Die Rowdies von Coyote - William Mark - E-Book

Die Rowdies von Coyote E-Book

William Mark

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Beschreibung

"Vor seinem Colt hatte selbst der Teufel Respekt!" (Mark Twain) Der Lieblingssatz des berühmten US Marshals: "Abenteuer? Ich habe sie nie gesucht. Weiß der Teufel wie es kam, dass sie immer dort waren, wohin ich ritt." Diese Romane müssen Sie als Western-Fan einfach lesen! Die Hitze waberte über dem gelben Sand. Kein Lufthauch regte sich. Winzig klein war der Schatten der Turmkaktee, die dicht an der alten Overlandstreet zwischen St. David und Tombstone stand. Und in eben diesem schmalen Schattenstück kauerten zwei Männer am Boden. Der eine mochte etwa dreißig Jahre alt sein und hatte ein hartes, olivfarbenes Gesicht, das von vielen Falten regelrecht zersägt zu sein schien. Die Augen waren schiefergrau und wirkten wie schmale scharfe Rechtecke. Kurz und stumpf war die Nase, strichdünn und lang der Mund, dem die Oberlippe zu fehlen schien. Ausgeprägt in diesem Gesicht war das Kinn. Es wirkte kantig und war in der Mitte gespalten. Der Mann trug ein sandfarbenes Hemd, das auf dem Rücken und über der Brust durchgeschwitzt war, ein schmutziggelbes Halstuch und graubraune Levishosen mit ausgebeulten Knien. Die hochhackigen Stiefel trugen keine Sporen und wirkten zerschlissen, wie fast alles an diesem Manne. Wie fast alles – denn sein Revolver war blank und gepflegt! Er trug ihn tief über dem linken Oberschenkel in einem mit Lederriemen festgezurrten Halfter. Der Mann neben ihm war etwas jünger, hatte ein hageres Pferdegesicht, eine lange scharfe Nase, stechende grünliche Augen, die zu nahe bei der Nase standen, und eine niedrige Stirn, in die das krause helle Haar tief hineinwucherte. Er hatte ein mißfarbenes, vielleicht einmal grün gewesenes Hemd an, ein schwarzes ausgebleichtes Halstuch um, dessen Knoten auf seiner rechten Schulter lag, und trug blaue Leinenhosen mit ebenfalls ausgebeulten Knien. Seine Hosenenden steckten in halbhohen Stiefelschäften; das sah man selten in diesen Gegenden, denn die Männer trugen hier die Hosen meist über den Schäften. Auch trug er einen Colt, der jedem Beobachter verriet, daß er gepflegt wurde. Allerdings hatte der Mann ihn seltsamerweise vorn im Hosengurt stecken. Die beiden wenig angenehmen Gestalten waren die ehemaligen Minenarbeiter Joe Capona und Greg Smith.

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Wyatt Earp – 185–

Die Rowdies von Coyote

William Mark

Die Hitze waberte über dem gelben Sand. Kein Lufthauch regte sich. Winzig klein war der Schatten der Turmkaktee, die dicht an der alten Overlandstreet zwischen St. David und Tombstone stand. Und in eben diesem schmalen Schattenstück kauerten zwei Männer am Boden.

Der eine mochte etwa dreißig Jahre alt sein und hatte ein hartes, olivfarbenes Gesicht, das von vielen Falten regelrecht zersägt zu sein schien. Die Augen waren schiefergrau und wirkten wie schmale scharfe Rechtecke. Kurz und stumpf war die Nase, strichdünn und lang der Mund, dem die Oberlippe zu fehlen schien. Ausgeprägt in diesem Gesicht war das Kinn. Es wirkte kantig und war in der Mitte gespalten. Der Mann trug ein sandfarbenes Hemd, das auf dem Rücken und über der Brust durchgeschwitzt war, ein schmutziggelbes Halstuch und graubraune Levishosen mit ausgebeulten Knien. Die hochhackigen Stiefel trugen keine Sporen und wirkten zerschlissen, wie fast alles an diesem Manne.

Wie fast alles – denn sein Revolver war blank und gepflegt! Er trug ihn tief über dem linken Oberschenkel in einem mit Lederriemen festgezurrten Halfter.

