Ritt nach Tocomac - William Mark - E-Book

Ritt nach Tocomac E-Book

William Mark

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Beschreibung

"Vor seinem Colt hatte selbst der Teufel Respekt!" (Mark Twain) Der Lieblingssatz des berühmten US Marshals: "Abenteuer? Ich habe sie nie gesucht. Weiß der Teufel wie es kam, dass sie immer dort waren, wohin ich ritt." Diese Romane müssen Sie als Western-Fan einfach lesen! Er hatte ein graues Gesicht und helle, seltsam stechende Augen. Sein Haar war kurz geschoren und irgendwie struppig. Er trug einen grauen Hut mit einer zerfledderten breiten Kante und schwacher Krone. Die untere Hälfte seines Gesichtes war mit grau-braunen Bartstoppeln nur so besät. Vom linken Auge zum Kinnwinkel hinunter zog sich eine scharfe Falte wie ein Kreidestrich. Das Hemd war kragenlos, und darüber saß ein graues­ fleckiges Halstuch. Er trug ein braunes Hemd, eine kurze braune Weste und eine graue, vielfache mit Flicken besetzte Hose. Unter dem Leibgurt trug er einen mit Patronenschlaufen besetzten Waffengurt, der tief über dem rechten Oberschenkel einen großen 38er Remington-Revolver hielt. Abgetragen war alles an ihm, waren auch seine hochhackigen Stiefel, die hinten mit rostigen Sternradsporen versehen waren. Schon seit Stunden saß er auf dem Vorbau von Bennys Barber Shop, hatte den Hut tief in die Stirn gezogen und schien mit offenen Augen zu schlafen. Oder wartete er auf die Overland, die drüben an der Wells Fargo Station eintreffen musste? Vielleicht wartete er auch auf jemanden, der hier nebenan im Saloon »Zum Gelben Baum« an der Theke stand? Clifford Scope stammte aus Ohio. Er war ein Einzelgänger und hatte sich schon in frühester Jugend für seinen Weg entschieden, nämlich für den Grauen Trail (Westernausdruck für Banditenlaufbahn). Schon mit knapp sechzehn Jahren hatte er am westlichen Stadtrand von Xenia (Ohio) in einer Vorstadtstraße eine kleine Bankfiliale überfallen und um siebenhundert Dollar beraubt. Es war ihm gelungen, unerkannt aus der Stadt zu entkommen. Er floh hinunter über Kentucky und Tennessy nach Arkansas, wo er in der Nähe von Hoxie eine Handelsstation überfiel und die Kasse mitgehen ließ. Auch da war es ihm gelungen, unerkannt zu entkommen. Von Arkansas führte der Weg des Banditen nach New Mexico hinunter.

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Wyatt Earp – 227 –

Ritt nach Tocomac

William Mark

Er hatte ein graues Gesicht und helle, seltsam stechende Augen. Sein Haar war kurz geschoren und irgendwie struppig. Er trug einen grauen Hut mit einer zerfledderten breiten Kante und schwacher Krone. Die untere Hälfte seines Gesichtes war mit grau-braunen Bartstoppeln nur so besät. Vom linken Auge zum Kinnwinkel hinunter zog sich eine scharfe Falte wie ein Kreidestrich. Das Hemd war kragenlos, und darüber saß ein graues­ fleckiges Halstuch. Er trug ein braunes Hemd, eine kurze braune Weste und eine graue, vielfache mit Flicken besetzte Hose. Unter dem Leibgurt trug er einen mit Patronenschlaufen besetzten Waffengurt, der tief über dem rechten Oberschenkel einen großen 38er Remington-Revolver hielt.

Abgetragen war alles an ihm, waren auch seine hochhackigen Stiefel, die hinten mit rostigen Sternradsporen versehen waren. Schon seit Stunden saß er auf dem Vorbau von Bennys Barber Shop, hatte den Hut tief in die Stirn gezogen und schien mit offenen Augen zu schlafen.

Oder wartete er auf die Overland, die drüben an der Wells Fargo Station eintreffen musste?

Vielleicht wartete er auch auf jemanden, der hier nebenan im Saloon »Zum Gelben Baum« an der Theke stand?

