Wyatt Earp 276 – Western - William Mark - E-Book

Wyatt Earp 276 – Western E-Book

William Mark

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Beschreibung

"Vor seinem Colt hatte selbst der Teufel Respekt!" (Mark Twain) Der Lieblingssatz des berühmten US Marshals: "Abenteuer? Ich habe sie nie gesucht. Weiß der Teufel wie es kam, dass sie immer dort waren, wohin ich ritt." Diese Romane müssen Sie als Western-Fan einfach lesen! Ihr wißt, daß Wyatt Earp Marshal in Dodge City war, in der rauhesten Treibherdenstadt des Westens. Im Herbst, wenn die Cowtowns stiller wurden, wenn auch die Cowboys von den umliegenden Ranches mehr und mehr ausblieben, wenn die Büffeljäger wieder auf ihre Reise in den hohen Norden waren, dann verließ der Marshal die Stadt und setzte sich in den Sattel. Es gab vielerlei Beschäftigungsmöglichkeiten für einen Mann seines Schlages. Anfang September 1876 war er mit seinem vierrädrigen Highländer unterwegs zu den Black Bills in South Dakota. Wenn er sehr viel Zeit hatte, nahm er zu weiten Reisen gern einen Wagen mit, um all das mitnehmen zu können, was er unter Umständen unterwegs brauchte. Er hatte sich ja nie vorher festgelegt. So wußte er auch jetzt noch nicht, ob er in den Goldgräberlagern um Deadwood arbeiten würde, oder ob er den ihm in einem Regierungsschreiben angebotenen Job als Begleiter von Landmessern annehmen sollte. Im Grunde war es ja einerlei, was er tat. Er war schon ein sehr bekannter Mann in den Weststaaten, als er sich in jenem Herbst den schwarzen Bergen oben in Dakota mit seinem Gefährt näherte. Die Geschichte, die nun folgt, Freunde, hat mir ein steinalter Mann erzählt, der am Rande der Stadt Deadwood lebt. Pat Coverleav ist einer der wenigen lebenden Männer, die den großen Marshal Wyatt Earp gekannt haben. Coverleav hat ihm sogar gegenübergestanden und in die Mündung seines berühmten Buntline-Revolvers gesehen. Der heute Hundertjährige sagte mir, daß es der höllischste Augenblick seines langen Lebens gewesen sei. Der Reiter, der bewegungslos auf dem Hügel hielt, spähte die Straße hinunter. Er trug eine scheußliche Maske. Eigentlich war sie nur ein schmutzig weißes Tuch, das den ganzen Kopf verhüllte. Die Zipfel fielen bis auf Brust und Schultern. Das war nichts Ungewöhnliches unter Straßenräubern. Aber um die Seh- und Atemschlitze waren häßliche Flecken gemalt. Und das machte die Maske so widerlich.

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Wyatt Earp – 276 –

Gunman in Dakota

William Mark

Freunde,

Ihr wißt, daß Wyatt Earp Marshal in Dodge City war, in der rauhesten Treibherdenstadt des Westens. Im Herbst, wenn die Cowtowns stiller wurden, wenn auch die Cowboys von den umliegenden Ranches mehr und mehr ausblieben, wenn die Büffeljäger wieder auf ihre Reise in den hohen Norden waren, dann verließ der Marshal die Stadt und setzte sich in den Sattel. Es gab vielerlei Beschäftigungsmöglichkeiten für einen Mann seines Schlages.

Anfang September 1876 war er mit seinem vierrädrigen Highländer unterwegs zu den Black Bills in South Dakota. Wenn er sehr viel Zeit hatte, nahm er zu weiten Reisen gern einen Wagen mit, um all das mitnehmen zu können, was er unter Umständen unterwegs brauchte. Er hatte sich ja nie vorher festgelegt. So wußte er auch jetzt noch nicht, ob er in den Goldgräberlagern um Deadwood arbeiten würde, oder ob er den ihm in einem Regierungsschreiben angebotenen Job als Begleiter von Landmessern annehmen sollte. Im Grunde war es ja einerlei, was er tat.

Er war schon ein sehr bekannter Mann in den Weststaaten, als er sich in jenem Herbst den schwarzen Bergen oben in Dakota mit seinem Gefährt näherte.

