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Als Maggy ihre Londoner Karriere gegen einen Neustart in den schottischen Highlands eintauscht, erwartet sie alles - nur nicht einen Job beim charismatischen Spieleentwickler Lewis. Der geniale, aber hoffnungslos unorganisierte Chef eines erfolgreichen Gaming-Imperiums braucht dringend jemanden, der Ordnung in sein Chaos bringt. Was als professionelles Arbeitsverhältnis beginnt, entwickelt sich durch späte Arbeitsnächte vor prasselndem Kaminfeuer zu etwas, das Maggy nicht einzuordnen weiß.Als eine peinliche Textnachricht versehentlich ihren Weg auf Lewis' Handy findet, droht ihre sorgfältig aufgebaute professionelle Fassade zu bröckeln. Zwischen ihnen wächst eine Spannung, die keiner von beiden ignorieren kann - oder zugeben will. Denn während Maggy ihre Gefühle hinter einem Wall aus Selbstzweifeln versteckt, hat Lewis der Liebe längst abgeschworen. Doch manchmal braucht es nur eine verschneite Winternacht in den Highlands, um zu erkennen, dass manche Regeln gebrochen werden müssen, um der Liebe eine weitere Chance zu geben ... Ein winterlicher Wohlfühlroman mit Herzklopfen und der perfekten Prise Romantik für gemütliche Lesestunden. Alle Bände der „Liebe am Loch Ness“-Reihe sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. Wer es lieber chronologisch mag, findet hier die richtige Reihenfolge: Sommer auf Schottisch Winter auf Schottisch Frühling auf Schottisch Mr Darcy auf Schottisch Herzklopfen auf Schottisch Liebe auf Schottisch Winterknistern auf Schottisch
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Veröffentlichungsjahr: 2025
LIEBE AM LOCH NESS
BUCH SIEBEN
Winterknistern auf Schottisch
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Epilog
Hol dir dein Geschenk
Es geht schon bald weiter mit der Reihe …
Über die Autorin
Copyright © 2025 by Karin Lindberg
All rights reserved.
Lektorat Dorothea Kenneweg
Korrektorat Ruth Pöß
Covergestaltung: Casandra Krammer
Covermotiv: © koyash – shutterstock.com, stockgiu, coolvector – freepik.com
Karin Lindberg
c/o Autorenbetreuung | Caroline Minn
(Impressumservice)
Kapellenstraße 3
54451 Irsch
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Weitere Informationen unter www.karinlindberg.info.
Als Maggy ihre Londoner Karriere gegen einen Neustart in den schottischen Highlands eintauscht, erwartet sie alles - nur nicht einen Job beim charismatischen Spieleentwickler Lewis MacKenzie. Der geniale, aber hoffnungslos unorganisierte Chef eines erfolgreichen Gaming-Imperiums braucht dringend jemanden, der Ordnung in sein Chaos bringt. Was als professionelles Arbeitsverhältnis beginnt, entwickelt sich durch späte Arbeitsnächte und intensive Gespräche zu etwas, das Maggy nicht einzuordnen weiß.
Als eine peinliche Textnachricht versehentlich ihren Weg auf Lewis' Handy findet, droht ihre sorgfältig aufgebaute professionelle Fassade zu bröckeln. Zwischen Geschäftsterminen in Tokio und entspannten Tagen auf den Malediven wächst eine Spannung, die keiner von beiden ignorieren kann - oder zugeben will. Denn während Maggy ihre Gefühle hinter einem Wall aus Selbstzweifeln versteckt, hat Lewis der Liebe längst abgeschworen.
Wird es ihnen gelingen, den Code ihrer Herzen zu entschlüsseln, bevor das Spiel der Liebe auf "Game Over" endet?
Eine romantisch-witzige Geschichte über zwei Menschen, die lernen müssen, dass manchmal der größte Bug im Liebesprogramm die eigene Angst vor dem nächsten Level ist.
Alle Bände der „Liebe am Loch Ness“-Reihe sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. Wer es lieber chronologisch mag, findet hier die richtige Reihenfolge:
Sommer auf Schottisch
Winter auf Schottisch
Frühling auf Schottisch
Mr Darcy auf Schottisch
Herzklopfen auf Schottisch
Liebe auf Schottisch
Winterknistern auf Schottisch
Maggy drehte das Radio leiser, in dem heute den ganzen Tag Weihnachtssongs an ihren Nerven zerrten. Aber die Musik war nicht das, was Maggys Hände zum Schwitzen brachte, sondern das Telefonat mit Deirdre. Maggy hatte schon seit einer Weile befürchtet, dass Deirdre die Ankündigung, mit ihr Shoppen gehen zu wollen, irgendwann wahr machen würde, aber jetzt war sie dennoch überfordert. Ihre ehemalige Kollegin wollte sich mit etwas Besonderem bei ihr bedanken, nachdem Maggy ihr vor ein paar Monaten aus der Patsche geholfen hatte. Leider bedeutete es für Maggy nicht dasselbe wie für Deirdre, denn Maggy hasste es, einkaufen zu gehen und aus Klamotten machte sie sich noch weniger.
Maggy seufzte leise und dachte an das, was ihr bevorstand, falls ihr nicht doch noch eine Ausrede einfiel. Deirdre war stets modisch gekleidet, an ihr sah alles gut aus. Maggy hingegen hatte für Mode kein Händchen. Beruflich hatte sie sich daher eine Art Kluft zugelegt, die aus unauffälligen weißen Blüschen und Kostümen in dezenten Farben bestand. Zuhause trug sie hauptsächlich Jogginghosen als Ausgleich für die unbequemen Röcke und steifen Businesshemden, die sie tagsüber einengten. Maggy wollte nicht mit Deirdre einkaufen, sie hatte Angst, dass sie sich am Ende verkleidet fühlen könnte. Das, was Deirdre üblicherweise trug, würde an Maggy scheußlich oder absolut lächerlich aussehen. Doch Maggy hatte natürlich begriffen, warum Deirdre genau mit dieser Aktion angekommen war: Sie wollte ihr zu einem cooleren Look verhelfen. Dabei bezweifelte Maggy, dass das überhaupt möglich war, und noch mehr fragte sie sich, ob sie das überhaupt wollte. Diesbezüglich dürfte sie jedoch wenig zu melden haben, denn wenn Deirdre sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, zog sie es durch.
»Hey, Maggy?«, schallte Deirdres jetzt fröhliche Stimme aus dem Telefon. »Bist du noch dran? Hallo?«
Maggy verzog ihre Lippen und wusste, dass sie antworten musste. »Äh, ja klar, ich höre dich. War nur kurz abgelenkt«, wich sie aus. Sie überlegte, wie sie diesem Einkaufsbummel entkommen konnte, aber ihr fiel keine Notlüge ein, die Deirdre nicht sofort als solche durchschauen würde.
»Du bist noch im Büro, oder?«, wollte ihre Freundin jetzt wissen.
