Wunschpost auf Wolke 9 - Michelle Zerwas - E-Book

Wunschpost auf Wolke 9 E-Book

Michelle Zerwas

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Beschreibung

Von einem ruhigen Leben kann bei Alicia und Kathrin nicht die Rede sein. Ständig ist etwas los bei ihnen. Ihre Tiere und Freunde sorgen dafür, dass es niemals langweilig wird. Zodiak jagt Alicia und Kathrin eines Morgens einen großen Schreck ein und als Sylvies Pferd Flocke von der Koppel verschwindet, beginnt eine nervenaufreibende Suche. Kathrin bekommt die Möglichkeit in der Adventszeit im Weihnachtsmann Büro mitzuhelfen und die Post der Kinder und Erwachsenen zu beantworten, die an den Weihnachtsmann ihre Wünsche schicken. Eines Tages entdeckt sie den verzweifelten Brief einer alten Dame und für sie steht sofort fest, dass sie und Alicia ihr helfen müssen.

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Michelle Zerwas

Wunschpost auf Wolke 9

Wolken-Reihe: Band 3

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

1. Kapitel

Alicia und Kathrin erwachten durch einen lauten Knall  im Haus.

„Was ist denn da schon wieder los?“, murmelte Alicia schläfrig und öffnete blinzelnd ein Auge.

„Wahrscheinlich sind unsere Chaoskatzen wieder im Einsatz“, sagte Kathrin.

Beide waren noch sehr müde und wollten einfach noch ein wenig weiter schlafen. Wenn etwas zu Bruch gegangen war, war es jetzt sowieso kaputt, da half alles Schimpfen nichts. Sie dämmerten gerade wieder weg, als es auf einmal so laut schepperte, dass sie vor Schreck senkrecht im Bett saßen.

„Mein Gott, was veranstalten die da unten?“, fragte Kathrin. Sie kletterte aus dem Bett. „Ich schau mal nach.“

Alicia überlegte, ob sie ihr folgen sollte, blieb aber erstmal im Bett und wartete ab. Sie fürchtete sich ein wenig davor, was sie unten erwartete. Nach einer Weile hielt sie es allerdings nicht mehr aus. Unten war es erschreckend still und sie musste wissen, was los war. Sie krabbelte aus dem Bett und machte sich auf den Weg nach unten. Sie fand Kathrin in der Küche, die dort gerade das Chaos beseitigte.

Die Katzen hatten es geschafft den Topf mit der restlichen Suppe vom Vorabend vom Herd zu schubsen. Sowohl der Fußboden als auch die Wände ringsherum waren mit Suppe bespritzt. Außerdem waren die Katzen mitten durch gelaufen und verteilten nun mit ihren Pfoten die Suppe im ganzen Haus.

„Ach du meine Güte.“

„Das kannst du laut sagen.“

„Ich helfe dir“, sagte Alicia. Sie nahm sich ebenfalls einen Lappen und half Kathrin beim Aufwischen.

„Hoffentlich geht der Tag nicht so beschissen weiter“, sagte Kathrin als sie fertig waren und ließ sich auf einen Stuhl fallen.

„Ich mache uns jetzt erstmal Kaffee“, verkündete Alicia. „Danach sieht die Welt schon wieder anders aus.“

„Das halte ich für eine sehr gute Idee.“

Ein paar Minuten später erfüllte köstlicher Kaffeeduft die Küche. Die Katzen hatten offensichtlich ganz in der Nähe gelauert und nur auf die passende Gelegenheit gewartet sich wieder heran zu schleichen. Kaum saßen Alicia und Kathrin beim Frühstück waren die Katzen auch schon da und schlichen um den Tisch herum.

„Hab ich was an den Augen oder sind es tatsächlich fünf Katzen statt vier?“, fragte Kathrin verwundert.

Alicia zählte durch, was gar nicht so einfach war, weil die Samtpfoten die ganze Zeit in Bewegung waren. Doch dann zählte sie eine dritte getigerte Katze, obwohl es nur zwei hätten sein dürfen.

„Du hast Recht. Es sind fünf Katzen.“

„Unsere Rasselbande hat Besuch mitgebracht.“

„Hoffentlich nur vorübergehender Besuch und keinen Dauergast“, meinte Kathrin.

„Wir haben wirklich genug Katzen“, stimmte Alicia ihr zu.

„Trotzdem sind wir gastfreundlich und füttern sie heute ausnahmsweise mal mit durch“, zeigte Kathrin sich großzügig. Sie stand auf und nahm mehrere Dosen Katzenfutter aus dem Schrank.

„Hältst du das für eine gute Idee?“, gab Alicia zu bedenken. „Wenn du sie jetzt fütterst, werden wir sie nie wieder los.“

„Bringst du es übers Herz sie hungrig vor die Tür zu setzen?“

„Nein, eigentlich nicht.“

„Siehst du und ich auch nicht, deshalb darf sie oder er heute mit essen.“ Kathrin verteilte rasch das Futter auf fünf Portionen und versuchte sich von dem hysterischen Mauzen nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Alle fünf Katzen machten sich gierig über ihr Futter her.

Kathrin wollte sich wieder zurück an den Tisch setzen, da fiel ihr auf einmal etwas ein. „Wo ist eigentlich Zodiak? Normalerweise taucht er doch sofort auf, wenn er hört, dass ich eine Dose Futter öffne.“

„Jetzt wo du es sagst, das ist tatsächlich ungewöhnlich“, erwiderte Alicia. „Wo steckt er bloß?“

„Wir sollten besser mal nachsehen“, schlug Kathrin vor. Sie ahnte, dass etwas nicht in Ordnung war.

Alicia machte sich sofort auf die Suche, während Kathrin alle essbaren Dinge wieder katzensicher unterbrachte.

„Zodiak, komm her!“, rief Alicia unterdessen, doch er reagierte nicht auf ihr Rufen.

„Sturkopf“, murmelte Alicia und suchte angestrengt weiter.

Sie warf einen Blick ins Wohnzimmer. Auf den ersten Blick wirkte es leer und verlassen, doch dann hörte sie ein Geräusch, das wie ein Röcheln klang und sie augenblicklich in Panik versetzte. Voller Angst vor dem, was sie erwartete, suchte sie das Zimmer ab. Sie fand Zodiak hinter dem Sofa. Er lag röchelnd und nach Luft schnappend auf dem Boden und reagierte nicht, als Alicia neben ihm niederkniete. Im selben Moment betrat Kathrin das Wohnzimmer.

„Komm schnell!“, rief Alicia ihr zu. „Mit Zodiak stimmt was nicht.“

Kathrin war sofort an Alicias Seite. „Oh, mein Gott.“ Sie schlug erschrocken die Hand vor den Mund. „Wir müssen ihn sofort zum Tierarzt bringen.“ Kathrin schob ihre Arme unter Zodiaks schlaffen Körper. „Hol den Autoschlüssel! Wir müssen sofort los.“ Sie rannte mit Zodiak auf dem Arm los.

Alicia erhob sich zitternd. Sie stand völlig neben sich, aber sie schaffte es Kathrin zu folgen. Im Flur angelte sie mit zitternden Fingern den Schlüssel vom Schlüsselbrett und folgte Kathrin zum Auto.

Kathrin verfrachtete Zodiak auf den Rücksitz des Autos, nahm den Schlüssel von Alicia entgegen und setzte sich ans Steuer. Mit quietschenden Reifen raste sie los. Es zählte jede Sekunde.

In halsbrecherischem Tempo heizte Kathrin durch die Gegend und erreichte schließlich die Tierklinik. Das Auto parkte sie quer auf dem Parkplatz. Sie schnappte sich Zodiak und raste mit ihm los. Alicia folgte ihr. Sie stand immer noch unter Schock, die Angst um Zodiak schnürte ihr die Kehle zu.

Zodiaks Zustand war sehr ernst, das erkannten die Mitarbeiter der Tierklinik auf den ersten Blick. Sie nahmen ihn sofort mit und baten Alicia und Kathrin im Wartezimmer Platz zu nehmen.

