World of Warcraft: Traveler. Die Goblin-Stadt - Greg Weisman - E-Book
SONDERANGEBOT

World of Warcraft: Traveler. Die Goblin-Stadt E-Book

Greg Weisman

0,0
9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein neues Abenteuer des weltbekannten Computerspiel-Bestsellers »World of Warcraft«.Dank seiner neuen Gefährten – der strengen Makasa Flintwill, dem grimmigen Waldpfoten-Gnoll Hackel und dem tollpatschigen Murloc Murky – entkommt Aram haarscharf seinen Verfolgern. Zusammen mit seinen Freunden muss der junge Held die Bruchstücke eines mächtigen Schwerts finden. Dabei hilft ihm der magische Kompass seines Vaters. Trotzdem ist Aram nicht außer Gefahr! Denn der bösartige Malus und sein Gefolge haben es ebenfalls auf den Kompass abgesehen. Arams Hoffnung stirbt zuletzt: Findet er das Schwert, so findet er vielleicht auch Hinweise auf das Geheimnis, das sein Vater ihm vor seinem Verschwinden noch mitteilen wollte.Enthält exklusive Illustrationen von Kreativ- und Game-Design-Studio Aquatic Moon!Alle Bände der Traveler-Serie:World of Warcraft: Traveler (Band 1)World of Warcraft: Traveler. Die Goblin-Stadt (Band 2)World of Warcraft: Traveler. Das leuchtende Schwert (Band 3)Offiziell lizensiert durch Blizzard Entertainment.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 482

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Greg Weisman

World of Warcraft: Traveler. Die Goblin-Stadt

Aus dem Amerikanischen von Andreas Kasprzak

Mit Illustrationen von Aquatic Moon

FISCHER E-Books

Inhalt

[Widmung]Teil 1 Unterwegs in FeralasKapitel 1 Dame und KindKapitel 2 Schatten kreuzen das LichtKapitel 3 Gordoks EliteKapitel 4 BestandsaufnahmeKapitel 5 SchwächlingKapitel 6 VerhandlungenKapitel 7 Die kleine MatriarchinKapitel 8 WildschrammKapitel 9 Der Feind meines FeindesKapitel 10 Der Verbündete meines VerbündetenKapitel 11 Frohen MutesKapitel 12 Gut geplant ist halb verlorenTeil 2 Der Weg durch Tausend NadelnKapitel 13 BlütlingKapitel 14 WachgegrolltKapitel 15 Nadeln auf dem WasserKapitel 16 Unerwartete GästeKapitel 17 Der lange MarschKapitel 18 Dorn unter DornenKapitel 19 Hals über KopfKapitel 20 Wo alle Knochen zusammenführenKapitel 21 Geklärte FrontenKapitel 22 Wieder auf dem richtigen WegKapitel 23 Ein Glühen im SchimmernKapitel 24 AngedampftKapitel 25 Gazlowes BedenkenKapitel 26 Drrrugg N RrrgrrrsKapitel 27 Alles RoutineKapitel 28 Alle lächelnKapitel 29 MitternachtshappenKapitel 30 Acht RundenTeil 3 Leben und Sterben in TanarisKapitel 31 Die 9. RundeKapitel 32 PiratenmädchenKapitel 33 Trockenen FußesKapitel 34 Der flüsternde SandKapitel 35 VerschnaufpauseKapitel 36 Alle Wege führen nach GadgetzanKapitel 37 Fetzen und FädenKapitel 38 Der BuchhändlerKapitel 39 BeschützerinstinktKapitel 40 AblenkungsmanöverKapitel 41 Malus-nicht-MalusKapitel 42 GefechtsformationKapitel 43 Jenseits der DonnerkuppelKapitel 44 Dem Pfad folgenKapitel 45 Ein letztes LächelnDanksagung

Für meine Highschool-Geschichtslehrer Mr James Ackerman und Dr. John Johnson, die Fakten in Historie verwandelten, dem Antiken Bedeutung verliehen, Ursache und Wirkung ergründeten und Menschen zu den Fäden eines gewaltigen Wandteppichs werden ließen …

Teil 1Unterwegs in Feralas

Kapitel 1Dame und Kind

Azeroths größter Mond, die weiße Dame, nahm bereits ab. Der zweite, kleinere Mond, das Blaue Kind, strahlte als Vollmond, und beide Himmelskörper zusammen lieferten – obwohl er kein Lagerfeuer hatte – mehr als genug Licht für Aramar Dorns Vorhaben. Aram hatte sein Skizzenbuch auf dem Schoß und hielt den immer kleiner werdenden Kohlestift in der Hand, um endlich die eine Person in seinem Leben zu zeichnen, die auf den Seiten noch fehlte.

Makasa Flintwill war es sichtlich unangenehm, für ihn Modell zu stehen. Dabei hatte er zu ihr gesagt: »Du musst keine bestimmte Pose einnehmen. Versuch einfach nur, dich nicht zu viel zu bewegen.«

Sie hatte zwar geantwortet: »In Ordnung, kein Problem«, doch sie wirkte weiter angespannt, steif und schrecklich unbeholfen. An die Anspannung war er gewöhnt, aber eigentlich kannte er Makasa als Person, die sich in ihrer Haut sehr wohl fühlte, weshalb er sich alle Mühe gab, das Steife und Unbeholfene in seiner Skizze abzuschwächen. Makasa Flintwill war siebzehn Jahre alt, hatte jedoch das Auftreten einer Dreißigjährigen – oder das eines fünfzig Jahre alten Generals. Sie war fast einen Meter und achtzig groß, schlank und muskulös, mit schwarzer Haut, dunkelbraunen Augen und kurzem, krausem schwarzem Haar. An Bord der Wellenschreiter trug sie ihr Haar immer so kurzgeschoren wie möglich, um die Form ihres Schädels zu betonen. Allerdings hielten sie sich mittlerweile seit fast einem Monat in den weglosen Regenwäldern von Feralas auf, und auch wenn jeder unbeteiligte Beobachter ihre Haarpracht auch jetzt noch als recht kurz bezeichnet hätte, kannte Aram seine Schwester gut genug, um zu wissen, dass sie selbst fand, ihre Haarlänge sei inzwischen »vollkommen außer Kontrolle« geraten.

Seine Schwester. Inzwischen kam es ihm wie die natürlichste Sache der Welt vor, Makasa als seine Schwester anzusehen. Viel schwerer war da zu glauben, dass er sie vor kaum vier Wochen noch eher mit den Worten meine Erzfeindin beschrieben hätte. Seitdem hatten sie viel durchgemacht, und jeder von ihnen hatte die Narben davongetragen – äußerlich und innerlich. Während er nun ihre linke Wange und die Stirn mit dünnen, dunklen Strichen schraffierte, dachte er an ihre erste Begegnung vor sieben langen Monaten zurück …

 

Aramar Dorn war der Sohn des Kapitäns. Offiziell sollte er an Bord der Wellenschreiter den Posten eines Schiffsjungen übernehmen, obwohl es in Wahrheit darum ging, neue Bande zu dem Vater zu knüpfen, der seine Familie verlassen hatte, als Aram sechs Jahre alt gewesen war.

Während Kapitän Greydon Dorn seinem Sohn alles Mögliche beizubringen versuchte, von den Lektionen des Lebens über den Schwertkampf bis hin zu einem fundierten Wissen über die Flora, die Fauna und die empfindungsfähigen Spezies von Azeroth, hatte der 2. Maat Makasa Flintwill die Aufgabe, aus einem zwölfjährigen Jungen, der das Meer bis dahin nie auch nur gesehen hatte, geschweige denn jemals zur See gefahren war, einen Matrosen zu machen. Tatsächlich musste Aram zugeben, dass er beiden ein schlechter, selbstsüchtiger Schüler gewesen war. Er hatte einfach nicht das geringste Bedürfnis, sich mit den zweien abzugeben, und machte sich keine Mühe, diesen Umstand zu verbergen.

Schlimmer noch: Er war unbeabsichtigt zwischen Makasa und Greydon geraten, denn sie betrachtete ihn ebenfalls als ihren Vater. Zu behaupten, dass Aram und Makasa in den ersten sechs Monaten nicht sonderlich gut miteinander ausgekommen waren, wäre die Untertreibung des Jahres gewesen.

 

Aram zeichnete mehrere Kratzer auf ihren bloßen Armen und fragte sich, wie oder wann sie die wohl bekommen hatte. Detailliert skizzierte er ihre Waffen: den Entersäbel und die Machete an ihrem Gürtel, die Eisenkette, die gekreuzt über ihrer Brust lag, und den Schild – ein Eisenrund, das mit mehreren Schichten aufprallabsorbierendem Rohleder bespannt war –, den sie stets in Reichweite behielt.

 

Im Laufe des vergangenen Monats hatte sich dann alles geändert. Nachdem sie auf tragische Weise von Greydon und der Wellenschreiter getrennt worden waren, als das Schiff angegriffen wurde, waren Aram und Makasa in einem Rettungsboot entkommen und einsam und allein in einem Land gestrandet, das ihnen feindlich gesinnt war – doch ausgerechnet hier hatten sie schließlich zueinandergefunden. Wie oft hatte er sein Skizzenbuch hervorgeholt, nur um sie knurren zu hören: »Ich rate dir, mich besser nicht in dieses verfluchte Buch zu kritzeln.«

Woraufhin er ihr jedes Mal aufs Neue erklärte: »Ich verspreche, ich werde dich nicht zeichnen, solange du mich nicht darum bittest.«

Doch natürlich hatte sie das nie getan. Oder jedenfalls nicht bis zu diesem Morgen, an dem sie ihn mit einem Lächeln und den Worten überraschte: »Gut möglich, dass ich dich jetzt darum bitte. Ich habe gehört, das sei gute Magie.«

»Gute Magie.« Das war ganz genau das, was jetzt zwischen ihnen war. Sie hatten Seite an Seite Mühe und Verlust, Gefahr und Unglück ausgestanden. Und gemeinsam hatten sie überlebt und so nicht nur Frieden miteinander geschlossen, sondern auch erkannt, dass da eine Verbundenheit zwischen ihnen war. Ihre wahre Verwandtschaft. Dass sie … Geschwister waren.

