rechnung, dann sollte ich gehen.«

»Hast du einen Freund?«

Wir hatten gleichzeitig gesprochen, dennoch hatte ich ihn laut und deutlich gehört. Bei seiner Frage flatterten ein paar sehr aufgeregte Schmetterlinge durch meine Magengrube.

»Ellie, hast du einen Freund?«, fragte er mich noch einmal.

»Ich, äh …«

»Oder einen Mann?«

Absolut nicht vorbereitet auf diese Art von Fragen, wandte ich mich ab und sah zur Bar. Mittlerweile war es nach Mitternacht. Wir waren die letzten Gäste, und sowohl der Kellner als auch der Barkeeper hatten bereits mehr als einmal bedeutungsschwer auf ihre Armbanduhr geschaut. Ich wollte Jacobs Frage nicht beantworten, und das war feige. Bilder und Erinnerungen von Mark stürmten auf mich ein und drohten mich zu ersticken. Mark und ich nach der Schule, als wir unsere erste Wohnung mieteten. Mark und ich, Wein trinkend in der Toskana. Mark, wie er mir einen Antrag machte, und ich, wie ich in einem schwarzen Kleid auf dem Friedhof stand. Allein und verloren.

»Ellie?« Jacobs Stimme war sanft, aber gleichzeitig bestimmt. Er wollte eine Antwort von mir, und wer konnte es ihm verübeln? Immerhin hatten wir mehr als nur ein wenig miteinander geflirtet, und die letzten Stunden mit ihm waren schön gewesen. Wirklich schön. Aber obwohl die Chemie zwischen uns stimmte, war der Abend eine Farce. Das hier war nicht ich. Die Ellen Mansfield, die ich normalerweise war, war weder spontan noch verrückt oder besonders offen Fremden gegenüber, und sie saß mit Sicherheit nicht Mojito trinkend mit einem fremden Mann in einer Bar.

»Bitte sag mir, dass du nicht in einer festen Beziehung bist.« Jacobs Stimme jagte mir einen Schauer den Rücken hinab. Ich riss meinen Blick von der Bar los und sah ihn an. Sofort nahmen seine blauen Augen mich gefangen. Wie in Trance schüttelte ich den Kopf.

»Keine feste Beziehung also.« Jacob grinste. »Andere … Verpflichtungen?«

Wie eine Marionette, die von jemand anderem gelenkt wurde, schüttelte ich erneut den Kopf. Es schien so, als würde mein Körper ein Eigenleben entwickeln, sobald es um den Mann mir gegenüber ging. Ich hätte ewig hier sitzen und Jacobs Geschichten lauschen können. Die Stimme dieses Mannes, seine ganze Ausstrahlung und vielleicht auch die Mojitos in meinem ansonsten leeren Magen sorgten dafür, dass ich mich wohlfühlte. Richtig gut und zufrieden. Ich wollte dieses Gefühl nicht aufgeben, aber ich musste es. Die Realität und damit auch die Absurdität dieser Situation schlug ihre Krallen in mein Fleisch und erinnerte mich schmerzhaft daran, dass Jacob Harrison hier jemandem gegenübersaß, den es gar nicht gab. Ich war Immobilienmaklerin, verflucht. Für einen Abend jemand anders zu sein und sich von einem Mann wie Jacob verzaubern zu lassen, um der Realität für einen Moment zu entfliehen, hatte Spaß gemacht, und es tat unleugbar gut, aber es konnte nicht von Dauer sein.

»Gut«, raunte Jacob heiser. Lag es an mir, oder war es hier gerade ein paar Grad wärmer geworden? Er lehnte sich nach vorne und damit dichter zu mir. »Ich will dich wiedersehen, Ellie.«

O nein. Nein. Nein. Nein.

»Jacob, ich …«

»Verzeihung?« Irritiert sah ich auf und blickte in das erschöpfte Gesicht unseres Kellners. »Die Bar schließt jetzt, und ich muss Sie leider bitten zu gehen.«

Ohne auf eine weitere Aufforderung zu warten, sprang ich auf. Das war mein Stichwort, meine Chance abzuhauen, und ich würde sie ergreifen.

