Um rotes Land - William Mark - E-Book

Um rotes Land E-Book

William Mark

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Beschreibung

"Vor seinem Colt hatte selbst der Teufel Respekt!" (Mark Twain) Der Lieblingssatz des berühmten US Marshals: "Abenteuer? Ich habe sie nie gesucht. Weiß der Teufel wie es kam, dass sie immer dort waren, wohin ich ritt." Diese Romane müssen Sie als Western-Fan einfach lesen! Es regnete seit Tagen. Die gewaltigen Gipfel der Rocky ­Mountains verschwammen im düsteren Schwarzgrau. Wie aus Kübeln rann das Wasser von den Vorbaudächern und grub tiefe scharfe Rinnen neben den Stepwalkbohlen in die Erde. Über die aufgeweichte Straße stampfte ein Mann auf das Sheriff-Office zu. Einmal stolperte er und fiel der Länge nach mitten in eine große Pfütze. Keuchend erhob er sich und watete weiter vorwärts durch den Schlamm. Die Mainstreet der kleinen Coloradostadt Rockwood war sehr breit. Obgleich der Mann den kürzesten Weg hinüber gesucht hatte, war er durch und durch naß, als er drüben die schützenden Vorbaudächer erreichte. But Lumberace, der Sheriff, hob den Kopf und blickte mit zusammengezogenen Brauen dem Mann entgegen, der eben jetzt triefend vor Nässe ins Office stürzte. »Sheriff!« hechelte der Mann. »Sie müssen sofort kommen! In Jim Wolleys Saloon ist die Hölle los!« Lumberace, ein drahtiger, hartgesichtiger Mann in den Vierzigern fuhr sich durch sein angegrautes stoppeliges Haar und fragte gelassen: »Was gibt's denn, Mister?« Der andere riß sich den Hut vom Kopf und schleuderte die Regentropfen ab. Es war ein mittelgroßer Mann. Er hatte ein fleischiges rotes Gesicht, helle Augen und einen martialischen Schnurrbart. Seine Lederjacke war neu und gutgeschnitten. Ebenso schien die Hose und die Stiefel noch ziemlich neu zu sein. Um die Hüfte trug er einen patronengespickten Waffengurt, der an der rechten Seite einen Colt vom Kaliber Western 44 hielt.

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Wyatt Earp – 274 –

Um rotes Land

William Mark

Es regnete seit Tagen.

Die gewaltigen Gipfel der Rocky ­Mountains verschwammen im düsteren Schwarzgrau. Wie aus Kübeln rann das Wasser von den Vorbaudächern und grub tiefe scharfe Rinnen neben den Stepwalkbohlen in die Erde.

Über die aufgeweichte Straße stampfte ein Mann auf das Sheriff-Office zu. Einmal stolperte er und fiel der Länge nach mitten in eine große Pfütze. Keuchend erhob er sich und watete weiter vorwärts durch den Schlamm.

Die Mainstreet der kleinen Coloradostadt Rockwood war sehr breit. Obgleich der Mann den kürzesten Weg hinüber gesucht hatte, war er durch und durch naß, als er drüben die schützenden Vorbaudächer erreichte.

But Lumberace, der Sheriff, hob den Kopf und blickte mit zusammengezogenen Brauen dem Mann entgegen, der eben jetzt triefend vor Nässe ins Office stürzte.

»Sheriff!« hechelte der Mann. »Sie müssen sofort kommen! In Jim Wolleys Saloon ist die Hölle los!«

Lumberace, ein drahtiger, hartgesichtiger Mann in den Vierzigern fuhr sich durch sein angegrautes stoppeliges Haar und fragte gelassen: »Was gibt’s denn, Mister?«

Der andere riß sich den Hut vom Kopf und schleuderte die Regentropfen ab. Es war ein mittelgroßer Mann. Er hatte ein fleischiges rotes Gesicht, helle Augen und einen martialischen Schnurrbart. Seine Lederjacke war neu und gutgeschnitten. Ebenso schien die Hose und die Stiefel noch ziemlich neu zu sein. Um die Hüfte trug er einen patronengespickten Waffengurt, der an der rechten Seite einen Colt vom Kaliber Western 44 hielt.