 

Aram hielt inne und blickte auf. Die Bleiche Dame versank hinter der felsigen Spitze des Wolkengipfels, wo ihr Freund, der Nachtelf Thalyss Graueiche, vergangene Nacht gestorben war – nachdem er ihnen ein letztes Versprechen abgerungen und eine letzte Bürde auferlegt hatte.

Makasa rührte sich zum ersten Mal und folgte Arams Blick, der über ihre Schulter ging. Obwohl sie jetzt einen langen Tagesmarsch von den Anhöhen des Wolkengipfels entfernt waren, konnten beide immer noch den Wasserfall ausmachen, funkelnd im Licht des Blauen Kindes, an dessen Fuß sie Thalyss an diesem Morgen zur Ruhe gebettet hatten. Makasa wandte sich wieder Aram zu und nickte traurig, da sie instinktiv wusste, woran er dachte. Unwillkürlich vergaß sie, ihre Pose beizubehalten, so dass sie auf einmal ganz sie selbst war, und Aram beeilte sich, dieses hart errungene Mitgefühl in den Augen seiner Schwester einzufangen.

Dass Makasa im Gegensatz zu Aram weder die Zeit noch die Gelegenheit gehabt hatte, Thalyss auf dieselbe Art und Weise kennen- und lieben zu lernen, spielte keine Rolle. Es genügte, dass sie wusste, wie Aram sich deshalb fühlte. Tatsächlich genügte es ihr bereits, zu wissen, dass der Kaldorei sein jahrhundertelanges Leben geopfert hatte, um ihren Bruder zu retten, indem er mit dem Rücken zwei Armbrustbolzen abfing, die für Aram bestimmt gewesen waren. Das war mehr als genug, um dafür zu sorgen, dass der Elf in ihrer Erinnerung für immer ein Freund, ein Gefährte und ein Held sein würde.

Aram machte Thalyss’ Fehlen auf persönlicherer Ebene zu schaffen: Die Kameradschaft zu dem weisen, ständig ein wenig belustigt wirkenden Nachtelfen hatte kurzfristig die Leere gefüllt, die der Tod seines Vaters in ihm hinterlassen hatte. Jetzt hatte er Greydon und Graueiche verloren. Nicht verloren, hätte Makasa ihn zurechtgewiesen. Tot. Sie sind tot. Sieh der Tatsache ins Auge. Es bringt nichts, die Tatsachen zu beschönigen. Sie war eine knallharte junge Frau, diese Flintwill, gnadenlos ehrlich und direkt. Doch mittlerweile wusste er diese Qualitäten zu schätzen.

»Mrksa?«, rief da eine merkwürdige, leise Stimme hoffnungsvoll. Das war Murky, ihr junger, kleiner, grüner, schlaksiger Murloc-Gefährte, der im Wesentlichen aus einem riesigen Schädel mit einem Paar großer, empfindsamer Hundewelpen-Froschaugen bestand. Er und ihr anderer Reisebegleiter, Hackel, waren mit Feuerholz ins Lager zurückgekehrt.

Makasa schüttelte ungeduldig den Kopf. »Nein. Kein Feuer. Ich sagte doch, dass wir noch immer zu nah an Düsterbruch sind. Da schicken wir mit Sicherheit keine Rauchsäule gen Himmel, die unsere Feinde geradewegs zu uns führt! Ich dachte, ihr wolltet Windblütenbeeren sammeln?«

»Keine Beeren«, sagte Hackel und ließ den Haufen Brennholz zwischen Aram und Makasa zu Boden fallen. Der pelzige Hyänenmann war ein Gnollkrieger, wenn auch noch fast ein Welpe (allerdings ein kräftiger Welpe mit breiten Schultern).

Sie verweilten für einen Moment und ließen den Blick über das Lager schweifen. Eine felsige Lichtung an einem winzigen Bachlauf, unweit der Grenze zwischen Tausend Nadeln und den dichten Wäldern von Feralas, dessen Bäume in der von Mondschein erhellten Nacht drohend im Hintergrund aufragten. Der Holzhaufen, den Murky und Hackel umsonst zusammengetragen hatten, thronte an der Stelle, an der sie sonst das Lagerfeuer entfacht hätten, über dem sie sich vielleicht etwas gekocht und etwas zu Abend gegessen hätten – jedenfalls, wenn sie auf ihrer Flucht noch Zeit gehabt hätten, um zu jagen oder zu angeln und nicht bloß zu fliehen. Wie aufs Stichwort begannen ihre Mägen, gleichzeitig zu knurren.

Schlagartig fiel Aram wieder ein, dass er hungrig war. Verdammt hungrig.

»Urum n Mrksa mlggrrr«, sagte Murky. »Murky n Ukel mlgggrrr. Murky mrrugl fronde mmgr mmm mmmm flllurlok, nrk nk mgrrrrl. Nk mgrrrrl!«

Makasa sah den Murloc mit zusammengekniffenen Augen an, dann warf sie Aram einen fragenden Blick zu.

Er zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, was er damit sagen will. Auch wenn ich mittlerweile, glaube ich, dahintergekommen bin, was einige seiner Worte bedeuten. Ich weiß, dass ich Urum bin, und du bist Murksa –«

»Mrksa«, korrigierte ihn Murky.

»Hackel ist Ukel«, sagte Hackel.

»Und wir alle sind seine Fronde – seine Freunde. Doch abgesehen davon habe ich echt keinen Schimmer, was er da plappert.«

Murky schüttelte nur den Kopf und wiederholte: »Nk mgrrrrl, nk mgrrrrl …« Und das drei- oder viermal hintereinander. Wie um seine Klage zu betonen, grollte sein Bauch vernehmlich.

Wann haben wir eigentlich zuletzt etwas gegessen?, fragte sich Aram. Vor drei Tagen? Und seitdem hatten sie jede Menge Strapazen und Anstrengungen bewältigt: Gewaltmärsche, Gladiatorenkämpfe, riskante Fluchten. Eigentlich hätten sie längst mit bloßen Händen und völlig verzweifelt nach Wurzeln graben müssen. Seltsamerweise jedoch fühlte er sich wohler als seit Wochen, vielleicht sogar seit Monaten. Der Hunger mochte an ihm nagen, aber seine Seele war ganz ruhig. Ja, sie waren hungrig, und sie wurden gejagt. Doch der Feind war noch ein gutes Stück entfernt, und da Aram und seine Freunde auf dem Rücken einer echten Wyvern durch die Luft entkommen waren, konnten ihre Verfolger höchstens mutmaßen, in welche Richtung sie unterwegs waren, da es keine Spur gab, der sie folgen konnten. Fürs Erste durften Aram und seine Gefährten sich also im sanften Mondlicht entspannen.

Er vollendete die Skizze, indem er seinen Namen mit leicht übertriebenen Schnörkeln versehen daruntersetzte, dann ließ er den Stift in die Hemdtasche fallen. Makasa runzelte die Stirn – ein Gesichtsausdruck, der Aram mittlerweile nur allzu vertraut war. »Möchtet ihr sie gern sehen?«, fragte er.

Hackel und Murky fielen fast übereinander, um zu Aram zu gelangen und sein jüngstes Werk in Augenschein zu nehmen.

»Mmmmm mrrrggk«, sagte Murky gurrend, was, wie Aram von Thalyss wusste, so viel bedeutete wie gute Magie.

Hackel nickte bestimmt und wiederholte Murkys Lob. »Gute Magie«, sagte er voller Überzeugung. Für den Murloc und den Gnoll war diese gute Magie nicht nur ein Wort. Für sie war die Art und Weise, wie Aram mit seinem Kohlestift die Abbilder von Leuten und Orten und Dingen um ihn her einfing, wirklich magisch. Selbst, wenn er aus dem Nichts eine Handvoll Windblütenbeeren herbeigezaubert hätte, wären Murky und Hackel davon nicht mehr beeindruckt gewesen.

Aram wusste einfach, dass er gern zeichnete. Außerdem fand er, dass er darin ziemlich gut war. Sein Stiefvater meinte auch, dass er talentiert genug war, denn er hatte einen Wochenlohn darauf verwendet, um Aram zum zwölften Geburtstag das in Leder gebundene Skizzenbuch zu schenken, das seitdem der kostbarste Besitz des Jungen war. Oder zumindest war es das gewesen, bis sein Vater ihm den Kompass und Thalyss ihm die Eichel überlassen hatten.

Allerdings wollte Aram in diesem Moment nicht an Kompasse und Eicheln denken. Er wünschte sich, dass Makasa ihr Bild sehen wollte. Allerdings machte sie keinerlei Anstalten, sich die Zeichnung anzuschauen. Ebenso wenig, wie sie in irgendeiner Form reagiert hatte, als er sich danach erkundigte, ob sie es gern sehen würde, wurde ihm jetzt klar.

Mit einem Mal unsicher, fragte er noch mal: »Willst du es lieber nicht sehen?«

Wieder runzelte sie die Stirn. »Ich weiß nicht recht. Will ich?«

Er widerstand dem Verlangen, die Augen zu verdrehen, da er wusste, dass sie das erst recht auf die Palme brachte. Er stand auf, ging um das Feuerholz herum und zu ihr hinüber. »Das will ich doch hoffen«, sagte er.