»Natürlich«, wandte ich mich an den Kellner. »Ich würde gern mit Kreditkarte …«

»Schreiben Sie es auf mein Zimmer«, unterbrach Jacob mich.

»Nein, ich …«

»Sehr wohl, Sir. Ich hole Ihnen die Rechnung zum Gegenzeichnen.«

»Du musst das nicht bezahlen«, grummelte ich leise, »der Verlag« – die Erde möge sich auftun und mich verschlingen – »kann dafür aufkommen.«

Jacob musterte mich einen Moment schweigend. Er saß noch immer in seinem Sessel. Den Kopf leicht in den Nacken gelegt, sah er zu mir auf, während ich versuchte, überall hinzusehen, nur nicht zu ihm. Mit mäßigem Erfolg. Schweigend warteten wir, bis der Keller zurückkam und Jacob eine schwarze Ledermappe reichte. Jacob unterzeichnete, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Möglichst unauffällig schielte ich in Richtung Ausgang. Wenn ich mich jetzt umdrehte und loslief, dann könnte ich … Eine Berührung an meinem Arm riss mich aus meinen Gedanken. Ich musste mich nicht umdrehen, um zu wissen, von wem sie kam. Jacobs Hand brannte sich regelrecht durch den Stoff meiner dünnen Bluse, und ich bemühte mich, möglichst flach zu atmen.

»Ich bringe dich zur Tür«, flüsterte er an meinem Ohr. Sehr dicht an meinem Ohr.

Artig bedankte ich mich bei unserem Kellner und dem Barkeeper und ließ mich von Jacob durch die Bar und die Hotellobby in Richtung Ausgang führen. Für einen kurzen Moment hatte ich befürchtet, dass ich ihm die falschen Signale gesendet hatte und er versuchen würde, mich ins Bett zu kriegen. Ein One-Night-Stand nach ein paar Drinks und einem netten Abend. Nichts Wildes. Außer dass ich so was noch nie gemacht hatte. Dass Jacob mich jedoch direkt Richtung Ausgang führte, ohne auch nur irgendetwas zu versuchen, erleichterte mich. Und gleichzeitig enttäuschte es mich ein wenig. Wärst du etwa mit ihm aufs Zimmer gegangen, Ellie? Wirklich? Vor der Tür angekommen, sog ich die kühle Nachtluft gierig in meine Lungen. Mein Mund fühlte sich trocken an, und das Herz schlug schnell in meiner Brust. Ich drehte mich zu Jacob um und spürte, wie mir die Hitze in die Wangen kroch. Die Art und Weise, wie er mich in diesem Moment ansah, so voller unverhohlenem Begehren, würde mich noch lange in meinen Träumen verfolgen. Etwas verlegen strich ich mir ein paar widerspenstige Strähnen meines dunklen Haares hinter das Ohr und fixierte einen Punkt hinter ihm.

»Das war ein schöner Abend«, sagte ich leise.

»War es.«

»Danke für die Drinks und das Essen.«

Als Jacob nichts weiter erwiderte, nahm ich all meinen Mut zusammen und sah zu ihm auf. Strahlend blaue Augen bohrten sich in meine, und ich widerstand dem Drang, meinen Blick zu senken.