»Ja, genau.« Maggy schaute sich um. Als Büro konnte man den Raum, der nicht einmal ein Fenster hatte, nur mit sehr viel Wohlwollen bezeichnen. Neben zwei hohen abschließbaren Aktenschränken befanden sich noch ein winziger Schreibtisch und eine kleine Sitzgruppe mit drei Stühlen darin. Letzteres nicht, weil sie so wichtig wäre, sondern weil sie als Personalreferentin häufiger vertrauliche Gespräche führen musste.
So hatten Deirdre und Maggy sich überhaupt erst näher kennengelernt. Vor ein paar Monaten hatte sich jemand in Deirdres Konten gehackt und in ihrem Namen vertrauliche Informationen veröffentlicht, die die Agentur nachhaltig geschädigt und einen landesweiten Eklat ausgelöst hatten. Logischerweise war der Verdacht zuerst auf Deirdre selbst gefallen, die daraufhin in hohem Bogen aus der Firma geflogen war. Maggy hatte Deirdre geholfen, diese Schweinerei aufzuklären, für die Deirdre nicht verantwortlich gewesen war. Seitdem hatte sich ein zartes Band der Freundschaft zwischen den beiden entwickelt, das weiter bestand, obwohl Deirdre mittlerweile aus London weggezogen war.
»Du klingst total deprimiert«, riss Deirdre Maggy aus ihren Gedanken.
Ihre Freundin hatte nicht unrecht, die eintönige Arbeit machte nicht viel Spaß, dementsprechend mies war Maggy heute drauf. Ihr Job gefiel ihr seit der Sache mit Deirdre sogar noch weniger. Deirdres Ruf war zwar wiederhergestellt worden, der ganze Aufruhr ließ Maggy jedoch ernsthaft an der gesamten Branche zweifeln.
Mit dieser Arbeit konnte sie ihre Rechnungen bezahlen, doch glücklich war sie hier nicht. Das allein wäre kein Grund, sich anderweitig umzusehen, aber so solide der Job auch sein mochte, mittlerweile war sie absolut genervt vom Personalwesen. Sie wusste heute, dass es die falsche Berufswahl gewesen war. Sie hätte nach dem Schulabschluss lieber etwas im kreativen Bereich angefangen, aber ihr Vater hatte es ihr ausgeredet. Maggy war leider noch nie gut darin gewesen, sich gegen ihn zu behaupten. Deshalb saß sie jetzt in dieser dunklen Kammer, in der sie das Gefühl hatte, die Wände könnten jede Sekunde auf sie zu rücken.
»Ach, das ist nur der Winterblues. Kennst du irgendjemanden, der im November gut drauf ist?«, flüchtete sich Maggy in Ausreden, weil sie vor Deirdre nicht jammern wollte.
»Genau, ich mag dieses Schmuddelwetter auch nicht«, erwiderte Deirdre. »Deshalb rufe ich ja an. Lass uns was unternehmen! Ich habe dir eine Shoppingtour versprochen, und die sollst du auch bekommen. Ehrlich, du musst endlich diese mausgrauen Kostüme loswerden.«
Maggy seufzte und schob sich die Brille höher, die mal wieder zu weit auf die Nase gerutscht war. Auf einem Post-it kritzelte sie sich eine Notiz, dass sie beim Optiker vorbeischauen musste, der die Bügel fester ziehen sollte. Noch immer überlegte sie, wie sie aus dieser Shoppingsache herauskommen könnte.
Maggy mochte Deirdre sehr gerne, aber sie konnte mit ihrer überschäumenden Energie auch anstrengend sein – vor allem in puncto Klamottenkauf. Deirdre würde sie mit Garantie durch halb London zerren und jedes Geschäft stundenlang durchforsten.
»Maggy, hallo? Ein bisschen mehr Enthusiasmus wäre schon schön«, meckerte Deirdre mit einem Lachen.
»Ich weiß nicht, am Ende wirst du mir einen komplett neuen Look verpassen, mit dem ich mich verkleidet fühle. Ich bin nun mal keine coole Socke wie du, ich bin eine Büromaus mit eigenwilligen Hobbys.«
Kurzgesagt: Sie war ein Nerd. Darüber war Maggy sich im Klaren, und daran würden auch moderne Kleider nichts ändern. In ihrer Freizeit traf sich Maggy am liebsten online mit Freunden, um mit ihnen zu zocken. Sie trieb sich mit ihnen bevorzugt in virtuellen Welten herum, da war es völlig egal, was sie anhatte. Maggy ging nicht gerne aus, Pubs oder Clubs waren ihr zu voll und vor allem zu laut. Sie war eine geborene Couchpotato. Maggy fühlte sich in Menschenmengen nicht wohl, da sie mit den meisten Leuten nicht viel gemeinsam hatte. Mit ihrem Avatar in einer Online-Welt hingegen war sie in ihrem Element, aber sie versuchte gar nicht erst, das Deirdre zu erklären, sie würde es vermutlich nicht nachvollziehen können. Deirdre war extrovertiert, während Maggy Menschen mied, weil sie ihr häufig zu anstrengend waren. Oder zu gemein. Schon in der Schule war Maggy oft wegen ihrer verschrobenen Art gemobbt worden. Das hatte tiefe Spuren hinterlassen.
»Maggy?«, hörte sie Deirdre nachfragen. »Soll ich ein andermal anrufen? Du hörst mir ja gar nicht zu!«
»Doch, doch, klar höre ich zu«, log sie.
»Ach ja? Dann wiederhol bitte mal, was ich gesagt habe«, forderte Deirdre sie auf.
Maggy wurde unangenehm warm. Herrje, das war vielleicht peinlich.
»Du hast mich gefragt, wann wir uns treffen können?«, riet Maggy und hoffte, dass es dem nahekam, was Deirdre tatsächlich gesagt hatte.
»Ach, Süße!« Deirdres Seufzen sprach Bände. Also hatte sie danebengelegen. Maggy bekam ein schlechtes Gewissen. »Hör mal, Deirdre. Du schuldest mir gar nichts, wirklich! Du musst nicht extra nach London kommen, damit wir shoppen gehen. Das ist doch Unsinn! Du wärst ewig unterwegs.«
»Bitte! Ich möchte mich bei dir bedanken, und glaub mir, du könntest so viel mehr aus dir machen. Lass mich dir doch ein bisschen helfen! Außerdem vermisse ich dich. Ich komme zur Abwechslung auch gerne mal wieder nach London.«
Maggy seufzte. »Was, wenn mir meine weißen Blusen und meine grauen Röcke gefallen?«
Es stimmte nicht, aber Maggy hatte keinen blassen Schimmer, was sie sonst als professionellen Look zur Arbeit tragen sollte. Und privat war es ohnehin egal. Nach Karl Lagerfelds Tod war die Jogginghose sogar salonfähig geworden!
Kein Wunder, dass du ewiger Single bist, sagte das Stimmchen in ihrem Kopf, das selten Positives zu vermelden hatte. Maggy verzog ihr Gesicht. Vielleicht sollte sie doch einmal mit Deirdre losziehen.
»Okay, gut, ich hab’s kapiert. Du willst nicht mit mir shoppen gehen.« Deirdre schien darüber tatsächlich traurig zu sein.