Er hielt ihr das Buch unter die Nase. Im Mondlicht studierte sie das Bild angespannt eine Minute lang, ehe sie schließlich sagte: »So sehe ich also aus, ja?«

»Mrgel, mrgel«, sagte Murky, was, wie Aram wusste, Ja bedeutete.

Hackel erklärte bloß: »Makasa!« Für ihn war damit alles gesagt, was es zu sagen gab.

Aram rümpfte die Nase. »Na ja, jedenfalls siehst du für mich so aus«, erklärte er. »Gefällt’s dir nicht?«

»Sie sieht zu weich aus«, sagte Makasa.

Nicht »Ich sehe zu weich aus«, dachte Aram. Sondern »sie«. Er sagte: »Du siehst ja nicht immer so aus. Nur eben vorhin, in diesem besonderen Moment … Allerdings … Das bist du, wie ich dich sehe, wenn ich die Augen schließe.«

»Wenn du mich sogar mit geschlossenen Augen vor dir siehst, warum musste ich dir dann Modell sitzen?«

»Nein, hör zu …«

»Ich schätze, die Skizze ist gut«, gab sie schließlich zu.

Allerdings hatte er jetzt das Gefühl, dass sie lediglich versuchte, ihn zu beschwichtigen. »Du musst das nicht sagen, wenn du es nicht so meinst«, entgegnete er, bemüht, seine Enttäuschung zu verbergen. Er klappte das Buch zu und wickelte es in das Öltuch, bevor er es in die Gesäßtasche seiner Kniehosen stopfte und zu seinem Platz zurückkehrte.

»Nein, es ist wirklich gut.« Doch sie klang noch weniger davon überzeugt als je zuvor.

»Du bist unmöglich«, murmelte er.

Da lächelte sie. Das ärgerte ihn. »Rotzbengel«, sagte sie.

»Ich?«

»Wenn wir nicht ständig irgendwelche Loblieber auf dich singen, schmollst du.«

»Niemand hat dich darum gebeten, zu singen. Weißt du überhaupt, wie das geht? Singen?«

»Ich singe nicht. Nicht für dich. Und auch für sonst niemanden.«

»Ich schätze, uns bleibt dadurch so einiges erspart.« Er schüttelte den Kopf. »Und worüber reden wir jetzt überhaupt?«

»Vielleicht über diesen schmollenden Rotzbengel alias meinen kleinen Bruder?«, schlug Makasa vor.

Aram starrte sie an. Sie lächelte noch immer.

Und dann konnte auch er sich ein Lächeln nicht länger verkneifen.

Kapitel 2Schatten kreuzen das Licht

Hackel übernahm freiwillig die erste Wache. Murky schlief bereits; er schnarchte leise, und Luft blubberte zwischen seinen grünen Fischlippen hervor.

Ohne Lagerfeuer waren selbst die Sommernächte an der Grenze von Feralas und Tausend Nadeln ziemlich kühl und wurden auch immer frostiger. Aram streifte ein anderes Geburtstagsgeschenk über: den grauen Wollpullover, den seine Mutter zu Ehren seines elften Jahres für ihn gestrickt hatte. Nach all ihren Reisen und Abenteuern war er ziemlich dreckig, doch er hielt Aram schön warm. Als Nächstes zog er den abgewetzten Ledermantel seines Vaters bis zum Kinn hoch, als wäre er eine Decke in seinem Bett, daheim im fernen Seenhain. Der Mantel roch noch immer nach dem Meer, oder zumindest bildete Aram sich das ein. Er war das vorletzte Geschenk, das sein Vater ihm gegeben hatte, bevor sich ihre Wege trennten. Aram hob die Hand, um sich zu vergewissern, dass Greydon Dorns letztes Geschenk – der Kompass – sicher an der Kette um seinen Hals hing.

Das tat er.

Er legte sich auf dem grasbewachsenen Boden zurecht, der bereits ein bisschen feucht vom Tau war. Dann sah er zu Makasa hinüber, die zu zögern schien, die wache Welt (mit ihren marodierenden Ogern, mörderischen Kompassdieben und giftigen Schlangen) Hackels gelben, fleckigen Pfoten zu überlassen. Aram wusste, dass sie nicht gern anderen vertraute, sondern nur sich selbst. (Aram bildete da keine Ausnahme.) Man konnte förmlich sehen, wie ihr innerer Zwiespalt an ihr nagte. Sie saugte an der Unterlippe, dann biss sie mit ihren weißen Zähnen darauf herum, während Hackel in Habachtstellung dastand und die gestohlene Oger-Kriegskeule umklammerte, die er mittlerweile für sich beanspruchte. Irgendetwas an der angespannten Art und Weise, wie der Gnoll die Waffe hielt, schien sie zu befriedigen – das und der Mut, den er auf ihrer Flucht aus Düsterbruch an den Tag gelegt hatte. Sie nickte Aram knapp zu, dann bettete sie den Kopf auf den Schild, den sie an einen großen Felsen gelehnt hatte. In dieser Position würde sie schlafen. Ohne sich richtig hinzulegen. Die rechte Hand ruhte auf ihrem Entersäbel, sie war jederzeit gefechtsbereit. Ihre linke Hand zuckte, als sie automatisch nach der eisernen Harpune griff, die sie vor einigen Tagen hatte zurücklassen müssen. Aram wusste, dass sie sich ohne die Harpune so gut wie nackt fühlte. Oder nein, nicht nackt – vielmehr amputiert, so als würde ein Teil von ihr fehlen.

Das würde sie allerdings nicht wach halten. Sie würde genauso schlafen, wie sie alles andere auch tat: leicht und wirkungsvoll. Und dann würde sie von allein wieder aufwachen, bevor Hackel sie wecken konnte, um die nächste Schicht zu übernehmen.

Aram drehte sich auf die andere Seite. Sein Hunger, der sich bis jetzt halbwegs hatte ignorieren lassen, nagte nun regelrecht an seinen Eingeweiden. Er war sich ziemlich sicher, dass sein Bauchgrummeln ihn am Einschlafen hindern würde. Allerdings hatte er den Umstand nicht mit eingerechnet, dass es inzwischen über vierzig Stunden her war, seit er zuletzt ein Auge zugetan hatte. Dementsprechend dauerte es nicht lange, bis er einnickte …

 

»Aram«, sagte die Stimme. »Hörst du mich?«

»Ja. Jetzt sogar noch deutlicher als sonst.«

»Weißt du, wer ich bin? Was ich bin?«

»Du bist das Licht. Die Stimme des Lichts. Und ich soll dich irgendwie … retten. Das ist alles, was ich weiß. Kannst du mir mehr darüber sagen? Ich will mehr darüber erfahren – ich muss mehr darüber erfahren.«

»Wende dich mir zu. Schau zu mir auf, Aramar Dorn, und vieles wird dir enthüllt werden.«

Aram drehte sich dem Licht zu. Er hatte es schon viele Male zuvor in seinen Träumen gesehen – sogar schon, bevor er sich mit all seinen merkwürdigen neuen Problemen herumschlagen musste –, und jedes Mal hatte das Licht ihn beinahe geblendet. Jetzt strahlte es sogar noch heller, doch Aram wappnete sich dagegen und wandte den Blick nicht ab, ja, er blinzelte nicht einmal.

»Die Antworten, die du suchst«, sagte die Stimme, »findest du im Licht. Komm näher.«

Aram trat vor. Das war nicht einfach. Das Licht schien eine Substanz zu besitzen, und es fühlte sich an, als würde man durch zähen Sirup schwimmen. Doch entschlossen, wie Aram war, ließ er sich davon nicht aufhalten. »Ich habe so viele Fragen«, sagte Aram.

»Die Antworten, die du suchst«, wiederholte die Stimme, »findest du im Licht.«

»Nein«, ertönte da unvermittelt eine andere Stimme. »In diesem Licht lauert nur der Tod.« Eine bedrohlich wirkende Silhouette ragte zwischen Aram und dem Licht auf und versperrte Aram den Weg. »Du wirst hier keine Antworten erhalten und keine Geheimnisse erfahren«, sagte der Umriss mit düsterer, zorniger Stimme. »Stattdessen wirst du mir den Kompass aushändigen und diese Suche aufgeben – sonst stirbst du!«

»Nein!«, rief Aram trotzig. »Mein Vater hat mir diesen Kompass gegeben!«

Schnell wie eine angreifende Kobra packte der Umriss Aram vorn an dem zerrissenen Hemd und zog ihn so dicht zu sich heran, dass der Junge die Züge dieses Hindernisses, dieses Widersachers erkennen konnte, die ihm fast ebenso vertraut waren wie die seines Vaters. Die buschigen dunklen Augenbrauen, die breite Stirn und das kantige Kinn, die fast schwarzen Augen, die ihn mit einem Ausdruck puren Zorns anstarrten … Es war Kapitän Malus. Der Mann, der Greydon Dorn ermordet hatte. »Junge«, krächzte Malus, »wenn du deinen Vater derart vermisst, kann ich gern ein Treffen mit ihm für dich arrangieren.« Seine freie Hand schloss sich um den Kompass und riss ihn von der Kette …

 

Aram erwachte mit einem Keuchen, das Hackel auf der Stelle herumwirbeln ließ und Makasa aus ihrem leichten Schlummer riss. (Murky schnorchelte einfach weiter.)