»Ellie, ich …«

»Es ist spät«, unterbrach ich ihn und rang mir ein zittriges Lächeln ab. »Ich sollte besser gehen.« Stumm sah er mich an. Der Gehweg vor dem Hotel war menschenleer, und der Portier an der Tür schenkte uns keine Beachtung. Niemanden kümmerte es, dass wir hier draußen standen und uns einfach nur ansahen. »Es ist spät«, wiederholte ich, »ich sollte wirklich …« Weiter kam ich nicht. Jacob überbrückte die kurze Distanz zwischen uns und presste seine weichen Lippen auf meine. Mein Kopf brauchte einen Moment, bis er verstand, was hier gerade passierte. Mein Körper jedoch war voll und ganz bei der Sache. Wie von selbst schlangen sich meine Arme um Jacobs Hals, und mit einem zustimmenden Grollen zog er mich fest an sich. Er schmeckte nach Mojito und Mann und Abenteuer. Berauscht von ihm und unserem Kuss, stellte ich mich auf die Zehenspitzen. Jacob verstand mein Verhalten als genau das, was es war: eine Aufforderung, den Kuss zu vertiefen. Er wühlte eine seiner großen Hände in meine Haare und legte sie sanft, aber unmissverständlich besitzergreifend auf meinen Hinterkopf. So kitschig es auch klang, aber in diesem einen, wunderbaren Moment blieb die Welt für mich stehen. Nur um sich dann weiterzudrehen, rasend schnell und schwindelerregend. Jacob Harrison zu küssen war überwältigend. Ich fühlte mich gleichzeitig verletzlich und stark. Geborgen und herausgefordert. Lust pulsierte kompromisslos durch meinen Körper, und das Blut rauschte schneller durch meine Adern. Hitze, vollkommen unangebrachte, feurige Hitze durchströmte mich. Jacob legte seine freie Hand an meine Taille, und ich seufzte zufrieden an seinem Mund, als er die Finger spreizte und mich noch ein wenig dichter an sich zog.

Direkt neben uns ertönte die schrille Hupe eines Autos. Erschrocken fuhren wir auseinander. Das hieß, ich war es, die versuchte, etwas Abstand zwischen uns zu bringen. Jacob hingegen hielt mich noch immer an Ort und Stelle. Seine Hand an meiner Taille zuckte verdächtig. O mein Gott. Ich hatte Jacob Harrison geküsst!

Jacobs Lider hingen mittlerweile auf halb acht, und seine nun mitternachtsblauen Augen verrieten mit deutlich, was er wollte.

»Ellie …«

»Ich muss jetzt wirklich los«, unterbrach ich ihn und löste mich sanft, aber mit Nachdruck aus seinen Armen. Dann trat ich zurück und gönnte mir einen tiefen Atemzug. Der Taxifahrer klopfte an die Beifahrerscheibe und sah mich fragend an. Offensichtlich hatte eine der Empfangsdamen ein Taxi für mich gerufen, als sie gesehen hatten, wie Jacob mich zum Ausgang begleitete. Natürlich hatten sie nicht wissen können, dass wir erst noch miteinander rummachen würden. Ich selbst war mit dieser Entwicklung aktuell mehr als nur ein wenig überfordert. Also bedeutete ich dem Taxifahrer, dass ich gleich einsteigen würde, und bemühte mich um ein möglichst neutrales Lächeln.

»Danke für … alles, Jacob. Ich hatte einen wirklich schönen Abend.«

Jacobs Stirn legte sich in Falten, und wenig begeistert sah er auf mich herab.

»Geh nicht.«

»Ich muss«, antwortete ich leise und tastete blind nach dem Griff der Tür.

Jacob hier stehenzulassen, nach allem, was wir die letzten Stunden miteinander geteilt hatten, schien mir ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Und genau deswegen musste ich gehen. Meine Lippen kribbelten und erinnerten mich daran, dass ich seit drei Jahren nicht mehr geküsst worden war.

»Ellie?«

»Ja?«

»Wie lautet dein Nachname?«

»Ich …« Sag es ihm nicht. Sag es ihm nicht. Ich konnte nicht riskieren aufzufliegen.

»Mansfield.« Verdammt. Wo war sie hin, meine berühmte Selbstbeherrschung? Was war los mit mir? Gut, ich hatte die letzten zwei Stunden vier Mojitos getrunken, und vielleicht war ich etwas angeheitert, aber ich war nicht betrunken. Und ich war klar genug, um zu wissen, dass es ein Fehler gewesen war, Jacob meinen vollen Namen zu nennen. Was, wenn er mich nach diesem Abend wirklich wiedersehen wollte? Immerhin hatte er mich geküsst! Wie würde er reagieren, wenn er erfuhr, dass es keine Reporterin beim Traveller mit dem Namen Ellen Mansfield gab?

»Es war mir eine wahre Freude, Ellie Mansfield.« Das Lächeln war zurück auf Jacobs Gesicht, und galant hielt er mir die Tür auf.

»Leb wohl, Jacob.«

Schweren Herzens ließ ich mich auf den Rücksitz des Taxis fallen und schloss die Augen. Verschloss sie vor Jacob. Vor diesem Abend und meinen eigenen, verwirrenden Gefühlen. Jacobs Stimme drang dumpf zu mir ins Innere des Taxis.