Ehe Maggy etwas Beschwichtigendes erwidern konnte, fuhr Deirdre fort, und sie klang schon wieder so fröhlich wie eh und je. »Dann machen wir es einfach so: Du besuchst mich in Kiltarff, und ich schenke dir ein Wochenende im Schlosshotel. Na, wie klingt das?«
Maggy schnappte nach Luft. »Bist du verrückt? Das ist doch viel zu teuer!«
Deirdre lachte. »Das lass mal meine Sorge sein. Ich habe einen guten Draht zu den Eigentümern, sie sind Kunden bei mir. Im Winter läuft das Geschäft sowieso ein bisschen schleppend, und es wäre leicht, dich unterzubringen, bevor das Adventsgedöns losgeht.«
»Ich weiß nicht.« Konnte sie sowas wirklich annehmen?
»Komm schon, Maggy, gib mir eine Chance! Ich möchte mich unbedingt bei dir bedanken, und außerdem will ich dich unbedingt wiedersehen. Wenn du also nicht möchtest, dass ich nach London komme, dann bestehe ich darauf, dass du nach Schottland reist. Keine Widerrede! Ich bin gerade schon auf der Website der Fluggesellschaft und schaue nach Verbindungen. Die Bahn kannst du vergessen, da bist du einhundert Jahre unterwegs. Gibt es ein Wochenende, an dem du keine Zeit hast?«
Maggy seufzte leise und rieb sich über die Stirn. »Ein Nein wird wohl nicht akzeptiert?«
»Du hast es erkannt!« Sie hörte das Lächeln aus Deirdres Stimme.
»Also schön«, gab Maggy schließlich nach. »Ich kann immer, außer am ersten Advent, da bin ich auf einer Gaming-Convention.«
»Was soll das denn sein?«
»Eine Messe für Computerspiele sozusagen.«
»O mein Gott. Das klingt furchtbar langweilig.«
Maggy lachte. »Na ja, mir macht es Spaß.«
»Jetzt sag mir nur noch, dass du dich bei sowas wie die Figuren aus diesen Games verkleidest?«
Tatsächlich besaß Maggy ein paar Accessoires, wenn auch kein wirkliches Kostüm. »Äh«, war daher alles, was sie erwiderte.
»Also gut, Maggy, pass auf: Ich buche den Flug und schicke dir alles per E-Mail, okay? Dann gibt es kein Zurück mehr. Ich hole dich am Flughafen ab, und dann machen wir uns ein schönes Wochenende. Ich bin mir sicher, du wirst unser schottisches Schloss, den See und alles andere ebenso lieben wie ich. Ach, ich freue mich darauf!«
Maggy war noch immer verwundert, dass eine Stadtpflanze wie Deirdre das Landleben genoss. Allerdings war das auf die Tatsache zurückzuführen, dass sie dort im Sommer ihrem Traummann begegnet war.
»Okay, dann ist es abgemacht«, erklärte Maggy und merkte, dass sie sich wirklich darauf freute, dem Großstadtmief für einige Tage zu entfliehen.
Nachdem sie sich auf einen Termin mit Deirdre geeinigt hatte, erledigte sie noch ein paar Sachen und packte dann ihren Kram, um nach Hause zu gehen. Als sie die Tür zu ihrem Büro hinter sich abschloss, sprach sie jemand an.
»Du machst neuerdings auch jeden Tag früher Feierabend.«
Maggy wirbelte herum und schaute in das Gesicht ihres Chefs. Mike Miller war ein schräger Vogel, der sich immer bunt und teuer kleidete. Seit einigen Monaten hatte er sich das schüttere Haar rasiert und stand nun mit Glatze und der auffälligen schwarzen Brille vor ihr. Er dachte vermutlich, dass sein Look cool wäre, Maggy fand ihn lächerlich. Das reinste Klischee eines Agenturchefs. Eigentlich war sein Aussehen nicht das Problem, sondern seine Hinterhältigkeit. Sie hatte Mike immer respektiert, bis sie vor einigen Monaten erlebt hatte, wie er mit Deirdre umgesprungen war. Über diesen Vorfall war sie nicht hinweggekommen und war sich auch nicht sicher, ob das überhaupt möglich war. Deirdre hatte bis dahin sehr gute Arbeit geleistet, aber Mike hatte nicht eine Sekunde gezögert, sie zu feuern. Er hatte Deirdre nicht einmal eine Chance gegeben, sich zu erklären. Maggy war sich damals schäbig vorgekommen, als sie Deirdres fristlose Entlassung hatte vorbereiten müssen. Als Personalerin war sie wie immer für den Papierkram verantwortlich gewesen und hatte zunächst keinerlei Möglichkeiten gehabt, Deirdre zu unterstützen oder gar den Prozess aufzuhalten. Kündigungen sowie Einstellungen waren in ihrem Job an der Tagesordnung, aber Deirdres Fall war einfach ungerecht gewesen.
Seitdem fragte sich Maggy, ob sie auf Dauer weiter in dieser Agentur arbeiten konnte. Jobs lagen in ihrem Bereich derzeit jedoch nicht auf der Straße, und etwas anderes als Personalmanagement hatte sie nicht gelernt.
Ich muss ihm antworten, überlegte Maggy, während Mike sie sauertöpfisch anstarrte. Ihr fiel jedoch keine neutrale Erwiderung auf seine Frechheit ein. Im Gegenteil, je länger das Schweigen andauerte, desto mehr Unmut braute sich in ihrem Bauch zusammen. Maggy hatte unzählige Überstunden auf ihrem Konto angesammelt, die nicht bezahlt wurden und die sie auch nicht »abfeiern« konnte, da es nicht genügend Leute in der Abteilung gab. Und ja, gestern war sie eher gegangen als üblich, weil einer ihrer Online-Freunde Geburtstag gefeiert hatte. Aber jetzt war es bereits kurz nach vier, von viel zu früh konnte also nicht die Rede sein.
Weil Maggy keine streitsüchtige Person war, erwiderte sie lediglich: »Hast du denn etwas Dringendes, das ich heute noch erledigen soll?«
Es war ihr sogar gelungen, nicht schnippisch zu klingen, wofür sie sich innerlich auf die Schulter klopfte. Aber diese unangenehme Begegnung bestärkte sie nur in ihrem Entschluss, sich zumindest nach anderen offenen Stellen in diesem Bereich umzusehen. Es konnte für eine Personalreferentin doch nicht so schwer sein, etwas zu finden, schließlich war das ihr Fachgebiet. Das Problem an der Sache war nur, dass ihr der Beruf an sich keinen Spaß machte. Es würde ihr also wenig helfen, wenn sie statt in dieser in einer x-beliebigen anderen Firma saß.
Während Maggy diese Gedanken durch den Kopf schossen, hielt sie dem Blick ihres Chefs stand, der sie so arrogant musterte, dass sich ihre Nackenhaare aufstellten. War ihr früher nie aufgefallen, was für ein Snob er war? Vielleicht hatte sie es ja auch einfach nicht sehen wollen.
