Wolfsblut im Sternenregen - Maya Shepherd - E-Book

Wolfsblut im Sternenregen E-Book

Maya Shepherd

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Beschreibung

In Sternen wohnen die unschuldigen Seelen von Menschen, die zu früh aus dem Leben gerissen wurden. Wenn ihr Licht erlischt, finden sie Erlösung und ziehen als Sternschnuppen ein letztes Mal durch die Nacht. Doch was, wenn Unzählige von ihnen auf einmal vom Himmel stürzen? Ist das der Anfang vom Ende? Wenn einem nur noch sechs Tage bleiben, um das Schicksal der Welt zu entscheiden, kann jede Minute entscheidend sein.

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Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhaltsverzeichnis

Was zuvor geschah

Schlüsselwort

Traurige Wahrheit

Für einen Tag

Wiedervereinigung

Keiner der Sieben

Ohne dich

Verbrannte Erde

Schwestern

Geisttiere

Wolfsblut

Ruhe in Frieden

Sternenregen

Singvogel

Schlussworte der Autorin

Copyright

Danksagung

Maya Shepherd

Die Grimm Chroniken 17

„Wolfsblut im Sternenregen“

Copyright © 2019 Maya Shepherd

Coverdesign: Jaqueline Kropmanns

Lektorat: Sternensand Verlag /Martina König

Korrektorat: Jennifer Papendick

Illustration „Philipp“: Laura Battisti – The Artsy Fox

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Facebook: www.facebook.de/MayaShepherdAutor

E-Mail: [email protected]

Für Lullubell

Arian wäre ohne dich nicht zu dem geworden,

der er ist.

Was zuvor geschah

Mittwoch, 24. Oktober 2012

23.45 Uhr

Maggy und Jacob gelangen durch das Portal im Spreepark nach Königswinter. Ihr Weg führt sie zu Schloss Drachenburg, das sich nun unter der Herrschaft von Vlad Dracul befindet. Dieser empfängt sie und bietet ihnen ein Bündnis gegen Elisabeth an. Mit seiner Vampirarmee will er ihnen helfen, sie zurück in den Spiegel zu verbannen. Der Zauber kann allerdings nur von einer Hexe in der Nacht eines Blutmonds gewirkt werden. Um sicher sein zu können, dass Margery und die Vergessenen Sieben sich auf diesen Handel einlassen werden, nimmt Vlad Maggy gefangen und schickt Jacob los, um den anderen seinen Vorschlag zu unterbreiten. Sollten sie sich dagegen entscheiden, wird er Maggy nicht freilassen. Als Zeichen seines guten Willens gibt er Jacob seine magische Pfeife zurück.

Donnerstag, 25. Oktober 2012

7.00 Uhr

Ember und Philipp erfahren aus der Zeitung, dass Schloss Drachenburg von einem gewissen Vladimir Dragoran gekauft wurde. Sie vermuten, dass sich Vlad Dracul dahinter verbirgt.

8.00 Uhr

Will hinterfragt seine Gefühle für Margery, seitdem er weiß, dass sein Herz aus den beiden Herzhälften von Mary und Jacob zusammengesetzt wurde. Er fürchtet, dass er vielleicht nur glaubt, in Margery verliebt zu sein, weil er die Liebe ihrer Mutter in sich spürt. Als er ihr von seinem Verdacht erzählt, erkennt sie, dass Will ebenfalls sterben würde, wenn es Dorian gelingen sollte, Mary zu töten.

8.15 Uhr

Ember begleitet Philipp zum Polizeirevier, wo er eine Aussage zu seiner Entführung machen soll. Eine Beamtin erkennt Ember jedoch wieder, da polizeilich nach ihr gesucht wird. So kommt es, dass auch Ember sich einem Verhör unterziehen muss. Dabei geht es vor allem um Joe, der seit seiner Flucht aus Berlin als vermisst gemeldet ist. Die Polizei hat herausgefunden, dass er im Internet nach Ember gesucht hat. Sie gibt ihnen den Hinweis, dass Joe zuletzt in Begleitung einer Julia unterwegs war und sie zusammen die Schlosskommende in Ramersdorf besuchen wollten.

Danach wird sie aus dem Verhör entlassen und von ihrer Stiefmutter Barbara abgeholt. Ember versucht, mit ihr über deren Sohn Roman zu sprechen, der sie regelmäßig bedrängt. Aus Angst davor, dass Ember die Polizei benachrichtigen könnte, schließt Barbara sie in ihrem Haus ein.