»Wir werden uns wiedersehen, Ellie Mansfield!«

»Bitte fahren Sie los«, bat ich den Taxifahrer leise.

»Wohin?«

Ich nannte ihm meine Adresse.

»Bitte fahren Sie einfach.« Der Wagen setzte sich in Bewegung, und es kostete mich all meine verbliebene Kraft, mich nicht umzudrehen und Jacob anzustarren. Denn eins wusste ich mit Sicherheit: Ich würde Jacob Harrison nie wiedersehen.

3 Lieber ein »Ups« als ein »Was wäre, wenn …«

»Ellie? Ist alles okay bei dir?«

»Mhm?«

»Ist alles okay bei dir, Schätzchen?«, fragte mich Amanda, Chads Sekretärin und die gute Seele unseres Büros, offensichtlich nicht zum ersten Mal.

»Ja, ich … ja.« Ich rang mir ein, wie ich hoffte, aufmunterndes Lächeln ab. »Alles bestens.«

Nichts war bestens, gar nichts. Seit ich vor drei Tagen die Bar des Mandarin Oriental und damit auch Jacob Harrison hinter mir gelassen hatte, konnte ich weder richtig schlafen noch essen. Oder auch nur einen klaren Gedanken fassen. Irgendwie hatte dieser Mann es geschafft, sich in meinem Kopf einzunisten. In den letzten Tagen hatte ich jeden Onlineartikel über Jacob gelesen, den ich hatte finden können. Jeden noch so kleinen Schnipsel. Jacob war sechsunddreißig Jahre alt, Single – offenbar hatte er zuletzt ein Supermodel gedatet, aber die Beziehung war in die Brüche gegangen – und in seinen Stunts noch verrückter und risikofreudiger, als ich vermutet hatte. Die letzten drei Abende hatte ich damit verbracht, mir diverse Youtubevideos über ihn anzuschauen. Jacob, wie er sich ohne Fallschirm aus einem Flugzeug stürzt, nur um den Fallschirm kurz vor dem Boden in der Luft überreicht zu bekommen. Jacob, wie er Apnoetauchen mit weißen Haien macht, oder Jacob, wie er sich mit seinem Snowboard aus einem Helikopter wirft, um nicht erschlossene Pisten hinabzusausen. Jedes Mal, wenn ich meinen Browser hatte schließen wollen, hatte Youtube mich darauf hingewiesen, dass User, die dieses Video gesehen hatten, auch jenes Video unbedingt schauen mussten. Stunden um Stunden hatte ich also vor meinem Laptop verbracht, und mehr als einmal war mir dabei das Herz in die Hose gerutscht. Ich fragte mich, wie dieser Mann zu dem sanftmütigen, lustigen Jacob passte, den ich vor drei Tagen kennengelernt hatte. Mir war durchaus bewusst, dass ich mich mit meiner Recherche nur selbst quälte. An diesem Punkt, ganze drei Tage später, musste Jacob bereits wissen, dass ich ihn belogen hatte und es definitiv keine Reporterin namens Ellie Mansfield beim Traveller gab. Vielleicht wusste er sogar, dass es überhaupt keine Reporterin namens Ellie Mansfield gab. Nur eine traurige Immobilienmaklerin, die ihre Abende allein am Flughafen verbrachte. Bei dem Gedanken wurde mir flau im Magen. Bestimmt war er wütend gewesen, dachte ich, als ich Amanda dabei zusah, wie sie sich erneut ihren Papieren widmete. Natürlich war er wütend gewesen! Wer wäre das nicht, wenn man erfuhr, dass man einen ganzen Abend lang verarscht worden war? Von der Frau, die man zum Abschied auch noch geküsst hatte. Aber Jacob würde mich vergessen, und genau das sollte ich auch tun. Ihn vergessen. Stattdessen stalkte ich seinen Instagram-Account und erkannte mich dabei selbst nicht wieder. Aber dieser Kuss … übermüdet und mit brennenden Augen starrte ich auf meinen Laptop. Die Zahlen verschwammen vor meinen Augen, und nicht einmal die nette Mail von Mortimer Wentworth und seine Einladung zum Tee hatten mich aufheitern können. Mein Telefon begann lautstark zu klingeln und riss mich aus meiner Lethargie. Wenig begeistert nahm ich ab.