Die Geschichte, die nun folgt, Freunde, hat mir ein steinalter Mann erzählt, der am Rande der Stadt Deadwood lebt. Pat Coverleav ist einer der wenigen lebenden Männer, die den großen Marshal Wyatt Earp gekannt haben. Coverleav hat ihm sogar gegenübergestanden und in die Mündung seines berühmten Buntline-Revolvers gesehen. Der heute Hundertjährige sagte mir, daß es der höllischste Augenblick seines langen Lebens gewesen sei.

Der Reiter, der bewegungslos auf dem Hügel hielt, spähte die Straße hinunter.

Er trug eine scheußliche Maske. Eigentlich war sie nur ein schmutzig weißes Tuch, das den ganzen Kopf verhüllte. Die Zipfel fielen bis auf Brust und Schultern.

Das war nichts Ungewöhnliches unter Straßenräubern.

Aber um die Seh- und Atemschlitze waren häßliche Flecken gemalt. Und das machte die Maske so widerlich. Von weitem sah sie wie ein Totenkopf aus. Sie wirkte brutal wie ihr Träger selbst, dessen ganze Haltung eine einzige Drohung zu sein schien.

Ein grober Strick hielt das Tuch um den Hals des Mannes zusammen. Er baumelte auf den Rücken hinunter, so, als ob der Mann vom Galgen abgeschnitten worden ware.

Er trug eine schwarze Wyoming-Jacke, ein weißes Hemd und enge Lewis-Hosen. Tief an der rechten Hüfte hatte er einen schweren fünfundvierziger Colt, in dessen schwarzem Knauf ein elfenbeinernes Andreas-Kreuz eingelegt war.

Wenn der Reiter nicht ansehnlich war, so war es doch sein Pferd. Der hochbeinige Rappe stand wie aus Erz gegossen. So, als ob er wüßte, daß sein Herr absolute Ruhe brauchte.

»Da kommen sie!« rief er den drei Männern zu, die, hinter niedrigem Buschwerk verdeckt, auf der anderen Seite des Weges kauerten.

»Yeah, Boß!« rief ein riesenhafter Kerl, der ein kleines schwarzes Dreieckstuch vorm Gesicht trug. Er lief hinter den Büschen entlang, einen Hang hinauf und stand auf einem Gesteinsvorsprung, der in Reiterhöhe direkt über der Straße abfiel.

Der Boß war inzwischen von seinem Platz verschwunden. Er hatte seinen Rappen in ein hohes Gebüsch gedrängt. Als die Zweige hinter ihm zuschlugen, war wieder alles still.

Der Hüne oben auf dem Gesteinsbrocken hatte ein Lasso in der Hand. Er spähte noch die Straße hinunter und legte sich dann flach hin. Gespannt beobachtete er, wie aus einer dicken Staubwolke eine mit sechs Pferden bespannte Postkutsche herausschoß.

Es war die Wells-Fargo-Overland von Midland nach Deadwood.

Wild hieb der Kutscher auf die Pferde ein. Die enge Passage hier zwischen den Büschen am Hügel war ihm wohl nicht geheuer, da sie für einen Überfall wie geschaffen war.

Und schon stürmten zwei der Banditen aus dem Hinterhalt heraus und jagten auf ihren Gäulen neben der Kutsche her.

Umsonst versuchte die Overland, die Angreifer abzuschütteln. Die Rustler waren schneller als der schwerfällige Wagen und brachten mit ihren kehligen Schreien Verwirrung in das Gespann.

Der Riese auf dem Hügel sprang jetzt auf. Mit sicherer Hand schleuderte er dem ersten der Postpferde ein Lasso um den Hals. Dann jumpte er von dem Stein hinunter und schlang das andere Ende des Seils um einen Buschwurzelstumpf.

Mit einem scharfen Ruck spannte sich das Seil und das Pferd kam zu Fall. Gleich darauf wälzten sich auch die anderen Tiere des Sechsergespanns am Boden. Mit donnerndem Krach, gebrochener Deichsel und zertrümmerten Rädern stürzte die schwere Overlandkutsche auf die Seite.

In hohem Bogen wurde der Fahrer in den Sand geschleudert.