Kathrin legte ihren Arm um Alicia und brachte sie ins Wartezimmer. Alicia zitterte vor Angst und sank erschöpft auf einen der Stühle.

„Es wird alles wieder gut“, flüsterte Kathrin ihr zu. Sie hielt Alicia im Arm und wiegte sie tröstend. „Zodiak schafft das.“

Alicia erwiderte nichts. Sie konnte nichts sagen, der Schock saß zu tief. Stattdessen rannen lautlos Tränen über ihre Wangen.

Eine gefühlte Ewigkeit bangten Alicia und Kathrin gemeinsam um Zodiaks Leben. Die ganze Zeit hielt Kathrin Alicia im Arm und versuchte ihr Trost zu spenden.

„Frau Stoll?!“, vernahmen sie auf einmal eine Stimme. Sie wussten nicht, wie viel Zeit vergangen war, seit sie gekommen waren, aber dass sie nun endlich neue Infos bekamen, ließ sie erleichtert aufatmen.

„Ja, das bin ich“, meldete sich Kathrin bei der jungen Tierarzthelferin, die im Türrahmen zum Wartezimmer stand und sich suchend umsah.

„Kommen Sie bitte mit. Der Arzt möchte mit Ihnen sprechen.“

Kathrin wurde erneut etwas mulmig zumute. War es ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?

Auf dem Weg ins Behandlungszimmer wischte Alicia sich ihre Tränen weg, aber man konnte dennoch deutlich sehen, dass sie geweint hatte. Die Sorge um Zodiak machte sie beinahe verrückt.

„Guten Tag“, begrüßte sie der Tierarzt mit ruhiger Stimme und bedachte Alicia mit einem mitleidigen Blick. Es ging ihm immer sehr nah die Tierbesitzer leiden zu sehen.

„Was ist mit Zodiak?“, fragte Kathrin.

„Wir konnten ihn stabilisieren, aber er ist noch nicht über den Berg.“

„Er wird es aber schaffen, oder?“

„Wir möchten erstmal zuversichtlich sein. Im Moment gehen wir von einem Schwächeanfall aus, sein Kreislauf ist zusammen gebrochen. Etwas scheint mit seinem Herzen nicht in Ordnung zu sein.“

„Was bedeutet das?“, fragte Kathrin.

„Wir müssen weitere Untersuchungen machen. Heute Nacht muss er auf jeden Fall hier bleiben, vielleicht auch länger.“

„Darf ich ihn sehen?“, fragte Alicia mit leiser Stimme.

„Besser nicht“, lehnte der Tierarzt ab. „Es würde ihn zu sehr aufregen. Sie können sich sicher sein, er ist bei uns in den besten Händen und wenn etwas ist, melden wir uns sofort bei Ihnen.“

„Vielen Dank erstmal für alles“, sagte Kathrin und lächelte den Tierarzt an.

„Sehr gerne.“ Er erwiderte Kathrins Lächeln und wandte sich danach an Alicia. „Seien Sie nicht so traurig. Zodiak wird es schon schaffen.“

Die liebevollen Worte des Tierarztes brachten Alicia wieder zum Weinen. Es fiel ihr unendlich schwer Zodiak zurückzulassen, obwohl sie wusste, dass er in der aktuellen Situation in der Tierklinik am besten aufgehoben war.

„Wenn im Laufe des Tages oder in der Nacht etwas ist, melden wir uns. Ansonsten sehen wir uns morgen“, sprach der Tierarzt weiter. „Auf Wiedersehen.“

Alicia und Kathrin verabschiedeten sich ebenfalls von dem Arzt und verließen mit gemischten Gefühlen die Tierklinik.

Kathrin setzte sich ganz selbstverständlich ans Steuer, da Alicia in ihrer Verfassung nicht in der Lage war mit dem Auto zu fahren. In den ersten Minuten herrschte Schweigen. Kathrin warf Alicia immer wieder heimliche Blicke zu. Alicia saß zusammen gesunken wie ein Häufchen Elend da und kämpfte mit den Tränen.

Als sie an einer roten Ampel halten mussten, legte Kathrin ihre Hand auf Alicias Bein.

„Er wird es schaffen, Schatz. Morgen geht es ihm bestimmt wieder besser.“

„Und wenn nicht?“

„Daran darfst du gar nicht denken. Die Ärzte geben ihr Bestes und bisher war Zodiak putzmunter und gesund. Die Ärzte finden raus was er hat und dann wird es ihm bald wieder richtig gut gehen.“

„Meinst du wirklich?“ Alicia nahm Kathrins Hand und hielt sie eine Weile fest.

„Ja, ganz sicher. In ein paar Tagen ist er wieder ganz der Alte.“

„Ich hoffe, du behältst Recht.“

Kathrin hoffte es auch. Sie mochte sich gar nicht vorstellen wie furchtbar es wäre, wenn Zodiak es nicht schaffte. Er gehörte zu ihrem gemeinsamen Leben.

Als sie in die Einfahrt ihres Zuhauses einbogen, stand Sylvies Auto vor dem Haus. Von Sylvie war nichts zu sehen. Sie war vermutlich schon im Stall.

„Ich habe Sylvie ganz vergessen“, sagte Kathrin. „Wir waren zum Reiten verabredet, aber ich sage ihr lieber ab. Ich will dich nicht allein lassen.“

„Das musst du nicht“, versicherte Alicia ihr. „Ich komme schon klar.“

„Bist du sicher?“

„Ja, außerdem braucht Blitz die Bewegung.“ Alicia wollte nicht, dass Kathrin ihr Pferd vernachlässigte. Die Sache mit Zodiak war schlimm, aber sie hatten schließlich noch weitere Tiere, die trotz allem versorgt werden mussten.

„Du rufst mich aber sofort an, wenn etwas ist“, sagte Kathrin.

„Ja, mach ich.“

Sie stiegen aus dem Auto und während Alicia zum Haus eilte, machte sich Kathrin auf den Weg zum Stall.

Sylvie trat gerade aus Flockes Box auf die Stallgasse.

„Guten Morgen, ich dachte schon, du hast mich vergessen“, scherzte Sylvie.

„Hab ich tatsächlich auch, aber wir hatten einen Notfall.“

„Was ist passiert? Ist was mit Alicia?“

„Wir mussten Zodiak in die Tierklinik bringen. Er hat keine Luft mehr bekommen. Der Tierarzt meint, es kommt vom Herz.“

„Oh nein. Das tut mir leid. Wie ist die Prognose?“

„Er muss erstmal bis morgen da bleiben, vielleicht auch länger. Danach sehen wir weiter. Alicia ist ziemlich fertig.“

„Das kann ich mir vorstellen. Wenn du lieber hier bleiben möchtest, kann ich das verstehen.“

„Alicia meint, es geht in Ordnung, wenn wir zusammen reiten. Ich kann ihr ja sowieso nicht helfen. Man fühlt sich so hilflos, wenn jemand traurig ist.“

„Ja, das stimmt. Vor allem, weil man selbst ja auch mitleidet. Es ist furchtbar, wenn es dem Mensch, den man liebt, schlecht geht.“

Einige Minuten später ritten sie gemeinsam los. Alicia hingegen hatte eine andere Beschäftigung gefunden. Sie musste etwas tun, das sie ablenkte, damit sie nicht ins Grübeln geriet und so machte sie sich daran das ganze Haus zu putzen. Überall entdeckte sie Pfotenabdrücke der Katzen. Sogar das Sofa war voll davon. Sie putzte wie eine Wahnsinnige, doch die Gedanken an Zodiak ließen sich dennoch nicht vollständig verdrängen, aber alles war besser, als untätig herum zu sitzen. Ihr Telefon ließ sie keine Sekunde aus den Augen, falls die Tierklinik anrief, aber es klingelte nicht. Alicia wertete das als gutes Zeichen, denn es bedeutete, dass es Zodiak zumindest nicht schlechter ging.

Kathrin kehrte nach Hause zurück, als Alicia sich gerade erschöpft auf dem Sofa niedergelassen hatte.