8.30 Uhr

Auch Philipp muss sich den Fragen der Polizei stellen. Als er von einem ihm angebotenen Getränk trinkt, verliert er das Bewusstsein. Das Letzte, was ihm auffällt, ist, dass der Polizist einen Splitter in seinem Auge hat.

11.00 Uhr

Joe begibt sich in Begleitung von Rosalie zu Embers Wohnhaus, da er hofft, sie dort anzutreffen oder zumindest auf einen Hinweis zu stoßen, der ihm verrät, wo er sie und die anderen finden kann. Kurz bevor sie dieses jedoch erreichen, bittet Rosalie ihn, den anderen erst einmal nicht ihre wahre Identität zu verraten. Sie fürchtet, dass sie ihr sonst keine Chance geben würden. Joe hat dafür Verständnis und willigt vorerst ein.

11.30 Uhr

Roman verschafft sich Zutritt zu Embers Zimmer und bedrängt sie dort. Bevor er handgreiflich werden kann, stürmen Joe und Rosalie den Raum, um ihr zu Hilfe zu eilen. Roman erhält eine Tracht Prügel und die Warnung, nicht die Polizei zu verständigen, da sie sonst wiederkommen würden. Sobald sie das Haus verlassen haben, fragt Ember ihre beiden Retter, wo sie den letzten Tag gewesen sind. Die Erklärung, welche ihr die beiden liefern, stimmt sie skeptisch, dennoch beschließt sie, mit ihnen zum Friedhof zurückzukehren.

Zur selben Zeit wird Maggy in der Bibliothek von Schloss Drachenburg gefangen gehalten. Vlad Dracul versucht, ihr in einem Gespräch deutlich zu machen, warum das Böse Ansichtssache ist. Dabei verrät er ihr auch ein paar Erlebnisse aus seiner Vergangenheit.

13 Uhr

Philipp kommt in der Gewalt der Königin wieder zu sich. Sie will von ihm wissen, wer die anderen der Vergessenen Sieben sind. Als er sich weigert, ihr etwas zu verraten, droht sie ihm damit, seinen Eltern etwas anzutun, die sich gerade auf dem Weg zu ihm befinden.

Auch wenn es Philipp schwerfällt, kann er sich dennoch nicht dazu durchringen, auch nur einen Namen seiner Freunde preiszugeben. Wütend reißt die Königin ihm sein Herz aus der Brust.

Derweil spürt Margery im Totengräberhaus, dass ein Teil ihres Herzens soeben gestorben ist. Sie weiß instinktiv, dass es sich dabei um Philipp handelt, und erzählt Will, Simonja und Lavena von seinem Tod.

Sie sind alle zutiefst schockiert, werden aber in ihrer Trauer von Jacob gestört, der gehofft hat, sie auf dem Friedhof zu finden. Er berichtet ihnen von Maggys Gefangennahme durch Vlad Dracul und dessen Forderung für ein Bündnis. Als Margery ihm sagt, dass dies vielleicht bald nicht mehr nötig sei, weil Dorian vorhabe, die Königin zu töten, klärt Jacob sie darüber auf, dass es sich bei der Königin nicht um ihre Mutter handelt. Mary wird in dem schwarzen Spiegel gefangen gehalten. Sollte Dorian jedoch die Königin töten, könnte Mary niemals in ihren Körper zurückkehren.

13.30 Uhr

Dorian hat in seiner Zelle auf den perfekten Zeitpunkt gewartet, um die Königin töten zu können. Diesen sieht er gekommen, als er beobachtet, wie sie allein durch die Korridore des Kerkers geht.

Donnerstag,

25. Oktober 2012

Noch 6 Tage

Schlüsselwort

Donnerstag, 25. Oktober 2012

13.45 Uhr

Bonn, Schlosskommende Ramersdorf, Verlies

Dorian zögerte nicht, sondern packte die falsche Königin von hinten und schlug ihren Kopf gegen die Wand. Das tötete sie zwar nicht, machte sie aber benommen. Ein überraschter Laut entwich ihren Lippen, als ihr die Beine wegsackten. Der Angriff hatte sie gänzlich unvorbereitet getroffen. Blut lief ihr aus einer Platzwunde auf ihrer Stirn über das Gesicht, als Dorian sie in eine der angrenzenden Zellen zog. Sie sollte dort sterben, wo zuvor Unschuldige hatte leiden müssen – nicht wie eine Königin, sondern wie eine Verbrecherin.