Eine gewaltige Staubwolke wirbelte hoch und stand sekundenlang über dem Schauplatz des Geschehens.

Der rotbärtige Mann von der Overland hatte den rechten Arm gebrochen. Dennoch riß er sich hoch, zog mit schmerzverzerrtem Gesicht den Colt aus dem Halfter und richtete ihn auf die herkulische Gestalt des Banditen, der das Lasso um das Leitpferd geworfen hatte.

Der Hüne hatte reglos das Abziehen der Staubwolke abgewartet. Als er jetzt sah, wie der Kutscher den Colt zog, zerrte er seinen eigenen Revolver aus dem Halfter und stieß ihn wie einen Stock nach vorn. Dreimal flog seine Linke flach über den Hammer.

Drei glühende Bleigeschosse schlugen in den Körper des Overlandmannes. Er fiel nach vorn und blieb mit ausgebreiteten Armen im Straßenstaub liegen.

Da ertönte die harte Stimme des Boß’ von den Büschen herüber: »Macht die Gäule los!«

Die drei Banditen schirrten sofort die Pferde aus.

Einen Augenblick nur standen die Tiere zitternd da, dann besannen sie sich und stürmten wie von Teufeln gejagt davon.

Der Riese schickte ihnen ein heiseres »Heiooh!« nach und trat dann an die umgestürzte Kutsche. Mit der Linken riß er den Wagenschlag auf, in der Rechten hatte er noch den Revolver.

Plötzlich fuhr er zurück, steckte den Colt ins Halfter und zog sich das Tuch vom Gesicht. Langsam wischte er sich mit der Hand über den Mund und stieß einen dünnen Pfiff durch eine Zahnlücke aus. »Bist du wahnsinnig!« brüllte der Boß aus seinem Versteck heraus. »Willst du uns alle an den Galgen bringen!«

Hastig knotete der Hüne sich wieder das Tuch vor das Gesicht.

Oben aus der hochgeschlagenen Tür der Kutsche kam der Kopf einer jungen Frau heraus. Sie hatte ein bildschönes blasses Gesicht mit dunklen Augen. Sie hob den Kopf und sah die Banditen mit angstgeweiteten Augen an. Dann entdeckte sie plötzlich den Toten im Straßenstaub. Ihr Gesicht wurde aschgrau und ihre Augen starr.

Der Hüne hatte seine Verwunderung geschluckt, trat wieder an die Kutsche heran und griff nach der Frau.

Sie schrie auf.

Der Mann zerrte sie hinaus und ließ sie auf den Boden nieder. Aber er hatte seine klobigen Fäuste noch um ihre Oberarme gekrallt und stierte ihr ins Gesicht.

Aus der Kehle der jungen Frau rang sich ein heiserer Schrei.

»Dunc!« zischte der Boß. »Laß sie los! Ich bin nicht daran interessiert, mir einen US-Marshal auf den Hals zu locken!«

»Sucht die Karre durch!« schnarrte die Stimme des Boß’ wieder los.

Und jetzt kam Leben in die Gestalten.

Dunc schwang sich auf die Kutsche hinauf und blickte in den offenen Wagenschlag hinein. »Heavens! Hier gibt’s ja noch so ein Gespenst! Komm raus, Süße!«

Wieder erschien der Kopf einer Frau.

Dunc fuhr zurück. »Goddam, das ist ihre Mutter!«

Der riesige Dunc packte die Frau am Arm, zerrte sie hoch und schob sie vom Wagen.

Sie landete zum Gespött der Männer auf dem Boden, richtete sich sofort auf und blickte mit wachsbleichem, besorgtem Gesicht auf die junge Frau.

Die Rustler machten sich geräuschvoll an die Durchsuchung der Overland. Weil sie nichts fanden, rissen sie vor Wut die Sitzpolster heraus und schleuderten sie auf die Straße.

Ein Polsterstück traf die ältere Frau am Kopf. Sie brach sofort zusammen, ohne einen Laut von sich zu geben.