„Wow, der Fußboden glänzt ja richtig“, sagte Kathrin anerkennend.

„Ich hab mal durchgewischt. Die Katzen haben heute Morgen mehr Sauerei gemacht, als wir auf den ersten Blick gesehen haben.

„Schade, dass es nie lange sauber bleibt“, meinte Kathrin und ließ sich neben Alicia auf dem Sofa nieder.

„Ja, leider. Unsere tierische Rasselbande trägt viel Dreck ins Haus. Wie war es mit Sylvie?“

„Schön. Wir haben uns total verquatscht und dadurch die Zeit vergessen. Ich hoffe, du bist nicht sauer, weil ich so lange weg war.“

„Nein, bin ich nicht.“

„Sylvie hat gefragt, ob wir morgen mit ihr, Annelie und Clara ins Schwimmbad gehen möchten. Vorausgesetzt natürlich, dass es Zodiak wieder besser geht.“

„Ich weiß noch nicht“, antwortete Alicia ausweichend.

„Kein Problem. Sylvie meinte, wir sollen es morgen spontan entscheiden.“

„Ich muss die ganze Zeit an Zodiak denken“, sagte Alicia.

„Ich auch. Es ist so still im Haus ohne ihn.“

„Ich frage mich die ganze Zeit, ob es in der letzten Zeit irgendwelche Anzeichen gab, dass etwas mit ihm nicht stimmt.“

„Ich glaube nicht. Ich denke, es kam total überraschend. Bei Menschen ist es ja auch oft so, dass sie einen Herzinfarkt oder so bekommen, ohne dass es dafür im Vorfeld irgendwelche Anzeichen gab. Du bist nicht schuld.“

„Vielleicht hätte ich Zodiak häufiger durchchecken lassen müssen.“

„Ich glaube nicht, das hätte nichts geändert. Unzählige Menschen gehen zu Vorsorgeuntersuchungen und obwohl da noch alles in Ordnung ist, erkranken sie wenig später. Man kann sich nicht gegen alles absichern und alles voraus ahnen, auch wenn man das gerne möchte.“

„Wahrscheinlich hast du Recht.“

„Soll ich uns einen Tee oder Kaffee machen und was zu essen?“

„Tee wäre schön, aber Appetit habe ich keinen.“

„Okay, dann mache ich uns mal was.“

Kathrin ging in die Küche. Alicia griff nach einer Zeitschrift auf dem Wohnzimmertisch und blätterte lustlos darin. Sie konnte sich nicht auf die Artikel konzentrieren, aber einfach nur so da sitzen konnte sie auch nicht. Auf einmal sprang eine Katze zu ihr aufs Sofa. Alicia erkannte sofort, dass es keine von ihren Katzen war. Offenbar war der Besucher vom Vormittag wieder zurückgekehrt.

„Wer bist du denn?“, fragte Alicia.

Die Katze antwortete mit einem kurzen Mau und als Alicia sie streichelte, begann sie zu schnurren.

„Du hast Gesellschaft bekommen“, stellte Kathrin wenig später fest.

„Ja, es ist die fremde Katze von heute Morgen.“

„Sie scheint bei uns einziehen zu wollen“, stellte Kathrin fest.

„Ja, aber wir haben doch schon so viele.“

Kathrin verteilte den Tee und machte sich über ein Käsebrot her, das sie für sich gemacht hatte.

„Wir sollten in der Nachbarschaft nachfragen, ob sie jemandem gehört. Katzen suchen sich ganz gerne mal ein neues Zuhause. Falls sie jemandem gehört, sollten wir sie besser nicht füttern, aber wenn sie kein Zuhause hat, können wir sie nicht im Stich lassen.“

„Vielleicht sollten wir das gleich heute Nachmittag in Angriff nehmen“, schlug Alicia vor. „Ich kann gerade jede Ablenkung gebrauchen.“

„Von mir aus. Ich bin dabei.“

2. Kapitel

Den ganzen Nachmittag hatten Alicia und Kathrin die Nachbarschaft unsicher gemacht und jeden nach der Katze gefragt, aber leider kannte niemand das Tier. Es handelte sich offenbar um einen weiteren Streuner.

„Uns bleibt wohl nichts anderes übrig, als ihn zu behalten oder ihn ins Tierheim zu bringen“, sagte Kathrin, während sie gerade das Abendessen zubereitete.

Alicia verteilte das Katzenfutter an die hungrige Meute.

„Warum finden die immer alle den Weg zu uns?“, wunderte sich Alicia.

„Keine Ahnung. Vielleicht hat es sich unter den Streunerkatzen herum gesprochen, dass es sich bei uns gut leben lässt. Es gibt nun mal sehr viele Straßenkatzen, auch in Deutschland.“

„Und was machen wir? Behalten wir ihn oder geben wir ihn ab?“

„Das fragst du ausgerechnet mich. Du weißt doch, dass ich sogar eine Ameise adoptieren würde.“

Alicia musste trotz ihres Kummers lachen. Oh ja, sie kannte Kathrins Tierliebe und Hilfsbereitschaft nur zu gut.

„Wenn wir ihn behalten, müssen wir erstmal herausfinden, ob unser Streuner ein Männlein oder Weiblein ist. Nicht, dass er uns am Ende Nachwuchs anschleppt“, sagte Alicia.

„Ich habe nachgeschaut. Es ist ein Kater.“

„Wann hast du das denn festgestellt?“

„Vorhin, als du im Bad warst.“

„Okay, dann ist das ja schon mal geklärt.“

„Also behalten wir ihn?“, hakte Kathrin nach.

„Ich denke schon. Wo vier Katzen satt werden, wird auch noch eine fünfte satt. Außerdem sind die Tierheime alle voll bis unters Dach. Ich will ihm das nicht zumuten. Womöglich sitzt er dann da ewig und wartet auf ein neues Zuhause. Bei uns hat er es gut.“

Somit war die Sache beschlossen.

„Jetzt brauchen wir bloß noch einen Namen für ihn“, sagte Alicia.

„Merlin wäre doch ganz schön“, schlug Kathrin vor.

„Ja, das klingt gut.“

„Schön, also heißt unser neues Familienmitglied von jetzt an Merlin“, sagte Kathrin. Sie freute sich, dass ihr Vorschlag bei Alicia so gut angekommen war.

„Unsere Familie wächst und wächst“, sagte Alicia lachend.

Kathrin fiel in ihr Lachen ein. „Wenn das so weiter geht, müssen wir irgendwann anbauen.“

„Oder umziehen.“

„Nein, auf keinen Fall ziehe ich hier weg.“

 

Nach dem Abendessen wollten sie es sich gerade auf dem Sofa gemütlich machen, da klingelte es an der Haustür.

„Wer ist das denn?“, wunderte sich Kathrin. „Erwartest du jemanden?“

„Nein.“

„Hm, ich schaue mal nach.“ Kathrin machte sich auf den Weg zur Tür und Alicia musste sofort wieder an Zodiak denken. Normalerweise sprang er immer sofort auf, wenn jemand an der Tür war. An diesem Abend blieb alles still und sie vermisste ihn schmerzlich.

Kathrin öffnete die Tür und sah sich einem jungen Mann gegenüber, den sie nicht kannte.

„Guten Abend“, grüßte er höflich.

„Guten Abend.“ Kathrin musterte ihn fragend. Was wollte er von ihr? Vielleicht hatte er sich in der Tür geirrt.

„Ich bin Paco.“

Der Name sagte Kathrin etwas, aber sie wusste immer noch nicht, was der junge Mann von ihr wollte.

„Ich glaube, Sie müssen mir mal auf die Sprünge helfen. Kennen wir uns?“

„Ich bin der Freund von Pedro. Begegnet sind wir uns noch nicht, aber vielleicht hat er mal von mir erzählt. Das Sie kannst du übrigens gerne durch ein Du ersetzen.“

„Ach ja, jetzt erinnere ich mich. Er hat uns ein Foto gezeigt und uns von dir vorgeschwärmt.“

Paco freute sich über die Worte. Er lächelte, aber in seinen Augen las Kathrin auch Besorgnis und er wirkte müde.

