Wyatt Earp 280 – Western - William Mark - E-Book

Wyatt Earp 280 – Western E-Book

William Mark

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Beschreibung

"Vor seinem Colt hatte selbst der Teufel Respekt!" (Mark Twain) Der Lieblingssatz des berühmten US Marshals: "Abenteuer? Ich habe sie nie gesucht. Weiß der Teufel wie es kam, dass sie immer dort waren, wohin ich ritt." Diese Romane müssen Sie als Western-Fan einfach lesen! Sengende Hitze lag in der Mainstreet von Cadoka. Sie waberte über den flachen Dächern und stand brütig und unbewegt zwischen den Holzhäusern. Es war kurz vor Mittag, am 27. Juni 1875. Die Hitze hielt die Menschen in ihren Behausungen. Vom Westen her schleppte sich ein Mann in die Stadt. Yeah – er schleppte sich. Seine Stiefel schaufelten den Sand, sein Kopf mit dem breitrandigen grauen, durchschwitzten Hut hing tief auf seiner Brust. Er schleppte sich vorwärts wie in Trance. Seine Rechte hatte er in die Hüfte gepreßt. Die Linke hielt eine langschnäuzige, zusammengepreßte Bullpeitsche umklammert. Jesse Willard, der graubärtige, hünenhafte Blacksmith, der für einen Moment den Kopf von seiner Arbeit erhoben hatte, starrte durch das offene Schuppentor auf den Mann. Dann wandte er sich wieder seiner Arbeit zu. Auch Howard Mird, der chinagesichtige, verhutzelte Sattler, blickte durch das offene Fenster hinaus. Als er den Mann sah, wurde auch sein Gesicht hart. Er senkte den Kopf finster über seine Arbeit. Die blauäugige, dunkelhaarige Susan Lee hatte am Tisch gestanden, als ihr Blick auf die Straße fiel. Das Herz blieb ihr beim Anblick des Mannes für einen Augenblick stehen. Großer Gott, wie er aussah! Er trug helles, abgeschabtes Lederzeug, das staubgepudert und so fürchterlich blutbeschmiert war, daß die junge Frau sich an der Tischkante festhalten mußte.

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Wyatt Earp – 280 –

Bullpeitschen-Jack

William Mark

Sengende Hitze lag in der Mainstreet von Cadoka. Sie waberte über den flachen Dächern und stand brütig und unbewegt zwischen den Holzhäusern.

Es war kurz vor Mittag, am 27. Juni 1875. Die Hitze hielt die Menschen in ihren Behausungen.

Vom Westen her schleppte sich ein Mann in die Stadt.

Yeah – er schleppte sich.

Seine Stiefel schaufelten den Sand, sein Kopf mit dem breitrandigen grauen, durchschwitzten Hut hing tief auf seiner Brust.

Er schleppte sich vorwärts wie in Trance. Seine Rechte hatte er in die Hüfte gepreßt. Die Linke hielt eine langschnäuzige, zusammengepreßte Bullpeitsche umklammert.

Jesse Willard, der graubärtige, hünenhafte Blacksmith, der für einen Moment den Kopf von seiner Arbeit erhoben hatte, starrte durch das offene Schuppentor auf den Mann. Dann wandte er sich wieder seiner Arbeit zu.

Auch Howard Mird, der chinagesichtige, verhutzelte Sattler, blickte durch das offene Fenster hinaus. Als er den Mann sah, wurde auch sein Gesicht hart. Er senkte den Kopf finster über seine Arbeit.

Die blauäugige, dunkelhaarige Susan Lee hatte am Tisch gestanden, als ihr Blick auf die Straße fiel. Das Herz blieb ihr beim Anblick des Mannes für einen Augenblick stehen.

Großer Gott, wie er aussah!

Er trug helles, abgeschabtes Lederzeug, das staubgepudert und so fürchterlich blutbeschmiert war, daß die junge Frau sich an der Tischkante festhalten mußte.

Der Mann ging jetzt vorbei.

Er schleppte sich vorwärts.

Jeder Schritt war ein Kampf, eine Energieleistug.