»Was es gibt?« fragte der Mann fast fauchend. »Kommen Sie mit, dann zeige ich es Ihnen!«

Gelassen drehte sich Lumberace eine Zigarette, riß ein Zündholz unter der Tischkante an und sog eine dicke weißblaue Tabakwolke aus dem Glimmstengel. »Keine Aufregung, Mister –«

»Vanguard ist mein Name, Tom Vanguard!« rief der Mann und schob sich den grauen Stetson wieder auf das strähnige Haar. »Wir saßen in Wolleys Saloon und pokerten, als plötzlich ein Mann hereinkam. Ein ­langer, hagerer Kerl, dreißig vielleicht, blondhaarig und mit Händen wie ein Holzfäller oben aus den Bergen. Er trägt in seinem Dopppelgurt zwei schwere Colts…«

»Sind noch andere Leute im Saloon?« fragte der Sheriff gleichmütig.

»Ja!« knurrte der Mann an der Tür. »Wenigstens noch ein Dutzend Männer.«

»Und weiter? Wieso soll die Hölle los sein?«

»Der Kerl wandte sich plötzlich mit dem Rücken gegen die Theke, zog einen Fuß an und stemmte ihn an das Tresenholz. Dann fing er an, uns zu beschimpfen. Dabei blieb es nicht. Er kam an den Tisch und stieß meinen Freund Clint Jeffries an, und einen Augenblick später war die Schlägerei im Gange. Der Kerl ist bärenstark und wild wie ein Puma. Selbst Sam Coppers konnte ihn nicht aufhalten.«

»Wer ist Sam Coppers?« erkundigte sich der Sheriff ohne Hast.

»Unser Boß. Wir sind Landmesser, Sir. Verstehen Sie, Leute, die arbeiten!«

»Sieh an!« spöttelte Lumberace. »Gibt es so was auch?«

»Kommen Sie nun mit?«

»Weshalb nicht?« Langsam erhob sich der Sheriff, und während er den Hut vom Bord nahm und sich den Waffengurt von der Stuhllehne angelte, meinte er: »Sie müssen das einsehen, Mister Vanguard. Hier ist immer die Hölle los. Jedenfalls sagen das die Leute, die hier hereinkommen. Jeden Tag knistert es irgendwo in diesem verdammten Bergnest. Die Leute, die ich nicht kenne, muß ich erst anhören. Ich habe schließlich keine Lust, auf jedes Hundegebell meinen Bau bei diesem Wetter zu verlassen.« Er warf einen betrübten Blick zur Wanduhr. »Schade, in einer halben Stunde hätte mein Deputy hier gesessen, und ich wäre daheim und könnte die Stiefel ausziehen und die Beine von mir strecken.«

Der Landmesser verzog das Gesicht, als habe er auf eine Schlehe gebissen.

Lumberace grinste trübe, als er zur Tür ging. Er hatte auf einmal ein sehr altes und müdes Gesicht. »Die Leute sagen immer: In Kansas dampft es. Schön und gut. Deshalb bin ich damals nach Colorado gegangen. Aber Sie können mir glauben, Mister: Hier qualmt es…« Damit stieß der Sheriff die Tür auf und ging mit harten Schritten hinaus.

Der Regen hatte noch nicht nachgelassen, und obwohl es erst sechs Uhr am Nachmittag war, sah es aus, als wolle die Nacht schon hereinbrechen.

Als die beiden Männer die Straßenmitte erreicht hatten, flog drüben die mit Buntpapier verklebte Glastür des Saloons auf, und ein Mann stolperte über den Vorbau auf die Straße. Er stürzte und blieb mitten in einer riesigen Pfütze vor den Stepwalks liegen.

Der Landmesser war stehengeblieben.

»Jeffries!«

Gleich darauf wurde noch ein Mann durch die Tür gestoßen, und zwar mit solcher Wucht, daß er noch zwei Yards weiter als der erste im Straßenmatsch landete.

»Coppers«, sagte der Sheriff gelassen.