Der Maskierte in den Büschen zischte: »Idioten! Wenn ihr weiter nichts könnt, dann sattelt gefälligst um!«

Dunc hatte im Paketraum zwischen den Rädern zwei Postsäcke gefunden, die er aufriß. Er schleuderte den Inhalt auf die Straße, trampelte wütend darauf herum und schob seinen gewaltigen Schädel erneut in den Paketraum.

Ein hartgesichtiger blonder Bursche mit kalten pulvergrauen Augen riß das Polster vom Kutschbock, trat die Bordwand ein und blickte in den Sitzkasten. Enttäuscht hob er den Kopf und sah zu dem Gebüsch hinüber, in dem der Boß wartete.

»Was ist los, Dunc?« rief der.

»Es ist nichts da, Boß!«

»Das kann doch nicht sein!« Fast hätte der Boß seinem Rappen die Sporen gegeben und wäre auf die Straße gesprengt. Im letzten Augenblick besann er sich und hielt inne.

Er wußte, daß die junge Frau ihn erkannt hätte. Wenn es ihm auch gelungen war, seine Stimme meisterhaft zu verstellen – an seiner Figur hätte sie ihn trotz der Maske erkannt.

»Macht Schluß!« rief er. »Wir reiten!«

Dunc und die beiden anderen Banditen warfen sich auf ihre Pferde und stürmten in einer Wolke über den Hügel davon.

*

Viele Meilen weiter südlich sprang ein dickleibiger Mann aus der Sonderpost, die die kleine Stadt Smithwick und die Wells-Fargo-Strecke hier kreuzte.

Er war für diese Gegend reichlich seltsam gekleidet, trug einen Zylinderhut mit Band und blanker Messingschnalle, enge Bostonhosen und einen eleganten Rock nach neuester St. Louis-Mode. Die kleine Reisetasche aus hellbraunem Krokodilleder schien sein einziges Gepäck zu sein. In hastigen Schritten überquerte er die Straße, steuerte direkt auf einen schlaksigen Burschen zu, der die Daumen in den Waffengurt gehakt hatte und auf der linken Brustseite einen fünfzackigen Blechstern trug.

»Hallo, Sheriff, wo finde ich hier einen Mietstall?«

Der Hüter des Gesetzes betrachtete sich das erhitzte Gesicht des Dicken amüsiert. »Einen Mietstall?« Dann streckte er seinen überlangen Arm aus. »Da drüben!«

Der Dicke dankte und schoß davon.

Grinsend blickte Sheriff Dave Hotgins hinter ihm drein. »Was dieser komische Heilige im Mietstall suchen mag«, brummte er vor sich hin. »Reiten kann doch so ein wandelndes Faß bestimmt nicht. Und der Saloon liegt doch genau gegenüber…«

Der Hüter des Gesetzes sollte nur wenige Minuten später mit offenen Augen und aufgesperrtem Mund erleben, daß das wandelnde Faß recht gut reiten konnte!

Der Dicke saß auf einem Fuchs, hatte seine Reisetasche hinter dem Sattel aufgeschnallt und sprengte im Kavalleriegalopp die Mainstreet hinunter.

Dann jagte er auf der Straße nach

Deadwood dahin. Die grandiose Gebirgslandschaft, die links den Horizont säumte, interessierte ihn nicht. In der Ferne zeichneten sich die bizarren Gipfel der Big Bad Lands in den hellen wolkenlosen Spätnachmittagshimmel. Diese berüchtigten Berge lagen schon im Gebiet der als besonders gefährlich und grausam geltenden Pineridge-Indianer.

Der Zylindermann gönnte sich keine Rast. Stundenlang preschte er mit dem schnellfüßigen Gaul schon nach Norden, als er plötzlich auf der Höhe einer Bodenwelle innehielt und nach vorn starrte.

Nur eine halbe Meile etwa vor ihm rollte ein leichter hochrädriger Highlander über die Straße dahin.

Der Dicke brachte seinen Fuchs wieder in Gang und folgte dem Wagen. Je näher er dem Gefährt kam, desto deutlicher konnte er den Rücken des Mannes erkennen, der den Wagen lenkte. Es war ein breiter, kantiger Rücken. Der Mann trug einen schwarzen Texashut und eine schwarze Jacke.

Als der Dicke auf der Höhe des Wagens war, wandte der Mann auf dem Kutschbock den Kopf.

