Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 180000 Büchern ab EUR 3,99 monatlich.
"Vor seinem Colt hatte selbst der Teufel Respekt!" (Mark Twain) Der Lieblingssatz des berühmten US Marshals: "Abenteuer? Ich habe sie nie gesucht. Weiß der Teufel wie es kam, dass sie immer dort waren, wohin ich ritt." Diese Romane müssen Sie als Western-Fan einfach lesen! Freunde, dies ist die Geschichte eines seltsamen Mannes. Sein Name ist Doc John Holliday. Er klingt alltäglich, dieser Name, und doch ist mit ihm die zur Legende gewordene Story eines Mannes verbunden, der neben Wyatt Earp die bedeutendste Erscheinung des Wilden Westens war. Aber dieser John Holliday war ein völlig anderer Mensch als Wyatt Earp. Er war kein Mann, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, um jeden Preis für das Gesetz zu kämpfen. Er war ein Abenteurer von der härtesten Sorte. Nicht einmal eine positive Figur. Leider nicht. Das Schicksal, das ihm eine geradezu traumhaft schnelle Schießhand verliehen hatte, war rauh mit ihm umgegangen. Er war kein Sonntagskind, der wirklich studierte Doktor und große Spieler John Holliday. Im Gegenteil, er zählte zu der Legion der Ausgestoßenen. Wie er in das Leben des berühmten Policeofficers Wyatt Earp verstrickt wurde, erzählt die nachfolgende Geschichte. Es ist ein Kuriosum, wie es sich das Leben manchmal aussucht: Ausgerechnet der große Marshal Wyatt Earp geriet an den bedeutendsten Mann von der Gegenseite, an den Spieler Holliday; und ein launiges, seltsames Geschick wollte es, daß Wyatt nicht der Feind des gefährlichen Revolverschützen Holliday wurde. Im Gegenteil: Zum Entsetzen seiner Bewunderer wurde Wyatt sein Freund. Am 18. Mai 1876 traf Wyatt Earp aus Wichita in der größten Treibherdenstadt des Westens, in Dodge, ein. Er hatte seinen Job in Wichita aufgegeben, da dort keine Bahnlinie lag und es dort ruhiger wurde und weil ihm der Stadtrat von Dodge City den Posten des dortigen Marshals angeboten hatte. An diesem Tage begann eine Freundschaft zwischen den beiden Männern, die über ein höllisches Jahrzehnt hinweg bis zum bitteren Ende währen sollte. Eine merkwürdig stumme, trotzige Freundschaft, die immer wieder in Gefahr war, die dem Marshal viel Sorgen und Ärger bereiten sollte, die aber in der Morgenfrühe des 26. Okotober 1881 unten in der Silverstadt Tombstone ihre historische Bewährung finden sollte.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 171
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Freunde, dies ist die Geschichte eines seltsamen Mannes. Sein Name ist Doc John Holliday. Er klingt alltäglich, dieser Name, und doch ist mit ihm die zur Legende gewordene Story eines Mannes verbunden, der neben Wyatt Earp die bedeutendste Erscheinung des Wilden Westens war. Aber dieser John Holliday war ein völlig anderer Mensch als Wyatt Earp. Er war kein Mann, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, um jeden Preis für das Gesetz zu kämpfen. Er war ein Abenteurer von der härtesten Sorte. Nicht einmal eine positive Figur. Leider nicht. Das Schicksal, das ihm eine geradezu traumhaft schnelle Schießhand verliehen hatte, war rauh mit ihm umgegangen. Er war kein Sonntagskind, der wirklich studierte Doktor und große Spieler John Holliday. Im Gegenteil, er zählte zu der Legion der Ausgestoßenen. Wie er in das Leben des berühmten Policeofficers Wyatt Earp verstrickt wurde, erzählt die nachfolgende Geschichte. Es ist ein Kuriosum, wie es sich das Leben manchmal aussucht: Ausgerechnet der große Marshal Wyatt Earp geriet an den bedeutendsten Mann von der Gegenseite, an den Spieler Holliday; und ein launiges, seltsames Geschick wollte es, daß Wyatt nicht der Feind des gefährlichen Revolverschützen Holliday wurde. Im Gegenteil: Zum Entsetzen seiner Bewunderer wurde Wyatt sein Freund.