Niemand wäre jedoch auf die Wahrheit gekommen …

Clifford Scope stammte aus Ohio. Er war ein Einzelgänger und hatte sich schon in frühester Jugend für seinen Weg entschieden, nämlich für den Grauen Trail (Westernausdruck für Banditenlaufbahn). Schon mit knapp sechzehn Jahren hatte er am westlichen Stadtrand von Xenia (Ohio) in einer Vorstadtstraße eine kleine Bankfiliale überfallen und um siebenhundert Dollar beraubt. Es war ihm gelungen, unerkannt aus der Stadt zu entkommen.

Er floh hinunter über Kentucky und Tennessy nach Arkansas, wo er in der Nähe von Hoxie eine Handelsstation überfiel und die Kasse mitgehen ließ.

Auch da war es ihm gelungen, unerkannt zu entkommen.

Von Arkansas führte der Weg des Banditen nach New Mexico hinunter.

In Las Vegas startete er einen Überfall auf die Lions Bank, der in der Stadt unvergessen bleiben sollte. Der einzelne Mann drang am helllichten Tage mit einem Tuch über der unteren Hälfte seines Gesichtes und einem vorgehaltenen Revolver in das große Bankhaus ein, verriegelte die Tür hinter sich und steckte den Schlüssel ein, ging auf den Hauptkassierer zu, den er aufforderte, ihm die Ledertasche, die er ihm über das Schalterbrett warf, mit Geld zu füllen.

Aber der Schlag gegen die Lions Bank in Las Vegas sollte ihm nicht so reibungslos glücken wie die beiden anderen Überfälle.

Der sechzigjährige Kassierer Jim Cox füllte zwar die Tasche mit Geld, war aber geistesgegenwärtig genug, ihm dann ein offenes Geldscheinbündel ins Gesicht zu werfen.

Irritiert wich der Bandit zurück und schoss dann.

Der Alte jedoch war bereits in Deckung gegangen und hatte eine schwere Glocke in beiden Händen, mit der er gewaltig Alarm schlug.

Scope konnte zwar aus der Bank entkommen, wurde aber auf der Straße von zwei Männern, die die Alarmglocke offensichtlich kannten, gestellt.

Scope schoss den einen von ihnen nieder und verwunderte den zweiten.

Die beiden Männer kamen mit dem Leben davon.

In Players, etwas südlich von Roswell (New Mexico), brach er am hellen Morgen in die Western Union Bank ein und raubte vierhundert Dollar.

Das lag jetzt anderthalb Jahre zurück, und die Gelder, die er an sich hatte bringen können, waren natürlich längst verjubelt.

Weiter zog der Bandit durch New Mexico und landete in der kleinen Stadt Socorro an der Linie El Paso – Albuquerque.

Er hielt sich drei Tage in der Stadt auf, und nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass ein Überfall ebenso sinnlos wie gefährlich war, entschloss er sich dazu, einen kleinen Store in der Seitenstraße zu berauben. Natürlich erst, nachdem er die Möglichkeiten da genauestens ausgekundschaftet hatte.

Nur ein fünfzehnjähriges Mädchen hatte den Laden in den Nachmittagsstunden zu beaufsichtigen. Der Bandit schlug es mit dem Revolverlauf nieder, um mit der Kasse, die ganze vierunddreißig Dollar enthielt, zu flüchten.

In Sixpence – in der Nähe von Galup – raubte er wieder eine Bank aus, wobei ihm auch nicht sehr viele Dollars in die Finger fielen (nach Berichten der Bank waren es ganze siebenundvierzig Dollar, die der Kassierer gerade eingenommen hatte).

Schlechte Zeiten brachen für den Bankräuber an.

Er wanderte nach Süden und kam nach Lordsbourg, von wo aus er sich nach Arizona wandte.

Seit dem frühen Morgen war er hier in der kleinen Stadt Tipkin.

Und was er beobachtete, war nicht die Wells Fargo Station und auch nicht der Eingang des Gelben Baumes – sondern das Bankhaus der Gebrüder Morrison schräg gegenüber.