»Was ist los?«, fragte Makasa, als Aram hektisch den Mantel seines Vaters abstreifte und panisch unter seinem Pulli und dem Hemd umhertastete, bis er das kalte Metall des Kompasses spürte. Aber selbst das genügte ihm nicht. Er zog ihn unter seinen Kleidern hervor, um sich zu vergewissern, dass sich der Kompass nach wie vor in seinem Besitz befand.

Dabei wirkte das Instrument selbst auf den zweiten und dritten Blick nicht so, als wäre es etwas Besonderes. Der Kompass, der an einer Goldkette um seinen Hals hing, bestand im Wesentlichen aus einem Kupfergehäuse und einem weißen Ziffernblatt. Die vier Himmelsrichtungen waren mit goldenen Initialen darauf verzeichnet: N, O, S, W. Nur die Kristallnadel wirkte ungewöhnlich, denn sie zeigte nicht nach Norden, sondern nach Südosten. Der Kompass war wohl kaputt.

Doch der Schein kann trügen.

 

Wie hatte Thalyss die Kompassnadel noch gleich beschrieben?

»Dies ist ein Splitter des reinsten Sternenlichts des Himmels«, hatte der Druide erklärt, »erfüllt vom himmlischen Funken … Einfach ausgedrückt, bedeutet das, dass die Kristallnadel nicht von dieser Welt stammt. Auf ihr ruht eine Art Zauber.«

 

Und das hatte sich hundertfach als wahr erwiesen. Arams Vater hatte ihm den Kompass unter den verzweifeltsten Umständen anvertraut; tatsächlich war es mehr oder minder das Letzte gewesen, was er auf dieser Welt getan hatte. Er hatte Aram aufgetragen, den Kompass um jeden Preis zu beschützen, und ihm versichert, dass das Instrument ihn dorthin führen würde, »wohin du musst!«

Anfangs nahm Aram an, dass der Kompass ihn wieder nach Hause geleiten würde. Damals wie heute vermisste er seine Mutter Ceya, seinen Stiefvater Robb, seine Halbgeschwister Robertson und Selya und seinen Hund Sott. Aram vermisste sein altes, ereignisloses Leben in der Hütte neben der Schmiede, in der Robb Waldwies ihn das Handwerk eines einfachen Dorfschmieds gelehrt hatte – nicht das eines Seemanns, und gewiss auch nicht wie man sich als unwilliger Reisender in der verfluchten Wildnis zurechtfand. Er vermisste das Essen seiner Mutter und ihre sanften Umarmungen. Er vermisste es, mit Robertson zu raufen und mit Selya zu knuddeln und mit Sott an den Ufern des Immerruhsees herumzutollen.

Mittlerweile hatte er erkannt, dass der Kompass keine Fahrkarte nach Hause war. Die Nadel hatte Aram nämlich zu einem weiteren Kristallsplitter geführt, zu einem etwas größeren Gegenstück seines eigenen. Tatsächlich schien der Kompass … lebendiger zu werden, je näher sie dem neuen Splitter kamen. Die Nadel begann zu glühen, und als Aram dann ganz dicht dran war, bewegte sich der Kompass von selbst, riss sich von der Kette los und flog durch die Luft, um sich zu seinesgleichen zu gesellen.

Aram wusste, dass diese Splitter ein Teil des Lichts waren. Ein Teil des Lichts, das er in seinen Träumen und Visionen gesehen und gehört hatte. Ein Teil des Lichts, das er irgendwie retten sollte.

»Noch so ein Traum?«, fragte Makasa.

Aram nickte. Er konnte noch nicht sprechen oder viel mehr tun, als den Kompass wieder und wieder zwischen den Fingern zu drehen.

»Von diesem Licht?«, hakte sie nach.

Aram schluckte und fand schließlich seine Stimme wieder. »Ja«, sagte er. »Aber nicht bloß von dem Licht. Er war auch da.«

»Wer? Dein Vater?«

»Nein. Malus.«

Die Erwähnung dieses Namens genügte, dass Zorn ihre Miene flutete. Doch sie sagte nichts.

»Ich weiß jetzt, warum er den Kompass haben will«, erklärte Aram. »Er will mich – und jeden anderen – daran hindern, das Licht zu retten.«

Und das war die Wahrheit. Auch wenn es noch lange nicht alles war, soweit es Malus betraf, im Gegenteil. Für ihn war das gerade erst der Anfang …

Kapitel 3Gordoks Elite

Zu diesem Zeitpunkt loderten Fackeln in der Gordunni-Oger-Festung namens Düsterbruch, während Kapitän Malus seinen mittlerweile beträchtlichen Streitkräften die Anweisung gab, Aram zur Strecke zu bringen.

Nachdem er den Ogerkönig Gordok im Zweikampf bezwungen hatte, hatte der Mensch Malus sich zum neuen Gordok ernannt und jeden einzelnen Oger seinem alleinigen Befehl unterstellt, in den Dienst der einzigen Sache, die für ihn zählte.

Dem Oger, den Malus mit hergebracht hatte, Throgg vom Klan der Zerschmetterten Hand, oblag die Aufgabe, die komplette und vollständige Evakuierung von Düsterbruch zu beaufsichtigen. Er musste dafür sorgen, dass jede Hütte und jede steinerne Behausung geräumt wurde und jeder Oger – Männchen und Weibchen, Greis und Kind – in die Wildnis ausschwärmte, in die Regenwälder von Feralas, in die überflutete Schlucht von Tausend Nadeln und in die siedend heiße Wüste von Tanaris, um nach Aram und dem Kompass zu suchen.

 

Throgg erledigte all diese Aufgaben, denn Throgg war Malus treu ergeben, daran bestand kein Zweifel. Allerdings glaubte Throgg auch an die Traditionen seines Volkes, und Throgg wusste, dass Kapitän Malus diese Traditionen mit Füßen trat, indem er sich selbst zum König erklärte. Und, ja, Throgg würde Malus dennoch bis ans Ende von Azeroth und in die klaffenden Fänge des Todes folgen – ganz gleich, in welcher Gestalt ihn dieser erwarten mochte. Denn es war Throggs eigene Entscheidung gewesen, in Malus’ Dienste zu treten.

Das hier hingegen war etwas vollkommen anderes.

Während Throgg verfolgte, wie Ogerfrauen, die sich ihre Säuglinge auf den Rücken gebunden hatten, ihre Jungen aus ihren Häusern scheuchten, um zu einem Gewaltmarsch durch die kalte Nacht aufzubrechen, spürte er tief in seiner massigen Brust, dass dies nicht richtig war!

Throgg von der Zerschmetterten Hand schraubte langsam den Streitkolbenaufsatz auf den Metallstumpf seines rechten Handgelenks, als Malus – Gordok – erschien, um zu beaufsichtigen, wie Throggs Beaufsichtigung der Evakuierung so lief. Während Gordunni-Oger an ihnen vorbeimarschierten, sagte Malus: »Ich weiß, dass wir letzte Nacht die meisten ihrer Elitekrieger getötet haben, aber trommle die besten zusammen, die noch übrig sind, und schaff sie in Gordoks Thronsaal. Wir treffen uns dort.«

Throgg nickte, doch sein Unbehagen – oder sogar Missfallen – war seiner Miene nur allzu deutlich anzusehen.

Malus schien zu ahnen, welche Gedanken ihm durch den Kopf gingen, denn er tätschelte Throggs Arm und sagte: »Sobald wir den Jungen haben – oder wenigstens den Kompass –, wird dies alles ein Ende haben. Dann überlasse ich Gordoks Krone dem Oger, den Ihr als Anführer dieses Volkes bestimmt, Throgg. Und die Gordunni kehren nach Düsterbruch zurück.«

Throgg ließ sich das einen Moment durch den Kopf gehen, während er sich mit dieser Vorstellung anfreundete. Schließlich nickte Throgg erneut. Zumindest fürs Erste.

 

Malus wandte sich ab, bevor Throgg die Verachtung in den Augen des Kapitäns sehen konnte. Da der Oger der einzige unter den Verborgenen war, der Malus tatsächlich loyal ergeben war, musste Malus sich die Treue von Throgg dem Wahrhaft Hohlen unbedingt bewahren. Dementsprechend bedeutete es für ihn kein großes Opfer, vernünftig mit dem Oger zu sprechen und Respekt für etwas zu heucheln, das Throgg heilig war. In Wahrheit jedoch war das Ganze für Malus ein echtes Ärgernis, ganz zu schweigen von einer Ablenkung von den wesentlich wichtigeren Belangen, die ihn beschäftigten.

Die übrigen Verborgenen hatten sich bereits vor dem wuchtigen steinernen Thron des alten Königs versammelt. Da war zum einen Zathra, ihre Fährtenleserin; dann Valgrimm, ihr Schwertkämpfer; und schließlich Ssarbik, ihr Magier. Die ersten beiden waren Söldner, deren einzige Treue Malus’ Börse galt. Letzterer war nichts und niemandem treu. Oder jedenfalls nicht Malus. Ssarbik diente demselben Meister, dem auch Malus unterstand, und es vergingen kaum jemals fünf Minuten, ohne dass er seine Sorge um Malus’ Führungsstil zum Ausdruck brachte.

»Wasss hofft Ihr, mit diesssen hirnlosssen Ogern zu erreichen?«, zischte Ssarbik.