Am 18. Mai 1876 traf Wyatt Earp aus Wichita in der größten Treibherdenstadt des Westens, in Dodge, ein. Er hatte seinen Job in Wichita aufgegeben, da dort keine Bahnlinie lag und es dort ruhiger wurde und weil ihm der Stadtrat von Dodge City den Posten des dortigen Marshals angeboten hatte. An diesem Tage begann eine Freundschaft zwischen den beiden Männern, die über ein höllisches Jahrzehnt hinweg bis zum bitteren Ende währen sollte. Eine merkwürdig stumme, trotzige Freundschaft, die immer wieder in Gefahr war, die dem Marshal viel Sorgen und Ärger bereiten sollte, die aber in der Morgenfrühe des 26. Okotober 1881 unten in der Silverstadt Tombstone ihre historische Bewährung finden sollte.
Wyatt Earp hatte unter dieser Freundschaft gelitten; er hatte Freunde verloren und sich zahllose Gegner zugezogen. Und der schmalgesichtige, falkenäugige, ehemalige Arzt Holliday selbst sorgte unbewußt dafür, daß die Tragik seines eigenen Geschicks mehr als zehn Jahre lang das Leben des großen Wyatt Earp beschattete.
Niemand begriff, wie Doc Holliday mit einer Todesverachtung ohnegleichen in die Revolverkämpfe gehen konnte, wie er keinem Gefecht auswich, ja, wie er den Kampf suchte. Man begriff es nicht, wie man auch seine sagenhafte Schnelligkeit und Treffsicherheit nicht begriff. Nur ein Mann wußte, was den Spieler vorwärtstrieb, was ihn so kaltlütig und steinhart sein ließ, was ihn zu dem gefürchtetsten Mann des Westens gemacht hatte: Wyatt Earp. Er allein wußte, daß Doc Holliday ein kranker Mann war, und daß den Unglücklichen die Gewißheit seines Schicksals zu einer geradezu fatalen Kälte hatte erstarren lassen, vor der selbst die härtesten Männer erschauerten.
Von hier an verdunkelte sich das Leben des Wyatt Earp mit einem bitteren Ernst.
Der spätere Sheriff von Dodge City, William Masterson, sagte einmal: »Der größte von allen Großen jener Zeit war zweifellos Wyatt Earp. Und von den dunklen Sternen war der hellste der Unstern des Doc John Holliday. Ich habe alles an diesem Manne gehaßt; nur drei Dinge werde ich bis an meine letzte Stunde nicht aufhören zu bewundern: Seine Todesverachtung, seine Schnelligkeit und seine Freundschaft zu Wyatt Earp.
Freunde, ich will in diesem Band mit der Geschichte des Spielers Holliday beginnen. Es ist nur ein Anfang. Ich werde mehrere Bände benötigen, um den ganzen dramatischen Ablauf der damaligen Ereignisse für euch niederzuschreiben. Es ist die große Story, die in ihren Daten in jedem amerikanischen Geschichtenbuch steht, die ich aber für euch in all ihren erregenden Einzelheiten, da, wo sie sich abgespielt hat, aufgespürt und niedergeschrieben.
Schwefelgelb hing der Himmel über der alten Treibherdenstadt Dodge City.
Der Wind, der vom Arkansas herauswehte, trieb den groben Flugsand schmirgelnd an den Häusergiebeln entlang.
Die sonst so belebte Frontstreet lag wie ausgestorben da.
Aus einer Seitengasse sprengten drei Reiter vor das Sheriff Office, sprangen von den Pferden und stürzten auf das kleine Steingebäude zu.
Ein vierschrötiger Mann mit hervorstehenden Backenknochen und grünlich schillernden Augen stieß die Tür auf.
Der alte Sheriff William Masterson saß hinter seinem Schreibtisch und blickte auf.
Die drei Männer blieben an der Tür stehen.
Der Vierschrötige stemmte die Hände in die Hüften und spreizte die Beine. »Du hast ihn bestellt!« schnarrte er.
Masterson legte die Hände zusammen.