»Yeah!« knurrte der Landmesser. »Coppers!« Dann starrten sie beide zu dem Mann hinauf, der oben in der Saloontür erschien, einen Revolver in der Hand hatte und zwei Schüsse abfeuerte.

Dicht neben den Köpfen der Gestürzten schlugen die Geschosse in die Erde.

Lumberaces Rechte tastete zum Colt.

Da rief der Mann oben in der Saloontür: »Lassen Sie die Kanone stecken, Sheriff, sonst wird Sie meine nächste Kugel besuchen!«

Der Sheriff sah mit halbgeschlossenen Augen zu dem Mann hinauf. »Was wollen Sie hier, Oakland?«

»Was ich hier will?« röhrte der riesige, hagere Bursche aufgebracht. »Diese Kerle da fertigmachen! Sie haben oben Pfähle mit gelben Köpfen in mein Land gesteckt. Ich werde sie fertigmachen, diese Banditen. Landmesser! Ha, wo gibt es so was? Mein Land abstecken und an die Roten vergeben! Das ist das Verrückteste, was ich je gehört habe! Neun Jahre habe ich den steinigen Boden oben auf dem Plateau bearbeitet. Und jetzt kommen so ein paar Verrückte daher und wollen das Land abstecken, weil sie es den Indianern geben wollen.«

Lumberace behielt die Hand in der Nähe des Coltgriffs. »Die Leute tun nichts als ihre Pflicht, Oakland. Nicht sie haben bestimmt, wo das Navajo-Reservat liegen soll, sondern die Regierung.«

»Die Regierung?« fragte der Riese grölend. »Was habe ich mit der Regierung zu schaffen? Die hat sich nicht bei mir angemeldet. Ich habe es mit diesen drei Banditen zu tun, die Pfähle in mein Land gesteckt haben!« Wieder bellte ein Schuß auf und riß ein Loch in den ledernen Jackenärmel Sam Coppers’.

Blitzschnell sprang Coppers auf. In seinen Augen funkelte der Zorn. »Oakland, wenn Sie noch einen Schuß abgeben…«

Der Schuß fiel und zerfetzte den anderen Jackenärmel des Landmessers.

Da umkrampfte die braune Faust Lumberaces den Colt.

Oakland setzte ihm eine Kugel genau vor die linke Stiefelspitze. »Stopp, Sheriff! Ich durchlöchere euch alle miteinander, ihr Halunken! Einer ist von euch so gut wie der andere!«

Oakland hatte auch den linken Colt aus dem Halfter gerissen. Breitbeinig und den Oberkörper ein wenig vorgeneigt, stand er da. Eine geballte Ladung von Zorn und Kraft.

»Fertigmachen werde ich euch und jeden der…«

»Zwei helle Revolverschüsse peitschten über die graue Mainstreet. Fast hatten sie sich wie ein einziger Schuß angehört.

Die beiden Colts waren Oakland aus den Händen gerissen worden und lagen einige Yards neben ihm auf den nassen Vorbaubohlen.

Der Riese wandte langsam den Kopf. Mit ungläubigem Gesicht sah er dahin, wohin auch die anderen Männer sahen.

Etwa fünfzehn Yards entfernt hielt mitten auf der Mainstreet ein Reiter. Ein hochgewachsener breitschultriger Mann. Er saß auf einem Falben und hatte in der linken Faust einen langläufigen Buntline Revolver, aus dessen Mündung ein dünner Rauchfaden kroch.

Aus dem Saloon waren hinter Oakland noch andere Männer getreten, die es aber nicht gewagt hatten, sich gegen den Riesen zu stellen. Sie alle, auch die Landmesser und der Sheriff, starrten den fremden Reiter fassungslos an. Wer war der Mann? Was hatte er da gewagt? Den gefährlichen Pat Oakland hatte er angegriffen. Und wie. Mit zwei Meisterschüssen.

Oakland öffnete die Lippen und bellte heiser: »He, was war das, Brother?«

Der Reiter ließ den Colt in das sehr tiefhängende Halfter gleiten, ritt auf den Vorbau zu und sprang vom Pferd. Ruhig schlang er die Zügelleine um den Querholm und betrat den Vorbau.