»Mansfield, Danes Properties, was kann ich für Sie tun?«

»Sind Sie Ellen Mansfield?«, hörte ich eine grimmige Stimme am anderen Ende der Leitung.

»Die bin ich.«

»Dann bewegen Sie sofort Ihren Arsch hierher und erklären mir, was verflucht noch mal Sie mit Jacob Harrison zu schaffen haben.«

»Äh …« O mein Gott. Schlagartig wurde mir abwechselnd heiß und kalt. Ich umklammerte den Hörer ein wenig fester. Bitte nicht. »Wie bitte?« Ich räusperte mich. Das hieß, ich versuchte es. Das Geräusch, das mir entfuhr, klang eher wie ein heiseres Krächzen.

»Wer ist da?«

»Hier spricht Roy Clover, ich bin der Chefredakteur des Nat GeoTraveller, und Sie, Miss Mansfield, haben mir einiges zu erklären.«

Alles, was Mister Clover nach diesen Worten von sich gab, versank im dichten Nebel meiner Panik. Also hatten sie mich gefunden. Hatte Jacob ihn beauftragt, mich anzurufen? Wusste er Bescheid? Roy Clover schnauzte mich noch weitere fünf Minuten an, dann legte er mit einem charmanten »Ich erwarte Sie. Bewegen Sie Ihren Arsch hierher« auf. Unfähig, etwas anderes zu tun, starrte ich für ein paar Wimpernschläge auf das Telefon in meiner Hand. Die Fragen in meinem Kopf überschlugen sich. Ich fühlte mich, als schwebte mein Kopf über den Wolken – oder aber, als wäre ich unter Wasser, kurz davor, jämmerlich zu ersaufen. Wie in Trance erzählte ich Amanda irgendetwas von einer dringenden Besorgung und eilte davon. Mit der Metro fuhr ich bis zur Kensington Street und stand wenige Minuten später wie erstarrt vor einem schicken Hochhaus mit Glasfront. Ich beobachtete das Spiel der Wolken, das sich in der gigantischen Fassade des Hauses spiegelte. Ich registrierte, wie sich das Licht in den zahlreichen Fenstern brach, und auch … dass ich das Unvermeidliche hinauszuzögern versuchte. Ich tat einen tiefen Atemzug und sog die extrem Feinstaub belastete Londoner Luft in meine Lungen, als wäre es die feinste und frischeste Bergluft. Das Londoner Office des National Geographic.

Du wusstest, dass so was passieren könnte, Ellie. Also reiß dich gefälligst zusammen!

Leichter gesagt als getan. Auf zittrigen Beinen durchquerte ich die Eingangshalle und meldete mich am Empfang. Eine sympathisch aussehende Dame in den Fünfzigern lächelte mich freundlich an.

»Was kann ich für Sie tun, Liebes?«

»Ich, äh … ich bin Ellen Mansfield. Ich habe einen Termin mit Roy Clover.«

Die Frau vor mir nickte bestätigend und tippte ein paarmal geräuschvoll in die Tasten ihres PCs.

»Ah ja, da sind Sie ja. Miss Mansfield.« Sie sah lächelnd zu mir auf. »Roy erwartet Sie bereits.«

Das konnte ich mir vorstellen.

»Sie können einen der Fahrstühle dort drüben benutzen«, flötete sie gut gelaunt. »Roy erwartet Sie im zwanzigsten Stock.«

Ich gab mir die größte Mühe, das freundliche Lächeln zu erwidern, befürchtete aber, dass es mir nicht gelang. So musste sich das buchstäbliche Lamm fühlen, wenn es zur Schlachtbank geführt wurde, dachte ich. Ich hatte keine Ahnung, was genau mich gleich erwarten würde, aber eines hoffte ich von Herzen: dass Jacob nicht anwesend war. Ihn so wiederzusehen, nach dem Abend im Hotel und unserem Kuss, wäre mehr als demütigend. Wahrscheinlich nahm er an, dass ich ein Groupie war, das sich einen Spaß mit ihm erlaubt hatte. Und obwohl es für alle Beteiligten besser wäre, ihn in diesem Glauben zu lassen, schmerzte mich der Gedanke. Es war das erste Mal, dass ich nach Marks Tod für einen Mann im Ansatz so etwas wie Interesse zeigte, und dann passierte so etwas. Der Fahrstuhl gab ein leises Pling von sich, und ich zuckte erschrocken zusammen.