Da brüllte der andere: »Du hast ihn bestellt! Du verdammter Skunk! Du hast ihn uns auf den Hals gehetzt!«
Unendlich langsam erhob sich der Sheriff. Seine hellen Augen musterten die drei Männer verächtlich. Dann blickte er den Vierschötigen scharf an. »Was willst du, Milt Rice?«
Rice trat vor und riß den Colt aus dem Halfter. »Du hast Wyatt Earp bestellt! Du willst uns diesen dreckigen Schießhund auf die Jacke hetzen!«
Masterson blickte Rice ruhig an. »Du bist ein Bandit, Rice. Ganz Kansas weiß, daß du ein Bandit bist. Hier in meinem Schreibtisch liegen zwei Steckbriefe von dir…«
»Hast du ihn bestellt?« giftete Rice.
Masterson versetzte gelassen: »Yeah, ich habe ihn gebeten, hierherzukommen. Weil deine Strolche meine drei Deputies erschossen haben; weil du die Stadt und das ganze County mit deiner Bande terrorisierst…«
»Du bist es also gewesen!« zischte der Bandit. »Ich habe es geahnt. Limp Parabel hat mir verraten, daß du telegrafiert hast. Er wollte nicht sagen was… aber an wen, das habe ich aus ihm herausgequetscht. Es ist also wahr: Du verfluchte alte Ratte hast diesen Hund da unten in Wichita losgemacht!«
»Yeah, er wird kommen, Rice…«
Da spie der Colt des Banditen Feuer.
Von einer Kugel getroffen taumelte der alte Mann zur Seite; seine Finger krallten sich in die Lehne des schweren Sessels, rissen im Sturz das Möbelstück mit an die Erde.
Kalt verharrten die Augen des Mörders auf dem toten Sheriff. Dann wandte er sich ab. »Los, raus hier!«
*
Die Straße war immer noch menschenleer.
Es gab niemanden, der sich hinaustraute.
Milt Rice war in der Stadt!
Niemand in Dodge hätte sich träumen lassen, daß es so was noch gab: einen Banden-Boß, der eine ganze Stadt in seine Gewalt zu bringen suchte! Als damals vor sieben Jahren Rory Corter Topeka überfiel, hatte man den Kopf geschüttelt. Und als vor zwei Jahren der texanische Kuhtreiber Mannen Clements die Stadt Wichita stürmen und beherrschen wollte, hatte man gesagt: »Wild und Wooy Wichitia! Nun ja, das Nest liegt nahe am Indianerland und zu nahe an Texas!«
Aber Dodge, die wirklich blühende Stadt Dodge, Die Arkansas Metropole, die Endstation des berühmten Sante Fé Trails, Umschlagplatz der Büffelhäute aus dem Norden und Rindersammelstation aus dem Süden! Mehr als achthundert Häuser, sechs eng bewohnte Straßen. Eine stattliche Anzahl von Bürgern hatte in ruhigem Vertrauen auf die Sicherheit dieser Stadt hier gelebt. Sheriff Masterson hatte bisher mit rauher Hand allen wilden Burschen heimgeleuchtet.
Und nun war Milt Rice gekommen!
Der Bandit aus dem Norden.
Der Wegelagerer Milt Rice aus Rapid City in South Dakota! Der in vier Staaten steckbrieflich gesuchte Grenzgeldjäger und Postkutschendieb Milt Rice.
Sein Name wirkte wie ein Blizzard. Wie ein Orkan. Wo er auftauchte, verbreitete er Angst und Schrecken.
Als der Postkutscher Hal Geoffrey die Nachricht brachte, daß Rice in Garden City aufgetaucht sei, lachte man in der Frontstreet noch.
Und dann war er plötzlich da.
Er hatte Gil Latkins, Frank Hole und Jimmy Tucker erschossen; die drei Deputy-Sheriffs aus Mastersons Büro.
Dann hatte er Gag Fallagan draußen auf dem Galgenhügel aufgeknüpft, den Pferdehändler und Vorstand des Bürgerrates.
Daraufhin hatte Bürgermeister Hoover dem Banditen erlaubt, im Grand Hotel vorübergehend Quartier zu nehmen. Der grauhaarige Bürgermeister hatte es getan, um die Stadt vor weiteren Schreckenstaten zu bewahren.
Sheriff Masteron war zu diesem Zeitpunkt unterwegs gewesen.
In der letzten Nacht war er zurückgekommen.