*

Neben dem mit zwei Geschossen verhältnismäßig großen Saloon »Zum Gelben Baum« stand ein kleiner eingeschossiger Holzbau, von dem ein verwittertes Schild in die Straße hinaushing, das die Aufschrift SHERIFF trug.

Es bestand nur aus einem einzigen Raum, der durch die drei Zellen noch sehr beengt wurde. Hinter einem kleinen Schreibtisch saß ein Mann Mitte der Dreißig mit hagerem Gesicht und dunklen Augen. Es war Richard Cahoun, der Sheriff. Er saß schon den ganzen Nachmittag hier auf einem Fleck und brütete vor sich hin.

Er hatte keineswegs den Mann entdeckt, der hier nebenan auf dem Vorbau saß, denn den konnte er von seinem Fenster aus ja gar nicht sehen. Seine Gedanken waren ganz woanders.

Sie waren bei einer mittelgroßen blonden Frau, die blassblaue Augen und ein mäßig hübsches Gesicht hatte.

Bei Ann Fleetwood.

Das Haus der Fleetwood stand schräg gegenüber neben Morrisons Bankhaus.

Der alte Fleetwood hatte eine Schmiede und war ein sehr fleißiger Mann.

Und dann richtete sich der Blick des Sheriffs auf das Nachbargebäude, auf das Bankhaus der Morrison-Brothers.

Aber es gab nur noch einen Morrison-Brother, nämlich Hugh, den einunddreißigjährigen, etwas rundlichen Jungen mit dem fröhlichen Gesicht. Sein Bruder Jim war vor vier Jahren bei einer Schießerei unten an der Ecke zur Livingstone Street ums Leben gekommen.

Zwar lebte der alte Morrison noch, aber er kümmerte sich so gut wie gar nicht mehr um die Bank, seit Hugh sie so schön in Schwung gebracht hatte. Der Alte hatte immer nur gekrautert und gekrautert, und von dem Tage an, da Hugh das Geschäft in die Hand genommen hatte, ging es wirklich bergauf. Sie hatten die Firmenbezeichnung auch nach Jims Tod so belassen: Morrison-Brothers.

Der Sheriff hatte die Unterlippe zwischen die Zähne gezogen und das linke Auge eingekniffen.

Wie er diesen Hugh Morrison, diesen aufgeputzten Trottel, hasste.

Dabei, wenn er ehrlich sein musste, war Hugh absolut kein Trottel. Er war ein sehr freundlicher, entgegenkommender Mensch, der auch ihm schon Geld geliehen hatte, obgleich er, der Sheriff, absolut keinerlei Sicherheiten hatte dafür bieten können. Was konnte ein Sheriff schließlich schon für Sicherheiten haben? Anstandslos hatte er ihm die gewünschte Summe ausgezahlt, und Cahoun hatte sie natürlich längst zurückgegeben.

Und auch sonst war Hugh Morrison kein übler Kerl. Er sang sonntags in der Kirche mit einer hübschen Baritonstimme zuweilen Lieder, die sicher nicht nur den Frauen gefielen, sondern denen auch die männlichen Kirchenbesucher andächtig lauschten.

Doch, man musste es ihm lassen, er war ein ganz passabler Bursche. Wenn er bloß nicht so scharf auf Ann Fleetwood gewesen wäre!

Drüben im Bankhaus hatte der junge Hugh Morrison soeben den alten Kassierer Lewis zur Tür gebracht und hinter ihm abgeschlossen. Der alte Bernard Lewis arbeitete schon unter seinem Vater in der Bank und war der treueste und zuverlässigste Angestellte von Hugh.

Mit müden Schritten ging Hugh in den Schalterraum, blieb in dessen Mitte stehen, wandte den Kopf und blickte auf die Straße hinüber auf das kleine, windschiefe staubige Sheriff-Office.

Wie er diesen Burschen da drüben hasste, diesen verdammten Sternschlepper, der nichts anderes im Kopfe zu haben schien als die Blacksmith-Tochter!

So hatte jeder seine Sorgen.

Denn auch Hugh Morrison war ebenso wie der Sheriff davon überzeugt, dass der Nebenbuhler der Glücklichere in der Gunst der umworbenen Frau sei.