Er war ein großer, sehniger Mann mit ernstem tiefgebräuntem Gesicht und seltsam eindrucksvollen Augen. Er trug einen schwarzen Hut, von dessen breiter Krempe in kleinen Bächen der Regen rann. Um seine Schultern hing ein breiter Cleveland, einer jener Regenumhänge, wie sie auch die Männer draußen auf der Weide trugen.

Oakland starrte den Fremden an wie ein Gespenst.

Der kümmerte sich nicht um ihn, ging mit harten Schritten an ihm vorbei auf die Saloontür zu.

Scheu wichen die Männer zur Seite.

Jetzt erst kam Bewegung in die anderen. Die beiden Landmesser erhoben sich und gingen zusammen mit dem Sheriff und ihrem Kameraden Vanguard auf den Vorbau zu.

»Halt!« dröhnte ihnen da die Stimme Oaklands entgegen. »Ich zerquetsche euch, Leute!« Er breitete die Arme aus und zog sie zusammen. »Ich werde euch zermalmen, ihr verdammten Maulwürfe! Bleibt auf der Straße! Ich bin in Fahrt, verlaßt euch drauf!«

Unwillkürlich waren die vier Männer stehengebleiben.

Da fühlte Oakland, wie ihm jemand auf die Schulter tippte.

Er hatte in diesem Moment vor Ärger die Augen verdreht und seine riesigen Hände zu Fäusten geballt.

Langsam wandte er sich um und blickte in das ruhige, harte Gesicht des Fremden, der ihm die Colts aus den Händen geschossen hatte.

»By Gosh!« stieß er heiser hervor. »Er ist schon wieder da!«

Da versetzte der Fremde mit sonorer Stimme: »Brother, ich will hier zu Abend essen und kann es nun einmal nicht leiden, wenn dabei geschossen, gebrüllt oder geschlagen wird. Klar?«

Oakland richtete sich auf. Sein Mienenspiel war einfach unbeschreiblich. Plötzlich stieß er den Kopf vor. »Mann, verschwinden Sie, sonst breche ich Ihnen das Genick! Ich bin der Rancher Pat Oakland, verstanden!«

Ein kleines Lächeln zuckte um die Mundwinkel des Fremden. »Hören Sie, Mister Oakland. Ich habe Hunger. Und wenn Sie jetzt keine Ruhe geben, gebe ich sie Ihnen.« Er wollte sich umwenden und zum Saloon zurückgehen.

Da packte ihn der Riese an der Schulter und riß ihn herum. Ein pfeifender Schwinger zischte über den abgeduckten Kopf des Fremden.

Unter dem lang ausgstreckten rechten Arm Oaklands her krachte ein linker Uppercut an den Kinnwinkel des Tobenden. Er riß den Mann sofort von den Beinen.

Und ganz plötzlich war alles vorüber. Die angespannte Stimmung löste sich. Die Männer bewegten sich wieder, redeten miteinander und blickten hinter dem Fremden her, der jetzt im Saloon verschwand, auf die Theke zuging und nach dem Wirt rief.

Jim Wolley war auch draußen gewesen. Eilends kam er näher.

Der Fremde blickte ihn kühl an. »Kann ich ein Abendessen bei Ihnen bekommen?«

»Natürlich. Was möchten Sie haben, Mister?«

»Kartoffeln, Eier, Bohnen und ein Steak.«

»All right, in einer Viertelstunde. Ich muß nur in der Küche Bescheid sagen. Meine Frau wird das größte Steak heraussuchen, schätze ich, Mister.« Grinsend schob er davon.

Der Fremde sah sich kurz um und ging dann auf einen Tisch am Fenster zu.

Plötzlich sah er den Sheriff vor sich.

»Hallo, Mister –«

Der Fremde blickte auf. »Hallo!« grüßte er ziemlich uninteressiert.