Und dann fiel Susans Blick auf seinen Rücken.

Das dünne Leder der Weste, das seine breiten Schultern umspannte, schien mit blutigen Flecken übersät zu sein.

Da hastete die Frau los.

Sie stürzte aus dem Haus, rannte über den Vorbau auf die Straße hinaus.

Vor dem Mann blieb sie stehen, hielt ihn auf, preßte ihre Hände um seine Oberarme.

»Bitte…«

Er war wie im Traum marschiert, Schritt für Schritt, Fuß vor Fuß schiebend. Eine breite, tiefe Furche hatte er durch den Straßenstaub gezogen.

Der rechte Fuß, den er schon aufgehoben hatte, fiel kraftlos auf den Boden zurück, so, als gehörte er gar nicht zu dem Mann.

Die Frau blickte in sein Gesicht und erschrak.

Welch ein Gesicht. Es war aschgrau, schmal, kantig wie aus Eichenholz geschnitzt. Unter den schiefergrauen Augen lagen blauschwarze, tiefe Schatten. Der Mund war schmal und zusammengepreßt, aus seinem rechten Winkel rann ein Blutfaden. Hart und eckig schob sich das Kinn vor.

Der Blick des Mannes schien aus weiter Ferne zu kommen. Unsagbar müde, leer, gebrochen.

»Jack!« Tonlos fiel der Laut von den Lippen der Frau.

Der Blick des Mannes war starr und schien an ihr vorbeizugehen. Plötzlich fielen seine Lider zu. Er schwankte nach vorn und rutschte vor der Frau in sich zusammen.

Susan zerrte ihn hoch. Sie sah sich suchend um.

Aber es kam ihr niemand zu Hilfe.

Unter Anbietung all ihrer Kräfte schleppte sie den Mann an den Vorbau und versuchte, ihn auf die Bretter zu heben.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wurde eine Haustür geöffnet. Ein hochgewachsener, gutaussehender Mann in sauberer Tuchkleidung überquerte die Straße und blieb neben ihr stehen.

Susan warf den Kopf herum. Ihre Augen brannten in seinem glatten, vollen tiefgebräunten Gesicht.

»Hilf mir doch, Joe!« stieß sie heiser hervor.

Ein bitteres Lachen zuckte um den Mund des Mannes. »Laß ihn doch liegen! Es mußte doch einmal so mit ihm kommen.«

Die Frau blitzte ihn an. »Hilf mir! Er verblutet doch!«

»Das wäre kein Unglück für die Stadt.«

Susan hatte die schmalen blassen Hände in die Weste des Ohnmächtigen gekrallt. Sie biß die Zähne hart aufeinander und mühte sich aus Leibeskräften, den schweren Körper des Verwundeten auf den Vorbau zu schieben.

Da griff der Mann zu. Als der Verletzte auf den schweren Stepwalkdielen lag, sagte er spöttisch: »Da liegt er. Sieh ihn dir an. Er wird krepieren wie ein Hund.«

»Ich muß ihn ins Haus tragen«, stammelte die Frau.

»Sicher, du mußt ihn ins Haus tragen, damit die Leute noch mehr über dich reden. Well, trag ihn ins Haus. Ich helfe dir nicht dabei. Der Mann ist ein Verbrecher, irgendo hat es ihn erwischt. Da, sieh nur, wie krampfhaft er das mörderische Ding, diese Peitsche, umkrallt hält. Irgendwo vor der Stadt haben sie ihn fertiggemacht. Und das war gut so.«

Mit einem Ruck wandte der Mann sich ab.

Susan stieg über die Treppe auf den Vorbau, nahm den schweren Mann unter den Armen und schleppte ihn ins Haus.

Sie konnte ihn nicht mehr auf die Holzbank vor dem Fenster legen. Ihre Kräfte waren erschöpft.

Sie zerrte ihn in die Mitte des Raumes, zog ihm die Lederweste und das Hemd aus, drehte ihn auf den Bauch – und mußte einen Schrei des Entsetzens unterdrücken.

Sieben große Wunden von Messerstichen brannten in der braunen Haut des muskulösen Männerrückens.