Mike hob eine Braue, dann wedelte er mit der Hand, als müsste er eine lästige Fliege vertreiben. »Nein, habe ich nicht.«
Sie unterdrückte ein Augenrollen. Der Kerl ging ihr auf die Nerven, aber sie ließ sich nichts anmerken. Vielleicht lief es ja nicht mehr so gut in der Firma, und er war deshalb so gestresst? Andererseits sollte er so etwas natürlich nicht an seinen Angestellten auslassen. Nichts gab ihm das Recht, seine Mitarbeiter zu terrorisieren. »Dann wünsche ich dir einen schönen Abend, Mike«, gab sie in neutralem Tonfall von sich.
Maggy wartete nicht auf seine Antwort und machte sich auf den Nachhauseweg. Zum Glück hatte sie keine Probleme damit, Beruf und Privatleben zu trennen. In der Sekunde, in der sie das Gebäude verließ, war deshalb auch die Begegnung mit Mike vergessen.
Sie freute sich auf einen ruhigen Abend zuhause, denn sie war mit ein paar Freunden zum Online-Zocken verabredet. Dazu würde sie sich eine Pizza in den Ofen schieben, und das Leben wäre wieder in Ordnung. Bis dahin hatte sie aber noch eine knappe Stunde Feierabendverkehr vor sich. Die Tube war leider unerträglich verstopft.
Eine Mischung aus verschiedensten Ausdünstungen machte sich rund um sie breit und die Weihnachtswerbung überall ging ihr auch auf die Nerven. Ja, dachte Maggy schließlich, während sie sich umschaute und in gestresste Gesichter blickte. Es war gut, dass Deirdre sich gemeldet hatte. Ein kleiner Ausbruch aus dem täglichen Einerlei würde sie auf andere Gedanken bringen. Zumindest hatte sie diesen Tipp neulich in einer Zeitschrift aufgeschnappt, in der es darum gegangen war, das trübe Winterwetter zu überstehen. Deshalb beschloss sie, sich einfach auf den Kurztrip nach Schottland zu freuen.
Das Wetter war schauderhaft, es regnete seit Stunden in Strömen. Nichts Neues für Schottland, trotzdem fand Lewis es bedrückend. Er hoffte, dass der graue Himmel, die dichten Wolken und böigen Windstöße keine Vorboten für Stuarts Urteil waren. Lewis ließ seinen Freund die erste Version eines neuen Spiels testen und wartete darauf, dass sein Kumpel sich dazu äußerte.
Endlich ließ Stuart den Gaming-Controller bedächtig sinken, sein Gesichtsausdruck war angespannt. Das war kein gutes Zeichen. Ganz und gar nicht.
Lewis hielt die Luft an. »Und?«, wollte er wissen.
»Hm«, gab Stuart von sich und räusperte sich.
»Du magst es nicht«, schlussfolgerte er.
Stuart fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »So würde ich es jetzt nicht formulieren.«
»Wie dann?«, brummte Lewis. Er hatte große Hoffnungen in den Prototyp seines neuen Spiels gesetzt, das sowohl für die Playstation als auch in einer weiteren Version als App vertrieben werden sollte. Ein großer Teil seiner Zuversicht war in der letzten Minute nach Stuarts verhaltenem Enthusiasmus verpufft. Ohne dass sein Kumpel es aussprechen musste, begriff Lewis, dass er mit der aktuellen Version lange nicht am Ziel war. Womöglich musste er sogar alles verwerfen und noch einmal bei null anfangen. Wie niederschmetternd.
Aber wenn er ehrlich zu sich war, auch nicht wirklich überraschend. Schon die Entwicklung dieser Stufe hatte viel länger gedauert, als er eigentlich geplant hatte. In den letzten Monaten war Lewis nicht gerade von der Muse geküsst worden. Ihm hatte der zündende Gedanke gefehlt, was sich jetzt in der Demoversion zeigte. Verdammt.
Stuart hatte letztlich nur das ausgesprochen, was Lewis längst geahnt hatte. Er war selbst nicht zufrieden gewesen, aber hatte einen Funken Hoffnung gehabt, dass er mit seinem Bauchgefühl vielleicht danebengelegen hatte. Leider nicht. Er seufzte schwer.
So viele Monate Arbeit für die Katz …
Stuart strich sich durchs Haar, ehe er vorsichtig erklärte: »Das ganze Setting ist irgendwie lahm. Es ist nichts Neues dabei, und es kommt mir so vor, als ob das Spiel eine Mischung aus vielem wäre, was ich schon anderswo gesehen habe. Mich hat nichts überrascht oder gar vom Hocker gehauen, sorry.« Stuart hob entschuldigend die Hände. »Aber hey, jetzt schau nicht wie drei Tage Regenwetter – es ist nur meine Meinung. Ich bin ja nicht der Maßstab aller Dinge.«
Lewis winkte ab. »Nein, danke, ist schon gut. Wenn mir deine Meinung egal wäre, hätte ich dich ja nicht gefragt. Ich schätze dein ehrliches Feedback.«
Er rieb sich über die Stirn, während Stuart auf ihn zutrat. Er legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Vielleicht solltest du eine kreative Auszeit einlegen. Und zusätzlich weniger in der Gegend herumvögeln? Sowas wirkt manchmal Wunder.«
Lewis hob eine Braue. »Wenn ich Deirdre nicht kennen würde, würde ich sagen, du bist neidisch auf mein abwechslungsreiches Liebesleben.«
Stuart lachte. »Neidisch? Ganz sicher nicht. Und Liebesleben kann man das, was du veranstaltest, auch nicht nennen. Ich würde es eher als Sexsucht bezeichnen.«
Lewis schnaubte. »Unsinn. Nur weil du jetzt in monogamer Eintönigkeit lebst, musst du mir dein Lebenskonzept nicht als Allheilmittel verkaufen. Außerdem hat das doch mit meiner Arbeit nichts zu tun.«
Stuarts Grinsen regte Lewis auf. »Denk mal drüber nach, ob es wirklich stimmt, was du mir weismachen willst. Du wälzt dich jede zweite Nacht in einem anderen Bett durch die Laken, und wunderst dich, dass dir tagsüber neue Impulse fehlen. Vielleicht könnte dich Frauenfasten weiterbringen. Echt. Du verbringst zu wenig Zeit mit deiner eigenen Kreativität. Die Energie, die du mit jedem sinnlosen Orgasmus verlierst, könntest du anders einsetzen.«
»Du faselst so einen Käse, Stuart.« Lewis war genervt.
Stuart zuckte ungerührt die Schultern, was Lewis noch mehr aufregte.
Sein Kumpel kapierte gar nichts. Wenn Lewis schon beruflich nichts zustande brachte, musste er sich wenigstens nachts mit ein bisschen Spaß ablenken. Aber Stuart das erklären zu wollen, war müßig, deshalb hielt er die Klappe.