Es musste schnell gehen, denn die nächste Patrouille war bereits auf dem Weg. Dorian riss der Königin grob ihre funkelnde Kette vom Hals, woraufhin die Edelsteine auf den schmutzigen Boden prasselten. Danach schloss er seine Hände um ihren Hals und drückte zu. Er würde Genugtuung empfinden, wenn er sah, wie das Licht in ihren Augen erlosch, und er sicher sein konnte, dass der Kampf endlich vorüber war. Dieses Biest würde niemandem mehr schaden, am wenigsten Margery. Er hatte einmal versagt und dafür bitter bezahlt.

Entsetzen stand in den Augen der falschen Königin, als sie den Sohn des Drachen erkannte. Sie blinzelte gegen das Blut an, welches ihr die Sicht raubte. »Töte mich«, krächzte sie gegen den festen Griff seiner Hände an, »und deine Mary ist für immer verloren.«

Ein boshaftes Funkeln schlich sich in ihren Blick. Obwohl Dorians Hände um ihren Hals lagen, fühlte sie sich ihm immer noch überlegen. Den ersten Moment des Schreckens hatte sie schnell überwunden.

Die Erwähnung von Marys Namen war wie eine Klinge, die in Dorians Herz gestoßen wurde. Aber sie führte nicht dazu, dass er von der Frau vor sich abließ, sondern er verstärkte seinen Druck. Er blickte in das Gesicht, das er einmal mehr geliebt hatte als alles andere auf der Welt, und empfand nur noch Hass. Die falsche Königin hatte nicht nur Mary getötet und ihr Aussehen gestohlen, sondern auch ihr Andenken beschmutzt und sie in ein Monster verwandelt, das sie zu ihren Lebzeiten nie gewesen war. Die Bürger Engellands würden sich nicht als gütige Königin an sie erinnern, sondern sprachen von ihr nur als die Blutige Mary, deren Grausamkeit keine Grenzen gekannt hatte. Die falsche Königin hatte nicht nur sie getäuscht, sondern auch Dorian und Margery glauben lassen, dass Mary keine Liebe mehr für sie in sich trug.

»Du hast sie mir bereits vor langer Zeit genommen«, entgegnete er skrupellos. »Ich werde nicht zulassen, dass du auch noch meine Tochter tötest.«

Er hatte die Hoffnung verloren und sich damit abgefunden, dass er Mary niemals wiedersehen würde. Sie war tot, und alles, was ihm blieb, war die Rache. Die Hexe würde für ihre Taten bezahlen und musste ausgeschaltet werden, bevor sie noch mehr Unheil anrichten konnte.

Für Margery.

Für Rosalie.

Und letztlich auch für Mary. Um ihre Kinder zu schützen, wäre sie zu allem bereit gewesen.

»Du kannst mich nicht aufhalten«, spie sie ihm entgegen. »Niemand kann das.«

Sosehr er sie auch verabscheute, musste er ihre Furchtlosigkeit anerkennen. Er hatte nie zuvor jemanden getroffen, der so sehr von sich selbst überzeugt war. Aber ihre Boshaftigkeit würde ihr schon bald vergehen – dafür würde er sorgen.

Entschlossen drückte er fester zu. Die Königin schnappte nach Luft und ihre Augen quollen hervor, in die sich nun doch eine Prise Angst schlich. Erkannte sie, wie ernst es war?

»Mary ist nicht tot«, würgte die falsche Königin hervor. Ihre Gesichtshaut lief bereits bläulich an.

»DU LÜGST!«, brüllte Dorian und konnte es gar nicht erwarten, dass sie für immer verstummen würde. »Das ist nur ein Trick, aber darauf falle ich nicht mehr herein.«

Sie spürte, wie sie starb, und hätte ihm alles erzählt, nur um ihr Leben zu retten. Er durfte sich nicht von ihr beirren lassen – sie musste sterben.

»Lass …«, stieß sie aus, aber kam nicht weiter, weil ihr die Luft wegblieb. »Beweis …«

Es bereitete ihm Genugtuung, sie derart hilflos zu erleben. Es war nur noch eine Frage von Sekunden.

»Spiegel«, würgte sie in blanker Verzweiflung hervor.