Die Angst würgte der Frau fast die Kehle zu.

Dann handelte sie.

Eine Stunde später lag der Mann auf einem Lager, das sie auf dem Boden für ihn hergerichtet hatte. Gewaschen und verbunden.

Als sie erschöpft auf einen Schemel sank, hörte sie einen harten Schritt auf dem Vorbau. Einen Schritt, den sie genau kannte.

Es wurde an die Haustür geklopft, und dann war der Schritt im Flur.

Gleich darauf wurde die Tür aufgeschoben. Ein vierschrötiger Mann mit faltigem, ernstem Gesicht, kurzgeschorenem Grauhaar und gelblichen, seltsam kalten Augen stand im Türrahmen. Er trug ein graues Kattunhemd, eine braune Weste und schwarze Lewishosen, die unten über hochhackige Texasstiefel liefen.

Rechts an dem abgeschabten, breiten Waffengurt hing ein Halfter, aus dem der Knauf eines alten Navycolts hervorsah.

Rechts auf der Brust des Mannes blinkte ein silberner Fünfzack.

Susan blickte auf.

Der Mann nahm langsam den Hut ab und warf einen harten, forschenden Blick auf das Lager des Verwundeten. »Guten Tag, Miß Lee.«

Der Hüter des Gesetzes hatte schon von Natur aus ein finsteres Gesicht, als er aber jetzt näher kam und mit seinem Hut auf den Mann in der Stubenecke deutete, sah sein Gesicht aus wie ein geschrumpfter Gallapfel. »Was ist mit ihm?«

Susan schluckte. »Er hat sieben Messerstiche in den Rücken bekommen.«

Der Sheriff blieb völlig unbeeindruckt.

»Ich sah zufällig, wie er hier am Haus vorbeischwankte. Ich habe ihn aufgehalten. Er wäre vielleicht noch hundert Schritt weiter gekommen.«

Sam Perkins nickte. »Yeah. Vielleicht.«

Und Susan sah ihm an, daß der dachte: Vielleicht wäre es besser, wenn er noch hundert Schritte weitergekommen und dort zusammengebrochen wäre.

Hundert Schritt weiter lag das Totenhaus…

Der Sheriff blickte unverwandt in das graue Gesicht des Ohnmächtigen. Dann öffneten sich seine Lippen, und heiser sagte er: »Jack Eddie Fuller! Da liegt er nun, mit sieben Messerstichen im Rücken. So hat es also ein Ende genommen mit diesem Menschen.«

Susan stand auf. »Wollen Sie noch etwas, Mister Perkins?« fragte sie nun schroff.

Der Sheriff stülpte seinen Hut auf und ging hinaus.

Susan wachte die ganze Nacht am Lager des Verwundeten. Sie flößte ihm Wasser ein, lauschte auf seinen Atem und beobachtete unentwegt sein Gesicht.

Aber als der Morgen graute, hatte der Mann die Augen immer noch nicht aufgeschlagen.

Es wurde an die Tür geklopft, und die alte, fettleibige Mariolen Corgater rauschte herein. Sie starrte auf den Mann am Boden und stieß einen erstickten Schrei aus. »By gosh! Das ist er ja wirklich! Und Sie haben ihn bei sich aufgenommen? Haben Sie denn gar keine Angst?«

»Angst«, versetzte Susan schroff, »vor einem Halbtoten?«

Die alte Vettel wich entsetzt zurück. Ihre grünen umflorten Augen waren weit aufgerissen. »Tot ist er schon –?« Dann rauschte sie hinaus.

Es gab noch drei Leute, die kamen.

Allan Douglas, der Mayor.

Mink Potts, eine Nachbarsfrau.

Und Larry Loons, ein hochgewachsener Blondschopf, der seit drei Jahren den größten Mietstall in der Stadt hatte.

Der Mayor hatte nur umhergeschaut und den Kopf geschüttelt. Wortlos war er wieder gegangen.

Die Potts hatte die Schürze umgehabt und die Hände angewidert vor das Gesicht gepreßt, als sie den Verwundeten sah. Dann war auch sie gegangen.