Der Dicke hatte plötzlich das sichere Gefühl, daß der Mann ihn nicht erst jetzt bemerkt hatte. Es war ein hochgewachsener Mann mit sonnenverbranntem Gesicht, aus dem ein Paar tiefblauer langbewimperter Augen hervorblickten. Es war ein eckiges, hartes Gesicht.

Der Dicke trieb sein Tier an den Wagen heran und blickte den Mann forschend an. Dann nahm er seinen Zylinder ab und wischte sich durch das Schweißband. »Hallo, Mister!«

Der Mann auf dem Wagen tippte an den breiten Rand seines Hutes und sagte auch: »Hallo, Mister.« Dabei spielte ein kleines Lächeln um seinen Mundwinkel.

Der Zylindermann plinkerte den anderen an. »Sie kommen gewiß aus dem Süden?«

»Yeah.«

»Das dachte ich mir«, meinte der Dicke.

»Und Sie kommen gewiß direkt aus St. Louis.«

Der Dicke zog die Brauen hoch. »Ja wie kommen Sie darauf?«

Der andere warf einen kurzen Blick auf die Kleidung des Zylindermannes und entgegnete: »Ich glaube, dazu braucht man keine Apachennase zu haben.«

Jetzt grinste der Dicke. »Soll ich Ihnen was sagen? Ich habe auch keine Apachennase und sage Ihnen sogar, wie Sie heißen.«

»Na«, versetzte der andere, ohne den Weg aus den Augen zu lassen.

»Sie sind Wyatt Earp.«

Mit einem Ruck nahm der Mann die Zügel hoch und warf den Kopf herum.

»Das ist nicht schlecht, Mister…«

Da zog der Dicke seinen grauen Zylinder, so, als habe er auf der Gordonstreet in St. Louis einen Bekannten getroffen, und sagte: »Ich bin Napoleon Beaulieu.«

»Wie war das?«

»Beaulieu.«

»Und was tut Napoleon dabei?«

Beaulieu lächelte: »Das ist eine verrückte Geschichte, Mister Earp, und ich bin nicht sicher, ob Sie Lust haben, sie anzuhören.«

Wyatt nahm eine schwarze Zigarre aus der Jackentasche, riß ein Zündholz an der Stiefelsohle an und blickte den sonderbaren Dicken durch die kleine kräuselnde Tabakwolke an. »Schießen Sie los.«

»Ich will Sie nicht aufhalten, Mister Earp.«

»Das tun Sie schon. Erzählen Sie also.«

»Hm – ich werde mir auch eine Krautrolle anzünden«, ächzte der Dicke und nahm ein elegantes Lederetui aus der Tasche, zog eine helle Zigarre daraus hervor und griff nach dem brennenden Streichholz, das Wyatt Earp schon für ihn angerissen hatte.

»Das war also so. Meine Mutter war eine ganz normale Frau. Ein Mädchen aus St. Louis. Und mein Vater war…«

»Franzose«, unterbrach ihn Wyatt.

»Wie kommen Sie darauf?«

»Meine Apachennase.«

»Hören Sie weiter. Mein Vater war also Franzose und kam Anno sechsunddreißig nach St. Louis. Ja, so passierte das Unglück.«

»Ist es ein Unglück?« forschte Wyatt, wobei er sich Mühe gab, ernst zu bleiben.

»Doch, ja. Mein Vater war ein unruhiger Mann. Er fuhr ein paar Jahre später wieder nach Europa und kam nicht wieder.«

»Und alles, was er der ganz normalen Frau dagelassen hatte, war ein kleiner Napoleon.«

»So ist es, Mister Earp. Aber die Story ist noch nicht zu Ende.« Beaulieu kratzte sich hinterm Ohr. »Wie wäre es, wenn ich Ihnen den Rest später erzähle? Das Spannendste wissen Sie ohnehin schon.«

»Nichts dagegen.«

»Ich wundere mich nämlich, daß Sie sich nicht wundern, daß ich weiß, wer Sie sind.«

Der Marshal zog die Augenbrauen zur Stirnmitte hoch. Das gab seinem Gesicht einen Zug scherzhaften Ernstes. »Es wundert mich schon, aber ich kann es verdauen. Es gibt eine Menge Leute, die mich kennen. Allerdings, ich muß gestehen, daß wenige darunter sind, die einen Zylinderhut tragen.«

»Mister Earp. Ich will gleich mit offenen Karten spielen. Ich bin Ihnen gefolgt…«

»Ach –?«

»Ja, ich war in Dodge und habe da von Ihrem Deputy Masterson erfahren, daß Sie hier herauf zu den Black Hills wollten.«

Wyatt rieb sich das eckige Kinn. »Und da sind Sie mir diesen ganzen Weg nachgeritten?« Er warf einen ungläubigen Blick auf den Fuchs.