Eigentlich hatte Malus dieses Thema bereits lang und breit mit den anderen diskutiert. Er blickte auf den buckeligen, vogelartigen Arakkoa hinab und knurrte einmal mehr: »Wir wissen, dass der Junge unterwegs nach Gadgetzan ist.«

»Nein, das wissst Ihr nicht«, widersprach Ssarbik. »Dasss vermutet Ihr blossss.«

»Und ich nehme an, deine Mutmaßungen gehen in eine andere Richtung?«, fragte Valgrimm mit einem Flüstern, das aus den Schatten seiner Kapuze drang wie Sand, der über Wüstenboden weht. Der überwältigende Duft von Jasminwasser, der ihn umgab, sollte den Gestank seines Zerfalls übertünchen. Denn Baron Reigol Valgrimm war einer der Verlassenen, von dunklem Zauber als Untoter wiedererweckt, wenngleich mit dem Unterschied, dass weitere Magie seinen Verstand und seinen freien Willen bewahrt hatte.

Seiner geflüsterten Frage an Ssarbik hörte man mehr als nur den Anflug eines schiefen Lächelns an. Der Baron hatte nur wenig Achtung für den Arakkoa übrig, doch Malus wusste seine Unterstützung dennoch zu schätzen. Valgrimms größter Feind war die Langeweile, und Malus kannte den Baron inzwischen lange genug, um zu wissen, dass Valgrimm alles tun würde, um die Einförmigkeit seiner untoten Existenz zu durchbrechen. Dementsprechend gehörte es zu seinen Lieblingsbeschäftigungen, Unfrieden zwischen den Verborgenen zu stiften, auch wenn es sich dabei – wie bei Throggs Zweifeln oder Ssarbiks Aufmüpfigkeit – unterm Strich lediglich um eine weitere Ablenkung handelte, die Malus nicht brauchte.

Darum wartete er nicht, bis der aufgeplusterte, plappernde Ssarbik auf Valgrimms Worte reagierte. Gerade als Throgg – mit einem halben Dutzend weiterer Oger im Schlepptau – die Kammer betrat, sagte Malus: »Was das Ziel des Kindes betrifft, sind wir uns sicher; was seine Route dorthin betrifft, nicht. Indem wir die Gordunni drei verschiedene Regionen durchstreifen lassen, minimieren wir das Risiko, dass er uns durch die Finger schlüpft.«

»Un’ wenn die Oga den Jung’n schnappen tun? Oda wenn wir selbst ihn schnappen tun?«, fragte Zathra, die sehnige, orangehäutige Sandwüter-Trollfrau.

Sofort hob Ssarbik den Kopf, erfreut darüber, dass man ihm eine neue verbale Keule gereicht hatte, mit der er auf seinen Kapitän einprügeln konnte. »Dann wird unssser furchtlossser Anführer einen neuen Vorwand finden, den Bengel zu verssschonen!«

»Nein«, gab Malus kalt und gnadenlos zurück. »Ich habe Aramar Dorn jede Gelegenheit gegeben, uns den Kompass zu überlassen und mit dem Leben davonzukommen. Doch er ist ein ebenso halsstarriger Narr, wie sein Vater einer war, und er hat seine Entscheidung getroffen. Damit liegt sein Schicksal nicht mehr in meinen Händen. Wir haben den Ogern entsprechende Anweisungen erteilt. Und jetzt trage ich auch euch allen auf: Findet den Jungen! Tut, was immer ihr tun müsst! Aber bringt mir diesen Kompass!«

Das schien die Trollfrau zufriedenzustellen. Sie strich über ihre Brustplatte, die zuckte und klickte, woraufhin einige der neuen Oger überrascht einen Schritt zurückwichen. Malus lächelte grimmig. Er wusste, dass Zathras lebendige Rüstung in Wahrheit ein ein Meter großes Skorpid-Weibchen war, das die Sandtrollfrau Huscha nannte und wie ein liebes Haustier behandelte.

»Gut zu wiss’n, Mann«, sagte Zathra. »Ich werd’ meine Loa mit’m Blut von diesem Bengel füttern tun. Der Junge un’ all seine Freun’e sin’ ratzfatz Happa-Happa für die Götta. Auch, wenn ich vielleicht ’n Häppchen oder zwei für Huscha un’ mich übrig lass.« Sie leckte sich hungrig die Lippen.

Malus ignorierte ihre Blutgier. Stattdessen musterte er die sechs Oger, die Throgg mitgebracht hatte. Einer dieser Oger – eine bemerkenswerte Kriegerin, über zwei Meter groß und mit aschblauer Haut – trat vor; ihre Hand ruhte locker auf dem Knauf ihres Breitschwerts. Throgg nickte zu ihr hinüber und sagte: »Das Karrga. Karrga haben …« Er suchte nach dem richtigen Wort.

»Informationen«, half sie ihm auf die Sprünge.

»Ja. Das.«

Malus fand sofort Gefallen an ihr. Das erste Wort, das ihr über die Lippen kommt, hat ganze fünf Silben. Gemessen an den anderen Ogern, muss sie damit so etwas wie ein Genie sein.

Karrga neigte den Kopf ein wenig und sprach: »Neuer Gordok weiß, alter Gordok mochte Spaß haben.« In ihrem Tonfall lag keine Liebe für ihren einstigen König. »Spaß für ihn war, Sklaven kämpfen zu lassen, darum alter Gordok schickte Krieger aus, um neue Sklaven zu beschaffen. Schickte Wordok nach Westen. Schickte Marjuk nach Osten. Wordok kam mit Eurem Jungen zurück.«

»Er ist nicht mein Junge«, sagte Malus, leicht verärgert.

Sie zuckte zwar mit den Schultern, schenkte seinem Einwand ansonsten aber keine weitere Beachtung. »Die Freunde von Junge letzte Nacht getötet haben Wordok. Aber Marjuk immer noch nicht wieder da. Marjuk großer, stinkender Oger. Wird Menschen-Gordok nicht dienen.«

»Warum erzählt Ihr mir das?«, wollte der Menschen-Gordok wissen.

Sie lächelte. »Marjuk wollen selbst Gordok sein. Doch Karrga das nicht wollen. Marjuk getötet Karrgas Vater wegen Schwein. Menschen-Gordok bereit, damit Menschen-Gordok töten Marjuk, richtig?«

»Richtig«, sagte Malus. Sie verstanden einander. »Allerdings werdet ihr heute Nacht zusammen mit Throgg von der Zerschmetterten Hand nach Osten ziehen. Das bedeutet, dass ihr womöglich eher Marjuks Weg kreuzt, als er den meinen. Daher erteile ich dir hiermit meinen Segen, Marjuk zu beseitigen, wenn sich dir die Gelegenheit dazu bietet.«

Sie runzelte ein wenig die Stirn und zog ihr Schwert – eine ungewöhnliche Waffe für einen Oger – einige Fingerbreit aus der Scheide. »Möglich, dass Karrga töten Marjuk. Oder Marjuk töten Karrga. Karrga ohne Furcht. Aber Karrga nicht sicher, ob Karrga siegen.« Sie schob ihr Schwert wieder zurück.

Sie ist sogar klug genug, um ihre eigenen Schwächen zu kennen.

Throgg trat steif vor und verkündete: »Throgg von Zerschmetterte Hand werden Marjuk töten. Throgg sicher, dass Throgg siegen.«

Karrga warf ihrem neuen König einen um Bestätigung heischenden Blick zu. Malus nickte und musterte Throgg mit amüsierter Neugierde. War Throgg etwa … ritterlich?

Karrga schien zufrieden. »Throgg töten Marjuk. Karrga sicher jetzt.«

Throgg grinste dümmlich … oder jedenfalls noch dümmlicher als sonst. Um dies zu verbergen, kratzte er sich mit einem der Stachel seines Streitkolbens am Stirnhorn. Mit einiger Verspätung wurde Malus bewusst, dass Karrga keinerlei Mühe hatte, Throgg um ihren gar nicht so kleinen Finger zu wickeln. Doch Malus mochte sie trotzdem. Sie war schlau, was bedeutete, dass sie sich als nützlich erweisen könnte. Hinzu kam: Wenn Throgg unter dem Banner des neuen Gordok ihren Blutfeind tötete, würde das vermutlich ihre Loyalität gegenüber Throgg und Malus festigen. Nichtsdestotrotz musste er sie im Auge behalten. Der Grat zwischen nützlich und gefährlich ist schmal.

Malus wandte sich den anderen fünf Neuankömmlingen zu, die Throgg ihm einen nach dem anderen vorstellte. Dem neuen Gordok war nicht sonderlich daran gelegen, die Namen seiner Untertanen zu erfahren, doch er war klug genug, wenigstens so zu tun, als wäre es anders.

Throgg erklärte, dass es sich bei den beiden gut zweieinhalb Meter großen, identischen Zwillingen um die Brüder Ro’kull und Ro’jak handelte. Beide hatten rötliche Haut und hielten klobige, gleich aussehende Streitäxte in den Händen.

Die Nächsten waren Kurzbart und Langbart, na ja, genau genommen war es nur einer, nämlich ein zweiköpfiger Oger mit einer Haut wie ein fleckiger Pfirsich. Beide Schädel waren kahl, und auf jeder Stirn prangte ein einzelnes, dickes Horn. Sie hatten weiße Vollbärte von namensgebender Länge. Langbart, auf der rechten Seite, hatte zudem einen recht langen Hals, so dass er es auf annähernd zwei Meter sechzig brachte. Kurzbart, zur Linken, war einige Zentimeter kleiner. Er (oder sie) war(en) mit einem eisernen Streitkolben bewaffnet.

Dösgar war ein blassroter Riese von einem Oger, mühelos an die drei Meter siebzig groß und mit Muskeln bepackt. Er wiegte eine gigantische Kriegskeule in den Armen und gähnte, als würde Malus ihn um seine wohlverdiente Nachtruhe bringen.