Showtime. Roy Clover, Chefredakteur des Travellers, war ein Furcht einflößender Mann. Das war das Erste, was mir durch den Kopf ging, als sich die Fahrstuhltüren öffneten und ein wahrer Riese mit intelligenten braunen Augen wütend auf mich herabsah. Über eins neunzig groß, mit breiten Schultern und einem dunklen Vollbart, sah er jedoch anders aus, als ich erwartet hatte.

Roy musterte mich seinerseits stumm, dann nickte er in Richtung eines großzügigen Eckbüros.

»Kommen Sie.«

Wie betäubt folgte ich ihm. Das Büro, wenn auch stylisch, wollte so gar nicht zu dem bärigen Outdoor-Typen passen, den ich hier vor mir hatte. Aber stille Wasser waren tief. Dafür war ich aktuell wohl der beste Beweis.

»Setzen Sie sich«, wies er mich an, und prompt ließ ich mich kommentarlos auf einem der unbequem aussehenden Drahtstühle vor Roys Schreibtisch nieder. Was auch immer jetzt kam, ich würde es mit Würde und Tapferkeit hinnehmen. Immerhin war ich diejenige, die Mist gebaut hatte.

»Sie haben ganz schön Mist gebaut, Miss Mansfield«, begann Roy und verschränkte die massiven Arme vor der Brust. »Aber Sie haben uns diese Scheiße eingebrockt, also holen Sie uns da auch wieder heraus.«

»Ich … ich verstehe nicht ganz.« Meine Kehle fühlte sich auf einmal staubtrocken an. »Wenn es um das Interview geht …«

»Das Interview«, unterbrach Roy mich wütend, »ist mir völlig egal. Was mir jedoch nicht egal ist, Miss Mansfield, ist der sechswöchige Dokumentarfilm für die BBC in Vietnam, für den Jacob Harrison unterschrieben hat.«

Was zur Hölle? Ein Film? Nervös überschlug ich meine Beine und setzte mich aufrechter hin. Mich überkam das drängende Gefühl, dass dieses Gespräch nur in einer Katastrophe enden konnte.

»Das Interview, dessen Sie sich so freundlich angenommen haben, sollte der Auftakt und die Vorbereitung für eben diesen Film werden. Ein Film, der uns in Zusammenarbeit mit der BBC eine Menge Geld kosten und hoffentlich noch mehr Geld einbringen wird.«

Ich räusperte mich leise. Verflucht. »Was hat das mit mir zu tun?«

Roy warf mir einen abschätzenden Blick zu, ehe er sich mit der Hand durch die kurzen, braunen Haare fuhr. »Jacob will, dass Sie ihn begleiten.«

»Was?« Ich musste mich verhört haben. Das konnte nicht sein Ernst sein!

»Das kann nicht … ich meine, Sie können nicht …«

»Das kann nicht mein Ernst sein?« Roy schnaubte. »Glauben Sie mir, Miss Mansfield, mich schockiert das ebenso sehr wie Sie. Aber offensichtlich war Jacob von Ihnen und Ihrem ungewöhnlichen Stil so angetan, dass er Sie jetzt als Reporterin dabeihaben will. Natürlich«, fügte Roy hinzu, als ich hektisch nach Luft schnappte und etwas erwidern wollte, »müssen wir Sie gegen die eigentliche Reporterin austauschen. Etwas, was wir Jacob verschwiegen haben nach Ihrem kleinen … Stunt am Flughafen.« Das brachte mich zum Schweigen. Was sollte ich auch sagen? Dass ich ein furchtbarer Mensch war? Dass es mir unheimlich leidtat? Natürlich könnte ich all das sagen, aber es wäre gelogen. Denn so absurd die Situation auch war, ich bereute es nicht, Jacob getroffen zu haben. Nicht eine Sekunde lang. Dennoch war der Gedanke, ihn sechs Wochen in Vietnam zu begleiten, lächerlich. Das konnte er nicht ernst meinen. Oder doch?