»Nein, nicht geritten. Das wäre mir schlecht bekommen. Ich hatte Glück, konnte einige Extrakutschen bekommen, die nördlich fuhren und kam gut bis nach Smithwick. Da habe ich diesen Gaul gemietet.«

Der Marshal nickte. »Und was haben Sie auf dem Herzen, Mister Beaulieu?«

Der Dicke rutschte aus dem Sattel und vertrat sich die Beine. Dann sah er zu dem Marshal auf.

»Kann ich einen Augenblick auf den Bock kommen? Da sitzt sich’s besser.«

»Natürlich. Vielleicht können wir dann sogar weiterfahren und Sie erzählen mir unterwegs die andere Story.«

Der Dicke kletterte auf den Wagen, nahm den Zügel seines Pferdes und schlug ihn um einen kurzen Wagenholm.

Der Marshal trieb den Falben an.

»Es ist keine Story, Mister Earp. Es ist im Gegenteil eine höllisch wichtige Sache, die ich Ihnen vorzutragen habe.« Wieder und wieder mußte sich der Zylindermann den Schweiß von der Stirn wischen. »Ich bin von der Wells Fargo Company.«

»Ein beruhigender Job«, versetzte Wyatt.

»Wir haben hier oben eine wichtige Overland-Linie von Deadwood hinüber nach Midland laufen. Die Kutsche wird seit einem halben Jahr in regelmäßigen Abständen überfallen.«

»Das soll’s geben.«

Beaulieu warf dem Missourier einen raschen Seitenblick zu. »Die Sache ist so, Mister Earp, daß man sich in St. Louis dahingehend einig geworden ist, etwas Entscheidendes dagegen zu unternehmen.«

»Ein guter Gedanke.«

»Hören Sie weiter. Mister Dickinson, der Chief in St. Louis, hat sich an die Armee gewandt. Sie können sich denken, was dabei herausgekommen ist…«

»Nein.«

»Nun, gar nichts. Die Armee hat erstens andere Aufgaben, als die Overland zu begleiten, und dann dürfte es wenig Sinn haben, zu erwarten, daß sich die Banditen ausgerechnet dann, wenn eine Schwadron Kavallerie neben der Overland galoppiert, sehen lassen. Sie warten ganz einfach, bis die Kutsche wieder alleine kommt.«

»Kann ich den Boys nicht verdenken.«

Beaulieu rieb sich das feiste Kinn. »Ja, so sieht die Sache aus. Deshalb haben wir es anders gemacht und ein paar harte Schützen angeworben, die die Linie begleiten sollten.«

»Auch ein guter Gedanke.«

»Nein, brachte nichts ein. Jim Gennan aus Austin hat bei uns in St. Louis seinen Vorschuß auf den Job kassiert und kam nie in Deadwood an.«

»Das ist sicher eine Eigenheit von ihm.«

»Ganz sicher. Deshalb machte Dickinson es bei Floys Lambridge anders. Er sagte ihm, daß er das erste Geld nach der ersten Fahrt kassieren könne.«

»Richtig.«

Beaulieu ließ den Kopf auf die Brust sinken. »Lambridge überlebte die erste Fahrt nicht. Er liegt auf dem Kreuzhügel bei Midland.«

»Lat Calligans erste Fahrt endete auch auf dem Kreuzhügel bei Midland. Ebenso erging es Grag Foolham und Jesse Coopan. Vor zwei Monaten gelang es uns, Hanc Villers-Fisher anzuwerben…«