Dabei hatte die junge Tochter des Schmiedes noch keinem der beiden irgendein Zeichen ihrer Gunst gegeben.

Es war gewissermaßen noch alles offen.

Aber jeder der beiden Männer war davon überzeugt, dass der andere bereits im Vorteil war.

In diesem Augenblick stand der Sheriff auf.

Weil nämlich ein Mann den Hof des Schmiedes betreten hatte.

Ein junger Mann, den er bisher noch nicht gesehen hatte. Langsam, ohne Hast, war er in den Hof gegangen, und als ihm da Ann entgegenkam, schob er sie in den Hof zurück und schloss das Tor hinter sich.

An der linken Schläfe des Sheriffs pochte eine große Ader.

Das war es also. Hugh war keineswegs der Glückliche, sondern irgendein Stranger, irgendein verdammter Fremder, der dem Sheriff bisher noch gar nicht aufgefallen war.

Und wie vertraut er mit Ann war, war an der Art und Weise zu sehen, in der er sie behandelte.

Würde ein Mann, der ein Mädchen gar nicht kannte, es etwa so in den Hof zurückschieben?

Der Sheriff ging zum Fenster und blickte hinaus.

Da – was war denn das?

War da nicht irgendetwas vom Hof des Schmiedes in den Hof des Bankhauses hinübergeflogen?

Der Argwohn des Sheriffs war geweckt.

Oder nur die Neugier.

Er verließ das Haus, überquerte die Straße und blieb am Hoftor der Morrison-Brothers stehen.

Da war alles still.

Da machte er ein paar Schritte vorwärts auf das Hoftor des Schmiedes zu und blickte durch eine Ritze zwischen den Bretterbohlen.

Was er da sah, ließ ihn der Tür sofort einen Tritt versetzen, und schon stand er im Hof.

Unweit von der Mauer zum Nachbarhof sah er einen menschlichen Körper am Boden liegen.

Es war das Mädchen.

Blut sickerte von ihrer Stirn in den gelb-braunen Sand.

Der Sheriff stand sekundenlang wie erstarrt da, dann rannte er hinaus und rief dem Schmied, der nebenan damit beschäftigt war, ein Pferd zu beschlagen, etwas zu.

Dann lief er zurück in den Hof und warf noch einen Blick auf das Mädchen.

Hell and devils! Jetzt war ihm einiges klar.

Der Mann, der in den Hof gekommen war, war keineswegs ein Freund von Ann Fleetwood gewesen, sondern ein Fremder, der sie niedergeschlagen hatte, um von hier aus in den Nachbarhof zu kommen.

Vergessen war die alte Feindschaft gegen Hugh Morrison. Er rannte los und stieß das Hoftor des Bankhauses auf.

*

Scope hatte so lange gewartet, bis er davon überzeugt war, dass sein Zeitpunkt gekommen war. Dann hatte er sich erhoben, seinen Platz verlassen und war langsam über die Straße geschlendert, um das Hoftor des Schmiedes aufzustoßen.

Er hatte sich alles lange und eingehend überlegt.

Nach seiner Ansicht wäre es unklug gewesen, gleich in das Bankhaus selbst einzudringen. Es wäre auch nicht klug gewesen zu versuchen, in den Hof der Bank zu kommen, um von dort das Haus zu erreichen.

So etwas machte ein erfahrener Mann wie Clifford Scope ganz anders.

Er suchte den Nachbarhof auf.

Dass es der Hof des Blacksmiths war, schien ihm ein Glücksumstand zu sein, denn der monotone Lärm, der aus der Schmiedewerkstatt drang, lenkte die Aufmerksamkeit der Vorübergehenden ab.

Jedenfalls war der Bandit davon überzeugt.

Dann spielte ihm das Schicksal einen bösen Streich. Als er nämlich das Tor des Schmiedehofes aufgestoßen hatte, kam ihm eine Frau entgegen.

Ann Fleetwood war gerade auf dem Wege zu ihrer Freundin gewesen, mit der sie zusammen ein Kleid nähte. Die beiden Mädchen fanden erst abends Zeit zu dieser Arbeit, da sie tagsüber in ihren Elternhäusern beschäftigt waren.