Der Mann neben ihm war etwas jünger, hatte ein hageres Pferdegesicht, eine lange scharfe Nase, stechende grünliche Augen, die zu nahe bei der Nase standen, und eine niedrige Stirn, in die das krause helle Haar tief hineinwucherte. Er hatte ein mißfarbenes, vielleicht einmal grün gewesenes Hemd an, ein schwarzes ausgebleichtes Halstuch um, dessen Knoten auf seiner rechten Schulter lag, und trug blaue Leinenhosen mit ebenfalls ausgebeulten Knien. Seine Hosenenden steckten in halbhohen Stiefelschäften; das sah man selten in diesen Gegenden, denn die Männer trugen hier die Hosen meist über den Schäften. Auch trug er einen Colt, der jedem Beobachter verriet, daß er gepflegt wurde. Allerdings hatte der Mann ihn seltsamerweise vorn im Hosengurt stecken.

Die beiden wenig angenehmen Gestalten waren die ehemaligen Minenarbeiter Joe Capona und Greg Smith. Sie hatten, nachdem die Silberminen bei Tombstone geschlossen wurden, ein nach ihrer Ansicht freies Dasein begonnen, das sich wirklich meist unter Gottes freiem Himmel abspielte und mit dem Gesetz nur schwer in Einklang zu bringen war.

Capona und Smith stammten aus der kleinen Ansiedlung Coyote, die sieben Meilen nordwestlich von Tombstone und anderthalb Meilen westlich der Landstraße lag. Man sah sie selten im Settlement; man sah sie überhaupt selten, da sie sich die Angewohnheit zu eigen gemacht hatten, tagsüber zu schlafen und nachts zu wachen.

Heute hatten die beiden Tramps einmal mit dieser Gewohnheit gebrochen. Sie hatten ihre Pferde dreihundert Yards von der Straße entfernt hinter roten Sandsteinen verborgen und lungerten hier in dem schmalen Schatten der Riesenkaktee herum, wo sie auf die Postkutsche warteten.

Neun Monate hatten Capona und Smith weit im Westen von Coyote gewirkt, die Menschen in der Gegend der San-Xavier-Indianerreservation belästigt und ihre kleinen und größeren Diebstähle und Überfälle noch verhältnismäßig harmlosen Objekten gewidmet.

An die große Overlandstraße hatten sie sich noch nicht gewagt. Obgleich die Postkutsche, die von Tucson herunter nach Tombstone fuhr, ganz sicher ein »fetter Brocken« war, stellte es ein nicht zu verachtendes Wagnis dar, sie anzufallen; schließlich hatte der Driver immer einen Gunman bei sich, einen Gewehrschützen, der den Transport zu bewachen hatte. Und meist waren diese Leute hervorragende Schützen, die sich nicht so leicht einschüchtern und überwinden ließen. Aber die Zeit, die diese Gewehrschützen hart und furchtlos gemacht hatte, war auch an den beiden Tramps nicht spurlos vorübergegangen, hatte auch sie ledern und kaltblütig gemacht und sie jetzt hierher an diese gefährliche Straße geführt.

Sie waren nicht ohne Überlegung hergekommen, denn schließlich wollten die beiden Strolche den Coup nicht umsonst riskieren. Mit sehr viel Ausdauer und List hatten sie herausgebracht, daß heute, an diesem heißen Maitage, der gefürchtete Gewehrmann Joseph Macart nicht auf dem Kutschbock neben dem jungen Driver Closterfield saß, sondern der alte Mike Falls, Falls, der dreiundzwanzig Jahre auf dieser Route gefahren war, der die Overland sicher durch manchen Sturm und manche große Gefahr geleitet hatte, fürchteten die beiden Burschen nicht sehr, denn schließlich war seine Zeit ja längst abgelaufen. Er lebte eben in St. David, und die Männer von der Postkutschen-Linie hatten ihn nur für einen Tag aus seinem stillen Leben zurückgeholt, weil der Gunman Macart krank war. Er hatte die Ruhr und hätte sich auch für den dreifachen Lohn nicht auf dem Kutschbock neben dem Driver halten können.

Deshalb nur hatte der Wells Fargo-Chief in Tucson den alten Mann noch einmal geholt. Im Grunde war Falls schon damals, vor drei Jahren, als er endlich den Abschied bekommen hatte, mit seinen Neunundsechzig reichlich alt für diesen schweren Job gewesen. Aber der alte Wells Fargo-Boß hatte sich nicht entschließen können, dem bewährten treuen Mann den Sattel vor den Stall zu schieben. Entlassung bedeutete nämlich im Westen nichts anderes als Brotlosigkeit. Wer nicht arbeitete, hatte auch kein Geld. Und sparen konnte auch der Bescheidenste nichts von einem Gunman-Lohn, um später davon zu zehren. So etwas wie eine Rente, eine Alterspension, gab es im Westen nicht – und, man glaubte es in Deutschland kaum – gibt es auch heute, jedenfalls in vielen Berufszweigen, noch nicht.