Larry Loons hatte gefragt, ob er sich setzen dürfe. Mit einem nachdenklichen Blick hatte er das Gesicht Fullers betrachtet. »Sie sollten ihm ein Glas Whisky einflößen, vielleicht kommt er dann wieder zu sich.«

Susan nickte. »Ja, das will ich versuchen. Bloß…« Sie brach ab und hantierte am Ofen herum, auf dem sie das Mittagessen vorbereitete.

Larry erhob sich und ging hinaus. Nach fünf Minuten war er mit einer Flasche Whisky zurück.

Er schnippste den Korken vom Flaschenhals, trank einen kräftigen Schluck und hielt die Flasche der jungen Frau entgegen. »Hier, gießen Sie ein Glas voll und trichtern Sie es ihm ein. Das ist das einzige, was ihn noch aufwecken könnte.«

Susan warf dem jungen Mann einen dankbaren Blick zu und versuchte, dem Verwundeten etwas von dem scharfen Getränk einzuflößen.

Es hatte nicht viel Sinn.

Larry zog die Brauen zusammen. »Ich glaube, er macht nicht mehr lange«, sagte er gedehnt. »Man sollte einen Arzt in der Stadt haben. Der einzige, der ihm vielleicht noch helfen könnte, wäre Ascola, der Chief der Pineridges.«

Susan machte runde Augen. »Der Indianerhäuptling, drüben im Reservat?«

»Yeah. Er versteht eine Menge von Wunden, Kranken und Arzneien.«

Susan winkte ab. Es war sinnlos, darüber zu sprechen. Wer wollte in das Reservat der berüchtigten Pineridges reiten, um ausgerechnet auch noch deren Chief zu einem verwundeten weißen Mann in die Stadt zu holen.

*

Zwei Tage vergingen.

Der Zustand des Schwerverletzten hatte sich nicht geändert.

Mit übernächtigtem Gesicht, umschatteten Augen und müden Bewegungen schlich die junge Frau durch das Haus.

Als sie wieder einmal in die Wohnstube kam, sah sie, daß der Kopf des Mannes, der immer gerade in den Kissen gelegen hatte, zur Seite gerollt war.

Susan schrie gellend auf und preßte die Hände an die Schläfen.

Ob Larry den Schrei gehört hatte, wußte sie nicht, jedenfalls stand er plötzlich in der Tür. Er blickte auf die Frau und dann zu dem Mann hinüber. Er begriff sofort.

»Susan«, sagte er leise. »Sie dürfen es nicht so schwer nehmen. Es wäre sowieso nicht gut für ihn gewesen, wenn er wieder aufgewacht wäre.«

Die Frau hörte nicht hin. In stummem Entsetzen starrte sie auf das reglose blasse Gesicht, das von dem weißen Kissen gerutscht war.

Larry blieb vor der Frau stehen. »Es wäre nicht gut für ihn gewesen, Susan. Der Sheriff hat gestern sieben Meilen vor der Stadt in einem Hohlweg sein Pferd gefunden. Es war tot. Vier Pfeile steckten in seinem Leib.«

Susan hob den Kopf und blickte den Mann forschend an. »Indianer also?«

Larry schüttelte den Kopf. »Nein, drei Schritte hinter dem Pferd lagen die beiden Ridges.«

Die Frau blickte den jungen Mann mit tiefgelegtem Kopf an. Sie begriff offensichtlich kein Wort von dem, was er sagte.

»Die beiden sind tot«, versetzte Larry halblaut. »Er hat sie mit der Peitsche erschlagen!«

Stille.

Larry wandte sich langsam ab und ging an das Lager des Bullpeitschen-Jack. Er blickte in dessen Gesicht, auf die braunen nervigen Hände, die still auf der Decke lagen.

Besonders die Linke des Mannes betrachtete Larry lange und eingehend. Es war die Schlaghand Fullers gewesen. Mit ihr hatte er die sieben Yards lange mörderische Bullpeitsche geführt.