Und schließlich war da noch Guz’luk, ein älterer Oger mit monströser Wampe, dunkelgrauer Haut und rundlichem, hängewangigem Gesicht. Mit seinen ein Meter achtzig wirkte er neben den anderen Ogern vergleichsweise klein. Guz’luk trug ein Widderhorn und einen Morgenstern am Gürtel, den Malus als einstigen Besitz des unlängst verblichenen Gordok wiedererkannte. Offenkundig hatte der dickbäuchige Oger ihn aus der Arena geborgen, nachdem Malus ihn Gordok abgenommen und dazu verwendet hatte, dem Leben seines Vorgängers damit ein Ende zu bereiten. Na ja, und warum auch nicht? Immerhin hatte Malus selbst Gordoks langen, geschwungenen Dolch behalten. Warum sollte man eine völlig einwandfreie Waffe einfach ungenutzt verkommen lassen?

Malus wusste, dass die Verborgenen gezwungen gewesen waren, die meisten von Gordoks besten Kriegern unschädlich zu machen, um die Gordunni möglichst rasch zu unterjochen. Dessen ungeachtet war er von Throggs Auswahl durchaus beeindruckt. Natürlich waren sie trotz allem Oger und – vielleicht mit Ausnahme von Karrga – höchstwahrscheinlich ebenso blöd wie Throgg selbst, doch als Krieger (oder, falls nötig, als Kanonenfutter) hatten sie echtes Potential.

Jetzt richtete Malus das Wort an sie, an Gordunni und Verborgene gleichermaßen: »Der Junge reist mit einem Gnoll, einem Murloc und einer Menschenfrau.«

»Einer Menschenfrau von einigem Geschick«, flüsterte Valgrimm.

Malus nickte. Er wollte nicht, dass sie Dorns Verbündete unterschätzten. »Möglicherweise befinden sie sich außerdem in Begleitung eines Nachtelfen-Gestaltwandlers und vielleicht auch einer Wyvern. Gemeinsam könnten sie die übrigen Gordunni-Jagdtrupps durchaus vor eine Herausforderung stellen. Doch ihr seid meine Elite. Ihr werdet den Jungen finden, und ganz gleich wer ihn auch beschützen mag: Ihr bringt mir den Kompass, den er bei sich trägt! Marschiert nach Südosten. Macht euch auf den Weg nach Gadgetzan. Dort treffen wir uns dann – so oder so.«

Acht Ogerköpfe nickten feierlich. Die Trollfrau nickte ebenfalls, während sie gedankenverloren Huscha streichelte. Valgrimms Miene unter seiner Kapuze war so unergründlich wie eh und je. Der Arakkoa grummelte irgendetwas Unverständliches.

»Zathra, Ihr habt das Kommando«, erklärte Malus.

»Ja, Mann.«

»Zzzatrha? Zzzathra?!«, kreischte Ssarbik. »Warum hat ausgerechnet sie das Sagen?!«

»Weil wir beide, Ihr und ich, an Bord der Unausweichlich sein werden, um in den Hafen zu segeln. Der Dorn-Junge hat einen beträchtlichen Vorsprung und reitet womöglich immer noch auf dieser Wyvern. Wenn es ihm gelingt, den Suchtrupps zu entgehen und sein Ziel zu erreichen, will ich bereits in Gadgetzan auf ihn warten … um ihn willkommen zu heißen. Also, öffne ein Portal.«

Jetzt, endlich, lächelte der Arakkoa. »Ein Portal zum Ssschiff führt unsss durch die Ssscherbenwelt«, sagte er, ohne sich die Mühe zu machen, seine Schadenfreude zu verbergen. »Und wenn wir die Ssscherbenwelt durchqueren, wird der Meissster einen Bericht wünssschen. Er wird darauf bessstehen.«

»Warum behelligt Ihr mich mit Dingen, die ich längst weiß?«, fragte Malus, auch wenn er darauf keine Antwort erwartete. »Öffne ein Portal!«

Ssarbiks Kopf wippte fröhlich, und er stimmte einen Sprechgesang an: »Wir ssssind die Verborgenen, die Ssschattenreisssenden. Wir dienen und werden erobern. Und wasss wir erobern, wird brennen. Wass wir erobern, wird die Barrieren niederbrennen, die unsss vom Meissster trennen. Brennen sssoll allesss, um sssich dem Willen desss Meissstersss zu beugen. Brennen sssollt ihr, für die Verborgenen. Brennen. Brennen.«

Die Luft unmittelbar vor dem Arakkoa loderte auf und verwandelte sich in dunkles Feuer. Die Oger und die Trollfrau wichen zurück. Zathras Brustplatte wuselte in die Höhe und über ihre Schultern, um ihren Rücken zu schützen. Nur Valgrimm, Ssarbik und Malus rührten sich nicht vom Fleck. Dennoch konnte Malus Ssarbiks geborgte Macht spüren, und während sich die Härchen auf seinen Armen aufrichteten, zwang sich der neue König der Oger, keinen Muskel zu bewegen, sich keinerlei Schwäche oder Furcht anmerken zu lassen – weder vor Ssarbiks Zurschaustellung von Magie noch in Erwartung der Aussicht, Ssarbiks »Meissster« gegenüberzutreten.

Die schwebenden Flammen dehnten sich rasch zu einem lilaschwarzen Oval aus – zu einem Portal, gerade groß genug, dass Malus aufrecht hindurchschreiten konnte, wenn er ein wenig den Kopf einzog.

Ssarbik rieb sich die gefiederten Hände, als er durch das mystische Tor schlurfte und von der Schwärze förmlich verschluckt wurde. Malus sah, wie Langbart den Hals reckte, um zu sehen, ob der Arakkoa auf der anderen Seite wieder herauskam. Doch das tat der Vogelmann nicht. Er war durch das Portal verschwunden.

Dann setzte Malus sich in Bewegung, um Ssarbik mit großen Schritten durch das Portal zu folgen, das einen Augenblick später in sich zusammenfiel. Der Magier und der Ogerkönig waren fort.

Kapitel 4Bestandsaufnahme

Beim ersten Schein der Morgendämmerung brachen Aram, Makasa, Murky und Hackel ihr Lager ab und machten eine Bestandsaufnahme ihrer Vorräte und Habseligkeiten. Na ja, von ihren Habseligkeiten. Vorräte hatten sie nämlich keine.

Hackel trug so gut wie gar nichts bei sich: bloß die große, mit drei oder vier Eisennägeln gespickte Eisenholzkriegskeule, die er dem brutalen Wordok abgenommen hatte, nachdem Makasa den imposanten Oger verwundet hatte, um Hackel die Chance zu geben, ihm endgültig den Garaus zu machen. Bedachte man Hackels Geschichte mit diesem bestimmten Oger, war dies für den Gnoll ein Augenblick bemerkenswerter Genugtuung gewesen, und nun war Wordoks Keule Hackels Beute – seine Trophäe. Gewiss, sie war ein bisschen zu klobig und ein bisschen zu schwer für den halbwüchsigen Gnoll, doch Hackel bekam bereits breitere Schultern und würde mit der Zeit schon in die Waffe hineinwachsen.

Bei Murky gab es sogar überhaupt nichts zu holen. Er schaute sich einfach im Lager um und murmelte wieder: »Nk mgrrrrl, nk mgrrrrl …« Jetzt endlich verstand Aram, was er damit meinte. Um Valgrimm den Flüsterer während ihrer Flucht aus Düsterbruch zu verwirren und ihnen etwas mehr Zeit zu verschaffen, hatte Murky seine Fischernetze geopfert. Thalyss meinte einst, ein Murloc besäße nichts Kostbareres als seine Netze. Murkys Netze waren sein einziger Besitz gewesen, so dass er mit ihnen womöglich mehr hergegeben hatte als jeder andere von ihnen.

Makasa hatte ihren Schild, die Kette, den Entersäbel, die Machete, zwei Goldmünzen, Thalyss’ Feldflasche und ihre beständige Sehnsucht nach ihrer Harpune. (Sie sah sich genauso gründlich im Lager um wie Murky, als würde sie darauf hoffen, dass die Dinge, die sie unterwegs verloren hatten, auf magische Weise wiederauftauchten. Tatsächlich wäre Aram nicht sonderlich überrascht gewesen, wenn er sie hätte murmeln hören: »Nk Harpune, nk Harpune …«)

Aram schleppte mit Abstand das meiste Zeugs mit sich herum. Von größter Bedeutung war dabei der Kompass, den er an der Kette um seinen Hals trug. Der Verschluss der Kette war vor ein paar Tagen kaputtgegangen und nur notdürftig repariert worden, so dass Aram sich immer wieder vergewissern musste, dass er sie noch bei sich trug.

Als Nächstes streifte er seine Stiefel über, und da der Tag zusehends heißer wurde, schlang er sich sowohl den Pullover seiner Mutter als auch den Mantel seines Vaters um die Hüfte. Die Rückseite seines Leinenhemds hing in Fetzen, und die Vorderseite war aufgeschlitzt, doch die Taschen waren heil und seine Kohlestifte sicher darin verstaut.

Die vier Taschen seiner Kniehosen bargen zwei weitere Goldmünzen, sein in Öltuch eingewickeltes Skizzenbuch, ein ebenfalls in Öltuch eingeschlagenes Kästchen mit Feuersteinen und drei Karten auf Öltuch. An seinem Gürtel hing ein ramponierter Entersäbel, den er aus der Hand eines toten Piratenverräters gewunden hatte.