Stuart holte Luft und setzte erneut zu einer Rede an, die – das wusste Lewis jetzt schon – auch nicht dazu beitragen würde, dass er sich besser fühlte. »Du wirst den Unterschied erst merken, wenn du der Richtigen begegnest. Wenn Sex eine tiefere Bedeutung bekommt, hat er eine ganz andere Wirkung auf den Körper und die Seele.«
Lewis verdrehte die Augen. »Alter, jetzt reicht’s aber. Ich freue mich ja für dich, dass du eine Frau gefunden hast, mit der du dein Leben verbringen willst, aber für mich ist das nichts. Es geht mir voll auf die Eier, dass du plötzlich so tust, als wäre eine Beziehung das, was jeder Mann zu seinem Glück braucht. Ganz sicher nicht!«
Lewis wollte vieles, aber keine feste Bindung. Am allerwenigsten benötigte er eine Partnerin, die ihm das Leben mit nervigen Ansprüchen schwermachte.
»Frauenfasten«, wiederholte Stuart und hob zwei Finger an die Stirn, um sich zu verabschieden. »Denk mal drüber nach! Ich habe das Gefühl, du bist irgendwie … ausgebrannt. Wenn du mich noch mal zum Testen brauchst, melde dich. Halt die Ohren steif!«
»Schöne Grüße an Deirdre«, rief Lewis seinem Kumpel in versöhnlicherem Tonfall hinterher. Ihm war bewusst, dass Stuart seine Ratschläge nicht böse meinte, sondern helfen wollte. Trotzdem bezweifelte Lewis, dass seine kreative Flaute durch so etwas Albernes wie ein Enthaltsamkeitsprogramm beendet werden könnte.
Was sollte es bringen, wenn er zusätzlich auch noch sexuell frustriert war?
»Ich bin jetzt fertig«, riss ihn kurz darauf eine weibliche Stimme aus seinen Grübeleien.
»Ah, Eloise«, stieß Lewis hervor und wandte sich zu seiner Haushälterin um, die seit einigen Monaten für ihn arbeitete. Sie trug ihre rotblond gefärbten Haare zu einem Dutt, ihre graublauen Augen waren direkt auf ihn gerichtet. Mit ihren knapp sechzig Jahren hatte sie etwas Mütterliches an sich, das ihm guttat, auch wenn er das vor niemandem offen zugeben würde. Sie war schlank und kleidete sich praktisch mit Jeans, Turnschuhen und Sweater. In den Händen hielt sie Staubwedel, Lappen und Eimer.
Vor einiger Zeit hatte Lewis das Cottage umgebaut und sich das perfekte Smart-Home eingerichtet, in dem sogar ein Roboter für Drinks und Snacks gesorgt hatte. Nach ein paar Monaten hatte er jedoch gemerkt, dass ein wenig menschlicher Zuspruch nicht verkehrt war. Eloise kümmerte sich seitdem nicht nur um seinen Haushalt, sie trug auch dafür Sorge, dass sein Kühlschrank mit gesunden Lebensmitteln gefüllt war, und machte die Wäsche. Zudem fand Lewis es hilfreich, dass er ab und an einen gut gemeinten Arschtritt von ihr bekam. Das konnte Eloise gut. Manchmal kochte sie auch für ihn, wenn er mal wieder mit den Gedanken in der Konzeptions- und Testphase für ein neues Spiel steckte. Es war angenehm, Eloise an einigen Tagen in der Woche für ein paar Stunden im Haus zu haben.
Sein Job brachte es mit sich, dass er viel Zeit am PC und an anderen technischen Geräten verbrachte, er wollte nicht zum Technik-Eremiten werden, was ihm seine Freunde hin und wieder vorgeworfen hatten. Er neigte dazu, sich während eines kreativen Prozesses in sein Schneckenhaus zurückzuziehen. Da sich das aktuelle Projekt als unerwartet zäh erwies, dauerte diese Phase nun schon ewig.
Hin und wieder kam er zum Glück trotzdem vor die Tür, neben seiner Arbeit hatte er ja immer noch die Jungs von der Feuerwehr. Und weibliche Gesellschaft ließ sich heutzutage sehr leicht finden. Von Einsamkeit konnte daher keine Rede sein, aber an manchen Tagen kam er sich eremitisch vor, was irgendwie schräg war. Schließlich hatte er sich das Leben so ausgesucht und wollte es auch nicht anders haben.
Was war es dann, das ihn so zermürbte?
Nein. Darüber wollte er jetzt nicht nachdenken. Er war heute mit Sicherheit nur so mies drauf, weil sich der Prototyp des neuen Spiels als Reinfall entpuppt hatte.
»Ich habe mich, so gut es geht, durch dein Arbeitszimmer gekämpft, aber um den Schreibtisch habe ich einen großen Bogen gemacht«, erklärte Eloise gerade und holte ihn damit ins Hier und Jetzt zurück.
Erinnere mich nicht daran, wollte er erwidern, ließ es aber sein. Lewis hasste den ganzen Papierkram, das war offensichtlich. Er wusste auch ohne ihren Tadel, dass sich Briefe, Verträge, Abrechnungen und alles Mögliche zu Stapeln türmten, die immer höher wurden. Zum Glück konnte sie nicht sehen, dass es mit seinen diversen elektronischen Postfächern nicht besser war. Er hatte garantiert an die dreitausend ungelesenen E-Mails. »Danke«, war daher alles, was er erwiderte. Ehe er noch etwas hinzufügen konnte, schrillte sein Telefon mit einem Erinnerungsalarm durch das Wohnzimmer.
»Mist«, stieß er hervor, weil er diesen Termin komplett vergessen hatte. »Ich habe jetzt einen Call mit meinen Entwicklern, tut mir leid, Eloise.« Er stand auf. »Wir sehen uns dann übermorgen.«
Sie nickte ihm mit einem verständnisvollen und halb besorgten Blick zu, der ihn seltsamerweise tief berührte. Seine Reaktion war albern, immerhin war er ein erfolgreicher Mann, ein Selfmade-Millionär, ihn musste ganz bestimmt niemand bemitleiden.
Lewis verdrängte den Gedanken und stürmte in sein Arbeitszimmer. Eilig schaufelte er den Schreibtisch frei, bis er halbwegs ordentlich aussah – zumindest im Winkel der Kamera. Dann wählte er sich in das Online-Meeting ein. Während er das Entwickler-Team begrüßte, hatte er noch immer keine Idee, wie er ihnen erklären sollte, dass die Testversion des neuen Spiels bereits beim ersten Testlauf durchgefallen war.
Zwei Wochen später stieg Maggy am frühen Freitagnachmittag in Inverness aus der Maschine der British Airways. Es war ein unruhiger Flug gewesen, und sie war froh, dass sie heil auf dem Rollfeld der kleinen Stadt gelandet waren. Wobei, wirklich klein war Inverness nicht, aber im Vergleich zu London doch irgendwie niedlich. Aus der Luft hatte sie die Umgebung bereits sehen können, es gab eine Burg mit wehenden Fahnen und Zinnen, einen Fluss, der sich durch die Stadt schlängelte, und viele historische Gebäude, deren weihnachtliche Beleuchtung sogar von oben aus zu erkennen gewesen war. Sie freute sich, dass Deirdre sie eingeladen hatte. Und es schadete nicht, einmal das vertraute London gegen das ländliche Schottland einzutauschen.