Es gab eine Menge Leute, die eine Bullpeitsche bei sich trugen. Rancher, Trailbosse, Cowboys, Frachtkutscher und Büffelfänger. Sie führten die Bullwhip gut. Aber nie hatte Larry einen Menschen gesehen, der dieses höllische Schlaggerät so gefährlich sicher, so schnell, so hart und so mühelos handhabte wie dieser Jack Fuller.

Larry hatte dreimal mit eigenen Augen gesehen, wie Jack die Peitsche zog. Sie hatte immer sauber in länglichen Schlaufen und seiner rechten Schulter in einer starken Schlaufe gesteckt, mit dem kurzen geflochteten Stil auf der Brust. Man konnte die Bewegung, mit der die Linke Fullers zum Peitschengriff zuckte, kaum wahrnehmen. Und dann flogen die Schlingen im Bruchteil einer Sekunde auseinander. Wehe dem, den auch nur das Ende der in der Mitte fingerdicken Lederschlange traf…

Larry hatte gesehen, wie Fuller einem Mann das Handgelenk zerschlagen hatte.

Einem anderen hatte er erst den Colt aus der Faust gezogen und ihn dann mit einem gedankenschnellen Kreuzschlag im Gesicht für die Zeit seines Lebens gezeichnet.

Bullpeitschen-Jack, so hatten ihn die Soldaten genannt, die gegen Ende des Krieges hier gelegen hatten und mit dem damals Vierzehnjährigen mehrere Zusammenstöße hatten. Einmal hatte er es allein mit drei Soldaten aufgenommen.

Ho! Er war einer der gefährlichsten Burschen, den Larry je in seinem Leben gesehen hatte.

Well, er war sogar der Gefährlichste.

Und was ihn schlimm machte: Er war ein Outsider, ja, fast ein Outlaw. Er war boshaft und grausam. Er trank, ohne jedoch jemals betrunken gewesen zu sein – und er suchte den Kampf.

Cadoka, die Stadt, in der er geboren worden war, haßte ihn wie ein ekliges Geschwür.

Sein Vater war im Krieg unten in Texas gefallen. Seine Mutter war auch schon fünf Jahre tot.

Und jetzt lag er selbst da. Von sieben Messerstichen dahingerafft.

Draußen vor der Stadt hatten sie die beiden Ridges gefunden. Jeder in Cadoka wußte, daß die Brüder mit Fuller verfeindet waren. Vor einem halben Jahr hatte er Jimmy Ridge einmal mit der Peitsche schwer an der linken Hand verletzt. Kurz darauf hatte er es drüben vor dem Blue-Saloon mit beiden zu tun. Fuller hatte sie fürchterlich zugerichtet.

Plötzlich zuckte Larry zusammen.

Gebannt starrte er auf das wächserne Gesicht des Toten.

Da, hatte sich da nicht eines der Lider bewegt?

Obgleich Larry einen eisigen Schauder über seinen Rücken rinnen spürte, bückte er sich und starrte weiter in Fullers Gesicht. Dann legte er sein Ohr direkt über den Mund des anderen.

»Susan!«

Das Mädchen fuhr hoch.

»Susan, er lebt noch!«

*

Gegen Mittag war Larry Loons schon neun Meilen vor der Stadt. Er bog nach Süden ab und hielt direkt auf die Windriver Hills zu.

Auf das Gebiet der Pineridge Indianer.

Am späten Nachmittag näherte er sich einer Hügelgruppe, die mit Felsgruppen übersät war.

Der Reiter hatte ein mulmiges Gefühl im Magen und einen Krampf im Nacken, als er sein Pferd durch die Felssteine lenkte.

Und dann hielten sie plötzlich vor ihm.

Auf braunweiß gescheckten Pferden.

Zwei Männer mit bronzefarbenen Gesichtern und glimmenden Kohlenaugen.

Pineridges!

Obwohl Larry spürte, daß sich ihm die Haare unter dem Hut aufstellten, ritt er weiter.

Die Indianer sahen ihm bewegunglos und starr entgegen.

Wie zwei Holzfiguren hielten sie da.

Bis auf fünf Yards ritt Larry heran.

Er spürte, daß ihm kleine Schweißperlen auf der Stirn standen.

