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»Das Einzige, was wir tun können, ist, uns jeden Tag noch mehr zu lieben.«
Am 13. November 2015 nimmt der Terror Aurélie Silvestre ihre große Liebe. Doch Aurélie lebt weiter, denn sie erwartet ihr zweites Kind. In ihrem bewegenden Bericht erzählt sie von der Trauer um Matthieu in jenem Herbst bis hin zur Geburt ihrer Tochter im darauffolgenden Frühjahr. Voller Kraft und Klarheit setzt sie dem Verlust ihren Lebenswillen und ihre Hoffnung entgegen.
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Seitenzahl: 128
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Wie lebt man weiter, wenn der Terror einem die große Liebe nimmt? Aurélie Silvestre muss weiterleben, irgendwie, denn als ihr Lebensgefährte am 13. November 2015 bei dem Anschlag auf den Pariser Konzertsaal Bataclan tödlich verletzt wird, ist sie schwanger mit ihrem zweiten Kind. In ihrem bewegenden Bericht erzählt sie von der Trauer um Matthieu in jenem Herbst bis hin zur Geburt ihrer Tochter im darauffolgenden Frühjahr. Sie erlebt Momente des Glücks innerhalb des größten Dramas und setzt dem Verlust ihren Lebenswillen und ihre Hoffnung entgegen.
»Aurélie Silvestre verwandelt ihre tragische Erfahrung in ein kraftvolles Buch.« Elle
»Dieses aufwühlende Buch rührt zu Tränen, und gleichzeitig strahlt und leuchtet es.« France Inter
»Eine intime Geschichte von universeller Tragweite.« Le Parisien
Zur Autorin
Aurélie Silvestre, geboren 1981, ist in den französischen Alpen aufgewachsen und lebt heute mit ihren beiden Kindern in Paris. Nach ihrem Studium der Rechts- und Kulturwissenschaften in Grenoble und La Rochelle arbeitete sie als Pressereferentin im französischen Kulturministerium und in einer Modeagentur. Ihr Buch Wir werden glücklich sein wurde in Frankreich zum Bestseller und löste ein großes Presseecho aus.
AURÉLIE SILVESTRE
WIR
WERDEN
GLÜCKLICH
SEIN
Aus dem Französischen
von Nathalie Lemmens
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Zitatnachweis:
[[siehe hier]] Die Gedichtzeilen aus A. E. Housmans To an Athlete Dying Young folgt der Übertragung von Hans Wippenfürth, aus: A. E. Housman, Die »Shropshire Lad«-Gedichte, Heidelberg: Mattes 2003.
[[siehe hier]] Sir Elton John, Circle of Life, dt. Der ewige Kreis
Copyright © 2016 by Éditions Jean-Claude Lattès
Die Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel Nos 14 Novembre bei Éditions Jean-Claude Lattès, Paris
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2017 by Diana Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Redaktion: Heiko Arntz
Umschlaggestaltung: Eisele Grafik∙Design, München unter Verwendung eines Fotos von © REUTERS/Vincent Kessler
Satz: Leingärtner, Nabburg
Alle Rechte vorbehalten
e-ISBN 978-3-641-21686-3V001
www.diana-verlag.de
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Für Gary
Für Thelma
Gedicht, geschrieben von Matthieu am Abend nach unserer ersten Begegnung
Im Zug,
in meiner Hand,
diese Schönheit,
durch den Horizont verkürzt.
Die Hitze
eines Seufzens,
der Beschlag
stillt meinen Durst.
Sie dehnt sich aus
im Raum,
und die Zeit
löst sich auf in Verwunderung,
gefangen von
einem Blick,
dessen Strahlen
die Kurven aus meinem Weg vertreibt.
Panoramafenster
weit offen
zum Ozean
der Herbstträume hin,
zum Leben
mit all seinen Fäden.
Zu den Kämpfen.
Der Teufel ist dem Engel begegnet.
Und ich tauche
und ich fliege
ins Unbekannte,
das die Erde schwarz gefärbt.
Das Versprechen im Morgengrauen
Der Mann meines Lebens und Vater meiner Kinder starb durch die Kugeln von Terroristen. Eine Nacht habe ich mit dieser Nachricht verbracht, und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll.
Es ist früher Morgen, und ich bin auf dem Weg ins Krisenzentrum der Militärakademie, wo die Angehörigen betreut werden. Mein Sohn schläft noch, und ich lege eine Hand auf meinen Bauch, um meine Tochter zu spüren.
Vom Auto aus sehe ich, wie die Sonne zwischen den Speichen des Riesenrads auf der Place de la Concorde aufgeht.
Ich mache ein Foto.
Ich erhebe mich von meinem Sitz, drücke das Gesicht an die Scheibe wie ein Kind. Nicht alle Schönheit ist aus der Welt verschwunden.
