Wyatt Earp 278 – Western - William Mark - E-Book

Wyatt Earp 278 – Western E-Book

William Mark

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Beschreibung

"Vor seinem Colt hatte selbst der Teufel Respekt!" (Mark Twain) Der Lieblingssatz des berühmten US Marshals: "Abenteuer? Ich habe sie nie gesucht. Weiß der Teufel wie es kam, dass sie immer dort waren, wohin ich ritt." Diese Romane müssen Sie als Western-Fan einfach lesen! Unter einer gewaltigen Dunst- und Staubglocke schob sich die riesige Herde auf das in der Ferne schimmernde Silberband des Arkansas zu. Der Mann, der den schwarzen Leitbullen führte, saß auf einem schweißbedeckten Fuchs, dem die Schaumflocken vom Maul flogen. Es war ein großer, breitschultriger Mann mit hartem wetterbraunem Gesicht, schmalen Falkenaugen und flachsblondem Haar. Die grobe Lederweste stand vorn über dem leuchtend roten Hemd weit offen. An einem abgewetzten Kreuzgurt hingen in den Halftern zwei schwere Revolver. Dieser Mann war der texanische Trailboß Ben Summer. Ein merkwürdiger Ausdruck lag auf seinem Gesicht, das hart und rissig war wie die Landschaft ringsum. Forschend glitt der Blick seiner schiefergrauen Augen über das abfallende Land nach Westen hin auf eine Hügelgruppe zu. Ben Summer schien etwas zu suchen. In seine fliehende Stirn grub sich eine steile Falte. Dann hob er den linken Arm und zerrte gleichzeitig mit der Linken an dem starken Lederriemen, der den Nasenring des massigen Leitbullen hielt. Blökend, brüllend und stampfend schoben sich die zweitausend braun- und weißgescheckten Tierleiber weiter. Summers Rechte griff zum Colt, nahm die Waffe mit einer seltsam trägen und doch sicher wirkenden Bewegung aus dem Halfter, spannte den Hahn – und der Schuß peitschte in den Himmel. Sofort antworteten vier Schüsse rund um die Herde herum. Die Cowboys preschten auf ihren staubbedeckten Tieren heran und blickten aus stumpfen Gesichtern in die Augen ihres Boß. Ein langer, hagerer Bursche schob sich den mißfarbenen Stetson aus dem Gesicht, wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn und krächzte heiser: »Was gibt's, Ben?« Der Trailboß zerrte den widerstrebenden Bullen mit wahren Berserkerkräften an sich heran, vermied den Blick des Cowboys und knurrte: »Wir legen eine Rast ein.« Der Hagere zog die dichten schwarzen Brauen zusammen. »Hier noch?« Er warf den Kopf herum und blickte mit schmalen Augen auf den Fluß hinunter.

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Wyatt Earp – 278 –

Rinder für Dodge City

William Mark

Unter einer gewaltigen Dunst- und Staubglocke schob sich die riesige Herde auf das in der Ferne schimmernde Silberband des Arkansas zu.

Der Mann, der den schwarzen Leitbullen führte, saß auf einem schweißbedeckten Fuchs, dem die Schaumflocken vom Maul flogen. Es war ein großer, breitschultriger Mann mit hartem wetterbraunem Gesicht, schmalen Falkenaugen und flachsblondem Haar. Die grobe Lederweste stand vorn über dem leuchtend roten Hemd weit offen. An einem abgewetzten Kreuzgurt hingen in den Halftern zwei schwere Revolver.

Dieser Mann war der texanische Trailboß Ben Summer. Ein merkwürdiger Ausdruck lag auf seinem Gesicht, das hart und rissig war wie die Landschaft ringsum. Forschend glitt der Blick seiner schiefergrauen Augen über das abfallende Land nach Westen hin auf eine Hügelgruppe zu.

Ben Summer schien etwas zu suchen.