Als Ann hinaus wollte, stand plötzlich ein Mann vor ihr und schob sie rücksichtslos in den Hof hinein.

Noch ehe sie dazu kam, irgend etwas zu sagen, nahm er einen Revolver hoch und schlug ihr mit dem Lauf auf den Kopf.

Schwer betäubt brach sie zusammen.

Der Tramp schwang sich über die nicht sehr hohe Mauer in den Nachbarhof.

Zwar hatte ihn der Sheriff von draußen nicht genau erkennen können, wohl aber hatte er noch bemerkt, dass irgendetwas sich über die Mauer bewegte.

Der junge Bankier hatte seinen Platz am Fenster verlassen, als er plötzlich hinten an der Hoftür ein Geräusch hörte.

Er hatte kaum einen Schritt in den Korridor getan, als ihm von der Hoftür her etwas entgegensirrte, ihn mit einem dumpfen Schlag traf und zurückprallen ließ.

Es war ein Messer. Es hatte ihn in der Brust getroffen und zurückgeschleudert.

Mehr vor Angst als vor echtem Schmerz schwand dem Getroffenen das Bewusstsein. Er brach im Türrahmen in sich zusammen.

Der Mann, der ihm gegenüber natürlich den Vorteil gehabt hatte, dass er ihn durch das Licht aus dem Hof hatte deutlich erkennen können, lief über seinen Körper hinweg in den Schalterraum und machte sich daran, den noch nicht verschlossenen Tresor zu plündern.

Als er seine Ledertasche prall gefüllt hatte, lief er zur Tür, sprang über den Körper des immer noch reglos daliegenden Mannes hinweg – und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen.

Hinten auf der Schwelle der Tür stand ein Mann.

Jetzt war er es, der Bandit Clifford Scope aus Ohio, der in der ungünstigen Position stand: Er wurde geblendet durch das Licht, das an der Gestalt des anderen vorbeiflutete.

Und der andere konnte ihn klar und deutlich sehen.

Niemand wusste es besser als Scope. Und deshalb riss er blitzschnell seinen Revolver aus dem Halfter.

Aber in diesem Augenblick hatte auch der andere gezogen.

Zwei Schüsse krachten durch den Korridor.

Aber der unselige Richard Cahoun war kein so geübter Schütze wie der Desperado Clifford Scope.

Die Kugel des Sheriffs hatte dem Banditen nur den Hut vom Kopf gerissen, wohingegen das Geschoss des Verbrechers tödlich in die linke Brustseite des Gesetzeshüters von Tipkin drang.

Der Sheriff lebte nur noch wenige Sekunden, aber in diesen Sekunden kam drüben am anderen Ende des Korridors sein bisheriger Widersacher, der Bankier Morrison, zu sich. Er erhob sich und torkelte benommen vorwärts auf die Gestalt zu, die hinten auf der Schwelle der Hoftür lag.

Als er sah, wer da lag, wurde er mit einem Schlage wieder vollkommen klar.

Morrison bückte sich, zerrte den leblosen Körper des Sheriffs in sitzende Stellung und starrte in ein glanzlos gewordenes Augenpaar.

»Rick, zum Teufel, was ist passiert?«

»Der Bandit«, keuchte der Sheriff, »der Bandit, er hat doch auch Sie niedergemacht … Er …, er hinkt mit dem rechten Fuß.«

Da fiel der Kopf des Sheriffs zur rechten Schulter. Ein Blutfaden zog sich aus seinem Mund, und dann sackte er in sich zusammen.

Mit kalkweißem Gesicht erhob sich der Bankier und torkelte zurück. Er musste sich an den Wänden stützen, und als er den Eingang erreicht hatte, fand er den Schlüssel zur Tür nicht.

Da hieb er mit der bloßen Faust die Fensterscheibe durch, spannte seine blutenden Finger um die eisernen Trallen, die das Fenster vergitterten, und schrie hinaus:

»Hilfe!!«

*

Es war am nächsten Vormittag in der winzigen Ansiedlung Leonsville.