„Magst du vielleicht rein kommen?“, fragte Kathrin.

„Das wäre sehr lieb.“

Kathrin gab die Tür frei und ließ Paco eintreten. Sie führte ihn zu Alicia ins Wohnzimmer.

„Wir haben Besuch bekommen“, sagte sie an Alicia gerichtet.

Alicia musterte Paco, erkannte ihn aber offenbar auch nicht.

„Nimm gerne Platz“, sagte Kathrin.

„Danke.“ Bevor er sich hinsetzte, reichte er Alicia die Hand. „Hi, ich bin Paco.“

Und da Alicia mit dem Namen offensichtlich auch nichts anfangen konnte, fügte Kathrin hinzu. „Er ist Pedros Freund.“

„Ach ja, jetzt wo du es sagst, erinnere ich mich.“

„Magst du etwas trinken?“, fragte Kathrin.

„Nein, vielen Dank. Ihr wundert euch sicher, warum ich hier bin. Wir kennen uns schließlich nicht.“

„Ein wenig schon“, sagte Alicia. „Hast du Ärger mit Pedro?“ Alicia wusste nur zu gut, dass sie und Kathrin ständig Ansprechpartner für ihre Freunde waren, wenn es Ärger gab.

„Pedro ist im Krankenhaus“, erzählte Paco.

„Oh mein Gott. Ist es sehr schlimm?“, fragte Alicia.

„Schon, ja. Vielleicht habt ihr in der Zeitung von dem Überfall vor einem Restaurant in der Stadt gelesen.“ Er sah Kathrin und Alicia fragend an.

„Nein, ich habe nichts mitbekommen“, sagte Alicia.

„Ich auch nicht“, sagte Kathrin. „Ich lese aber auch nur selten die Zeitung.“

„Pedro ist vor seinem Lokal überfallen und verprügelt worden, als er abends nach Hause gehen wollte.“

„Das ist ja schrecklich“, sagte Kathrin.

„Ja, es ist sehr schlimm. Sie haben die Tageseinnahmen geraubt und ihn krankenhausreif geprügelt. Er hat mehrere Knochenbrüche, ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und lag die letzten Tage im Koma.“

„Was für eine furchtbare Welt“, sagte Alicia betroffen.

„Pedro ist gestern wieder aufgewacht, aber es wird noch Wochen dauern, bis er wieder ganz der Alte ist.“

„Können wir irgendwie helfen?“, fragte Alicia.

„Deswegen bin ich hier. Ich klappere heimlich Pedros Kontakte ab, denn er ist zu stolz und würde niemals um Hilfe bitten.“ Er machte eine kurze Pause, bevor er weiter sprach. „Unter den jetzigen Umständen muss Pedro sein Lokal schließen, was ihm finanziell sehr schaden wird und da dachte ich, vielleicht könnten wir gemeinsam etwas auf die Beine stellen. Einer allein schafft es nicht, aber wenn wir mehrere Freunde und Bekannte mit ins Boot nehmen, schaffen wir es vielleicht sein Restaurant am Laufen zu halten.“

„Wie soll diese Hilfe denn genau aussehen?“, fragte Kathrin.

„Pedros Mutter könnte die Küche übernehmen und Francesca, seine Mitarbeiterin im Service, kann auch ein wenig kochen, aber sie kann sich ja nicht teilen. Das heißt, wir bräuchten ein paar Leute, die sich um die Gäste kümmern.“

„Ich habe noch nie als Bedienung gearbeitet“, sagte Kathrin, „aber ich kann es gerne versuchen.“

„Lässt sich das denn mit deiner Arbeit vereinbaren?“, fragte Pedro.

„Ich fange früh an, sodass ich nachmittags Feierabend habe.“

„Ich habe mir das so vorgestellt, dass jeder nur wenige Stunden am Stück aushelfen soll, alles auf freiwilliger Basis, jeder nur so, wie er kann. Je mehr Helfer wir sind, umso weniger muss jeder machen.“

„Das klingt ziemlich chaotisch“, meinte Alicia. „Wäre es nicht besser eine feste Aushilfe einzustellen, bevor am Ende keiner da ist, weil alle schon anderweitig verplant sind?“

„Das kostet aber wieder Geld und ich dachte mehr an freundschaftliche Hilfe. Ich weiß auch noch nicht, ob Pedros Mutter es auf Dauer schafft mit der Küche. Sie ist gesundheitlich nicht gut dran. Womöglich brauchen wir über kurz oder lang an dieser Stelle auch Ersatz.“

„Keine leichte Aufgabe“, meinte Kathrin.

„Nein, wirklich nicht. Im Moment schaue ich bloß, wer bereit wäre zu helfen. Wie wir das dann am Ende organisieren, müssten wir noch schauen.“

„Natürlich helfe ich Pedro“, sagte Alicia. „Ich muss allerdings oft bis 20 Uhr arbeiten, sodass ich die Woche über eher wenig helfen kann.“

„Wie gesagt, ich stelle jetzt erstmal ein Helferteam zusammen und dann schauen wir weiter. Ich bin ja auch eingeschränkt durch meinen Laden. Pedros Mutter möchte das Restaurant am liebsten schließen, aber wenn Pedro wochenlang geschlossen hat, suchen seine Gäste natürlich Alternativen und es ist fraglich, ob sie dann wiederkommen.“

„Ich kann eine Freundin fragen“, schlug Alicia vor. „Nikki kennt unglaublich viele Leute. Bestimmt finden sich da noch ein paar Helfer.“

„Das wäre toll. Ich lasse euch meine Nummer da, dann könnt ihr euch bei mir melden.“

„Können wir Pedro besuchen?“, fragte Kathrin.

„Ja, er freut sich bestimmt, wenn ihr kommt. Heute liegt er noch auf der Intensivstation, aber er wird morgen auf die Normalstation verlegt. Falls ihr ihn besucht, erzählt ihm aber besser nichts von meinen Plänen.“

„Warum nicht? Ich finde es total süß von dir, dass du Pedro helfen willst“, sagte Kathrin.

„Aber vielleicht möchte Pedro das nicht“, sagte Alicia.

„Ich möchte ihm doch bloß helfen.“

„Das müsst ihr unter euch klären“, meinte Alicia. „Wir erzählen ihm nichts.“

„Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist“, mischte sich Kathrin ein. „Solche Überraschungen gehen oft nach hinten los, auch wenn sie gut gemeint sind.“

„Du meinst, ich sollte es ihm sagen?“, fragte Paco.

„Ehrlich gesagt, halte ich das für die bessere Idee. Dann könnt ihr die Aktion gemeinsam planen.“

„Vielleicht hast du Recht“, lenkte Paco ein. „Am besten rede ich nachher mit ihm. Ich wollte sowieso noch zu ihm ins Krankenhaus.“

„Das ist gut“, meinte Alicia. „Pedro sollte es wissen, sonst ist er am Ende noch sauer auf dich.“

„Okay, ihr habt mich überzeugt. Ich werde mit ihm reden.“

Sie lächelten sich alle drei zu.

„Das ist die richtige Entscheidung“, sagte Kathrin.

 „Wurden die Täter geschnappt?“, fragte Alicia.

„Nein, sie laufen noch frei herum. Die Polizei fahndet nach ihnen und nimmt Hinweise aus der Bevölkerung entgegen, aber bisher ist das nicht sehr erfolgreich.“

„Meistens werden sie nicht erwischt“, sagte Kathrin.

„Hoffen wir das Beste“, sagte Paco und faltete kurz seine Hände zum Gebet. „Ich möchte euch jetzt auch nicht länger stören. Außerdem muss ich mich beeilen, sonst ist die Besuchszeit im Krankenhaus vorbei.“

Paco stand auf. „Danke, für eure Gastfreundschaft und für eure Hilfe.“

„Gerne. Wenn was ist, melde dich“, sagte Alicia.

„Das mache ich.“

Sie verabschiedeten sich voneinander.