Es war wie ein Schlüsselwort, denn unweigerlich musste Dorian daran zurückdenken, wie alles mit den Spiegeln begonnen hatte. Seitdem diese einen Weg in das Schloss gefunden hatten, begann Mary, sich zu verändern. Er hatte immer geahnt, dass es etwas mit ihnen zu tun haben musste, aber war nie auf eine Erklärung gestoßen.

Nur einen Moment war er abgelenkt, da traf ihn ein Schlag hart im Rücken. Er stöhnte auf und blickte sich um, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie ein Holzknüppel erneut in seine Richtung geschwungen wurde. Instinktiv ließ er die falsche Königin los, um den Angriff abzuwehren. Seine Hände bekamen die Waffe zu fassen und entrissen sie dem Zwerg, der sie geschwungen hatte.

Rumpelstein stürzte sich auf ihn. Er mochte Dorian körperlich unterlegen sein, aber das Überraschungsmoment war auf seiner Seite. Dabei kreischte er aus vollem Hals, sodass sämtliche Wachen, die sich in der Nähe befanden, alarmiert wurden.

Die falsche Königin nutzte die Ablenkung, um sich auf allen vieren außer Reichweite zu schleppen. Sie war noch nicht wieder im Besitz ihrer Kräfte, sondern rang weiterhin nach Atem. Aber es würde nicht lange dauern, bis sie sich erholt hätte oder Verstärkung eingetroffen wäre.

Dorian ahnte, dass er seine Chance vertan hatte, und versuchte, sich von dem klammernden Griff des Zwerges zu befreien. »Warum dient Ihr dieser Hexe?«, rief er verständnislos. »Seid Ihr mit einer bösen Seele zur Welt gekommen oder hat sie etwas gegen Euch in der Hand?«

Er wusste nichts von Rumpelstein, aber er war ihm von jeher nicht geheuer gewesen. Es waren nicht nur sein ungepflegtes Äußeres und die Gerüchte, die man über ihn hörte, sondern ihn umgab auch etwas Unheimliches. Die echte Mary hätte ihn nie in der Nähe ihrer Tochter geduldet.

»Ich stelle mich auf die Seite der Gewinner«, fauchte Rumpelstein und kratzte Dorian mit seinen langen, schmutzigen Fingernägeln über das Gesicht.

Gerade als er den Zwerg zu fassen bekam und ihn zu Boden drückte, platzten zwei Wölfe in die Zelle. Sie knurrten und fletschten ihre Zähne, während sie sich ihm bedrohlich näherten. Einer von ihnen war braun, der andere schwarz mit einem silbrigen Glanz. Beide hatten golden glühende Augen.

Sie stürzten sich auf Dorian, der nun von Rumpelstein ablassen musste. Mit ihren scharfen Zähnen bissen sie ihn in den Unterarm, als er sie abzuwehren versuchte. Er schrie vor Schmerz auf und trat um sich, dadurch machte er die Tiere jedoch nur noch aggressiver. Das schnappende Geräusch ihrer Kiefer war zu hören, als sie nach ihm fassten. Haut riss und Blut floss, während Dorian seine Gegenwehr aufgab und sich zusammenkrümmte. Er hatte keine Chance.

Der schwarze Wolf thronte über ihm, bereit, ihm die Kehle aus dem Hals zu reißen, als die falsche Königin ihm Einhalt gebot. »Töte ihn nicht«, befahl sie mit rauer Stimme. »Ich brauche ihn lebend.«

Knurrend ließ der Wolf von ihm ab. Mit gesträubtem Fell trat er zu seiner Herrin, die sich wieder aufgerichtet hatte. Die Haut rund um ihren Hals war mit einem dunklen Mal versehen, wo zuvor ihre Kette gelegen hatte.

Drei seelenlose Jäger erreichten nun die Zelle und richteten ihre Armbrüste auf Dorian. Er war von Feinden umzingelt.

Die Königin betrachtete ihn mit einer Mischung aus Zorn und Triumph. »Es ist kein Zufall, dass deinem Töchterlein genau dann die Flucht gelingt, wenn Papa wieder unter den Lebenden weilt«, sprach sie ihn an. »Ich vermute, dass du noch das Blut ihres treuen Jägers auf deinen Lippen schmeckst.«

Sie meinte Wilhelm und vermutete richtig, dass es sein Blut gewesen war, das Dorian zurück ins Leben geholt hatte. Er würde sich jedoch lieber die Zunge abbeißen, als ihr auch nur irgendetwas zu verraten. Deshalb schwieg er. Sein Körper war übersät von Bisswunden, die bereits pochend zu heilen begannen.