Maggy zog wenig später ihr Köfferchen hinter sich her, während sie durch die belebten Gänge des Flughafengebäudes marschierte. Sie trug heute weder die üblichen Jogginghosen noch das Kostümchen fürs Büro, sondern eine dunkelblaue Jeans, die sie sich extra für die Reise zugelegt hatte, sowie nagelneue Trekkingschuhe. Normalerweise lief sie in Turnschuhen herum, aber für den schottischen Winter wären die nicht geeignet gewesen. Überraschenderweise lag gar kein Schnee, in ihrer Vorstellung hatte sie sich durch meterhohe weiße Berge kämpfen müssen. Maggy lächelte in sich hinein. Sie war aufgeregt wie ein Kind, schließlich war sie noch nie in Schottland gewesen. Überhaupt war sie nicht viel herumgekommen. Aufgewachsen war Maggy in einem kleinbürgerlichen Haushalt am Londoner Stadtrand, dort war die weite Welt für sie nur durch das Fernsehprogramm erreichbar gewesen. Große Sprünge konnte sie sich auch im Erwachsenenleben nicht erlauben, dafür war ihr Einkommen einfach zu schmal. Aber mit diesem Ausflug würde sie jetzt einmal etwas völlig Neues erleben. Sie war irrsinnig gespannt auf Kiltarff und das Schloss, von dem Deirdre so geschwärmt hatte. Maggy pfiff leise vor sich hin, während sie an den Gepäckbändern vorbeiging, um in den Ankunftsbereich des Flughafens zu gelangen.
Maggy entdeckte ihre Freundin sofort. Sie trug eine helle Mütze zu einem knallroten Mantel. Deirdre eilte auf mörderischen Absätzen zu Maggy und umarmte sie herzlich. »Endlich, da bist du ja! Wie schön, dich zu sehen.«
»Ich freue mich auch.« Maggy erwiderte die stürmische Begrüßung etwas unbeholfen. So viel Körperlichkeit war sie nicht gewohnt. In ihrem Freundeskreis waren alle eher wie sie – zurückhaltend. Von Zurückhaltung war bei Deirdre jedoch keine Spur zu erkennen. Es war schön, dass sie sich seit ihrem Umzug nicht verändert hatte.
Deirdre hielt Maggy an den Schultern fest und musterte sie von oben bis unten. »Zum Glück haben die Läden noch offen, wir könnten zuerst eine Shopping-Runde drehen, ehe wir nach Kiltarff fahren. Ich habe schon ein paar Ideen, wie wir deine Garderobe ein bisschen aufpeppen können.«
Maggy verzog ihre Lippen. Damit hatte sie nicht gerechnet. »O nein, ich dachte, das wäre vom Tisch? Was stimmt denn mit meinen Sachen nicht?« Gegen ihre schwarze Daunenjacke konnte Deirdre ja wohl nichts einzuwenden haben, und Flecken hatte sie auch keine auf der Jeans.
Als Deirdre Maggys Gesichtsausdruck sah, tippte sie ihr auf die Nase und lachte. »War nur Spaß, Maggy. Ich habe verstanden, dass du keine Lust hast, mit mir einkaufen zu gehen. Komm, lass uns losfahren! Heute Abend gehen wir ins Pub, dann stelle ich dich all meinen Freunden vor. Freitags treffen wir uns meistens im Lantern.«
Maggy war nicht überrascht, dass sie gleich von mehreren Leuten sprach. »Dir ist es sicher nicht schwergefallen, Kontakte zu knüpfen.« Es war keine Frage, mehr eine Feststellung.
Deirdre zuckte die Schultern und schnappte sich Maggys Koffer. »Das ist in Kiltarff gar nicht möglich, also, dass man keine Freunde findet, meine ich. Du wirst schon sehen. Sie sind alle total nett. Nett nett. Nicht langweilig, du verstehst schon!«
Maggy musste grinsen. Deirdre redete am Tag mindestens doppelt so viel wie sie. »Ja, ich verstehe, was du meinst.«
»Oder bist du müde? Nein, oder? Kommt auch gar nicht infrage. Schlafen kannst du im Winter. Ach, Mist, wir haben ja Winter, aber ich meine, schlafen kannst du, wenn du wieder in London bist. Du bist ein bisschen blass um die Nase, geht’s dir wirklich gut?«
Blass war Maggy meistens, weil sie nicht viel Zeit an der frischen Luft verbrachte. »Wie du richtig festgestellt hast, liegt der Sommer lange hinter uns. Woher sollte ich also jetzt einen rosigen Teint bekommen?«
Deirdre warf ihr einen zweifelnden Blick zu. »Schätzchen, hast du schon Mal was von Make-up gehört?«
Maggy schüttelte den Kopf. »Damit sehe ich aus wie ein Clown.«
»Oh, Liebes, ich sehe, wir haben ein wenig Arbeit vor uns.«
Maggy konnte nicht anders, als amüsiert mit den Augen zu rollen. »Bisher bin ich auch ohne Farbe im Gesicht recht gut durchs Leben gekommen«, gab sie lachend zurück. Ganz verleugnen konnte sie jedoch nicht, dass sie sich nie besonders attraktiv gefühlt hatte. Aber wo hätte sie den Umgang mit Make-up lernen sollen? Sie war ein Einzelkind und hatte seit dem dreizehnten Lebensjahr bei ihrem Dad gelebt. In seiner Nähe hatte sie sich lieber unsichtbar gemacht, als durch Schminkexperimente negativ aufzufallen. Maggy verdrängte die Erinnerungen. An diese Zeit ihres Lebens dachte sie nicht gern zurück.
Deirdre war stehen geblieben und hielt Maggy am Ärmel fest. »Süße, du siehst aus, als hätte ich dir einen Nagel in den Hintern gerammt. Ich will dich nicht mit meinen Vorschlägen überrumpeln. Ich habe nur gedacht, dass du es vielleicht genießen würdest, wenn ich mich ein bisschen um dich kümmere. Wenn ich mich getäuscht habe, dann tut es mir leid. Ich möchte doch nur, dass du hier eine schöne Zeit hast. Vor allem will ich dir etwas zurückgeben, weil du mir geholfen hast, als kein anderer dazu bereit war.«
Maggy war gerührt. Sie kämpfte gegen den Kloß in ihrem Hals an. »Ich weiß, und wenn du möchtest, kannst du mir nachher ein paar Tipps geben. Aber bitte, mach keine Barbie aus mir!«
Deirdres Gesicht hellte sich auf. »Das würde ich nie tun. Ehrenwort!« Sie hob drei Finger zum Schwur und grinste breit. »Wenn es dir nicht gefällt, können wir es auch sofort wieder abwaschen, ich habe ja schließlich nicht vor, dir die Augenbrauen zu tätowieren.«
»Ach du liebe Zeit, sowas gibt es?« Maggy wurde bewusst, wie wenig Ahnung sie von diesen Dingen hatte. Obwohl sie sich noch immer gegen die Idee sträubte, etwas Neues zu probieren, so freute sich ein Teil von ihr darüber. Diese weibliche Seite hatte sie bis jetzt nicht wahrgenommen, und zu ihrer Überraschung war sie ein bisschen gespannt auf das, was Deirdre mit ihr vorhatte.