Wyatt warf den Kopf herum. »VillersFisher, den Revolvermann aus Texas?«

»Genau den.«

»Und?«

»Er liegt auch bei den andern.«

Wyatt spannte seine kantigen braunen Fäuste um die Zügelleinen. »Scheint ja ein gemütlicher Job zu sein, den die Wells-Fargo da zu vergeben hat.«

»Ganz sicher.«

Nach einer Weile fragte der Missourier: »Ist die Story zu Ende?«

»No.«

»Dachte ich mir.«

»Ich hatte einen anderen Gedanken. Die drei Abenteurer und der Schießer aus Texas waren nicht die Männer für diesen Job.«

»Wer weiß.«

»Auch der Boß und die andern im Office in St. Louis waren meiner Ansicht.«

»Aha«, tat der Marshal uninteressiert.

»Wir sind alle der festen Ansicht, daß es nur einen einzigen Mann gibt, der diesen Job übernehmen könnte.«

»Aha.«

»Dieser Mann heißt Wyatt Earp«, sagte der Dicke hart, ohne den Marshal anzusehen.

Wyatts Gesicht blieb unbewegt. Er blickte auf die Straße.

»Wir wissen natürlich alle, daß Sie einen festen Job in Dodge unten haben.«

»Dann wissen Sie ja genug.«

»Trotzdem habe ich mich auf die Reise nach Kansas gemacht, Marshal.«

Der Missourier blickte ihn voll an. »Wollen Sie nicht lieber zurückreiten, Mister, ehe wir zu weit im Land der Roten sind?«

Beaulieu schüttelte energisch den Kopf. »No, Mister Earp. Ich bin Ihnen einige hundert Meilen nachgereist, um mit Ihnen zu sprechen…«

»Das haben Sie doch getan.«

Da griff Beaulieu in seine Brieftasche und brachte ein beachtliches Bündel mit Zehndollarnoten hervor. »Mister Dickinson läßt Ihnen den Lohn im voraus auszahlen.«

Wyatt blickte längst wieder auf den Weg. »Das ist sehr gentlemanlike von Mister Dickinson. Aber ich nehme keinen Lohn für einen Job, den ich nicht antrete.«

Beaulieu beugte sich heftig vor. »War es Ihr Land, Marshal, um das Sie drüben in Colorado gekämpft haben, als Sie mit dem Landmesser zogen? Waren es Ihre Rinder, die Bill Hoogeeter unten bei Wichita stahl? War es Ihre Sache, sich allein in einer feigen Stadt gegen ein Scheusal wie Milt Rice zu stellen?«

»Ich war nicht allein.«

»Yeah, ich weiß. Ein einziger Mann war gegen Pic bei Ihnen.«

Ein sonderbares Lachen zog über das Gesicht des Missouriers. »Aber was für ein Mann. Doc Holliday wiegt im Gunfight ein Dutzend Klasseschützen auf. Das ist überhaupt ein Gedanke: Vielleicht können Sie ihn für den Job anwerben. Ich hatte bei ihm den Eindruck, daß es ihm nicht allzuviel ausmacht, bald auf irgendeinem Kreuzhügel zu landen.«

Beaulieu schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn in Dodge gesehen. Er saß im Long-Branch-Saloon.«

»Haben Sie mit ihm gesprochen?«

»Ja, er hatte gerade ein Spiel gegen den dicken Rancher Webster gewonnen. Dann war der Saloon plötzlich leer. Die Leute hatten genug von ihm. Weil er zu oft gewinnt. Ich weiß es auch nicht. Jedenfalls habe ich ihn gesprochen. Er lachte, als ich ihm erzählte, was mich nach Dodge geführt habe.«

»Kann ich mir denken.«

»Das war eigentlich alles. Er sagte nur: Good luck!«

»War doch schon eine ganze Menge!«

»Ich will zugeben, Bat Masterson hat mich gewarnt. Aber wissen Sie, ich habe einen dicken Schädel, und manchmal setze ich ihn durch.«

Der Marshal schüttelte den Kopf. »Sie können sich an den fünf Fingern ausrechnen, daß sich kein Mensch nach solch einem Job drängen wird. Die Strecke ist zu lang. Da bieten sich für Wegelagerer mehr als genug Möglichkeiten, Scharfschützen aufzustellen.«