Deshalb war auch der grauköpfige ehemalige Beifahrer sofort bereit gewesen, als die Aufforderung, die Overland noch einmal zu begleiten, an ihn erging. Denn das Leben, das er in den letzten drei Jahren hatte führen müssen, war höchst armselig gewesen. Die paar Dollar, die es da zu verdienen gab, mußte er auf jeden Fall mitnehmen. Falls hätte es getan, selbst wenn er neunzig gewesen wäre, statt zweiundsiebzig. Denn es war kein Leben mehr, das er da mitmachte. Er schleppte in den Saloons Whiskyfässer, half Gläser spülen, Wagen abladen, Pferde striegeln und nachts die Bars ausfegen. Aber es gab für all diese Arbeiten junge Leute genug, die ihn zur Seite schoben, weil jeder lieber einen jungen als einen alten Menschen beschäftigte, in dem unsinnigen Glauben, ein junger mache es besser.

So war denn der alte abgedankte Gunman zu der Ansicht gekommen, daß es wenig half, sich gesund ins Alter hinübergerettet zu haben, daß es im Gegenteil schlimm war, alt in diesem Lande zu werden. Denn ein alter Mann war hier ein nutzloser Mann…

Hätte er ahnen können, daß die sieben Dollar, die er sich noch einmal auf dem Kutschbock der Overland verdienen wollte, so teuer für ihn würden, er hätte sich wahrscheinlich lieber weiter hintenangestellt, wenn es galt, den Platz jüngeren Bewerbern freizumachen.

Wie hätte er ahnen können, daß die beiden abgerissen wirkenden Männer, die gerade aus der San Giovanno-Bar nebenan kamen, als der Postmaster ihm die Nachricht übermittelte, sofort auch ihre Lebenspläne änderten. Daß sie beschlossen, die nun ihrer Ansicht nach schwach besetzte Overland zwischen St. David und Tombstone zu überfallen!

*

Joe Capona war der Sohn eines spanischen Wegelagerers, der vor neunundzwanzig Jahren nach einem Standgericht bei Nogales hingerichtet worden war, als man ihm den Mord an einem Soldaten zur Last gelegt hatte; es war das Pech des Outlaws gewesen, daß er diesen Mord nicht verübt hatte. Dennoch hatte das Gericht keinen Unschuldigen getroffen, denn er hatte bereits zwei Morde auf dem Gewissen, die jedoch nie entdeckt worden waren. Das Leben des jungen Capona war bisher kaum anders verlaufen als das des Vaters, obgleich sich die Mutter, die noch sieben Brüder Joes und drei Schwestern zu versorgen hatte, stets alle Mühe gegeben hatte, die Kinder den schrecklichen Lebenswandel ihres Vaters und seinen grausigen Tod vergessen zu lassen.

Es war auch einzig der Tod des Vaters, der Joe Capona lange Zeit vor diesem »Job« abgeschreckt hatte. Einer der Nachbarn hatte ihm oft in seiner Jugend erzählt, wie der Vater, von sieben Kugeln getroffen, am Pfahl zusammengebrochen war und wie er zuvor noch gellend und voller Todesangst um Gnade geschrien hatte.

Aber dieses düstere Bild hatte die Zeit, die ja so vieles ändert, fast verwischt. Wie anders hätte Joe Capona jetzt diesen Weg antreten können?

Greg Smith stammte aus einer Cowboy-Familie. Seine Eltern hatten auf einer großen Ranch südlich von Tucson gearbeitet. Seine Brüder Jack und Owen waren auf einer Farm bei Naco beschäftigt, und Sid, der jüngste der Familie, hatte auf einer Ranch einen Job gefunden, deren Namen in den ganzen Weststaaten bekannt war: auf der Clanton-Ranch.