„Ich finde allein raus“, sagte Paco. „Du musst nicht extra mitkommen“, fügte er an Kathrin gewandt hinzu, die mit ihm aufgestanden war.

„Ich muss sowieso die Pferde rein holen“, sagte Kathrin.

„Ich komme mit“, entschied Alicia. Wenn schon der abendliche Spaziergang mit Zodiak ausfiel, wollte sie wenigstens Kathrin mit den Pferden helfen. Alles war besser als auf dem Sofa allein mit den Sorgen zurück zu bleiben.

Sie verließen alle gemeinsam das Haus.

„Also dann, man sieht sich bestimmt mal wieder“, verabschiedete sich Paco.

„Ja, ganz sicher“, sagte Alicia. „Richte Pedro liebe Grüße und gute Besserung von uns aus und sag ihm, dass wir ihn besuchen kommen.“

„Das mache ich. Vielen Dank. Tschüss ihr beiden.“

„Tschüss Paco.“

Während Paco auf sein Auto zu eilte, machten Kathrin und Alicia sich auf den Weg zum Stall.

„Paco ist richtig nett“, stellte Kathrin fest.

„Ja, das ist er wirklich. Jetzt verstehe ich, warum Pedro so von ihm schwärmt.“

„Ich hole die Pferde von der Koppel“, sagte Kathrin.

„Ist gut. Dann mache ich schon mal das Futter für sie fertig.“

Sie arbeiteten Hand in Hand. Inzwischen waren sie ein eingespieltes Team.

Ein wenig später hatten sie es sich wieder im Wohnzimmer gemütlich gemacht und hingen beide ihren Gedanken nach.

„Das war ein furchtbarer Tag“, sagte Alicia. „Am liebsten möchte man ihn aus dem Kalender streichen.“

„Ja, wirklich, zwei Hiobsbotschaften an einem Tag. Das muss man erstmal verdauen.“

„Ich finde es schlimm, was mit Pedro passiert ist. Wie können Menschen so brutal sein?“

„Ich verstehe es auch nicht. Die Welt wird immer grausamer. Aber zumindest scheint es Zodiak nicht schlechter zu gehen“, meinte Kathrin. „Sonst hätten wir was von der Tierklinik gehört. Ich finde, das ist ein gutes Zeichen.“

„Das hoffe ich sehr. Ich habe trotzdem große Angst.“

„Ich weiß, mein Schatz. Ich mache mir auch Sorgen.“ Kathrin nahm Alicia in den Arm. Sie kuschelte sich eng an Kathrin und genoss die Nähe, ein paar Tränen flossen, weil sie Zodiak vermisste, aber Kathrins Liebe und Zuneigung trösteten sie.

 

3. Kapitel

Alicia schlief in dieser Nacht sehr unruhig. Die Sorge um Zodiak raubte ihr den Schlaf. Am liebsten hätte sie alle paar Minuten in der Tierklinik angerufen, um sich nach  Zodiaks Zustand zu erkundigen. Kathrin wachte ebenfalls einmal auf, weil Alicia sich unruhig im Bett herum wälzte. Sie rückte näher an Alicia heran und legte ihren Arm um sie. Für eine Weile konnte sich Alicia ein wenig entspannen, bis die Grübeleien und Sorgen wieder von vorn anfingen.

Am frühen Morgen hielt sie nichts mehr im Bett. Leise, um Kathrin nicht aufzuwecken, stand sie auf und schlich aus dem Zimmer. In der Küche machte sie sich erstmal einen Kaffee, denn obwohl sie innerlich so unruhig war, fühlte sie sich wegen der kurzen Nacht müde.

Nach und nach versammelten sich die Katzen in der Küche. Merlin, der Neue, war auch wieder mit dabei. Offenbar hatte er sich entschlossen zu bleiben. Er strich Alicia schnurrend um die Beine, während sie die Näpfe füllte.

Sie sah den Katzen beim Fressen zu, die zum Teil laut vor sich hin schmatzten. Der Anblick ließ sie lächeln. Sie war froh, dass es den Katzen gut ging.

Lou sprang nach der Mahlzeit auf die Fensterbank und putzte sich ausgiebig. Dabei hielt sie immer wieder inne und sah nach draußen. Lucy und Lucky rauften spielerisch miteinander, während Star sich ein paar Streicheleinheiten von Alicia abholte. Merlin war gleich nach der Mahlzeit wieder auf und davon. Vermutlich hatte er draußen, in seinem Revier, einiges zu erledigen.

Gerade als sich Alicia dazu entschlossen hatte in der Tierklinik anzurufen, um sich nach Zodiaks Gesundheitszustand zu erkundigen, klingelte das Telefon. Mit aufgeregt klopfendem Herzen nahm sie das Gespräch entgegen.

„Kenntner, guten Morgen.“

„Schönen guten Morgen, Frau Kenntner. Hier spricht Ludwig von der Tierklinik. Es geht um Ihren Hund Zodiak.“

„Geht es ihm besser? Kann ich ihn abholen?“, fragte Alicia aufgeregt.

„Er ist auf dem Wege der Besserung, aber wir behalten ihn noch einen weiteren Tag hier. Es stehen noch ein paar kleinere Untersuchungen an.“

„Okay.“

„Es tut mir leid, dass ich Ihnen keine freudigere Nachricht übermitteln kann.“

„Sie können ja nichts dafür“, sagte Alicia.

„Falls etwas sein sollte, melden wir uns sofort. Wenn Sie nichts mehr von uns hören, kann Zodiak morgen Vormittag abgeholt werden.“

„Alles klar. Dann weiß ich Bescheid. Vielen Dank für Ihren Anruf.“

„Sehr gerne. Bis morgen dann. Auf Wiedersehen.“

„Tschüss.“

Nach dem Telefonat fühlte Alicia sich sehr hoffnungslos. Nun musste sie noch einen weiteren Tag ohne Zodiak überstehen. Sie hoffte, dass er schnell vorbei ging.

Da sie nicht bloß untätig herum sitzen wollte, bis Kathrin aufwachte, weil sie dann bloß die ganze Zeit grübelte, machte sie sich auf den Weg zum Stall.

Die Pferde sahen ihr neugierig entgegen, sobald sie die Stalltür öffnete. Sie waren es gewohnt früh am Morgen gefüttert zu werden und warteten bereits auf ihr Frühstück.

„Na, du Schlingel“, begrüßte Alicia Blitz und strich ein paar Mal über seine Nase. Inzwischen hatte sie nicht mehr so große Angst vor ihm und konnte ihn notfalls ganz ohne Kathrin oder Sylvie versorgen.

Flocke sah noch etwas müde aus, ihre Augen wirkten ein wenig trüb. Obwohl sie nicht viel Ahnung von Pferden hatte, hielt sie das für kein gutes Zeichen.

„Guten Morgen, meine Süße. Du wirst mir hoffentlich nicht krank“, sprach sie weiter und tätschelte liebevoll den Hals der Stute. Flocke vergrub ihre Nase in Alicias Haaren und pustete hinein. „Ja, du bist unsere Gute.“ Sie verwöhnte Flocke mit weiteren Streicheleinheiten. Zum Schluss begrüßte sie Teddy. „Na, mein kleiner Frechdachs. Hast du gut geschlafen?“ Sie streichelte Teddy ausgiebig und kraulte ihn unter dem Kinn, was er sichtlich genoss. Er brummelte sogar ein wenig dabei.

Nach der Begrüßung versorgte Alicia die Vierbeiner mit Futter und kehrte ins Haus zurück. An der Haustür stieß sie beinahe mit Kathrin zusammen, die inzwischen aufgewacht war.

„Ich wollte gerade nachsehen, ob du im Stall bist. Ich habe dich im ganzen Haus gesucht.“

„Ich habe die Pferde gefüttert. Ich musste mich ablenken.“

„Hast du was von Zodiak gehört?“, fragte Kathrin besorgt.