Ich richte mich noch etwas mehr auf, wische die Tränen weg, die über meine Wangen laufen. Die nächsten sind schon nicht mehr dieselben, langsam lassen sie die wichtigste Entscheidung meines Lebens aufkeimen: Ich werde leben.
Besser gesagt: Ich werde weiterleben.
Ich weiß noch nicht, wie ich es anstellen soll, aber ich werde meine ganze Energie darauf verwenden. Das bin ich ihm schuldig, das bin ich uns schuldig.
Wir werden glücklich sein.
Freitag, der 13.
Ich erinnere mich an beinahe jede Minute dieses Tages.
So, als hätten wir bereits gewusst, dass er der letzte war. Ich schildere ihn im Präsens, damit er noch länger andauert.
Matthieu steht als Erster auf, um das Fläschchen und den Kaffee zu machen. Er weckt Gary, ich höre die beiden von unserem Bett aus. Ansonsten ist alles ruhig. Die Anspannung der letzten Tage ist verflogen. Ich gehe zu ihnen in die Küche, ein Kuss für meine Männer, das Frühstück kann beginnen. Matthieu und ich schweigen, wie immer kurz nach dem Aufwachen, nur unser kleines Plappermäulchen ist schon putzmunter. Ich weiß nicht mehr, was Gary alles erzählt, aber er redet und redet und redet. Wir könnten ihm den ganzen Tag zuhören, wenn wir uns nicht fertig machen müssten, um rechtzeitig im Kindergarten zu sein.
Wenn man nicht immer tun müsste, was nun einmal zu tun ist, wäre alles anders verlaufen, daran zu denken ist eine sinnlose Qual.
Matthieu geht unter die Dusche, und ich folge ihm ins Bad, um Gary anzuziehen. Die Wohnung ist groß, aber wir zwängen uns jeden Morgen zu dritt ins Badezimmer. Als brauchten wir unsere tägliche Dosis »Wir«, ehe wir uns über die Stadt verteilen.
Es ist dampfig, es ist warm, Gary redet immer noch.
Ich könnte nicht sagen, wieso ich an diesem Morgen für einen Moment auf die Stopptaste drücke und zusehe, wie Matthieu aus der Dusche kommt. Die Zeit bleibt stehen, damit ich seinen Körper betrachten kann.
Ich fange unten an.
Zuerst die Füße, über die ich mich so gern lustig mache. Das fast schon anmutig wirkende Muttermal auf dem rechten großen Zeh, als hätte sich dieser durch zu viel Fußballspielen dunkel verfärbt.
Dann die Beine, fest und behaart.
Der knackige Hintern.
Der leichte Bauchansatz, der ihm Komplexe bereitet, mich jedoch rührt – er, seine attraktiven Seiten und seine winzigen Fehler, er, einfach menschlich.
Die schmalen Arme und seine Hände.
Wie habe ich seine Hände geliebt.
Ich erinnere mich daran, wie ich sie zum ersten Mal flüchtig berührt habe. Sie waren so zart, so weich. Bis zu jenem Tag hatte ich immer geglaubt, alle Männerhände wären wie die meines Vaters: trockene, raue Arbeiterhände. Matthieus Hände waren schlank und elegant, sie sprachen von Musik.
Schließlich wandert mein Blick zu seinem Hinterkopf. Als man mir Gary kurz nach der Geburt auf den Bauch legte, war das das Erste, was ich sah: Er hatte den gleichen Nacken wie Matthieu, einen niedrigen, geraden Haaransatz. In dem Film Yi Yi von Edward Yang fotografiert ein kleiner Junge die Hinterköpfe der Leute, einen Teil von ihnen, den sie selbst nicht kennen. Das habe ich als Erstes getan, als ich meinen Sohn kennenlernte.
Aber ich habe keine Zeit, über Yi Yi zu reden.
Matthieu zieht sich an. Wir müssen uns beeilen, um in den Kindergarten zu kommen.
Wenn ich nicht einschlafen kann, wenn in der Nacht zu viele Ängste widerhallen, dann denke ich an diesen Moment in der Wärme unseres Badezimmers zurück.
Ich rufe mir Matthieus Körper in Erinnerung.
Fast wie ein Gebet.
Seit dem 13. November schlafe ich ein mit Matthieu als Hologramm.
Kurz nachdem sie sich auf den Weg zum Kindergarten gemacht haben, schicke ich Matthieu eine SMS.
Ich liebe dich, du bist ein fantastischer Vater, ich bin glücklich.
Ich will den Streit von vor zwei Tagen endgültig hinter uns lassen, ihn in Erinnerungsschnipsel verwandeln.