Zudem baumelte ein lila gefärbter Lederbeutel an seinem Gürtel. Darin befanden sich der Kristallsplitter, den sie erst kürzlich gefunden hatten, und eine in Öltuch eingewickelte Eichel von der Größe seiner Faust. Bei Letzterer handelte es sich um »Thalyss’ Saat«, mit deren Hilfe der Nachtelf unter Arams fasziniertem Blick auf magische Weise alles Mögliche hatte wachsen lassen, von leckerem Gemüse bis hin zu einer riesigen Eiche. Während das Leben aus dem Druiden schwand, hatte er Aram und den anderen das Versprechen abgerungen, die Saat nach Gadgetzan zu bringen, um sie dort in die Obhut einer Nachtelfen-Druidenhüterin namens Faeyrine Maienlied zu übergeben. Zusammen mit diesem letzten Wunsch hatte Thalyss Graueiche seinen letzten Atemzug darauf verwandt, Aram noch eine allerletzte Ermahnung mit auf den Weg zu geben: »Der Samen … Lass ihn … nicht … nass … werden …« Aram vermochte nicht mit Gewissheit zu sagen, warum das so wichtig war – doch er war entschlossen, dafür zu sorgen, dass die Eichel sicher und trocken blieb, um die letzte Bitte seines Freundes zu ehren.

Aram faltete die Öltuchkarte von Kalimdor auseinander und kniete nieder, um sie zusammen mit Makasa in Augenschein zu nehmen. Nachdem sie sie einen Moment lang studiert hatten, meinte sie, dass ihre kleine Gruppe ungefähr zwei Wochen brauchen würde, um am Ufer des vom Kataklysmus überfluteten Tausend Nadeln zu Fuß nach Gadgetzan zu laufen, ein bisschen weniger, falls es ihnen irgendwie gelang, auf dem Wasser zu reisen.

Aram stand auf, faltete die Karte wieder zusammen und verstaute sie in einer seiner Taschen. Dann warf er einen Blick auf den Kompass, der nach Südosten wies – in Richtung Gadgetzan, auch wenn das womöglich bloß ein Zufall war. Immerhin wusste Aram mittlerweile, dass die Kristallnadel in Wahrheit auf den nächsten Kristallsplitter deutete. Aber vielleicht befand sich der nächste Splitter ja in Gadgetzan (oder möglicherweise irgendwo auf dem Weg dorthin).

So oder so, fürs Erste war ihre Route halbwegs klar.

Makasa, die Aram über die Schulter blickte, sagte: »Er zeigt immer noch nach Südosten, nach Gadgetzan.«

»Hm hm«, entgegnete er, als er den Kompass wieder zwischen seinem Hemd und seiner schmächtigen Brust verschwinden ließ.

»Dann gehen wir nach Südosten, so wie Kapitän Dorn es von uns erwarten würde.« Sie sagte das, als wäre ihr Kapitän – ihr Vater – noch am Leben und hätte ihnen vor kaum einer halben Stunde diese Order erteilt.

»Südosten«, sagte Hackel.

»Mrgel, mrgel.«

Sie brachen auf.

 

Während sie an der Grenze von Feralas und Tausend Nadeln dahinmarschierten, mit dem Regenwald auf der einen und der überfluteten Schlucht auf der anderen Seite, wünschte Aram sich einmal mehr, tatsächlich auf dem Weg nach Hause zu sein, nach Seenhain, wo er geboren und aufgewachsen war. Doch alles, was er in den vergangenen sieben Monaten durchgemacht hatte, deutete darauf hin, dass es noch eine ganze Weile dauern würde, bevor er den Fuß erneut über die Schwelle der Hütte setzen würde, in der seine Familie lebte.

In ebenjener Hütte hatte er die ersten zwölf Jahre seines Daseins verbracht, ohne sich kaum je viel weiter als zwei Meilen davon zu entfernen. Die ersten sechs Jahre waren friedlich gewesen, er war von seiner Mutter Ceya und seinem Vater, Greydon Dorn, umsorgt worden. Dann, früh am Morgen von Aramars sechstem Geburtstag, hatte sein Vater seine kleine Familie verlassen, um wieder zur See zu fahren. Jahre verstrichen, ohne dass sie ein einziges Wort von ihm hörten. Und Jahre verstrichen, bis Aram endlich bereit war zu glauben, dass sich sein Vater aus freien Stücken dazu entschlossen hatte, sie alleinzulassen, und dass er nicht von Orcs oder Murlocs verschleppt worden war. Jahre verstrichen, ehe Ceya Nordbruch-Dorn es schließlich aufgab, weiter auf die Rückkehr ihres Gemahls zu warten, und den gütigen, liebenswürdigen Schmied Robb Waldwies heiratete.

Robb zog zu ihnen in die Hütte und errichtete daneben eine neue Schmiede, so dass Arams Leben nicht durch einen Umzug noch mehr aus den Fugen geriet – ganz um die nächste Ecke, wo Robb bereits ein Haus samt Schmiede hatte. (Ja, so ein Mann war Robb. Er zögerte niemals, seine eigene Bequemlichkeit dem Wohl seiner Familie unterzuordnen.) Doch zu dieser Zeit wusste Aram das Entgegenkommen nicht im Geringsten zu schätzen. Der beleibte, immer mit Asche bedeckte Schmied kam ihm wie ein Eindringling vor, der einen breiten, düsteren Schatten zwischen Aram und Ceya warf sowie auch – wenn der Junge ehrlich war – zwischen Aram, Ceya und die vage Hoffnung, dass Kapitän Dorn vielleicht doch eines Tages von der glitzernden See zurückkehren würde.

Als neun Monate später Arams kleiner Bruder Robertson geboren wurde, war Aram überzeugt, dass er jetzt auf der Straße landen würde. Schließlich machen böse Stiefväter das so, nicht wahr? Stattdessen war Robb die ganze Zeit über der Inbegriff von Geduld und stets voller Fürsorge für Aram, ob der Junge nun bereit war für diese väterliche Zuneigung oder nicht. Irgendwann gelang es dem breitschultrigen Schmied mit den kräftigen Händen und dem großen Herzen dann doch, Aram für sich zu gewinnen, und als seine kleine Schwester Selya auf die Welt kam, waren sie fünf – oder sechs, wenn man den kohleschwarzen Hund Sott dazurechnete – eine glückliche kleine Familie.

Dennoch träumte Aram davon, irgendwann loszuziehen und sich seinem Vater bei großartigen Abenteuern auf hoher See anzuschließen, auch wenn er in Wahrheit bloß in seinem Skizzenbuch zeichnete, in der Schmiede aushalf und sich mit seinem komfortablen Leben arrangierte.

Dann, eines Tages, etwa einen Monat nach seinem zwölften Geburtstag, sollten all seine Träume wahr werden – sehr zu seinem Missfallen. Greydon kam (ohne Erklärung oder Entschuldigung) zurück, um Aram mit auf See zu nehmen. Mit einem Mal kamen Aram all seine Träume dumm vor (bei den seltenen Gelegenheiten, bei denen er sich dazu durchrang, zuzugeben, dass er überhaupt jemals von so etwas geträumt hatte). Er liebte Seenhain, er liebte seine Familie und schuldete dem Mann, der ihn im Stich gelassen hatte, nicht das geringste bisschen Loyalität. Dementsprechend weigerte Aramar Dorn sich strikt, seinen Vater zu begleiten.

Doch Ceya und Robb stellten sich ausgerechnet auf Greydons Seite!

Sie bestanden darauf, dass Aram ein Jahr als Schiffsjunge an Bord des Schiffs seines Vaters verbringen sollte. Seine Mutter nannte ihm dafür alle möglichen Gründe: »Du musst deinen Vater richtig kennenlernen, ihn besser verstehen lernen, an seiner Seite die Welt sehen … Du musst jenen Teil von dir erkunden, der genauso ist wie Greydon Dorn … Öffne ihm von neuem dein Herz … Lerne ihn kennen, um zu erkennen, wer du selbst bist.«

Trotzdem war Aram ganz und gar nicht überzeugt, dass das Ganze eine gute Idee war, und daher war er fest entschlossen, während der Zeit auf der Wellenschreiter allen drei Elternteilen zu beweisen, dass sie sich irrten. Die ersten sechs Monate an Bord des Schiffs führte Aram sich – wie er mittlerweile eingesehen hatte – also auf wie ein selbstsüchtiges Gör, das sich im Krieg befand mit Kapitän Greydon Dorn, mit dem 2. Maat Makasa Flintwill und mit seinen eigenen Kindheitsphantastereien. Ja, es gab einige in der Mannschaft, die er mochte: den bulligen, fröhlichen 1. Maat, einen Zwerg namens Durgan Eingott, dem es immer irgendwie gelang, ein Lächeln auf Arams Gesicht zu zaubern; und die gewandte, hübsche fünfzehn Jahre alte Duan Phen, den Ausguck des Schiffs, die es immer schaffte, ein ganz anderes Lächeln auf Arams Gesicht zu zaubern.

Doch die meiste Zeit hatte Aram dem Wunsch zu lächeln hartnäckig widerstanden. So, wie er sich den Lektionen widersetzte, die Robb und Ceya ihm bei seiner Abreise ans Herz gelegt hatten. So, wie er sich den zahlreichen Lektionen widersetzte, die Greydon ihm beizubringen versuchte. (Jedenfalls hatte er das seinerzeit geglaubt. Mittlerweile hatte er allerdings festgestellt, dass die meisten Lehren seines Vaters ungeachtet seiner Bemühungen, sie zu ignorieren, doch irgendwie hängengeblieben waren.) Er hatte einfach das Gefühl gehabt, dass Greydons Erziehungsversuche zu spät kamen und zu wenig waren, um das vergangene Leid wiedergutzumachen.