In seine fliehende Stirn grub sich eine steile Falte.

Dann hob er den linken Arm und zerrte gleichzeitig mit der Linken an dem starken Lederriemen, der den Nasenring des massigen Leitbullen hielt.

Blökend, brüllend und stampfend schoben sich die zweitausend braun- und weißgescheckten Tierleiber weiter.

Summers Rechte griff zum Colt, nahm die Waffe mit einer seltsam trägen und doch sicher wirkenden Bewegung aus dem Halfter, spannte den Hahn – und der Schuß peitschte in den Himmel.

Sofort antworteten vier Schüsse rund um die Herde herum.

Die Cowboys preschten auf ihren staubbedeckten Tieren heran und blickten aus stumpfen Gesichtern in die Augen ihres Boß.

Ein langer, hagerer Bursche schob sich den mißfarbenen Stetson aus dem Gesicht, wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn und krächzte heiser: »Was gibt’s, Ben?«

Der Trailboß zerrte den widerstrebenden Bullen mit wahren Berserkerkräften an sich heran, vermied den Blick des Cowboys und knurrte: »Wir legen eine Rast ein.«

Der Hagere zog die dichten schwarzen Brauen zusammen. »Hier noch?« Er warf den Kopf herum und blickte mit schmalen Augen auf den Fluß hinunter. »Es sind doch nur noch fünfzehn Meilen…«

»Yeah – aber die Rinder müssen sich erholen.«

»Das können sie doch unten am Fluß viel besser«, beharrte der Hagere.

Summer entgegnete: »Sicher. Aber ich lege keinen Wert darauf, daß Jesse Talboat sie dabei beobachtet.«

»Meinst du, daß die Viehaufkäufer die ankommenden Herden beobachten? Ich kann mir nicht denken, daß ein Händler sich diese Mühe macht!«

Der Trailboß hatte den schwarzen Koloß, der den Kopf immer wieder unwillig ins Genick warf, zu sich herangezogen, wickelte das Riemenende fest ums Sattelhorn und senkte den Blick in die Augen des staubbedeckten Kuhtreibers.

»Du bist ein ganz guter Cowboy, Jim – aber von Viehhändlern verstehst du nichts. Talboat ist ein höllisch ausgekochter Bursche. Ich weiß, daß er seine Leute unten am Fluß hat. Und die geben ihm sofort Nachricht, wenn eine Herde kommt. Er kommt dann rüber und sieht die ausgemergelten Tiere. Soll ich ihm sagen: Warten Sie einen Tag, Talboat, dann hat sich die Herde erholt. Dann haben die Rinder Wasserbäuche und satte Augen?«

Jim Cahoon grinste müde. »Well – du mußt es wissen.«

Summer blickte in die ausdruckslosen Gesichter der drei anderen Männer. »Wir bleiben hier bis zum Abend. Dann ziehen wir an den Fluß.«

Die Treiber nickten träge.

Langsam war die Herde zum Stehen gekommen.

Die Männer blinzelten in die dichte Staubwolke.

Jim Cahoon nahm seinen Zügel hoch und trabte zurück.

Die anderen Cowboys folgten ihm.

Mit gesenkten Köpfen und starren Augen dösten die Rinder schwer atmend vor sich hin. Sie witterten die Nähe des Flusses. Nach dem harten Trail, der mehrere Wochen gedauert hatte, waren sie mit ihren Kräften am Ende. Auch die kleinen Wasserläufe, die Summer aufgesucht hatte, waren nicht imstande gewesen, die Kräfte der Rinder zu erhalten. So war er eben, der große Trail von Texas herauf nach Dodge City. Erst öde Steppen, dann schroffes, bergisches Land, kahle Schluchten und schließlich mit dünnem Felsgras bewachsene endlose Ebenen.

Es war ein weiter Weg hinauf nach Dodge City.

Aber Ben Summer hatte es geschafft.