Yeah, auf der Viehfarm des einstigen Banden-Chiefs Isaac Joseph Clanton. Der wilde Sid, dem die Nachbarn in Coyote ein frühes Ende durch eine Revolverkugel vorausgesagt hatten, schien auf der Clanton-Ranch gezähmt worden zu sein. Da hatte es größere, stärkere, schnellere und bessere Männer als ihn gegeben. Vor allem war es der Boß selbst, Ike Clanton, der den jungen

Cowpuncher schon sehr bald zurechtgestutzt hatte. Es war nicht einmal allzu schwer gewesen, denn die Persönlichkeit des einstigen »Rebell von Arizona« 1) war stark genug gewesen, um einen gehörigen Eindruck auf einen Burschen wie den jungen Sid Smith zu machen.

Aber dann war Sid doch aus der Reihe gesprungen; er hatte bei einer Schlägerei, die er provozierte, einem Kameraden die Kinnlade zertrümmert. Er hatte nicht einmal etwas gesagt. Er hatte nur den rechten Arm gehoben und aufs offene Hoftor gedeutet.

Noch nie war der Kuhtreiber Sid Smith so schnell gelaufen. Sein Aufenthalt auf der Clanton-Ranch schien doch nicht spurlos an ihm vorübergegangen zu sein, denn er hatte da während der langen Monate vieles von den alten unverbesserlichen Reitern Ikes gehört, was ihn selbst auf seltsame Gedanken gebracht hatte. Sid hatte auf eigene Faust den Kampf gegen das Gesetz begonnen und sich, in dem Glauben, selbst ein neuer Ike Clanton zu sein – auf den Grauen Trail begeben. Aber schon sein erster Gunfight gegen einen Deputy hatte ihm das frühe Ende gebracht. Er war auf Tombstones Straßen im Kampf gegen den Hilfsmarshal Jim Flegger gefallen und lag seit anderthalb Jahren auf dem Boot Hill der heißen Sandstadt.

Offenbar aber schien Sid Smiths Aufenthalt auf der Clanton-Ranch noch weitere Folgen nach sich zu ziehen. Sids Bruder Greg hatte an dem Tag, an dem Sid in Tombstone aus den Stiefeln geschossen worden war, beschlossen, dem Bruder auf dem Grauen Trail zu folgen. So war er denn mit seinem Freund Joe Capona in den Sattel gestiegen und hatte seiner leidgeprüften Mutter damit schon sieben Monate später ins Grab verholfen.

Zweimal war er im allerletzten Augenblick dem Zugriff des Gesetzes entgangen, der ehemalige Cowboy Gregory Smith; einmal, als er zusammen mit Carbona in einer kleinen Ansiedlung

namens Ferrytown einen Storekeeper überfallen und ausgeraubt und auf offener Straße von dem Sheriff gestellt wurde, sich aber den Weg noch freischießen konnte. Beim zweiten Mal hatte Smith einen Barbier mit dem Revolverkolben niedergeschlagen und sah sich plötzlich einem Sternträger gegenüber, als er fliehen wollte. Da aber war es sein Partner Capona gewesen, der ihn aus der Patsche gerissen hatte, indem er dem Sheriff beteuerte, der Barbier habe ihn, seinen Freund Smith, berauben wollen. Sie hatten beide ungeheures Glück gehabt damals, denn der kleine Barbier Jake Brown hatte einen sehr schlechten Ruf in der Stadt.

Und nun lungerten sie hier im kurzen Schattenstreifen der Riesenkaktee am Weg der Overland, um einen großen Coup zu landen.

Mit harten Augen knieten sie am Boden und starrten auf die sich nach Nordwesten schlängelnde Straße, über der die Hitze flimmerte.

In der Ferne ragte eine jener roten Sandsteinpyramiden in den Himmel, die vom Flugsand der Jahrtausende zu einer geradezu skurrilen Form verschliffen worden war. Ihre Turmspitze war in der Mitte so eingedrückt worden, daß sie wie eine gewaltige, überdimensionale Eieruhr wirkte.

Die beiden Männer verharrten seit geraumer Zeit auf ihrem Platz.

Jetzt sprangen Carponas Lippen plötzlich auseinander. Heiser kam seine whiskyrauhe Stimme:

»Der Fels da drüben gefällt mir nicht.«

Smith wandte verwundert den Kopf, warf einen forschenden Blick auf das stumpfe Profil seines Partners, sah dann zu der Steinburg hinüber, kniff die Augen zusammen und blickte wieder Capona an.

»Kapier ich nicht, was ist mit dem Fels?«

»Das Ding sieht aus – wie eine Totenuhr.«

Wieder kniff Smith die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, fixierte die Steinburg erneut, schüttelte dann den Kopf und musterte seinen Gefährten noch einmal.