Der Sheriff steckte die Daumen in den Waffengurt. »Das haben Sie gut gemacht. Pat Oakland ist ein verdammter Raufbold.«

»Hab’ ich gar nicht bemerkt.«

»Viel Zeit dazu haben Sie ihm ja auch nicht gelassen. Überhaupt scheinen Sie mir verdammt schnell mit dem Colt und auch mit der Faust zu sein.«

»Möglich.«

»Wo kommen Sie her?«

»Aus Kansas.«

»Woher?«

Da zog der Fremde die Brauen zusammen. »He, Sheriff! Wenn das ein Verhör werden soll, dann schlage ich vor, Sie warten damit, bis ich gegessen habe. Vor dem Essen ärgere ich mich nicht gerne.«

»Ah, es ärgert Sie also, wenn ich Ihnen ein wenig auf den Zahn fühle?«

»Nein. Aber es mißfällt mir, wenn ich sehe, wie zwei Leute von einem einzelnen Mann in den Schlamm einer aufgeweichten Straße geworfen werden. Und es ärgert mich entschieden, wenn dieser Mann weitere Männer bedroht, und der Sheriff ihn gewähren läßt. Und wenn der gleiche Sheriff dann noch den Nerv hat, mich wie einen Landstreicher zu verhören, dann werde ich grob. Das wär’s.«

Der Sheriff spreitze die Beine und mühte sich, hart und gefährlich zu wirken. »Das war ein feiner Vortrag, Fremder. Nun will ich Ihnen mal was sagen: Ich halte Sie für einen Revolvermann. Hier in den Bergen zieht keiner so schnell seinen Colt. Sie sagen, daß Sie aus Kansas kommen. Das mag stimmen, kann aber auch eine Lüge sein. Es ist mir einerlei. Jedenfalls fordere ich Sie auf, die Stadt so schnell wie möglich wieder zu verlassen. Wir können hier keine Revolvermänner gebrauchen.«

Da flog ein kleines überlegenes Lächeln um die Mundwinkel des Fremden. »Sie machen mir Spaß, Sheriff. Sie stehen dabei, wenn Leute verprügelt werden, sehen zu, wie geschossen wird und rühren sich nicht, wenn Sie selbst bedroht werden.«

»Yeah – das ist richtig!« mischte sich Tom Vanguard, der Landmesser, ein. Er trat an den Fremden heran und reichte ihm die Hand. »Mister, ich möchte mich bei Ihnen bedanken. Wenn Sie nicht eingegriffen hätten, wäre es schlimm geworden.«

»Das ist wahr!« rief Clint Jeffries.

Auch Sam Coppers trat an den Tisch. »Tom hat recht, Mister. Sie waren der einzige vernünftige Mensch in dieser Stunde. Wir laden Sie zu einem Drink ein.«

»Danke«, lehnte der Fremde ab. »Ich trinke nicht.«

Der Sheriff grinste. »Ein Revolvermann, ich sagte es ja. Die trinken erst, wenn die Luft rein ist.«

»Das wird vermutlich der Fall sein, wenn Sie sich in Ihren Bau verkrochen haben, Sheriff!«

Tom Vanguard setzte sich neben den Fremden. »Ärgern Sie sich nicht, Mister. Der Sheriff ist eine Eule. Er ist etwas müde geworden hier oben in den Mountains. Aber er meinte es nicht so. Wahrscheinlich hat er wohl allerhand Ärger mit Revolverschwingern hier gehabt, und…«

»Auseinander!« Der scharfe Ruf kam von der Tür her.

Die Männer fuhren herum.

Drüben in der offenen Glastür stand der riesige Rancher Oakland. In seiner Rechten blinkte der Colt.

Augenblicklich spritzten die Männer im Schankraum auseinander und bildeten eine breite Gasse von der Tür zu dem Tisch hin, an dem der Fremde jetzt ganz allein saß.

Mit glasigen Augen sah Oakland in den Saloon. Dann heftete er seinen Blick auf den Fremden.

»Steh auf, Brother. Wir wollen unsere Rechnung ausgleichen.«

Der Fremde blieb sitzen.

»Steh auf!« brüllte der Mann an der Tür in jähem Zorn.

Im Schankraum herrschte knisternde Stille.