Drüben im milchigen Dunst jenseits des großen Flusses lag die Stadt.

Summer schlug einen kurzen Eisenpflock in die Erde und band den Bullenriemen daran fest. Dann sattelte er seinen Fuchs ab, ließ sich auf den Boden nieder, nahm sein Tabakzeug aus der Tasche und rollte sich eine Zigarette.

Unablässig glitt sein Blick nach Westen hin über das Land.

Jim Cahoon, der hundert Yards weiter südwestlich neben der Herde hielt, blickte über die Rinderrücken zum Trailboß, der vorn auf der Erde saß. Da rutschte auch er aus dem Sattel und ließ sich da nieder, wo er den Boden berührt hatte. Aus müden Augen betrachtete er seinen Pinto, erhob sich dann wieder mit hölzernen Bewegungen und nahm dem Tier den Sattel ab.

Nur langsam ließ die brütende Hitze nach. Der Himmel riß auf, und vom Fluß herauf wehte ein sanfter Windhauch. Die Rinder stellten ihre Ohren hoch und sogen die Luft tief in die Nüstern ein.

Plötzlich zog Ben Summer die Brauen zusammen und blickte aus spaltengen Augen auf die Hügelkette hinüber.

Drüben, in der dunstigen Ferne, tauchten mehrere kleine Punkte auf, die schnell größer wurden und näher kamen. Es waren Reiter. Der Trailboß konnte bald zwölf Männer erkennen. Er wandte den Kopf und sah zu Jim Cahoon hinüber.

Der hockte an seinen Sattel gelehnt, hatte seinen breitrandigen Hut übers Gesicht gezogen und schien zu schlafen.

Summer lehnte sich ebenfalls zurück und schob sich den Hut über die Augen. Wie er so dasaß, erweckte er den Anschein, als schlafe auch er.

Die anderen Cowboys lagerten hinter der Herde.

Da die Rinder nicht ruhig standen, sondern tausendstimmig blökend und murrend mit den stumpfen Hufen den trockenen sandigen Boden scharrten, war das Herannahen der Reiter erst zu hören, als sie sich schon auf Schußweite genähert hatten.

Da sprang Cahoon plötzlich hoch, griff nach seinem Colt und brüllte: »Boß!«

Daß der da heranpreschende weit ausschwärmende Reitertrupp nichts Gutes im Schilde führte, hatte der hagere Cowboy sofort erfaßt.

Ben Summer rührte sich nicht.

Da krachten auch schon Schüsse.

Von einer Gewehrkugel getroffen, sackte der lange Cahoon in sich zusammen.

Joe Bratt, Mac Calliger und Clint Brentborne leisteten verzweifelten Widerstand.

Da die Angreifer jedoch aus sicherer Entfernung mit ihren weittragenden Gewehren schossen, hatten die Cowboys keine Chance. Sie wurden niedergestreckt, ehe sie selbst ihre Gewehre an sich nehmen konnten.

Es dauerte über eine Stunde, bis die Banditen die ausbrechende Herde wieder zusammen hatte.

Ben Summer allein stand vorn und hielt den Leitbullen, und neben ihm hielt der Anführer der Rustler, ein kleiner hagerer Bursche mit finsterem Gesicht, unsteten Augen und strähnigem Grauhaar.

Summer hatte alle Mühe gehabt, den wild stampfenden Bullen zu halten. Er warf dem Reiter jetzt einen galligen Blick zu und rief: »Hast mich ja ganz schön warten lassen, Scapper!«

Der Bandit feixte. Dann schob er die Unterlippe vor und krächzte: »Du weißt, daß ich pünktlich bin, Summer. Hättest dir doch denken können, daß was dazwischen gekommen ist.«

Summer fletschte die Zähne. »Was ist dazwischen gekommen?«

»Wir haben hier einen ziemlich ungemütlichen Marshal in der Gegend.«

»Damned, wegen eines lausigen Sternträgers laßt ihr mich hier vier Stunden warten?«