Er hatte drüben an Vaughams Corral zwei der Banditen im Gunfigt niedergeschossen.
Milt war indessen auf einer nahegelegenen Farm gewesen und hatte da eine rauchende Trümmerstätte zurückgelassen. Daß zwei seiner Leute im Kampf mit dem eisgrauen Sheriff hatte dran glauben müssen, war ihm einerlei gewesen; aber daß ein Mann in der Stadt es gewagt hatte, eine Telegramm an den Marshal von Wichita aufzugeben, das war Rice ins Gedärm gefahren.
Er hatte den weithin bekannten alten Sheriff erschossen. Damit war der Bandit Rice zum Mörder geworden. Bisher hatte er selber keinen Mord ausgeführt. Nun hatte er selbst ein Menschenleben ausgelöscht!
Sheriffmord!
Sheriffmord in Dodge City!
Die Leute in der Frontstreet hatten die Schüsse im Office gehört.
Sie wußten, daß der Alte in seinem Büro war.
Und sie sahen die Tür offenstehen.
Die drei Banditen traten auf den Vorbau, überquerten ganz seelenruhig die Straße und verschwanden im Grand Hotel.
Der Banden-Boß blieb an der Rezeption stehen und schnauzte den kahlköpfigen Phil Uller an: »He, alte Eule, wo ist der Hoteleigner?«
Der alte Mann schluckte. »Mister Robinson ist nicht im Hause!«
Rice hieb dem Mann einen Faustschlag ins Gesicht, zertrümmerte die goldgeränderte Brille Ullers und achtete nicht auf die Scherben in seiner behaarten Faust. – »Wo ist Robinson?«
Im Hintergrund der Halle öffnete sich eine Tür. Ein hochgewachsener Mann von etwa fünfzig Jahren stand da. Er hatte ein kurzläufiges Schrotgewehr in der Hand. Es war der Hotelbesitzer Clint Robinson.
Die drei Banditen starrten ihn verblüfft an.
»Was wollen Sie, Rice?« fragte Robinson.
Da stieß der Bandit die Rechte auf den Coltgriff und feuerte durch den offenen Halfterboden.
Noch im Zusammensinken schoß Ronbinson das Gewehr ab.
Die beiden Begleiter des Bandenchiefs waren von dem gehackten Blei nur so gespickt.
Rice selbst hatte sich hinter einen schweren Ledersessel fallen lassen. Mit wutverzerrtem Gesicht schickte er noch eine Kugel auf den tödlich getroffenen Hotelier.
Von oben kamen mehrere Männer heruntergestürmt, die Revolver in den Fäusten.
Rices Leute.
Salt Cunnings, ein riesiger Bursche mit einem Pferdegebiß und gelber, blatternarbiger Haut, fletschte die Zähne. »Was
gibt’s denn?«
Rice schob die Unterlippe vor. »Was es gibt? Masterson hat einen Wolf bestellt!«
Cunnings grinste. »Zehn Wölfe helfen ihm nichts mehr. Schätze, du hast ihn erledigt?«
Rice nickte. »Jeff und Hanc sollen ihn aus dem Office schaffen!« Mit einem Sprung saß er auf dem Rezeptionstisch, fauchte Phil Uller an: »Verschwinde, Grandpa, sonst kannst du dich neben deinen Boß legen!«
Der alte Mann stürzte zum Ausgang.
Rice nahm eine zernagte Pfeife aus der Hosentasche, stopfte sie und setzte sie in Brand. Dicke weißblaue Tabakwolken zogen zur bestuckten Decke der Hotelhalle.
Der Bandit blickte mit stieren Augen in das Gesicht des toten Hotelbesitzers. »Schafft ihn in den Hof!« brüllte er schließlich.
Zwei Männer schleiften den toten Robinson hinaus.
Salt Cunnings ließ sich in einen der Sessel fallen. »Einen Wolf sagtest du?«
»Yeah!« knurrte der Bandenchief.
»Und – kennst du ihn?«
»Yeah. Du auch.«
»Steel Rollyce?« Rice schüttelte den Kopf. »So kleine Fische ruft ein Masterson nicht um Hilfe an.«
»Nun sag bloß, er hat es sich was kosten lassen und Wild Bill Hickock bestellt?« höhnte der Riese.