Drei Stunden später fragte Maggy sich, ob es nicht doch ein Fehler gewesen war, Deirdre freie Hand zu lassen. Ihre quirlige Freundin hatte den Spiegel in ihrem Schlafzimmer abgehängt, so dass Maggy keine Ahnung hatte, wie schlimm – oder bunt – sie am Ende aussah. Sie war noch immer verblüfft, wie viele Produkte, von deren Existenz sie bis heute nicht einmal gewusst hatte, Deirdre benutzte. Es war nicht nur die bloße Vielfalt, die Maggy verunsicherte, Deirdres Verschönerungsprogramm hatte teilweise auch ganz schön wehgetan. Vor allem das Zupfen der Brauen. Maggy fürchtete, dass sie jetzt nur noch zwei schmale Striche im Gesicht hatte.
»Du hast so schöne Augen«, flötete Deirdre, während sie ihr Ergebnis zufrieden betrachtete. »So kommt deine natürliche Schönheit viel besser zur Geltung. Das kriegst du mit ein bisschen Übung auch selbst hin.«
»Ja, sicher«, Maggy konnte den ironischen Unterton nicht unterdrücken. Sie war einfach nicht der Typ für Schminke und Chichi. Gleichzeitig war sie gespannt, wie das Ergebnis aussah.
»Liebes. Wimperntusche und Kajal kannst du bestimmt selbst auftragen, dann musst du nur noch die Brauen nachziehen und ein bisschen Rouge auf die Wangen geben. Ein Kompaktmakeup wäre ein guter Start für deine Haut, mehr brauchst du nicht. Das erfordert nur wenig Zeit, aber hat einen tollen Effekt. Du bist von Natur aus schon sehr hübsch, aber jetzt kommt dein Gesicht viel besser zur Geltung.«
Hübsch? Das hatte noch niemand über sie gesagt. Sie war Maggy, das graue Mäuschen mit Brille, das sich lieber im Hintergrund hielt und nicht gern im Mittelpunkt stand. Apropos, die Sehstärke brauchte sie, sonst blieb alles um sie herum verschwommen. Sie war stark kurzsichtig. Zum Glück hatte sie es vor dem Abflug noch zum Optiker geschafft, so dass das Ding ihr wenigstens nicht mehr ständig von der Nase rutschte.
Deirdre schien Gedanken lesen zu können und reichte Maggy die Brille. »Ich finde, das Gestell passt gut zu deiner Gesichtsform, wobei ich mir vorstellen könnte, dass eine etwas modernere Variante noch cooler wäre. Du siehst so intelligent damit aus.«
Maggy lachte, in der gleichen Sekunde zog Deirdre das Laken vom Spiegel.
»Na, was sagst du?«, wollte sie wissen.
Maggys Mund klappte auf. Ja, sicher, sie war nach wie vor zu erkennen, aber sie war eine andere Version von sich selbst geworden. Eine viel bessere. Maggy betastete ihre Wangen, die rosig und gesund aussahen und nicht mehr bleich. Ihre Wangenknochen hatten eine Kontur bekommen und die Augen strahlten wach und frisch. »Scheiße! Was hast du mit mir gemacht?«, stieß Maggy hervor und schnappte nach Luft.
Deirdres Lächeln erstarb. »O nein. Es gefällt dir nicht? Das tut mir leid.«
Maggy sprang auf und drückte Deirdre stürmisch – was äußerst untypisch für sie war. Aber ihre Zurückhaltung schien sich mit dem Auftragen des Make-ups verabschiedet zu haben. »Nein, so meine ich das nicht. Ich bin so geflasht, weil ich nicht glauben kann, wie anders ich aussehe. Gut anders, meine ich.«
»Puh, sag das doch gleich. Meine Güte.« Deirdre stöhnte theatralisch und ließ sich auf den Stuhl sinken, in dem Maggy zuvor gesessen hatte. »Ich habe gerade fast einen Herzinfarkt bekommen.«
»Wer hat einen Infarkt?«, hörte Maggy eine männliche Stimme hinter sich.
Es war Stuart, Deirdres Freund, der den beiden jeweils ein Glas Prosecco brachte. Deirdre hatte sie vorhin miteinander bekannt gemacht, und Maggy musste zugeben, dass Stuart wirklich toll war. Er war nicht nur attraktiv, sondern auch äußerst zuvorkommend und charmant. Sie konnte gut nachvollziehen, warum Deirdre sich in ihn verliebt hatte.
»Ah, danke, Darling.« Deirdre nahm ihr Glas lächelnd entgegen. Stuart drückte seiner Freundin einen Kuss auf die Lippen, dann reichte er Maggy einen Prosecco.
Sie wollte sagen, dass sie Alkohol nicht gut vertrug, aber beschloss, dass ein Getränk nicht schaden könnte. Sie war immer noch nervös, weil sie gleich ins Lantern aufbrechen würden. Es war Ewigkeiten her, dass Maggy sich in einer Menge fremder Menschen aufgehalten hatte. Der örtliche Pub gehörte zwar Freunden von Deirdre, aber Smalltalk war überhaupt nicht ihr Ding. Sie überspielte ihre Aufregung mit einem Lächeln. »Danke, Stuart, das ist echt nett von dir.«
»Wow, du siehst toll aus«, meinte er mit einem anerkennenden Nicken.
Deirdre wedelte mit ihren Fingern, um Stuart zum Gehen aufzufordern. »Wir sind noch nicht fertig, Maggy braucht noch etwas zum Anziehen.«
Stuart hob die Hände und zwinkerte Maggy zu. »Ja, schon gut, ich störe euch nicht weiter.«
»Ich habe doch schon was an«, meinte Maggy, nachdem er die Tür hinter sich zugezogen hatte.
»Du willst doch nicht in Jeans ins Lantern gehen?« Deirdre tänzelte zum Schrank und zog ein Kleid heraus. Dazu eine Art Schal mit einem schottischen Muster. Maggy wusste, dass er einen speziellen Namen hatte, konnte sich aber nicht an die Bezeichnung erinnern. »Nur über meine Leiche«, erklärte sie, als sie begriff, dass es sich bei dieser Kombination um ein klassisches schottisches Outfit handelte.
»Heute ist der traditionelle Abend, die Männer kommen im Kilt und die Frauen im Kleid.«
Maggy merkte, dass sie blass wurde. Vermutlich konnte selbst das Make-up diese Tatsache nicht verbergen. Sie sah Deirdre jedoch an, dass sie nicht aufgeben würde, also sparte Maggy sich den Protest und stürzte stattdessen den Prosecco herunter. »Na schön«, sagte sie. »Wenn es alle tragen …«
Es war eine schlechte Entscheidung gewesen, sich nicht mehr Zeit mit dem Trinken zu lassen. Auf den ersten Prosecco war ein zweiter gefolgt, und im Pub hatte sie gleich noch einen weiteren in der Hand gehabt. Maggy war deshalb schon sehr früh am Abend sturzbetrunken.