Ich muß etwas sagen, ehe sie anfangen! fuhr es ihm durch den Kopf.

»Ich komme aus der Stadt!« Er deutete mit dem linken Arm nach Nordosten.

Die Roten rührten sich nicht.

»Ich komme mit einer Botschaft…, mit einer Bitte.«

Die Pineridges schwiegen. Ausdruckslos ruhten ihre Augen auf dem weißen Mann.

»Wir haben keinen Arzt, keinen Mann in der Stadt, der Wunden heilen kann. Bei uns gibt es einen schwer verwundeten Mann. Er liegt bei Susan Lee, sie hat einen kleinen Store. Er hat sieben Messerstiche im Rücken, der weiße Mann. Sieben…« Larry brach ab.

Der eine der beiden Indianer hatte den Mund ein wenig geöffnet. Seine perlweißen Zähne schimmerten hinter dem Lippenspalt. »Was willst du?«

»Wir haben gehört, daß Ascola, euer Häuptling, viel von Wunden versteht. Der Mann oben in der Stadt muß sterben, wenn ihm nicht geholfen wird. Und… Damned! Was geht mich dieser höllische Fuller an. Soll doch der Teufel den Tramp holen. Seinetwegen habe ich mich hier in die Höhle des Löwen gewagt.«

Seinetwegen?

Yeah – weil er ein Mensch war, der sonst sterben mußte.

Da versetzte der Indianer rauh: »Ascola hilft keinem Blaßgesicht!«

Larry gab nicht auf. »Der Mann stirbt…«

Wie einerlei mußte es doch einem Indianer sein, ob irgendwo in der Stadt ein weißer Mann starb, ob er an sieben hinterhältigen Messerstichen krepierte. Schließlich hatten die Weißen ihn, den Roten, auf ein winziges Stück Erde zusammengedrängt, zusammengepfercht wie eine Rinderherde.

»Er stirbt. Er…«

Larry hatte die Hand des Indianers nicht zum Gürtel zucken sehen.

Etwas Silbernes blitzte in der Luft, und Larry hatte links im Oberarm ein kleines dünnes Messer stecken.

Voller Entsetzen starrte er darauf, dann zog er es heraus und ließ es auf den Boden fallen.

»Heb es auf und bring es mir«, sagte der Indianer kalt.

Larry nahm die Zügel und machte kehrt.

Langsam ritt er davon.

Mit der Angst im Nacken.

Aber er blickte sich nicht um.

Er war ein Dakotaman; und die waren im ganzen Westen für ihren Stolz und ihre Härte bekannt.

Damned! War Jack nicht auch ein Dakotaman?

Yeah, sicher. Und früher waren sie stolz auf ihn gewesen, wie er als elfjähriger Junge einem Banditen, der mit einem Pferd aus Mervins Mietstall floh, die Hände von der Zügelleine schlug, mit dem nächsten Schlag die Peitsche um den Hals des Tramps schlang und den Mann aus dem Sattel riß.

Ganze elf Jahre war der kleine Fuller damals gewesen!

Ein höllisches Gefühl, diese beiden gewalttätigen Rothäute im Kreuz zu haben.

Jack, yeah, den hätte das nicht interessiert. Wahrscheinlich wäre der Rote gar nicht an sein Messer gekommen. Die Bullpeitsche hätte ihm die Fingerknöchel vorher zerschlagen…

Als Larry das leise Schwirren in der Luft hörte, war es schon zu spät.

Wie ein Nadelstich fühlte es sich an. Dann wie ein glühendes Eisen, das sich oben in seinen Körper bohrte.

Larry spürte, daß er verloren war, wenn er jetzt nicht handelte. Er riß das Pferd herum, nahm die Winchester aus dem Scabbard und riß es hoch.

Ein wahnsinniger Schmerz zuckte durch seinen Körper.

Er sah die beiden Roten wie Ölgötzen drüben zwischen den grauen Steinen stehen.

Der Lauf des Gewehres schwankte hin und her.

Da wendeten die Pineridges ihre Gäule.

Larry wartete, bis sie verschwunden waren.

Dann wandte auch er sein Pferd.