Der Boß nahm die Pfeife aus den Zähnen. »Du bist hart dran, fellow! Yeah, er hat es sich was kosten lassen. Aber er hat sich gleich den größten ausgesucht!«
Langsam stand Cunnings aus dem Sessel auf. »Wyatt Earp?« fragte er ungläubig.
Hinter einer Rauchwolke beobachtete der Boß seinen Genossen. »Yeah – wie gefällt dir das, Brother?«
Es war totenstill in der Halle geworden.
Die Banditen blickten ihren Anführer mit weit offenen Augen an.
»Yeah, Gents, so sieht das aus. Der Sheriff hat genau eine Stunde zu lange gelebt: Dieser Hund hat nach Wichita telegraphiert. Und wie ich diesen Marshal kenne, hält ihn nichts drüben in dem langweilig gewordenen alten Nest!«
Cunnings ließ sich wieder in den Sessel fallen und blickte sich unbehaglich um. »Glaubst du wirklich, daß er kommt?«
Milt reckte die mächtigen Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß diesem Büffel kein Weg zu weit ist, einen
Outlaw zu fangen.«
»Einen!« wiederholte der kleine, säbelbeinige Charlie Gin. »Wir sind sechsundzwanzig Mann!«
Rice warf den Kopf hoch und schob sein hartes Kinn vor. »Yeah – sechsundzwanzig Mann. Glaubst du, die Zahl hält den Kerl auf? Fünfundsiebzig halbwilde Treiber hat er in Wichita vor sich gehabt! Jim Clements hat es mir selbst erzählt. Es ware das härteste Stück, das es bisher im Westen gegeben hat!«
»Treiber!« versetzte der kleine Gin verächtlich. »Wir sind keine Treiber.«
»Nein, ihr seid hirnlose Strolche!« knurrte Rice gallig.
Da schob sich ein langer, dünner Mann nach vorn. Er hatte nur noch ein Auge, drei Finger an der linken Hand, und in seiner oberen Zahnreihe klaffte eine breite Lücke. Tief auf seinem linken Oberschenkel baumelte ein übergroßer Colt. Mit einer röhrenden Baßstimme grollte er: »Und – sollen wir vielleicht jetzt in die Hosen machen?«
Rices hartes Gesicht zersprang in tausend scharfe Falten. »No, Jack – bestimmt nicht.«
»Was willst du tun?« forschte Cunnings, immer noch mit einem leisen Unbehagen in der Stimme.
»Wir bleiben hier!«
Da brach ein wahrer Höllensturm los. Die Männer warfen die Arme in die Luft und brüllten los. Gläser flogen durch den Raum, zerbarsten klirrend an den Wänden, Stühle wurden zerschlagen, und Fensterscheiben wurden zerstrümmert.
Nach einer Minute war der Spuk vorbei.
Milt Rice hob den Arm. »Holt Whisky, Leute!«
Der gerade erst erstorbene Lärm verdoppelte sich zum Orkan.
Alles rief, schrie, grölte und brüllte wild durcheinander.
Eine halbe Stunde später glich die Hotelhalle des eleganten und vornehmen Hotels einem Schlachtfeld, auf dem die Sioux gehaust hatten.
In der Frontstreet zogen die Menschen hinter den Fenstern die Köpfe ein.
Der greise Arzt Joe Gilbert stand hinter seiner Haustür und ballte die Fäuste in der Tasche zusammen. »Sie haben den Postmeister erschlagen! Die Telegraphenstation ist von ihnen besetzt. Der junge But Lanagton, der in Garden City Hilfe holen wollte, liegt im Arkansas. Jim Dupat liegt in seinem Hausflur mit eingeschlagenem Schädel. Gag Fallagan hängt draußen am Galgenbaum. Der Sheriff ist tot. Und Dodge City ist gestorben!«
Die alte Frau des Arztes nahm ihren Mann beim Arm, spürte, daß er vor Grimm zitterte und zerrte ihn von der Tür weg. »Komm, Joe, komm ins Zimmer!«
»Ich möchte meine alte Winchester vom Boden holen und dreinschießen, Frau – ja, zusammenschießen möchte ich diese Satansbrut!«
»Komm, Joe, komm!« flehte die Frau.