Der Bandit legte den Kopf auf die Seite. »Lausig? He! Du machst mir Spaß. Der Bursche ist gefährlicher als ein halbes Dutzend Texas-Rangers.«

Summer warf den Kopf hoch. »Bist du verrückt? Bill Fleet ist doch weiter nichts als eine lahme Ente. Und wenn der hier mal durch die Gegend kraucht, dann zieht ihr schon den Kopf ein.«

»Bill Fleet?« Scapper lachte böse auf. »Den gibt’s nicht mehr, old boy. Der hat vor neun Monaten ein halbes Dutzend Kugeln geschluckt und sich nicht wieder davon erholt.«

Der massige Leitbulle war endlich zur Ruhe gekommen. Summer richtete sich auf. »Und? Wer soll denn der gefährliche Bursche sein, der Fleets Stern genommen hat?« Ein spöttisches Lächeln lag bei diesen Worten um den Mund des Treibers.

Der Bandit wischte sich ärgerlich über seine kurze, aufgeworfene Nase. »Das Lachen wird dir gleich vergehen, Summer. Der Kerl hat einen so bekannten Namen, daß er selbst dir bekannt sein wird.«

»Ein Schießer?«

»Wie man es nimmt, schießen kann er auch, und zwar mit beiden Händen wie der Teufel. Daß er nicht auch noch mit den Füßen schießt, ist alles. Frag Bill, er kann ein Lied davon singen. Er hat schon einen Gang mit ihm gehabt.«

»Was denn? Bill hat einen Burschen gefunden, der schneller schießt als er?«

Der Bandit feixte. »Schneller? Wenigstens doppelt so schnell. Außerdem hat der Kerl hier einen Partner im Kreuz, der mit den Sixguns besser umgeht als du mit deinen Rindern.«

»Äh!« Summer machte eine wegwischende Handbewegung. »Mach es nicht so spannend, Kleiner. Sag mir endlich, wer jetzt in Dodge den Stern genommen hat. Ich werde den Kerl wie einen faulen Apfel zerquetschen.«

Eine häßliche Lache brach von den Lippen des Banditen. Er hatte sich Zeit gelassen und genoß die Wirkung der beiden Worte, die er nun von sich gab: »Wyatt Earp.«

Summer riß den Kopf herum. Sein Mund stand offen. Er hatte die Brauen hoch in die fliehende Stirn gezogen. »Bist du wahnsinnig? Wyatt Earp? Der Polizeihund aus Missouri?«

»Yeah, genau der. Und Doc Holliday ist auch in der Stadt.«

»Holliday? Was haben wir mit ihm zu schaffen? Er ist ein Spieler…«

»Yeah, und wenn es irgendwo um den Marshal herum kracht, kannst du hundert Dollar wetten, daß er in seinem Rücken ist.«

Summer nahm den Hut ab. Zahllose winzige Schweißperlen standen plötzlich auf seiner Stirn. »Wyatt Earp und Doc Holliday? Hell and Devils! Da haben sich ja die beiden richtigen gefunden.«

Scapper nickte nur.

Der Texaner machte eine wegwischende Handbewegung. »Unsinn, was gehen uns die beiden Kerle an? Die Herde muß an den Fluß gebracht werden.«

»Ausgeschlossen!«

Der Treiber stieß das Kinn vor. »Was willst du denn, du bildest dir doch nicht etwa ein, daß ich wegen diesen beiden Pappfiguren einen Umweg mache?«

»Doch, das bilde ich mir ein, Ben.«

Der Cowboy trat an den Reiter heran und riß ihn mit einem harten Griff aus dem Sattel.

Scapper saß am Boden und erhob sich langsam wieder. Der Cowboy stand jetzt dicht vor ihm. Unsicher blickte der Zwerg in die schiefergrauen Augen des Texaners.