„Die Tierklinik hat vorhin angerufen. Es geht ihm zwar besser, aber er muss heute noch da bleiben.“

„Oh nein, das tut mir leid.“

„Das Bangen geht weiter.“

Kathrin schlang ihre Arme um Alicia. „Er schafft das ganz bestimmt. Vielleicht will der Tierarzt bloß auf Nummer sicher gehen und behält ihn deshalb noch einen Tag länger dort. Es wäre doch blöd, wenn du ihn heute nach Hause holst und einen Tag später muss er wieder hin, weil es ihm nicht gut geht.“

„Ja, das wäre blöd, aber ich vermisse ihn so sehr.“

„Das verstehe ich. Mir fehlt er auch. Es ist so still im Haus ohne ihn. Soll ich uns Frühstück machen?“

„Ich hab keinen Hunger.“

„Schade, ich habe gestern extra deine Lieblingsmarmelade gekauft und dazu gibt es warme Croissants und Brötchen.“

„Klingt verlockend.“

„Das ist der Plan. Du musst etwas essen. Zodiak hat bestimmt auch schon sein Frühstück bekommen.“

„Also gut. Du hast mich überzeugt.“

„Sehr gut. Es hilft Zodiak nicht, wenn du nichts isst.“ Kathrin küsste Alicia. „Ich liebe dich, mein Schatz.“

„Ich liebe dich auch.“ Ein warmes, wohliges Gefühl breitete sich in Alicia aus. Kathrin schaffte es immer sie ein wenig aufzumuntern. Es war ein tolles Gefühl jemanden an seiner Seite zu haben, dessen Liebe man sich ganz sicher sein konnte.

Als wenig später der Duft von frisch gebackenen Brötchen und Croissants durchs Haus zog, bekam Alicia doch Appetit und sie langte beim Frühstück ordentlich zu.

„Fahren wir nachher zu Pedro ins Krankenhaus?“, fragte Kathrin.

„Ja, ich wollte ihn heute gerne besuchen.“

„Er wird sich bestimmt freuen.“

„Ich finde es immer noch unfassbar, was passiert ist.“

„Ist es auch. Ich muss auch ständig daran denken.“

„Unser neuer Mitbewohner war vorhin wieder hier“, sagte Alicia.

„Du meinst Merlin.“

„Ja. Er hat sich sein Futter abgeholt und ist danach gleich wieder verschwunden.“

„Typisch Katze eben. Sie behandeln uns Menschen wie Personal.“

„Ja, genau den Eindruck hatte ich, aber er ist auch sehr verschmust.“

„Das heißt, dass er auf jeden Fall mal ein Zuhause gehabt haben muss. Oft weiß man leider nicht, was mit den Tieren passiert ist, was sie erlebt haben.“

„Ja, leider. Wenn sie es uns erzählen könnten, wäre vieles einfacher.“

Sie frühstückten in Ruhe zu Ende und während Alicia die Küche aufräumte, kümmerte Kathrin sich um die Pferde. Sie mistete aus und brachte die Pferde auf die Weide. Danach machten sie sich auf den Weg ins Krankenhaus.

 

„Als wir das letzte Mal hier waren, war es ein freudiger Anlass“, stellte Alicia fest.

„Ja, es war so schön Clara das erste Mal zu sehen“, erinnerte Kathrin sich.

Alicia erkundigte sich am Empfang nach Pedros Zimmernummer und machte sich anschließend mit Kathrin auf die Suche.

Pedros Anblick war erschreckend, von seinem Gesicht war kaum noch etwas zu erkennen, alles war zugeschwollen und voller Blutergüsse, um seinen Kopf war ein dicker Verband gewickelt und sein linker Arm lag eingegipst auf der Bettdecke. Er freute sich Alicia und Kathrin zu sehen, doch sein Lächeln wurde von einer schmerzverzerrten Grimasse abgelöst.

„Du siehst ziemlich übel aus“, sagte Kathrin.

„Na, vielen Dank auch. Das sind genau die Worte, die ich jetzt brauche.“

„Sorry“, entschuldigte sich Kathrin, „aber es ist die Wahrheit. Sie platzierte zwei Besucherstühle neben Pedros Bett.

„Wer hat dir das angetan?“, fragte Alicia.

„Wenn ich das wüsste. Es ging alles so schnell. Ich habe niemanden erkannt.“

„Hast du keine Vermutung?“, fragte Kathrin. „Irgendjemand, der dir schaden will.“

„Ich weiß es nicht. Manchmal macht man sich Feinde, ohne es zu wissen.“

„Und manchmal wird man zum Opfer, obwohl man niemandem etwas getan hat“, fügte Alicia hinzu.

„Unfassbar, dass es Menschen gibt, die so brutal auf andere losgehen“, sagte Kathrin. „Und oft kommen sie auch noch straffrei davon.“

„Paco hat mir erzählt, dass ihr sofort bereit wart mir zu helfen“, sagte Pedro.

„Dafür sind Freunde doch da“, entgegnete Alicia.

„Das ist echt lieb von euch, aber ich habe mich entschieden das Restaurant erstmal für zwei Wochen zu schließen. Bis dahin geht es mir vielleicht zumindest wieder so gut, dass ich das weitere Vorgehen planen kann.“

„Aber wir können dir doch helfen, dann musst du gar nicht schließen“, sagte Kathrin.

„Ich weiß eure Hilfe echt zu schätzen, aber wenn euch im Restaurant etwas passiert, bekomme ich Schwierigkeiten mit der Versicherung, weil ihr nicht offiziell angestellt seid. Paco hätte daran denken müssen, bevor er versucht meine Freunde einzuspannen, schließlich hat er auch einen Laden und Mitarbeiter und kennt eigentlich die Gesetze.“

„Sei nicht sauer auf ihn“, sagte Alicia.

„Bin ich nicht. Er hat es nur gut gemeint.“

„Wenn du doch Hilfe brauchst, sagst du Bescheid“, sagte Kathrin.

„Mach ich. Es ist schön zu wissen, dass ich im Ernstfall auf euch zählen kann.“

Sie schwiegen eine Weile. Das viele Sprechen strengte Pedro sehr an, sodass er sich einige Minuten erholen musste.

„Wie geht es euch beiden denn?“, fragte Pedro nach einer Weile. „Erzählt mir mal was Schönes.“

„Es geht so“, sagte Alicia. „Wir machen uns Sorgen um Zodiak. Er ist seit gestern in der Tierklinik.“

„Oh nein, was ist passiert?“

„Sein Herz macht Probleme.“

„Das ist nicht schön“, sagte Pedro traurig. „Wann darf er nach Hause?“

„Vielleicht morgen. Wir müssen abwarten.“

„Ich drücke die Daumen.“

„Danke. Das ist lieb.“

„Ich kann so schnell nicht nach Hause“, sagte Pedro bedauernd.

„Wir kommen dich ganz oft besuchen, damit du dich nicht langweilst“, versprach Kathrin ihm.

„Oh, da freue ich mich.“

Alicia wollte gerade etwas sagen, da kam eine Krankenschwester ins Zimmer.

„Herr Tossini, ich muss Sie entführen?“, sagte sie mit gespielter Fröhlichkeit.

„Ist gerade ganz schlecht. Ich habe Besuch“, entgegnete Pedro. „Aber ich kann mal in meinem Terminkalender schauen, wann ich etwas frei habe.“

Die Krankenschwester lachte über Pedros Scherz. „Der Untersuchungstermin ist exklusiv nur für Sie reserviert.“

„Was wollen Sie denn untersuchen? Ich kann Ihnen versichern, es ist kaum noch etwas ganz in meinem Körper.“

„Ach, da finden wir schon was“, meinte die Krankenschwester. „Uns fällt immer etwas ein.“

„Wir kommen ein anderes Mal wieder“, sagte Alicia und stand auf. Sie und Kathrin stellten die Stühle wieder an ihren Platz zurück.

„Macht das. Ich laufe euch nicht weg.“

„Wenn ich Sie nicht gerade mit dem Rollstuhl entführe“, mischte sich die Krankenschwester lachend ein. Sie half Pedro dabei sich aufzurichten.

Alicia und Kathrin verabschiedeten sich schnell. Pedro war es bestimmt unangenehm in seiner hilflosen Situation beobachtet zu werden.