»Wie …« ich räusperte mich. Dabei fühlte meine Kehle sich an, als hätte ich heute Morgen mit Säure gegurgelt. »Ich meine, das Interview … Jacobs und mein Treffen«, verbesserte ich mich rasch, als Roys buschige Augenbrauen sich drohend zusammenzogen, »ist drei Tage her.«

Ich hatte angenommen, dass er mich bereits vergessen hatte.

»Niemand sollte Jacob am Flughafen abholen, Miss Mansfield. Schon gar nicht um diese Uhrzeit. Jacob nahm an, dass der Plan sich geändert oder aber dass er eins der zahlreichen Redaktionsmemos nicht bekommen hatte.« Roy schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, was mich erneut zusammenzucken ließ. »Der Mann ist durch mehrere Zeitzonen geflogen, und dann steht da jemand am Flughafen mit gleich mehreren unserer Magazine im Arm.« Sein Blick machte deutlich, was er davon hielt. »Jacob dachte also, es hätte eine Planänderung gegeben. Stellen Sie sich seine Überraschung vor, Miss Mansfield, als Holly, die eigentliche Reporterin, am nächsten Tag am Frühstücksbuffet neben ihm steht, bereit, ihn zu interviewen.«

O Mann. Das wollte ich mir lieber nicht vorstellen.

»Jacob rief mich an«, fuhr Roy fort, »ich tarnte Ihre Aktion als Missverständnis, und nun sind wir hier.«

»Ich kann das nicht tun«, erwiderte ich atemlos. Wenn Roy mich offensichtlich so einfach gefunden hatte, warum hatte Jacob dann keinen Kontakt zu mir aufgenommen? Wenn er mich so unbedingt wiedersehen wollte, wieso …

»Und ob Sie das tun werden!«, unterbrach Roy meine wirren Gedanken.

»Ich bin keine Reporterin, Mister Clover, ich bin Immobilienmaklerin.«

»Sagen Sie bloß …«

»Warum sagen Sie mir das alles jetzt? Ich meine, es ist drei Tage her …«

»Wir sind ein international agierendes Unternehmen, Miss Mansfield. Diese Reise wird seit über sechs Monaten geplant. Dank Ihnen mussten wir einiges in der Planung umwerfen.« Roy seufzte, und es klang mehr wie ein grimmiges Schnauben.

»Fakt ist, Miss Mansfield, dass Jacob nicht Holly dabeihaben will, sondern Sie. Und er hat mir aufgetragen, ihn nicht anzurufen, bevor Sie zugestimmt haben.«

Er hatte was?

»Auf keinen Fall kann ich Jacob auf solch einer Reise begleiten!«

Drei Stunden mit diesem Mann hatten mich bereits in Schwierigkeiten gebracht. Ich wollte gar nicht erst darüber nachdenken, was in sechs Wochen alles passieren konnte.

»Es ist mir herzlich egal, was Sie darüber denken, Miss Mansfield. Entweder Sie spielen mit, oder Sie rufen am besten schon mal Ihren Anwalt an, da ich Ihren hübschen Hintern bis nach Timbuktu verklagen werde!«

Bei den letzten Worten war Roy immer lauter geworden. Meine Gedanken rasten. Auf und ab und eine scharfe Kurve entlang. Er konnte mich nicht verklagen, oder doch? Dann endlich fand ich die Courage, jene Frage zu stellen, die mir seit Betreten des Gebäudes auf der Zunge brannte.

»Weiß Jacob es?«

»Nein.«

Ein Kribbeln ging durch meinen ganzen Körper, und da waren sie wieder, diese fiesen Monsterschmetterlinge, die in meinem Bauch ihr Unwesen trieben.

»Und so wird es auch bleiben.«

»Nicht, wenn ich ihn begleite«, versuchte ich es nun mit Vernunft, »dann wird er sicherlich merken, dass ich keine Reporterin bin.«