Wir haben uns den ganzen 11. November gestritten, dass die Fetzen flogen. Ich wollte im Bett bleiben, und Matthieu hatte beschlossen, »ein bisschen« zu arbeiten, was unter Umständen auch sehr lange dauern konnte, falls ihm das Alternativprogramm nicht zusagte. Das Wetter war schlecht, es würde ein langer Tag werden. Ich schlug vor, mit Gary rauszugehen und ihm die weihnachtlich geschmückten Schaufenster zu zeigen. Matthieu zögerte, sich uns anzuschließen. Es fiel ihm oft schwer, sich zu entscheiden. Bevor er etwas tat, legte er in seinem Kopf immer erst einmal eine Excel-Tabelle an, in der er alle Optionen gegeneinander abwog. Er fand stets die beste Lösung, aber es dauerte seine Zeit. Und Zeit habe ich nicht. Nie. Ich weiß nicht, wieso ich immer so gestresst bin.
Der Morgen zog sich wie Kaugummi, bis Gary irgendwann ungeduldig wurde und ich auch. Und da sagte ich diesen unseligen Satz: »Ach, lass gut sein, Matt. Es ist sowieso einfacher, wenn du nicht dabei bist.«
Manche Sätze würde man gern zurücknehmen können.
An diesem Freitag steht bei mir als Erstes ein Treffen mit einer Journalistin im Terminkalender. Ich arbeite in der Modebranche, und »Treffen mit Journalistinnen« gliedern meine Wochen. Wir suchen uns ein nettes Lokal, nennen das Ganze Arbeitsfrühstück und verbringen zwei Stunden damit, einander aus unserem Leben zu erzählen. An diesem Morgen lässt sie mich kaum zu Wort kommen.
Das wandelnde Klischee. Jung, hübsch, dünn, Liebeskummer, der sie gerade völlig fertigmacht, aber aus dem sie gestärkt hervorgehen wird.
Manche Leute haben einfach diese Fähigkeit zu glauben, sie stünden zu Recht jederzeit im Mittelpunkt. Sie schaffen es, aus jeder Kleinigkeit, die ihnen widerfährt, eine Abenteuergeschichte zu machen. Bei Familientreffen führen sie das große Wort und lenken mit belanglosen Anekdoten alle Aufmerksamkeit auf sich, davon überzeugt, dass sich die ganze Welt um sie dreht. Während ich mich immer irgendwie frage, was ich da überhaupt soll.
Selbst dieses Buch zu schreiben erscheint mir so furchtbar anmaßend: Wen könnte mein Leben schon interessieren?
Den Termin beim Augenarzt habe ich schon lange vorher vereinbart, ich kann ihn nicht absagen. Dabei würde ich am liebsten nach Hause zurückkehren, in meinen Kokon, zu meinen Lieben. Heute denke ich, dass es vielleicht besser gewesen wäre, blind zu sein, als die kommenden Stunden zu sehen. Aber natürlich habe ich gewartet, bis ich beim Arzt drankam, wie immer mit der üblichen Stunde Verspätung.
Zum ersten Mal habe ich Gary nicht abgeholt. Matthieu ist für mich eingesprungen. Ich weiß, dass er mir deswegen nicht böse war, im Gegenteil.
Als ich nach Hause komme, schwappt mir ihr Lachen wie kleine, ausgelassene Wellen aus dem Badezimmer entgegen. Matthieu ist klatschnass, weil er in der Wanne einen Sturm veranstaltet hat, Garys Freude spritzt alles voll.
Er hat mir eine Elle gekauft und bringt mir eine Cola Zero. Ich soll mich auf dem Sofa entspannen, heute Abend kümmert er sich um alles.
Er legt eine CD ein.
Es ist die letzte Musik, die wir zusammen hören, ohne es zu wissen.
Niemand hat die CD weggeräumt, sie liegt immer noch im Player.
Sie heißt »The immortal«.
Gegen acht Uhr essen wir drei gemeinsam zu Abend. Matthieu hat es nicht eilig, ist sich nicht einmal sicher, ob er überhaupt zu dem Konzert gehen soll, er zieht den Moment in die Länge.
Er bringt Gary ins Bett.
Sagt zu ihm: »Ich hab dich lieb. Bis morgen.«
Nichts deutet darauf hin, dass ein Tsunami bevorsteht.
Es ist Freitag, unser Sohn schläft nach dem letzten Kuscheln ein, unsere kleine Tochter bewegt sich ein wenig in meinem Bauch.
Es ist Freitag, und Matthieu ist aufgekratzt.
Ich erinnere mich daran, weil das bei ihm ziemlich selten vorkam. Er war ein sehr gleichmütiger Mensch, immer eben weit von Freude und Ärger entfernt, nie genervt, aber auch niemals euphorisch.
An diesem Abend ist das anders, und ich mache mich ein bisschen lustig über seine gute Laune.