»Er kann ihnen nicht allein geholfen haben«, ergriff Rumpelstein das Wort. Geduckt kauerte er neben der Königin. »Im inneren Kreis versteckt sich ein Verräter.«

Die Königin bedachte ihren Diener, der ihr gerade das Leben gerettet hatte, mit Geringschätzung. »Ein falscher Jäger?«, überlegte sie und schaute zu ihren drei Wächtern mit den Armbrüsten, die viel zu spät aufgetaucht waren. Sie kontrollierte sie nur durch die Splitter in ihren Augen. »Oder ein treuloser Wolf?« Ihr eisiger Blick glitt zu dem Wolf mit dem schwarz-silbrigen Fell und den goldenen Augen. Die Tiere waren durch einen Zauber an sie gebunden. »Meist hintergehen einen jene, die einem am nächsten stehen und von denen man es am wenigsten erwarten würde«, zischte sie und starrte verächtlich auf Rumpelstein herab, als würde sie ihn beschuldigen.

Dieser ließ sich davon nicht verunsichern. »Ihr werdet es herausfinden, Majestät«, beteuerte er demütig.

»Das werde ich«, versicherte sie ihm drohend, bevor sie ihr Augenmerk wieder auf Dorian richtete. »Aber zuvor werde ich dafür sorgen, dass Vater und Tochter sich wieder in die Arme schließen können.« Sie lächelte ihn boshaft an, als sie auf ihn zutrat. »Was glaubst du, mein Schöner, wie viel ist deinem lieben Kind dein Leben wert? Mehr als ihr eigenes?«

Dorian wünschte sich, dass der Wolf ihn umgebracht hätte. Er wäre lieber tot, als Margery in Gefahr zu bringen. Die Königin würde ihn benutzen, um das Mädchen zu sich zu locken. Was immer jetzt geschehen würde, war seine Schuld. Er war ein Narr und hatte erneut versagt!

»Legt ihn in Ketten«, befahl die Königin ihren Jägern genüsslich. »Wir werden noch viel Spaß miteinander haben.«

Dorian kämpfte gegen die Männer an, als sie sich ihm näherten. Es brauchte mehrere Pfeile und scharfe Wolfszähne, um ihn unter Kontrolle zu bringen. Die Wunden wären bereits in wenigen Stunde verheilt, aber der Schmerz würde weiter in seiner Brust wüten. Am schlimmsten war es, zu wissen, dass er nichts tun konnte. Sie waren ihm überlegen und er konnte sich allein nicht befreien.

Als er bewegungsunfähig am Boden lag, ragte die Königin über ihm auf und lächelte mit dem Gesicht eines Engels auf ihn herab.

»Mary«, krächzte er entkräftet. »Lebt sie noch?«

Wenn es auch nur einen Funken Hoffnung gab, wäre sein Zögern nicht umsonst gewesen. Er hätte nicht alles ruiniert, sondern einen großen Fehler vermieden. Mit diesem Gedanken könnte er sich trösten, um dem standzuhalten, was ihm nun drohte.

Das Lächeln der Königin wurde noch breiter. »Mary ist an einem Ort, an dem sie lieber tot als lebendig wäre.«

Traurige Wahrheit

Donnerstag, 25. Oktober 2012

14.00 Uhr

Königswinter, Friedhof des versunkenen Mondes, Totengräberhaus

Es war schwer, dem Drang zu widerstehen, nicht direkt aus dem Haus zu stürmen und zur Schlosskommende zu eilen, um zu verhindern, dass Dorian Marys letzte Chance auf Rettung zunichtemachte. Margery konnte den Gedanken kaum ertragen, dass ihre Mutter die ganzen Jahre hinter dem Spiegel gelebt haben sollte, unfähig, in das Geschehen einzugreifen. Sie hatte immer gehofft, dass es eine Erklärung für ihr Verhalten gab. Als Kind war sie erfinderisch darin gewesen, sich Ausreden für die bösen Taten ihrer vermeintlichen Mutter einfallen zu lassen. Aber vor allem im letzten Jahr hatte sie sich gezwungen, zu akzeptieren, dass die Königin zu ihrer Feindin geworden war. Sie hatte Mary aufgegeben.

»Wir brauchen eine spiegelnde schwarze Oberfläche«, entschied Jacob und hastete die Stufen vom Keller hoch in den Flur.

---ENDE DER LESEPROBE---