Ein Reiter, der auf einem hellen braunen Wallach saß, machte vor dem kleinen Generalstore Halt. Der Mann trug einen grauen Hut mit zerfledderter Krempe, ein missfarbenes Hemd und eine abgetragene braune Weste. Alles an ihm wirkte abgetragen. Sein Gesicht war hager, und die Augen hatten einen seltsam stechenden Ausdruck.

Es war der Desperado Clifford Scope, der da nach Leonsville gekommen war.

Der Mörder Scope.

Der Sheriffsmörder!

Er stieg aus dem Sattel, warf die Zügelleinen um den durchgehangenen Querholm und ging auf die beiden Stufen zu, die zum Vorbau des Stores hinaufführten.

Jetzt, als er ging, war deutlich zu sehen, dass er hinkte.

Es war das gleiche Hinken, das der Sheriff von Tipkin beobachtet hatte, als er den Mann auf das Hoftor des Black­smith hatte zugehen sehen.

Der Verbrecher hatte den Hof des Bankhauses durch die rückwärtige Tür verlassen, neben der sein Pferd bereitgestanden hatte.

Ohne Hast hatte er der Stadt den Rücken kehren können. Er war in einem Halbkreis nach Norden und dann nach Westen hinübergeritten, seiner ursprünglichen Absicht folgend, westwärts zu ziehen.

So war er in die kleine Ansiedlung Leonsville gekommen, in der er seine Vorräte aufzufüllen gedachte. Denn alles, was er jetzt hatte, war Geld. Nur Geld.

Scope hatte die Glastür aufgestoßen und blickte in den dämmrigen Verkaufsraum.

Drüben an dem langen Ladentisch, der quer durch den ganzen Store ging, stand ein hochgewachsener Mann mit breiten Schultern, schmalen Hüften und einer muskulösen Gestalt.

Er trug einen schwarzen ungekniffenen Stetsonhut, unter dessen breiter Krempe blau-schwarzes volles Haar hervorblickte. Sein Gesicht war tiefbraun von Wind und Wetter gefärbt, und unter leicht hochgeschwungenen Brauenbögen stand ein dunkelblaues Augenpaar, das von einem dichten langhaarigen Wimpernkranz umrankt war.

Der Mann trug ein graues Kattunhemd, eine schwarze, ordentlich gebundene Samtschleife und eine leichte schwarze Lederweste. Um die Hüften hatte er einen schweren Waffengurt aus dickem schwarzem Büffelleder, der an jeder Hüftseite einen schwarzknäufigen 45er Revolver hielt.

Die Waffe an der linken Hüfte musste einen überlangen Lauf haben. Nur der Kenner hätte in ihr einen jener seltenen Revolver vom Fabrikat Buntline-Special erkannt.

Der Mann trug schwarze enganliegende Levishosen, die unten über die Schäfte der mit texanischen Steppereien besetzten schwarzen Stiefel auslief. Große silberne Sternradsporen saßen hinten über den Hacken. Die braunen kantigen Hände des Fremden lagen eben auf einer neuen rot-schwarzen Satteldecke, die er mit einigen anderen Dingen gerade ausgesucht hatte.

Scope hatte den Ladentisch erreicht und klopfte ungeduldig mit einem Metallgegenstand, den er in der Linken hielt, auf das abgewetzte, blanke Holz.

Der alte Trader blickte unwillig auf.

»Was gibt’s denn, Mister, Sie sehen doch, ich bin noch beschäftigt.«

»Vielleicht bemerken Sie, dass ich hier bin«, erwiderte der Tramp schroff und spie dem Trader dann weiter entgegen:

»Ich habe es eilig!«

»Weiß ich, ob der Mann da es nicht auch eilig hat? Jedenfalls war er eine Viertelstunde vor Ihnen hier und wird erst abgefertigt.«

Da knurrte der Bandit:

»Ich werde zuerst abgefertigt, ist das klar? Und dann kommt der Gringo dran.«

Da wandte der »Gringo« den Kopf.

Betroffen blickte der Verbrecher in ein Augenpaar, das plötzlich etwas von der eisigen Farbe zugefrorener Bergseen angenommen zu haben schien.

Irgendetwas ging von diesen Augen aus, das einen Bann, eine Art Krampf über ihn warf wie ein stählernes Netz.

Wie hypnotisiert stand er da und stierte in diese Augen.