»Ich hätte was essen sollen«, nuschelte sie und musste sich an einem Balken festhalten, der in der Mitte des Pubs vom Boden bis hinauf zur Decke reichte. Es war irre voll und laut und in ihrem Kopf drehte sich alles.
Sie erinnerte sich an Ellie und Kenneth, denen das Schloss samt Hotel gehörte. Dann waren da noch Kendra und Alejandro gewesen, die den Pub betrieben. Und mit der Buchhändlerin hatte sie auch geplaudert. Ach ja, ihr Mann war Anwalt. Maisie und Matt, die waren total nett gewesen. Maggy konnte gut verstehen, dass Deirdre mit allen befreundet war.
Maggy nagte an ihrer Unterlippe und dachte angestrengt darüber nach, wen sie in ihrer geistigen Aufzählung vergessen hatte. Das Denken fiel ihr so schwer, genau deswegen mied sie Alkohol normalerweise.
»Hui, Süße, geht’s dir gut?«, wollte Deirdre von ihr wissen. Sie wirkte besorgt.
O je. Maggy hatte gehofft, dass man ihr nicht ansah, wie beschwipst sie war. »Mir geht’s … ut«, erklärte sie und merkte, dass sie die erste Silbe verschluckt hatte.
»Ich habe dir gleich gesagt, gib ihr statt Alkohol lieber ein Wasser«, mischte Maisie sich ins Gespräch ein.
Kurz bevor Maggy die Knie wegsackten, fingen Deirdre und Maisie sie auf. »Wir bringen dich lieber nach Hause. Du brichst heute alle Rekorde. So früh ist nicht mal Wallace ins Bett gesteckt worden, als er damals seiner heutigen Liebsten den nackten Arsch zeigen wollte«, neckte Deirdre sie, aber Maggy konnte Deirdre nicht folgen. Sie fand es auch nicht witzig, sondern peinlich, dass sie gleich an ihrem ersten Abend unangenehm auffiel.
»M-mh«, machte Maggy nur, weil sie zu mehr nicht fähig war.
»Das ist eine Geschichte für einen anderen Tag, komm, Maggy, wir stecken dich ins Bett, damit du deinen Rausch ausschlafen kannst. Tut mir leid, wenn ich gewusst hätte, dass du nicht trinkfest bist, hätte ich darauf geachtet, dass du langsam machst. Aber als du den Prosecco in meinem Schlafzimmer auf Ex getrunken hast, dachte ich ...«
Sie spürte, dass es Deirdre wirklich unangenehm war, und Maggy war daher auch nicht sauer auf sie. Schlafen hörte sich außerdem verlockend an, vor allem der Teil mit dem Hinlegen …
»Mir tusch leid …« Das Sprechen fiel ihr schwer.
Von irgendwoher brachte jemand die Jacken, und dann ließ Maggy sich von Deirdre und Maisie zum Hotel bringen, wo auch immer das war. Sie konnte sich nicht an den Weg erinnern, aber merkte, dass die kühle Luft ihr guttat. Nüchtern wurde sie davon jedoch auch nicht.
»So ein Jammer, jetzt wirst du die erste Nacht im Schlosshotel gar nicht genießen können. Kiltarff Castle ist wundervoll. Ellie und Kenneth haben es so liebevoll eingerichtet«, meinte Deirdre etwas später, während sie Maggy zudeckte. Die beiden hatten ihr beim Ausziehen geholfen und sie buchstäblich ins Bett gebracht. »Und du hast noch nicht einmal alle kennengelernt. Ava, Colin und Lewis waren noch gar nicht da, als du schlappgemacht hast.«
Maggy fand, dass morgen auch noch ein Tag dafür wäre, sich dazu zu äußern, im Moment war sie viel zu müde. »Ja, sicher, so schade«, murmelte sie erschöpft.
»Ruf mich an, wenn du was brauchst, ja?«, bat Deirdre sie, aber das hörte Maggy schon gar nicht mehr richtig, weil sie der Schlaf übermannte.
* * *
Der Pub war voll, die Stimmung ausgelassen. Sie mussten sich gegenseitig anschreien, um die Musik und alles andere zu übertönen. Um die Balken waren blinkende Lichterketten und Fake-Tannengrün gewickelt, in dem rotgoldene Kugeln baumelten. Es ging definitiv auf Weihachten zu, was Lewis nicht unbedingt fröhlicher stimmte, denn eigentlich hatte er das neue Spiel zu den Festtagen launchen wollen, aber das konnte er vergessen. Spätestens nach heute war ihm klargeworden, dass es viel mehr Zeit benötigen würde und seine Laune war dementsprechend mies.
»Warum kommst du jetzt erst?«, wollte Stuart wissen und klopfte Lewis auf die Schulter.
»Es ist auch schön, dich zu sehen«, erwiderte er mit einem Seufzen. »Ich habe das Haus voller Programmierer, wir haben am Spiel gearbeitet.« Er wollte jetzt nicht daran denken, dass der Tag äußerst frustrierend verlaufen war. Ihm fehlte die zündende Idee. Alle Vorschläge, die er mit seinem Team besprochen hatte, hatten sich am Ende als Mist erwiesen.
Seine Leute waren von überall her nach Schottland gekommen, dabei trafen sie sich sonst selten persönlich – eben nur, wenn es Schwierigkeiten oder etwas zu feiern gab. Wobei, als Schwierigkeiten konnte man die aktuelle Misere nicht mehr bezeichnen. Lewis hatte eine Blockade. Er war derzeit in etwa so kreativ wie ein Baumstamm. Neulich hatte er gedacht, dass ihm ein paar Tage mit seinem Team neuen Schwung verleihen würden, aber es war bisher nichts dabei rausgekommen. Gar nichts.
»Du hast Maggy verpasst«, erklärte Stuart und riss Lewis aus seinen trüben Gedanken.
»Maggy?« Er kramte in seinen Erinnerungen, aber eine Maggy kam darin nicht vor. Vielleicht hatte man ihm bereits von ihr erzählt, Stuart wirkte so, als sollte er den Namen schon einmal gehört haben. Sein Kumpel schaute ihn mit einer gewissen Resignation an, die Lewis nicht kommentieren wollte.
»Das ist meine Freundin aus London. Du weißt schon, sie hat mir geholfen, als ich in der Arbeit in der Klemme steckte«, erklärte Deirdre, die sich mit einem Drink zu ihnen gesellte. »Ihr beide wart meine Rettung. Jetzt habe ich sie nach Kiltarff eingeladen, um mich bei ihr zu bedanken. Eigentlich hatte ich euch viel früher miteinander bekannt machen wollen, aber es ist nie dazu gekommen. Und heute ja auch wieder nicht, das ist zu schade.«