»Drüben bei Hopkins sitzen sieben hungrige Kinder. Der Mann war unten an der Fähre am Fluß; wer weiß, ob er noch lebt. Kein Mensch traut sich auf die Straße. Tub Leevery hat seinen Store dicht gemacht, dieser verdammte Feigling! Und kein Mensch rührt sich…«
*
Im Grand Hotel gab es am nächsten Morgen ein graues Erwachen.
Milt Rice war der erste, der die Augen öffnete. Er sprang sofort hoch, taumelte aber, stürzte gegen den Rezeptionstisch; raffte sich wieder auf und hielt sich krampfhaft mit beiden Händen am Tresen fest. Endlich kam er zu sich.
Wie ein Paukenschlag dröhnte es in seinem Schädel: Wyatt Earp!
Masterson hatte nach Wichita telegraphiert! Die Nachricht konnte nicht mehr aufgehalten werden! Drüben in Wichita saß jetzt der Wolf und hatte den Notruf bekommen!
Der Bandenchief wischte sich durch die Augen. Dann fingerte er seinem Colt aus dem Halfter und gab zwei Schüsse gegen die Decke ab.
Die Männer sprangen taumelnd hoch. Aber sie kamen nicht auf die Beine. Es war ein skurriles Bild, wie die Banditen torkelnd umherschaukelten. Ihre whiskyrauchenden Schädel brummten und dröhnten.
Und vor ihnen stand der eisenharte Milt Rice und schrie: »Los, steckt eure Köpfe ins Wasser! Der Arkansas ist zu dieser Stunde noch kalt. In zehn Minuten seid ihr wieder hier. Ihr wißt, daß wir auf ihn warten!«
Bald darauf standen die Banditen wieder in der Halle um ihren Boß.
Der hatte schon je einen Mann an die Stadteingänge geschickt, damit die Ankunft jedes Reiters und jedes Wagens frühzeitig gemeldet würde.
Salt Cunnings hockte auf dem Tresen neben Milt. »Kann er denn heute überhaupt schon hier sein?«
Rice nickte. »Doch, der kann.«
»Dann hätte er einen Eilritt machen und mindestens zehnmal den Gaul wechseln müssen.«
»Na und? Ich traue ihm alles zu.«
»Was willst du tun?«
»Bill Hutfielder und Jack Crawlins besetzen drüben die Stepwalks. Hanc Butler und Vinc Brown verbarrikadieren sich auf unserer Seite. Limp Owens und Hal Mathews halten das Arkansasufer im Süden im Auge und Tom Bliffdeale paßt oben am Nordrand auf. Jede Annäherung an die Stadt wird sofort hier gemeldet!«
Das Rudel löste sich auf. Die Banditen machten sich auf die Posten.
Ein düsterer, gewitterschwüler Tag kroch über die Stadt.
Es geschah nichts.
Die Menschen trauten sich nicht aus ihren Häusern, und am Abend, als eine ältere Frau zum Store hinüberwollte, schoß Salt Cunnings sie in den Arm.
Es war die traurigste und bitterste Stunde der alten Treibherdenstadt.
Doc Gilbert hatte mit zusammengebissenen Zähnen hinter dem Fenster gehockt, als die Frau auf der Straße umfiel. Dann sprang er auf und rannte zur Tür.
Seine Frau hielt ihn fest. »Joe, bleib hier!«
Aber der Arzt schüttelte sie ab und lief hinaus auf den Vorbau.
Zwei Kugeln klatschten dicht neben ihm in einen Vorbaupfosten.
Da brüllte Gilbert: »Ich will die Frau verbinden! Hört auf zu schießen, ihr Idioten. Wenn ihr Löcher in der Haut habt, braucht ihr auch einen Doktor!«
Milt legte seinem Genossen Salt die Hand auf den Arm und blickte amüsiert zu dem greisen Mann hinüber, der hochaufgerichtet auf dem Vorbau stand. »Laß ihn, es ist ein Knochenflicker!«
Salt warf den Kopf herum und sah den Boß aus engen Augen an. »Und? Was kümmert uns das? Wir brauchen keinen Doc! Oder… oder bist du anderer Ansicht?«
Rices Gesicht war steinhart. »Wir warten auf Wyatt Earp«, sagte er dumpf.