„Er sieht echt übel aus“, sagte Kathrin, als sie zum Ausgang unterwegs waren.

„Du musstest es ihm auch noch unter die Nase reiben.“

„Er weiß es doch sowieso“, verteidigte sich Kathrin. Sie sah auf die Uhr. „Es ist noch früh, eigentlich könnten wir mit Sylvie, Annelie und Clara schwimmen gehen. Hast du Lust?“

Alicia zögerte. Durfte sie sich einen schönen Nachmittag machen, während Zodiak um sein Leben kämpfte und es Pedro schlecht ging? Andererseits half es den beiden nicht, wenn sie zu Hause saß und sich Sorgen machte. An die beiden denken konnte sie überall, auch im Schwimmbad.

„Also gut, lass es uns machen“, teilte Alicia Kathrin ihre Entscheidung mit.

„Ich rufe gleich mal Sylvie an“, sagte Kathrin und suchte ihr Handy in der Tasche. Ich glaube, es liegt im Auto“, stellte sie fest. „Oder zu Hause.“

„Dann rufst du eben von zu Hause an“, meinte Alicia. „Wir müssen ja sowieso nochmal nach Hause, um unsere Schwimmsachen zu packen.“

„Stimmt, wir können schlecht nackt baden.“

„Da würden sich die Männer bestimmt freuen.“

„Möglich, aber der Bademeister eher weniger.“

Kurz darauf erreichten sie das Auto und zu Kathrins Freude fand sie ihr Handy auf dem Sitz. Es war ihr beim Aussteigen aus der Tasche gerutscht.

„Sylvie hat geschrieben. Na, das nenne ich Gedankenübertragung.“

„Was schreibt sie?“

„Sie fragt, wie es Zodiak geht und ob wir mitkommen zum Schwimmen.“

Kathrin tippte schnell eine Antwort an Sylvie und schwang sich gut gelaunt hinters Steuer.

„Eigentlich ist es voll mies“, sagte Alicia. „Wir machen uns einen schönen Tag, während es Pedro und Zodiak schlecht geht.“

„Es hilft ihnen aber auch nicht, wenn wir Trübsal blasen“, argumentierte Kathrin.

„Ja, dasselbe habe ich vorhin auch gedacht.“

„Glaub mir, Pedro gönnt es uns von Herzen, wenn wir uns einen schönen Tag machen.“

„Ich weiß.“

„Na also, dann weg mit den trüben Gedanken. Heute wird ein guter Tag, weil wir ihn zu einem guten Tag machen. Und Zodiak denkt auch nicht an morgen oder gestern. Für ihn zählt nur der Moment. Du solltest es genauso machen.“

Alicia berührte sanft Kathrins Hand, mit der sie das Lenkrad umklammerte. „Ich bin so froh, dass ich dich habe.“

„Ich bin auch froh, dich zu haben. Eine tollere Frau könnte ich mir nicht wünschen.“

Wenig später parkte Kathrin das Auto vor ihrem Haus.

„Wer zuletzt fertig ist, gibt heute eine Runde Eis aus!“, rief Kathrin übermütig und legte einen Sprint zum Haus hin.

„Hey, das ist unfair!“, rief Alicia und nahm die Verfolgung auf.

 

4. Kapitel

Alicia hatte keine Chance. Kathrin packte in rasender Geschwindigkeit ihre Sachen zusammen und war lange vor Alicia fertig. Sie lächelte Alicia triumphierend entgegen, als diese schließlich mit gepackter Tasche die Treppe hinunter kam.

„Ich hab gewonnen“, verkündete Kathrin.

„Ist ja schon gut“, gab Alicia sich geschlagen. „Die Runde Eis geht auf mich.“

„Sylvie und Annelie werden sich freuen.“

Sie verließen das Haus und machten sich auf den Weg zum Schwimmbad. Das Hallenbad war bereits gut besucht, auf dem Parkplatz war kaum noch ein Platz zu bekommen. Sie hatten sich mit Sylvie und Annelie am Eingang verabredet, die beiden waren aber noch nicht da, als Kathrin und Alicia eintrafen.

„Ich dachte schon, wir sind zu spät“, sagte Kathrin.

„Sie kommen bestimmt gleich. Wenn man ein Kind hat, ist es nicht immer so einfach Termine einzuhalten.“

Sie mussten nur ein paar Minuten warten, dann sahen sie Sylvies Auto auf den Parkplatz fahren. Kurz darauf eilten sie auf Alicia und Kathrin zu. Sylvie trug zwei schwere Taschen, Annelie hatte Clara auf dem Arm.

„Hi. Schön, dass ihr euch doch noch entschieden habt mitzukommen“, begrüßte Sylvie sie.

Clara begrüßte ihre Patinnen mit einem strahlenden Lächeln.

„Hallo, mein Schatz. Freust du dich aufs Schwimmen?“, begrüßte Kathrin Clara.

„Sie liebt es“, antwortete Annelie. „Sie ist eine richtige Wasserratte.“

Sie gingen hinein, kauften die Karten und endlich konnte es los gehen.

Annelie und Sylvie verschwanden mit Clara in einer Familienumkleide, während Kathrin und Alicia jeweils einzeln in eine kleine Kabine gingen. In der Dusche trafen sie wenig später wieder aufeinander. Clara quietschte auf Sylvies Arm, als das warme Wasser von oben auf sie herab rieselte. Sie streckte die Arme nach oben und genoss es sichtlich.

„Sie ist so niedlich“, sagte Alicia.

„Ja, das ist sie“, bestätigte Annelie. „Sie ist mein Goldschatz.“

Nachdem sie sich abgeduscht hatten, gingen sie in die Schwimmhalle hinüber. Es herrschte bereits ordentlich Betrieb und im Laufe des Tages würde es sicher noch mehr werden.

„Zum Glück haben wir es noch pünktlich geschafft“, sagte Annelie erleichtert. „Der Babyschwimmkurs hat noch nicht angefangen.“

Sie stiegen ins wohlig warme Wasser hinein. Clara hockte in einem Schwimmring und ließ sich von Sylvie durchs Wasser ziehen. Alicia und Annelie zogen erstmal einige Bahnen im Wasser, Kathrin wich nicht von Sylvies und Claras Seite. Als der Babyschwimmkurs begann, paddelte Sylvie mit Clara in den dafür abgetrennten Teil des Schwimmbeckens. Kathrin, Annelie und Alicia postierten sich am Beckenrand, um zuzuschauen.

„Wir wechseln uns immer ab“, sagte Annelie. „In der einen Woche übernimmt Sylvie das Babyschwimmen und in der nächsten Woche bin ich dran.“

„Das finde ich super“, sagte Alicia. „So haben alle etwas davon.“

„Ja, es stärkt die Bindung zwischen uns. Wir bleiben danach auch immer noch etwas länger im Schwimmbad. Die meisten fahren nach dem Kurs sofort nach Hause, aber ich genieße die Zeit mit meinen Liebsten gerne noch ein bisschen.“

„Das kann ich verstehen, würde ich genauso machen.“ Annelie ließ Sylvie und Clara nicht aus den Augen.

Der Kurs hatte inzwischen begonnen, Kinder und Eltern versammelten sich in der Mitte des Beckens in einem Kreis, um sich zu begrüßen. Der Kursleiter kippte eine ganze Kiste bunter Bälle ins Wasser, die auf der Wasseroberfläche schwammen und sich nach und nach im ganzen Becken verteilten. Die Kinder sollten immer wieder nach den Bällen greifen und sie aus dem Wasser angeln. Zusätzlich war noch ein kleiner Parcours aufgebaut, der aus Schwimmmatten bestand, aufblasbare Gummitiere schwammen herum, es gab Schwimmnudeln und bunte Schwämme, die an eine Wand am Beckenrand geklebt werden konnten. Es herrschte ein buntes, chaotisches Durcheinander, aber alle hatten ihren Spaß.