Nur etwa acht Yards lagen zwischen Pat Oakland und dem Fremden.

»Steh auf, Brother!« röhrte der Rancher noch einmal.

Da erhob sich der Fremde langsam und ging zum Entsetzen der Anwesenden langsam auf den zornrauchenden Mann an der Tür zu.

»Halt!« brüllte Oakland, als der Fremde etwa die Hälfte der Distanz durchmessen hatte.

Aber der ging weiter.

Oakland stieß den Colt vor »Halt!«

Da stand der Fremde ganz dicht vor ihm, blickte ihm mit eisigen Kälte in die Augen und hatte plötzlich seine Linke um den Colt Oaklands gespannt. Ein Ruck, und die Waffe war in seiner Faust. Ohne den Rancher aus den Augen zu lassen, ließ er mit hartem Klicken die Trommel rotieren und die sechs Patronen aus den Kammern fallen. Er hatte den leeren Colt in der Linken und wog die Patronen spielerisch in der Rechten; dann ließ er die mattschimmernden Bleigeschosse auf einmal in Oaklands offenstehende Jakkentasche gleiten. Mit einer schnellen Bewegung steckte er dem völlig Überrumpelten den Colt wieder ins Halfter zurück. »Ich möchte jetzt essen, Freund. Sie sollten sich auch etwas gönnen. In der Küche sind die Frauen gerade dabei, ein Steak rauszuschneiden…«

Der Rancher stieß die Luft geräuschvoll durch die Nase aus und blickte fassungslos in das harte tiefgebräunte Gesicht des Fremden; dann machte er auf dem Absatz kehrt und ging nach draußen.

Der Fremde schloß mit ruhigen Bewegungen die Tür und ging zu seinem Platz zurück.

Die Stille im Raum barst auseinander.

Die drei Landmesser stürmten auf den Fremden zu.

Sam Coppers streckte ihm die Hand entgegen. »Mister! Das war großartig!«

Auch Vanguard und Jeffries reichten dem Mann die Hand.

Vanguard wandte sich nach dem Sheriff um. »So was habt ihr hier noch nicht gesehen, was? Auch solche Leute gibt es. Männer, die etwas wagen, die das Herz auf dem rechten Fleck haben, die nicht davonlaufen, wenn ein Revolver auf sie gerichtet ist!«

Das Gesicht des Sheriffs war quittengelb vor Ärger geworden. Steif stand er da und starrte auf den Fremden. »Eben«, knurrte er dann. »Es bestätigt meine Annahme: Er ist ein Revolvermann. Ein normaler Mensch läuft nicht in die Schußlinie eines Colts hinein.«

»Wie ist Ihr Name, Mister?« wollte Coppers wissen.

»Earp«, versetzte der Fremde.

Die Männer blickten ihn verblüfft an.

»Earp?« fragte Coppers. »Wie der berühmte Marshal drüben in Kansas?«

»Genau so«, antwortete er Fremde gleichmütig. »Ich komme aus Wichita.«

»Hey, das ist ein Name, Mister! Er paßt zu Ihnen.« Sam Coppers drückte ihm noch einmal die Hand.

»Earp!« höhnte der Sheriff. »Auch das noch! Legt sich den Namen eines Marshals zu. Alles Bluff!«

»Sheriff!« maulte Vanguard. »Lassen Sie den Mann zufrieden. Sie sehen doch wohl, daß gerade das Essen gebracht wird.«

Die drei Landmesser setzten sich unaufgefordert mit an den Tisch. Zweifellos wären ihre Augen groß und rund geworden, wenn der Fremde die Jacke auf der linken Brustseite zurückgenommen hätte und sie den silbernen Marshalstern hätten sehen können; wenn sie gewußt hätten, daß er tatsächlich niemand anders war als Wyatt Earp selbst.

»Mister Earp«, begann Coppers, nachdem ihm alle drei einen guten Appetit gewünscht hatten. »Wir sind Landmesser. Wir haben hier oben auf dem Navajo-Plateau Land abzustecken.«

Wyatt hob den Blick. »Im Auftrage der Regierung?«

»Natürlich.« Coppers holte einige zerknitterte Papiere hervor, die ihn als Vermessungs-Ingenieur auswiesen.