»Du mußt krank sein, Scapper. Seit Jahren traile ich Rinder von Texas herauf und bringe sie hier an den Fluß. Du glaubst doch nicht allen Ernstes, daß ich wegen eines starrsinnigen Sternträgers und eines schießwütigen Spielers einen Umweg von mehreren hundert Meilen mache. Talboat sitzt in Dodge und kauft die Herde.«

»Du irrst. Er kauft sie eben nicht. Erstens kann er es gar nicht mehr, und zweitens würde er es auch nicht mehr tun.«

»Was soll das heißen?«

»Wyatt Earp hat ihn einmal einen vollen Monat eingesperrt.«

Der Treiber schlug die Zähne knirschend aufeinander. »Damned! Das wird ja immer besser. Und Looping?«

»Der wird auch kein Rind von dir kaufen.«

»Weshalb nicht? Er muß!«

Wieder brach die häßliche Lache von den Lippen des Banditen. »Er wird sich hüten. Der Marshal sieht den Viehhändlern höllisch auf die Finger.«

»Heavens! Ich werde den Burschen zusammenschießen!« fauchte der Texaner.

»In der Stadt ist das Tragen von Schußwaffen verboten.«

Summer wischte sich mit dem Hemdsärmel über die Stirn. Er glaubte, nicht recht gehört zu haben. Dann erinnerte er sich daran, daß er früher schon davon gehört hatte, daß Wyatt Earp auch in Wichita ein Waffenverbot erlassen hatte.

Trotzdem knurrte er: »Ich pumpe den Burschen voll Blei, ehe er mich richtig gesehen hat.«

»Viel Vergnügen«, maulte Scapper. »Ehe du den ersten Schuß auf den Rücken des Marshals abgeknallt hast, fetzt der Gambler dir seine ganze Trommel ins Kreuz.«

Summer schluckte, stemmte die Arme in die Hüften und krächzte: »Der Hund muß doch verwundbar sein.«

»Sicher, aber nicht so.«

»Und was mach ich mit der Herde?«

»Ich weiß es nicht.«

Summer stampfte mit dem Fuß auf. »Bildest du dir etwa ein, daß ich umkehre?«

Scapper schüttelte den Kopf. »Verrückt. Wir müssen eben überlegen, was wir machen können. Jedenfalls wäre es Wahnsinn, blindwütig gegen den Marshal anzurennen.«

»Vielleicht hat das nur noch keiner versucht?«

Scapper lachte. »Ich habe ein gutes Dutzend Burschen gekannt, die gegen Wyatt Earp angerannt sind. Die meisten können ihre Hand nicht mehr gebrauchen, und der traurige Rest liegt draußen vor der Stadt unterm Stiefelhügel.«

Vom Flußtal herauf wehte ein weicher Wind über die dürren Gräser.

Summer blickte auf die Herde und knurrte schließlich: »Well, hol die anderen her. Wir werden beraten.«

*

Auf leisen Sohlen schritt die Nacht durchs Flußtal und senkte ihre sanften Schatten über die Berge. Der Himmel war schwarzgrau und wolkenverhangen. Durch ein weißgrau gerändertes Loch blinzelte ein einzelner Stern.

Der Cowboy Jim Cahoon lag neben seinem Sattel und starrte in den Nachthimmel. Ungläubig sah er auf den einen flimmernden Stern. Sah er ihn wirklich, den winzig glitzernden Himmelskörper? Oder träumte er? War er nicht von einer Gewehrkugel niedergestreckt worden?