„Ich finde es schön, dass alles so locker abläuft“, sprach Annelie weiter. „Die Kinder werden zu nichts gezwungen. Es wird vieles angeboten, was genutzt werden kann, aber nicht genutzt werden muss.“

„Der Spaß und das Entdecken stehen im Vordergrund“, sagte Alicia.

„Genau. Das finde ich sehr wichtig, denn spätestens in der Schule werden die Kinder auf Leistung gedrillt, da muss man nicht jetzt schon damit anfangen.“

„Ich finde, ihr macht das richtig gut mit Clara“, sagte Kathrin. „Sie ist ein glückliches Kind.“

Annelie lächelte. Das Kompliment freute sie sehr.

Sie verfolgten weiterhin das bunte Treiben im Becken und mussten ein paar Mal schmunzeln, wenn die Kleinen wild durcheinander purzelten. Es war fast schöner als jedes Fernsehprogramm und sie waren beinahe enttäuscht, als der Kurs viel zu schnell zu Ende ging. Sylvie kam mit Clara auf dem Arm auf die Freunde zu und küsste Annelie.

„Wie war’s?“, fragte Annelie.

„Es war toll. Die Zeit ist wieder so schnell verflogen. Mag jemand mit mir und Clara ins Babybecken gehen?“

„Ich komme mit“, sagte Kathrin sofort.

Alicia und Annelie sahen den beiden nach. Dann schwammen sie hinüber zu den Massageliegen im Wasser, auf denen man bequem liegen konnte, während sprudelndes Wasser den Körper massierte. Von dort aus hatten sie das Babybecken gut im Blick. Kathrin und Sylvie setzten sich ins knöchelhohe Wasser und planschten mit Clara herum. Es gab mehrere Wasserspeier, die Wasserfontänen versprühten. Kathrin alberte mit ihnen herum und brachte Clara damit zum Lachen. Annelie und Alicia mussten ebenfalls schmunzeln.

„Wir haben so großes Glück mit unseren Frauen“, sagte Annelie.

„Ja, das haben wir. Es läuft wieder richtig gut zwischen dir und Sylvie“, stellte Alicia fest.

„Ja, zum Glück. Ich bin sehr glücklich im Moment. Allmählich pendelt sich aber auch alles gut ein. Es war nicht so leicht. Wegen Clara mussten wir unser komplettes Leben neu einrichten. Mir war natürlich klar, dass ein Kind alles verändert, aber man unterschätzt das tatsächliche Ausmaß. Inzwischen haben wir einen guten Rhythmus gefunden.“

„Das freut mich für euch. Es wäre schade gewesen, wenn eure Beziehung daran zerbrochen wäre.“

„Ja, das wäre es. Ich liebe Sylvie sehr. Seit wir Clara haben, ist sie mir sogar noch wichtiger geworden. Wir sind endlich eine richtige Familie.“

„Das klingt schön.“

„Wie sieht es denn bei euch aus bezüglich Kinderplanung? Wollt ihr noch warten oder habt ihr vor es demnächst in Angriff zu nehmen?“

„Wir haben da ehrlich gesagt noch keine konkreten Pläne. So lange sind wir ja auch noch gar nicht zusammen.“

„Das stimmt. Ihr solltet erstmal noch ein wenig eure Zweisamkeit genießen. Ein Kind verändert schon einiges. Das hätte ich nicht gedacht.“

„Bei uns ist ja so schon ständig was los. Stell dir vor, wir haben noch ein Kind, dann kommen wir gar nicht mehr zur Ruhe.“

Annelie lachte. „Das ist wahr.“

„Wir haben inzwischen eine fünfte Katze. Einen Kater. Er war eines Morgens da. Wir haben in der Nachbarschaft herum gefragt, ob ihn jemand kennt, aber niemand vermisst ihn. Nun bleibt er bei uns.“

„Ihr mit eurem großen Herz. Die Tiere scheinen das zu spüren.“

„Ja, manchmal denke ich das auch.“

„Ich habe angefangen deinen Garten umzugestalten“, erzählte Annelie. „Sehr viel kann ich jetzt im Herbst zwar nicht mehr machen, aber der Anfang ist gemacht. Sylvie und ich haben einen Apfelbaum gepflanzt.“

„Das ist schön.“

„Ja, finde ich auch. In einigen Jahren können wir die Früchte ernten. Ich kann es kaum erwarten im Frühling so richtig los zu legen im Garten.“

„Das glaube ich dir. Du wirst den Garten bestimmt in ein Paradies verwandeln.“

Kathrin, Sylvie und Clara hatten offenbar genug davon im Wasser zu planschen. Sie verließen das Becken und steuerten auf einige Liegestühle zu. Sylvie wickelte Clara liebevoll in ein Handtuch ein, bevor sie sich um sich selbst kümmerte.

„Lass uns mal zu unseren Mädels gehen“, sagte Annelie.

Sie verließen das Schwimmbecken und gingen zu Kathrin und Sylvie.

„Na, ihr zwei Wasserratten“, begrüßte Sylvie sie lachend.

„Selber Wasserratte“, erwiderte Annelie.

„Alicia hat versprochen uns eine Runde Eis zu spendieren“, verkündete Kathrin grinsend.

„Echt? Das finde ich sehr nett“, sagte Kathrin.

„Ich nehme eure Wünsche entgegen“, sagte Alicia.

„Ich wünsche mir etwas mit Schokolade.“

„Das klingt gut“, stimmte Annelie Sylvie zu.

„Da sind wir schon drei“, meinte Kathrin.

„Also gut. Ich schaue mal, was es gibt.“ Alicia machte sich auf den Weg ins Restaurant.

Annelie, Sylvie und Kathrin machten es sich auf den Liegestühlen gemütlich. Annelie fütterte Clara und wechselte ihre Windel. Danach schlief sie in Sylvies Armen ein.

Es dauerte ziemlich lange, bis Alicia zurückkam.

„Oh man, da war einiges los“, sagte sie und verteilte das Eis an ihre Lieben.

„Danke, für das Eis“, sagte Annelie.

„Ja, vielen Dank.“ Sylvie schenkte ihr ein strahlendes Lächeln.

Von Kathrin gab es sogar einen Kuss. „Danke, mein Schatz. Du bist die Beste.“

Ein paar Minuten lang schleckten sie gemütlich ihr Eis, als auf einmal Hilfeschreie zu hören waren. Kathrin sprang erschrocken auf, um besser sehen zu können. Annelie und Alicia hingegen sahen sich bloß ängstlich an.

„Siehst du was?“, wandte sich Sylvie an Kathrin. Sie konnte nicht aufstehen, weil Clara auf ihrem Bauch lag und schlief.

Ein lautes Platschen ertönte.

„Der Bademeister ist ins Wasser gesprungen“, berichtete Kathrin. Die Hilfeschreie hatten inzwischen aufgehört, aber Kathrin sah eine Frau, die verzweifelt am Beckenrand auf und ab lief. Es war das Becken mit dem hohen Sprungturm.

Als der Bademeister wieder auftauchte, hatte er ein Kind im Arm und schleppte es zum Beckenrand. Die Mutter nahm das Kind entgegen, aber es bewegte sich nicht.

„Oh, mein Gott. Da ist ein Kind ertrunken“, sagte Kathrin.

„Bitte nicht.“ Annelie schlug die Hände vors Gesicht. „Warum muss das ausgerechnet heute passieren?“

„Der Bademeister beginnt mit Wiederbelebungsmaßnahmen“, berichtete Kathrin.

Im gesamten Schwimmbad herrschte auf einmal Stille, niemand schien sich zu rühren, keiner sagte etwas. In der Ferne hörten sie ein Martinshorn. Offenbar hatte jemand einen Krankenwagen gerufen. Es schien ziemlich ernst zu sein.

Der Bademeister ließ nicht nach in seinen Bemühungen, aber das Kind rührte sich nicht. Die Mutter hockte verzweifelt daneben und weinte.

Kathrin ließ sich wieder auf ihrer Liege nieder. „Das ist so furchtbar“, sagte sie leise.

Sie waren alle tief betroffen, besonders Annelie ging der Vorfall sehr nah.