»Sie wollen Indianer-Land abstekken?«

»Richtig, die Reservationen sollen endlich festgelegt werden, damit die Rothäute wissen, wohin sie gehören. Natürlich paßt es manchen Leuten nicht, daß bei dieser Gelegenheit ein Teil ihres Weidelandes verlorgengeht. Dabei bekommen sie diese Landstücke an einer anderen Ecke zurück. Die Regierung will schließlich nichts geschenkt haben.«

Wyatt aß und blickte nachdenklich über den Rand seines Tellers.

Da meinte Vanguard halblaut: »Wir können Sie gebrauchen, Mister Earp.«

»Ja, unsere Truppe ist klein…«, fand Jeffries.

»Ich bin kein Landmesser, Gents!« erklärte Wyatt.

»Ist auch nicht nötig. Wir brauchen einen Mann, der Mut hat und der mit dem Revolver umgehen kann.«

»Hm. Schätze, daß es Ihnen dreien an Mut kaum fehlen wird. Und mit dem Colt können Sie bestimmt selbst umgehen.«

»Äh!« machte Jeffries. »Alles nur Durchschnitt bei uns. Sie haben es ja gesehen. Wenn ein härterer Bursche kommt, liegen wir im Dreck.«

Wyatt schwieg.

Die drei redeten ununterbrochen auf ihn ein.

Schließlich meinte Coppers: »Wenn Sie also jetzt Zeit haben, biete ich Ihnen einen richtigen Job. Sie sind ein großartiger Schütze. Und wir brauchen einen Fleischmacher. Einen Mann, der uns mit Fleisch versorgt, wenn wir unterwegs sind. Wir haben bei der Arbeit keine Zeit, uns auch noch Wild zu schießen. Das hält kollossal auf. Jeffries hat es bisher noch nebenbei besorgt, aber das geht nicht so weiter. Wir sind ohnehin zu wenig Leute.«

»Weshalb eigentlich?« forschte Wyatt.

Coppers zuckte die Schultern. »Weiß ich nicht genau. Es gibt wahrscheinlich nicht genug Landmesser.«

»Aber dann hätte man Ihnen doch eine kleine Wachmannschaft mitgeben können?«

»Sicher. Vielleicht aber war man in Washington, woher ja die Direktive kommt, der Ansicht, daß ein zu starker Trupp unter Umständen zu viel Aufsehen im Land erregt.«

Wyatt aß weiter. Als er sein Mahl beendet hatte, zündete er sich eine schwarze Zigarre an, lehnte sich zurück gegen die Stuhllehne und blickte durch die blauen Tabakwolken die drei Männer forschend an.

Er hätte schon Zeit gehabt, den Job anzunehmen, doch in den Wintermonaten war unten in Wichita nichts los. In dieser Jahreszeit quittierte er den Job als Marshal und zog umher. Meist nach Colorado in die Rocky Mountains, wo er in Holzfäller-Lagern arbeitete, oder hinauf nach Dakota, wo er als Shotgun (Gewehrschütze) Postkutschen auf der Linie Rapid City – Timberlake begleitete. Schließlich war er ein junger Mann und wollte wie jeder in diesem Lande Dollar machen.

Coppers erklärte, daß er ein Reservat für die Navajos abstecken müsse. Er breitete Karten auf dem Tisch aus und erklärte Wyatt das Ausmaß der Vermessung und die Arbeitsvorgänge.

»Alles in allem eine harte Arbeit, Mister Earp. Und wie gesagt: Wir sind nur zu dritt. Wenn Sie mitmachen, als Jäger und als Beschützer unseres Teams, könnte ich Ihnen 180 Dollar zahlen.«

»Für welche Zeit?«

»Für die Absteckung dieses Reservats. Danach machen wir eine Pause und reiten nach Syracuse. Von dort geht’s mit der Bahn nach Osten. Den nächsten Auftrag kennen wir noch nicht.«

»Wie lange werden Sie für die Arbeiten brauchen?« wollte Wyatt wissen.