»Du hältst es also für möglich, daß er irgendeinen von uns verwunden kann?« fragte Cunnings nach einer Weile.
»Möglich ist alles. Du weißt, daß er der schnellste Schütze sein soll, den es gibt.«
Cunnings machte eine große, wegwischende Handbewegung. »Pah! Alles Legende! Er wird ein frecher Hund sein und natürlich mit dem Colt ganz gut umgehen können…«
»Damit stoppt man keinen Mannes Clements und keinen Bill Hogeeter!« rief Rice laut. Dann fuhr er leiser fort: »Ben Thompson war ein eisenharter Bursche, und Jack Donegan war ein Stein. Wyatt Earp hat sie alle gebrochen.«
Cunnings verzog den breiten Mund und fuhr sich mit der Linken unbehaglich durch den Hemdkragen. »Ich lasse ihm keine Chance«, sagte er dumpf. Plötzlich stand er wie von der Trantel gebissen auf. »He, Milt!«
Der andere wandte langsam den Kopf. »Ja?«
»Wozu haben wir eigentlich Cass Brisbane?«
Über das Gesicht des Bandenchiefs zuckte ein Lächeln. »Yeah, du hast recht, Brother.« Er wandte sich zur Hotelfront und brüllte: »Brisbane!«
Nach einer Weile ging oben eines der Fenster hoch, und der Oberkörper eines Mannes wurde sichtbar.
Aber welch ein Gesicht kam da zum Vorschein!
Es war grauweiß wie Gips, hatte kalte, stechende Augen, und unter der dünnen Nase zog sich der schmallippige Mund wie ein Strich dahin. Hart und eckig war dieses Gesicht, es hatte etwas Raubvogelartiges an sich. Der platte graue Hut mußte neu sein, das dünne schwarze Samtband hob sich scharf von dem Velourstoff ab.
Der Mann trug ein blütenweißes Hemd mit einer dünnen grauen Schnürsenkelkrawatte. Statt einer Jacke trug er eine bestickte graue Weste, die fest zugeknöpft war. Links blickte die schmale Quaste einer Taschenuhr aus der Tasche. Die Hände des Mannes, die das Fenster hochhielten, steckten in dünnen schwarzen Lederhandschuhen. Um die Hüften trug er einen patronengespickten Kreuzgurt, in dessen Halftern zwei elfenbeinbesetzte Colts vom Kaliber Western 44 steckten.
Dieser Mann war Cass Brisbane, der Revolvermann aus dem texanischen Panhandle. Milt Rice hatte in sich als Leibwächter angeworben.
»He, Cass, komm runter! Ich habe mit dir zu sprechen!«
Das weiße Gesicht des Schießers blieb ausdruckslos. Kein Muskel verzog sich darin.
Er ließ das Fenster wieder herunter und war zwei Minuten später unten an der Tür.
Erst jetzt, da er ganz zu sehen war, kam der sonderbare Eindruck, den dieser Mann machte, voll zur Geltung. Die engen grauen Lewishosen liefen über schwarze Texasstiefel aus, die mit Verzierungen besteppt waren. Die Stiefel waren blankgeputzt. Wie überhaupt alles an dem Mann blankgeputzt und sauber war. Er bot einen grotesk-gefährlichen Eindruck, dieser Cass Brisbane aus Texas.
Wie alt mochte er sein?
Dreißig vielleicht, vielleicht auch älter. Es war ihm nicht anzusehen. Jetzt, da er unten war, konnte man scharfe Falten in seinem kalkigen Gesicht erkennen. Er richtete seine pulvergrauen Augen auf Rice. »Was willst du?« fragte er mit einer Stimme, die einem das Frösteln auf den Rücken jagen konnte.
Milt lehnte sich gegen das Geländer und musterte den Revolvermann eingehend. »Du bist doch ein Meisterschütze, Cass?«
Der Schießer ignorierte diese Einleitung und wiederholte seine Frage.
»Du weißt doch, wen wir erwarten?« mischte sich Cunnings ein.
Der Kopf des Revolverschwingers flog herum.
Cunnings feixte dumm.
Da meinte Rice: »Ich habe einen ehrenvollen Posten für dich, Cass!«
»Du hast schon zehn ehrenvolle Posten verteilt, Milt!« versetzte Brisbane gelassen.