Er spürte den sanften Windhauch, der über sein Gesicht strich. Diese Feststellung brachte ihn wieder völlig zur Besinnung. Mit einem Ruck wollte er sich aufrichten. Nur mit Mühe konnte er einen Schmerzensschrei unterdrücken. Das Blöken und Grunzen der Rinder hatte den kleinen Laut verschluckt. Jim hob den Kopf ein wenig an. Da gewahrte er in etwa dreißig Yards Entfernung die Silhouette mehrerer Männer. Gegen den Nachthimmel konnte er ihre Konturen deutlich unterscheiden. Ob sie ihn sehen konnten? Das war kaum anzunehmen. Hier am Boden, wo er lag, herrschte vollkommene Dunkelheit. Jim richtete sich auf, und wiederum verspürte er den dumpfen stechenden Schmerz links oben in der Brust. Seine Rechte tastete vorsichtig über das Hemd. Dann hatte er den Einschuß gefunden.

Den Einschuß? Glühendheiß rann diese Entdeckung durch das Hirn des Cowboys. Die Einschußstelle lag genau über dem Herzen!

Jims Hand glitt unter das Hemd. Die Finger tasteten über die Haut.

Nichts! Er richtete sich auf und riß das Hemd auf. Nichts!

Da fühlte er links oben in der Brusttasche seine Tabaksdose. Sofort nestelte er sie aus der Tasche und entdeckte das Loch im Deckel; er öffnete die Schachtel und fand ein deformiertes kleines Stück Blei. Die Kugel hatte sich also in der Dose verfangen. Was ihn umgeworfen hatte, war nur der harte Schlag aufs Herz gewesen.

Wieder warf er einen prüfenden Blick zu den Männern hinüber. Dann stützte er sich auf Hände und Knie und bewegte sich wie ein vierfüßiges Tier langsam vorwärts. Als er auf 15 Yards an die Gruppe herangekommen war, hielt er inne.

Die Männer sprachen leise miteinander.

Jim konnte ihre Worte nicht verstehen. Aber eines stellte er sofort fest: Einer der Männer war Ben Summer, der Trailboß! Er sprach offensichtlich freundschaftlich mit den Banditen.

Diese Erkenntnis jagte einen jähen Schrecken durch den Kopf des Cowboys. Er tastete nach dem zweiten Revolver im linken Halfter, entsicherte ihn lautlos und verharrte still auf seinem Fleck.

Jetzt sprach Ben Summer lauter, und der Cowboy konnte die Worte deutlich verstehen.

»Ich reite in die Stadt, und wenn der Kerl scharf ist wie ein Comanche.«

Es war ein kleiner krummbeiniger Kerl, der ihm antwortete. »Tu, was du nicht lassen kannst. Ich habe dich gewarnt.«

»Ich pfeife auf deine Warnungen! Die Herde kann schließlich nicht hier stehen bleiben. Und wir können es uns nicht leisten, sie noch fast hundert Meilen westlich zu treiben, um den Distrikt des Marshals zu umgehen. Die nächste Furt über den Fluß liegt über neunzig Meilen westlich von hier. Ich denke nicht daran, mit einem solchen Umweg noch zwei Tage Zeit zu verlieren.

Der kleine Mann spie zur Seite und quetschte einen Fluch durch die Zähne. »Du bist schon immer ein Hartschädel gewesen, Summer. Und ich weiß, daß dich niemand von deinem Vorsatz abbringt. Aber eines will ich dir noch sagen: Wenn du die Herde hinüber nach Dodge trailst, bist du sie los.«

»Wieso?«

»Weil Wyatt Earp nicht blind ist. Das Brandzeichen der Rinder ist ja wohl kaum zu übersehen. Und es bedarf keines Mannes wie Wyatt Earp, um augenblicklich festzustellen, daß die Tiere von der Ring Cross Ranch sind. Wenn wir den Brand verändern wollten, müßten wir die Herde wenigstens bis an die nächste Furt treiben. Wir könnten einen zweiten Ring ziehen und das Kreuz vergrößern.«

Ben Summer lachte hart auf. »Du bist verrückt. Ich werde wegen eines einzigen Mannes keinen solchen Wahnsinn begehen.«