»Was faselst du da?«

»Wir hatten daheim eine Totenuhr. Yeah, sieh mich nicht so dämlich an, Mensch. Ein uraltes Ding. Sollte meinem Großvater gehört haben. Der hat es aus Spanien mitgebracht, in der Zeit… na ja, ist ja auch egal. Jedenfalls habe ich das scheußliche Ding in meiner Jugend immer oben auf unserem Schrank stehen sehen.«

»Aha.« Smith begriff kein Wort.

»Er stand da, bis mein Vater… well, bis er eben abdampfte, verstehst du?«

Smith schüttelte den Kopf.

Aber Capona sah es nicht. Er zog die buschigen Brauen zusammen und krächzte:

»War ein unangenehmes Ding, diese Totenuhr. Es muß Sand oder so etwas drin gewesen sein. Wir hatten immer Angst vor der Uhr. Und doch hätten wir gern gewußt, was wirklich drin war. Aber wir wagten natürlich nicht, sie zu öffnen. Wenn du unseren Vater gekannt hättest…«

Smith knurrte:

»Ich kannte ihn nicht.«

»Yeah, ich weiß.«

Erst nach einer Weile fand Smith:

»Sag mal, meinst du vielleicht eine Eieruhr?«

»Nein, nein, eine Totenuhr! Es war eine richtige Totenuhr. Als meine Großmutter starb, holte der Doc das gläserne Ding vom Schrank und ließ den Sand durchlaufen. Er lief ganz langsam, und als das letzte Körnchen hindurch war, hatte die Alte ausgepustet.«

Smith nickte. »Aha.« Aber er verstand es doch nicht.

Eine halbe Stunde verrann.

Dann war es wieder Capona, der das Schweigen mit seiner krächzenden Stimme brach:

»Damned, müßte der Karren nicht endlich zu sehen sein?«

Da antwortete sein Partner zu seiner Verblüffung:

»Wenn du deine Totenuhr mitgebracht hättest, wüßten wir jetzt, wie spät es ist. Ich habe mir nämlich bis jetzt noch keine Uhr anschaffen können!«

Der ehemalige Cowboy war kein freundlicher Mensch; im Gegenteil, er war bissig und vergällt. So hatte er die letzten Worte auch mit seiner etwas zu hohen Stimme dem Partner regelrecht ins Gesicht gespuckt.

»Warte nur ab«, entgegnete Capona. »Wenn der Coup vorüber ist, hat jeder von uns vielleicht zwei Uhren.«

Smith schwieg. Er dachte nur: Ich wollte es wäre vorüber. Denn geheuer war ihm bei der Geschichte nicht, da er den alten Falls oft gesehen hatte. Zwar war er ein Mann, der schon mehr als siebzig Sommer auf dem Buckel hatte, dennoch aber war er einmal ein gefürchteter Gewehrschütze gewesen; so gefürchtet, daß ihn sogar die Clantons in Ruhe gelassen hatten. Aber Sid hatte zu berichten gewußt, daß Ike Clanton ihn absichtlich nicht angegriffen hatte, da er alte Leute niemals behelligt hatte.

»Was denkst du?« forschte Carpona nach einer Weile.

»Ich denke an ihn.«

Capona wandte den Kopf und musterte das scharfe spitze Gesicht des Gefährten.

»An wen?«

»An Ike Clanton.«

Capona erschrak regelrecht. Er hatte lange Zeit in den Silberminen Tombstones gearbeitet und damals genug von Ike Clanton gehört, als daß er ihm noch ein Unbekannter hätte sein können. Im Gegenteil, er hatte ihn sogar gefürchtet, wie jeder andere in diesem Land. Nie wäre er damals auf den Gedanken gekommen, daß er selber einmal ein Gangster werden könnte, den die Leute dann auch fürchten mußten. Es war noch in Ikes »großen Zeiten« gewesen, als es dem Minenarbeiter Capona gelungen war, seinen Freund, den Cowboy Smith, dazu zu bewegen, auch in den Silberminen zu arbeiten, da es dort mehr Geld gab als auf den Ranches.