Er freut sich darauf, zu einem Konzert zu gehen. Auch wenn er die Eagles of Death Metal eigentlich gar nicht so richtig kennt. Er hofft, eines der Bandmitglieder der Queens of the Stone Age werde mit von der Partie sein. Typisches Fan-Verhalten: Er war bei allen Auftritten von Shaka Ponk, in der Hoffnung, Bertrand Cantat auf der Bühne zu sehen.
Musik ist der Lebensatem meines Mannes, ohne sie kann er nicht sein. In seinen Ohren klingt Rock, aber auch Blues, seit ich ihm einen Plattenspieler geschenkt habe. Er spielt E-Bass und Kontrabass, und abends liest er Musikerbiografien.
Wir sind oft zusammen ausgegangen, um Musik zu hören. Wir haben Konzerte besucht, sind ins Theater gegangen. Seit Garys Geburt haben wir uns angewöhnt, getrennt wegzugehen, und es hat uns nie etwas ausgemacht.
Es wird Zeit, er muss los.
Er verspricht mir, nicht zu spät zurückzukommen.
Er schlingt sich einen meiner Schals um den Hals, es ist mein Lieblingsschal.
In seiner Tasche steckt ein Bild von einem Paar Schuhe, das er mir zu Weihnachten schenken will.
Er geht.
Um 21 Uhr 46 schickt er mir eine SMS: »Das rockt.«
Um 21 Uhr 46 und ein paar Sekunden zu viel betreten die Terroristen das Bataclan.
Die Hand meines Vaters
Am Samstag, den 14. November, um fünf Uhr morgens, sagt mir eine Stimme am Telefon, dass Matthieu am Leben sei, dass er »keinen Kratzer« abbekommen habe. Sie weiß nicht, wo er ist, aber er wird nach Hause kommen. Alice, James und Harold, unsere Freunde, suchen ihn überall.
Vierundzwanzig Stunden, in denen sie von Krankenhaus zu Krankenhaus rennen, von einem psychologischen Beratungszentrum zum nächsten, vierundzwanzig Stunden, in denen sie durch die in ihrem Grauen erstarrte Stadt irren. Er muss ja irgendwo sein, früher oder später werden sie ihn finden, ich glaube daran, ohne daran zu glauben.
Jedes Mal, wenn ich Alice am Telefon habe, wiederholt ihre singende Stimme: »Mach dir keine Sorgen, Mäuschen, wir bringen dir deinen Matt zurück.«
Mit jeder neuen Stunde schrillen die Alarmglocken in meinem Innern lauter.
Am Samstagabend haben sie alle Adressen abgeklappert, die einen Funken Hoffnung versprechen. Schließlich haben sie sich dazu durchgerungen, zur Militärakademie zu gehen. Dort wird viertelstündlich die Liste der Verletzten und Getöteten aktualisiert.
Gegen zweiundzwanzig Uhr taucht Matthieus Name auf.
Auf der falschen Seite der Tafel.
Die Stimme von fünf Uhr morgens hatte sich geirrt.
Alice bittet den Polizisten, dessen Aufgabe es ist, die Familien zu informieren, ihr das zu überlassen. Sie will, dass eine befreundete Stimme die schreckliche Nachricht überbringt. Sie ruft meinen Vater an, der zusammen mit meiner Mutter mit dem ersten Zug gekommen ist. Ich weiß nicht, woher sie den Mut dazu genommen hat, die Katastrophe zu verkünden.
Ich habe mich gerade hingelegt, als Alice mit meinem Vater spricht. Seit zwei Tagen habe ich nicht mehr geschlafen, ich bin am Ende meiner Kräfte. Meine Schwester Fabienne, die in einem Vorort westlich von Paris wohnt, ist gerade erst wieder nach Hause gefahren. Sie und ihr Mann Yves haben die Nacht des 13. November und den ganzen darauffolgenden Tag bei mir verbracht. Auch Yves ist nach dem Anschlag durch Paris gefahren, um Matthieu zu suchen.
Meine Mutter ruft Fabienne an, um ihr das Entsetzliche mitzuteilen. Weinend bricht sie auf dem Küchenfußboden zusammen, dann kommen die beiden zu uns zurück. Meine Eltern warten, bis sie da sind, ehe sie es mir sagen.
Mein Vater setzt sich auf mein Bett.
»Matthieu ist tot«, sagt er leise.
In meinem tiefsten Inneren wusste ich es schon, aber jetzt höre ich es zum ersten Mal.
Matthieu ist tot.
Ich werde es noch oft wiederholen müssen, bevor ich es wirklich glaube.
Matthieu ist tot. Matthieu ist tot.
Ich weiß nicht, wohin sich mein Geist in diesem Moment zurückzieht, in welchem Winkel meiner Schockstarre oder meiner Angst er sich versteckt. Mein Körper begreift als Erster. Ich muss mich übergeben, immer wieder übergeben.