»Was du von dem einen Mann zu halten hast, habe ich dir ja erklärt.«

»Du bist ein Angsthase, Scapper!«

Da mischte sich einer der anderen Männer ein. »Sie irren, Summer. Scapper hat recht. Der Marshal ist ein Wolf. Und mit dem Gambler im Rücken ist er doppelt gefährlich. Auch ich würde Ihnen raten, den Umweg zu nehmen.«

Da brauste der Treiber auf. »Was wollt ihr denn? Die Furt unten bis

Georgetown ist so schlecht, daß wir doppelt so viel Männer zum Hinübertreiben der Herde benötigten, wie wir haben. Vor drei Jahren habe ich einmal zusammen mit Talboat dort eine nur halb so große Herde hinübergebracht. Es war eine höllische Schinderei. Es gibt da mehrere Untiefen, und wir allein sind niemals imstande, die Rinder alle auf der engen passierbaren Furt zusammenzuhalten. Wir müssen hier hinüber.«

»Well, dann verlieren Sie die Herde garantiert!« beharrte der Mann und stieß seine linke Stiefelspitze in den Boden.

Summer preßte wieder einen Fluch durch die Zähne. »Allright! Ich werde zuerst hinüberreiten und den Kerl beseitigen. Ich habe keine andere Wahl. Schafft inzwischen die Toten hier weg! Ich komme noch vorm Morgengrauen zurück. Dann ist alles in Ordnung. Ben Summer hat noch nie eine halbe Sache gemacht.« Er wandte sich um und stakste zu seinem Pferd hinüber.

Der kleine Scapper rief ihm nach: »Sieh dich vor, daß du den Spieler nicht in den Rücken bekommst. Der Kerl taucht ausgerechnet immer da auf, wo man ihn nicht vermutet!«

Summer blieb stehen und blickte über die Schulter zurück. »Well, dann muß der Sargtischler gleich zwei Kästen herstellen.«

Die Männer hörten nach wenigen Minuten den Hufschlag seines Pferdes.

Scapper knurrte: »Er ist ein ganz verdammter Dickschädel. Wenn er vor dem Morgen nicht hier ist, stehen wir mit der Herde da. Es braucht nur drüben auf der Straße ein Reiter vorüberzukommen, dann sieht er uns. Was dann?«

Ein großer vierschrötiger Bursche mit weit ausladenden Schultern schob sich den Hut ins Genick. »Wir können die Rinder ja drüben hinter die Hügel bringen. Einer von uns bleibt hier und wartet auf Summer.«

»Right so!« stimmte der Anführer zu. »Los, seht nach den Treibern. Nehmt sie auf eure Gäule. Wir bringen sie drüben hinter den Hügeln unter die Erde.«

Die Rustler gingen auseinander.

Einer von ihnen kam direkt auf Jim Cahoon zu.

Der Cowboy kauerte sich dicht an die Erde. Er hörte sein Herz bis in den Schädel hämmern.

Damned! Wenn er mich entdeckt, bin ich verloren! Gegen zwölf Rustler habe ich nicht die geringste Chance.

Der Treiber legte sich flach auf den Boden und atmete geräuschlos durch den offenen Mund.

Die Schritte des Rustlers kamen näher. Plötzlich verstummte das Geräusch. Nur drei Yards vor dem Cowboy.

Jim rührte sich nicht. Er hielt den Atem an und starrte in die Dunkelheit.

Ganz langsam kam der Mann näher. Einen halben Yard vor ihm blieb er stehen. Jim sah seine Stiefel zum Greifen nah vor sich.

Was würde geschehen? Der Mann sollte ihn fortbringen. Da er den Treiber wie tot vor sich am Boden liegen sah, würde er kaum noch etwas gegen ihn unternehmen.

Jim mußte es riskieren. Reglos blieb er liegen.

Da bückte sich der Bandit nach ihm, tastete über seinen Körper und zerrte ihn dann hoch.