Obgleich Capona geglaubt hatte, Ike Clanton zu kennen, war er erst durch den Cowboy Smith näher mit der Gestalt des großen Bandenführers bekannt geworden. Denn der spitzgesichtige Smith hatte offenbar nichts anderes im Kopf als diesen Mann. Er sprach während der Arbeit in den Minen und abends in den Camps nur von ihm. Seit sie aber selbst auf dem Großen Trail waren, schien er dieses Thema vergessen zu haben.

Jetzt nun hatte er den Namen zum ersten Mal wieder erwähnt.

Deshalb war Capona unwillkürlich zusammengezuckt.

»Was ist mit Ike?« krächzte er.

»Was soll mit ihm sein?«

»Weshalb denkst du an ihn?«

»Ich weiß es nicht.«

»Was –?« Der Bandit starrte seinen Partner fassungslos an. »Du denkst an jemanden und weißt nicht, weshalb?«

»Mensch, weißt du jedesmal, wenn du beispielsweise an die rote Lou mit dem schielenden Blick denkst, weshalb du es tust?«

Capona winkte ärgerlich ab.

»Mann, das ist doch etwas anderes.«

»Nichts anderes, genau das gleiche.«

Es war eine Weile still, dann maulte Capona: »Was war mit Ike?« Er hatte es sehr leise gesagt.

Smith blickte ihn nicht an. Seine Augen brannten vom Starren in den flimmernden Sand.

»Ich dachte nur, was er jetzt machen würde.«

Capona war verblüfft. Nach einer halben Minute erklärte er:

»Du hättest Sid fragen sollen. Er wußte es doch immer…«

Smith sprang auf.

»Was fällt dir ein, Mensch! Wie kannst du es wagen, über meinen Bruder zu schimpfen?«

Capona dachte nicht daran, sich ebenfalls zu erheben. Es war ihm viel zu heiß, und jede Bewegung trieb einem den Schweiß aus den Poren.

»Schimpfen? Du mußt geistesgestört sein. Ich hätte mir einen anderen Partner für diesen Coup hier aussuchen sollen.«

Das brachte Smith wieder zu sich. Er ließ sich nieder und kauerte genau wieder so neben Capona wie vorher.

»Yeah, was er wohl jetzt machen würde, das habe ich mich gefragt, wenn du es durchaus wissen mußt.«

»Ich muß es nicht durchaus wissen«, kam es knurrend zurück.

»Du wolltest es aber wissen.«

»Vorhin ja.«

Minuten der Stille vergingen.

Nicht der leiseste Wind rührte sich, um vielleicht einen kühlenden Hauch über den Sand zu fächeln.

Die Hitze war brutal und lähmte den beiden Tramps die Gedanken. Mit brennenden Augen kauerten sie im Sand, krochen von Zeit zu Zeit dem wandernden Staudenschatten nach, um nicht in der Sonne zu braten, und hin und wieder wischte sich einer von ihnen den Schweiß aus dem Lederband des Hutes.

Nach einer weiteren halben Stunde richtete Capona sich etwas auf.

»Da!«

Der Laut schreckte seinen Kumpanen aus einer Art Halbschlaf heraus, in den die lähmende Hitze ihn versetzt hatte.

Smith schluckte.

»Was…?«

»Ich glaube, sie kommt!«

»Wer?« forschte der ehemalige Cowboy sinnloserweise.

»Die Overland.«

Sie hatten sich beide in kniende Stellung erhoben.

»Runter!« zischte Capona, so, als könnten die Leute, die da in der Ferne vor der winzigen Staubwolke über die Straße rollten, sie schon sehen – oder gar hören.

Flach lagen die beiden Wegelagerer nebeneinander auf dem Boden.

Die Staubwolke schien nicht größer zu werden, war aber immer noch zu sehen.

Längst hatte der winzige Schattenstreif die Körper der Tramps verlassen, und die durchschwitzten Hemden dunsteten in der prallen Sonne.

Die Staubwolke in der Ferne schien nicht näherzukommen.

Smith spürte, wie ihm der Schweiß salzig durch die Brauen in die Augen rann und das stechende Brennen noch verstärkte.

Capona starrte unverwandt nach Nordwesten auf die winzige gelbliche Staubwolke, die wie ein kleiner, luftiger Pilz aussah.

»Heavens, ich glaube, sie kommt nicht näher!« brach es endlich über seine Lippen.

»Eben!« krächzte Smith, »ich wette sogar, daß sich die Staubwolke verkleinert.«

»Unsinn! Da gibts keine andere Straße. Wer von Nordwesten kommt, muß nach Tombstone.«