Jetzt hingegen empfand er vor allem eins: Bedauern. Er hatte damals so viele Dinge nicht zu schätzen gewusst, die er jetzt schrecklich vermisste. Er hatte Sehnsucht nach dem Geruch des Meeres, nach dem Klang der Eisenglocke der Wellenschreiter und nach den eleganten, kantigen Linien der unvollendeten Galionsfigur. Er vermisste und betrauerte nahezu jedes einzelne Mitglied der Crew. Nicht bloß Eingott und Duan Phen, sondern ebenso den Stummen Joe Beller, seines Zeichens 3. Maat, den Küchenjungen Kielhol Watt, den Steuermann Thom Talmi und all die anderen. Er konnte kaum an einen von ihnen denken, ohne dass ihm die Tränen kamen.

Na ja, abgesehen vom Alten Cobb. Der sollte in der Hölle schmoren.

Denn Greydon hatte ein Geheimnis gehabt. Einen Grund, aus dem er seine Familie in Seenhain verlassen hatte. Einen Grund, aus dem er seinen Sohn ausgerechnet jetzt plötzlich an Bord seines Schiffs haben wollte. All das Training, all die Lektionen dienten dazu, Aram vorzubereiten – ihn vorzubereiten auf etwas, von dem er jetzt wusste, dass es etwas mit dem Kompass und den Kristallsplittern und dem Licht-das-gerettet-werden-musste zu tun hatte. Doch bevor Greydon Gelegenheit gehabt hatte, ihm alles zu erklären, war seine Zeit abgelaufen.

Jonas Cobb, der Schiffskoch, hatte seinen Kapitän, sein Schiff und seine Mannschaft verraten, indem er Valgrimm, Malus und den anderen Schurken, die es auf den Kompass abgesehen hatten, über die Route der Wellenschreiter informiert hatte. Malus’ Schiff hatte sie angegriffen. Aram wurde Zeuge der grässlichen Tode von Keely, Thom und vielen anderen. Er sah, wie der Oger Throgg den Hauptmast der Wellenschreiter kappte. (Der einzige Trost dabei war, dass der umstürzende Mast den betrügerischen Cobb zerquetschte, der gerade Aram aufspießen wollte. Tatsächlich hatte der Entersäbel, den Aram jetzt am Gürtel trug, einst dem schurkischen Smutje gehört.) Er musste mit ansehen, wie das Schiff seines Vaters in Brand gesetzt wurde; er sah, wie das Pulverlager explodierte.

In jenen letzten Sekunden setzte Greydon Aram in das einzige Beiboot des Schiffs, gab seinem Sohn seinen Mantel und den Kompass und wies Makasa an, den Jungen zu begleiten, um ihn zu beschützen. Ihre Einwände fegte er beiseite, indem er sie daran erinnerte, dass sie ihm gegenüber eine Lebensschuld trug, und erklärte: »Hier steht mehr auf dem Spiel, als euch beiden bewusst ist.« Das Beiboot wurde ins Wasser hinabgelassen. Es dauerte nicht lange, bis das tobende Unwetter es vom Schiff und seinen Angreifern forttrieb. Das Schicksal von Greydon, Eingott, Duan Phen und den anderen lag nun allein in den Händen der Götter. (Allerdings hatte Valgrimm später durchblicken lassen, dass die Götter ihnen nicht sonderlich wohlgesinnt gewesen waren. »Dein Vater, meinst du?«, hatte er geflüstert. »Ich fürchte, den wirst du in dieser Welt nicht mehr wiedersehen, mein Junge.«)

In Feralas hatte es Aram und Makasa schließlich ans Ufer verschlagen. Der Kompass, von dem Greydon gesagt hatte, er würde Aram dorthin führen, wo er hinmusste, schien geradewegs auf Seenhain zu zeigen. Und auch in Richtung Gadgetzan, wo Aram eine Überfahrt auf einem Schiff buchen würde, das ihn nach Hause brachte, davon war er überzeugt. Er hatte Makasa dazu überredet, ihn dorthin zu begleiten, und sie hatte eingewilligt, wenn auch größtenteils, um ihn endlich loszuwerden. Doch irgendwann unterwegs hatten Aram und Makasa trotz allem einen gemeinsamen Nenner gefunden und waren so schließlich beide zu Greydons Kindern geworden. Bislang war Aram das älteste von drei Geschwistern gewesen und Makasa das jüngste von vieren. Jetzt war sie seine ältere Schwester – vielleicht nicht blutsverwandt, aber doch in jeder anderen Hinsicht.

Im Verlauf ihrer Reisen waren sie dann auf Murky und Thalyss gestoßen. (Rein zufällig, sofern man nicht gewillt war, Thalyss’ Theorien über das Schicksal zu folgen: »In der Natur gibt es ein Gleichgewicht«, hatte der Druide erklärt. »Alles folgt seinem natürlichen Lauf. Wie der Verlauf eines Flusses; wie der Weg, den sich ein Pflanzenstiel durch die Erde sucht, um die Sonne zu finden. Glaubst du, bei Lebewesen wie uns vier Reisenden ist das anders?« Und sehr zu Makasas anfänglichem Missfallen wurden Murloc und der Nachtelf zu ihren Reisegefährten.

Dann waren Malus und seine Handlanger aufgetaucht, um Murky zu verschleppen und den Kompass im Tausch für das Leben des Murlocs einzufordern. Doch bevor Aram sich dieser Forderung verweigern oder ihr nachkommen konnte, wurden er und Thalyss von Gordunni-Ogern gefangen genommen. Man brachte sie nach Düsterbruch, wo Aram gezwungen war, in Gordoks Arena gegen Hackel anzutreten. Statt einander jedoch weh zu tun, hatten sich der Junge und der Gnoll miteinander verbündet. Als Malus kam, um Murky gegen den Kompass einzutauschen, nutzten Aram und seine Freunde, dass Malus und Gordok sich einen unerbittlichen Zweikampf lieferten, befreiten sämtliche Sklaven des Ogerkönigs und flohen.

Doch das hatte seinen Preis.

Malus’ Trollfrau hatte zwei Armbrustbolzen auf Arams Rücken abgefeuert. Thalyss warf sich dazwischen, um die tödlichen Geschosse abzufangen, die eigentlich für den Jungen bestimmt waren.

Thalyss starb noch in jener Nacht, doch selbst in seinen letzten Momenten versuchte er, Arams Kummer zu lindern. Thalyss nannte Arams Weg eine »breite Straße« und sagte: »Noch viele Seelen werden sich dir anschließen. Und ich fühle mich geehrt, zu den ersten gehört zu haben.«

Als Aram jetzt hinter Makasa und zwischen Hackel und Murky herging, schien an den Worten des Nachtelfen viel Wahres zu sein. Aram kannte Murky noch keine Woche und Hackel kaum seit zwei Tagen. Doch schon jetzt betrachtete er die beiden als seine Freunde. Er wusste, dass sie ihm schrecklich fehlen würden, wenn schließlich die Zeit kam, ihnen Lebewohl zu sagen und nach Seenhain zurückzukehren …

 

Als der Morgen in den Mittag überging und der Mittag in den Nachmittag und die Sonne am Himmel tiefer zu sinken begann, während ihr Licht durch die hohen Bäume fiel, blieb Aram in seinen Gedanken versunken, gefangen in Erinnerungen an die jüngste Vergangenheit, von der schmerzhaften Sehnsucht nach seinem Zuhause erfüllt – und dank seines knurrenden Magens vor allem nach den Kochkünsten seiner Mutter.

 

Aram war so mit sich selbst beschäftigt, dass ihm Hackels zunehmende Unruhe bezüglich ihres aktuellen Aufenthaltsorts im Wald völlig entging. Makasa hingegen merkte, dass etwas nicht stimmte. Sie konnte die Furcht spüren – ja, sie förmlich riechen –, die von hinten in Wogen über sie hinwegschwappte. Sie schaute über die Schulter zurück und erwartete, Aram nervös dreinschauen zu sehen. Doch der Blick ihres Bruders war nach innen gewandt. Murky schaute zu ihr auf und grinste fröhlich.

Also sah Makasa über die andere Schulter zu Hackel hin, dessen Gesicht sofort offenbarte, dass er die Quelle der Angst war, die sie witterte. Der eine untere Schneidezahn, der selbst dann hervorlugte, wenn er das Maul geschlossen hatte, nagte an seiner Unterlippe. Sein Kopf schnellte ruckartig nach links, dann nach rechts. Sein Blick suchte ohne Unterlass die Umgebung ab.

Sie befanden sich auf einer weithin offenen Straße zwischen wahren Wänden aus Bäumen, und Makasa, die die Führung übernommen hatte, ging langsamer, bis die anderen sie eingeholt hatten. Während sie ihren Marsch fortsetzten, verlagerte Hackel die Kriegskeule von der linken Schulter auf die rechte. Dann wieder zurück. Und dann wieder zurück. Bei jedem Schritt schnüffelte er in die Luft. Als in seiner Kehle ein leises Knurren widerhallte, ohne dass es ihm selbst so richtig bewusst war, packte sie den jungen Gnoll an der Schulter und riss ihn herum, so dass ihm keine andere Wahl blieb, als sie anzusehen.

»Was ist los?«, fragte sie.

Aram und Murky blieben stehen. Hackel knurrte erneut.

»Makasa …?«, sagte Aram.

»Irgendetwas bereitet diesem Gnoll Sorgen«, erklärte sie, ihre Stimme war fast so leise wie Hackels Grollen. Sie ließ den Gnoll keine Sekunde aus den Augen.

»Was ist, Hackel?«, fragte Aram. »Stimmt was nicht?«

Hackel antwortete nicht. Doch Makasa entging nicht, wie sein Blick wachsam hin und her schweifte. Wieder schnüffelte er mit der Schnauze in die Luft.