Nein, er hätte nicht schießen können. Nicht etwa, weil er Angst hatte. Nein – aber ein einziger Schuß nur in diesem Gebiet, und er wäre höchstwahrscheinlich innerhalb einer Viertelstunde von Pineridges eingekreist gewesen.

Überhaupt schoß niemand in der Umgebung des Reservats.

In der Umgebung der Stadt wurde sogar das Schießen vermieden.

Die Leute hatten so große Angst vor den Indianern, daß sie befürchteten, ein Schuß könnte dieses Mordgesindel herbeilocken.

Larry ritt im Trab zurück, schob das Gewehr in den Lederschuh und trieb dann den Braunen zu noch schärferer Gangart an.

Der Pfeil oben in seiner Schulter federte wippend auf und ab. Und jede dieser Federbewegungen schien einem Feuerstrom durch den Körper des Reiters zu schicken.

Slim Valliers traf den Mietstallbesitzer zehn Meilen vor der Stadt.

Larry ritt auf ihn zu, blickte ihn aus glasigen Augen an und wandte ihm dann langsam den Rücken zu.

Der alte Händler stieß einen kleinen Pfiff durch seine Zahnlücke aus und wartete, bis Larry den Braunen an den Wagen herangebracht hatte, reckte sich vom Kutschbock auf und griff nach dem Pfeil.

Larry brüllte laut auf vor Schmerz, als ihm der Alte den dünnen Holzstab aus dem Rücken zog.

»Sie haben höllisches Schwein gehabt, Larry. Die Hunde haben mit Streichhölzern geschossen.«

Mit Streichholz bezeichnete man die kleinste Pfeilart, die bei den Indsmen gebräuchlich war.

Larry betrachtete den Pfeil, betastete die blutige Holzspitze und schüttelte den Kopf.

»Damned! Das Ding hat sich wie ein ganzer Pfahl angefühlt…«

Slim Valliers hatte Larrys Hemd aufgerissen und dann blitzschnell einen Guß Whisky über die Wunde geschüttet.

Larry schrie auf wie verrückt. »Bist du wahnsinnig! Was war denn das?«

Als er in das grinsende Runzelgesicht des Alten sah, spürte er, daß ihm die Tränen vor Schmerz in die Augen schossen.

»Das war ein bißchen Whisky, Junge. So, nun geben Sie mir Ihr Taschentuch. Hoffentlich ist es sauber. Ich presse es auf die Wunde, und dann sehen Sie zu, daß Sie in die Stadt kommen…

*

Jack Fuller lag im Sterben.

Es war Mitternacht. Susan hatte seit Stunden am Tisch gesessen und in das Gesicht des Mannes gesehen.

Jetzt wußten alle im Ort, daß sie ihn geliebt hatte. Daß sie ihn trotz der anderen bis in den Tod geliebt hatte.

Ja, Jack hatte eine andere genommen, o nein, er war nicht mit ihr drüben in der kleinen Holzkiste gewesen. Er hatte nur mit ihr zusammengewohnt. In der kleinen Bonnygasse, unten am Südrand der Stadt. Und dann war die Frau eines Tages gegangen. Weil er ständig betrunken war, weil er ihr kein Geld gab – weil er sie schlug.

Jack war allein in ihrem Haus geblieben. Niemand hatte gewagt, ihn da zu vertreiben. Als er Susan, mit der er vor der anderen einen kurzen Sommer befreundet gewesen war, dann einmal auf der Straße ansprach, hatte sie sich empört abgewandt.

Und jetzt lag er sterbend in ihrem Haus.

Sie bettete ihren Kopf in die Hände. Großer Gott, sie liebte ihn immer noch, hatte ihn all die Zeit über geliebt. Auch, als er bei der anderen war.

Es war still in dieser Hochsommernacht.

Susan lauschte in sich hinein.

Morgen würden sie ihn abholen.

Morgen früh.

Diese Nacht konnte er nicht mehr überleben. Der Reverend, der am Nachmittag dagewesen war, hatte mit kühler, abwehrender Zurückhaltung in der Tür gestanden, seine Hände ineinander gefaltet und gemeint, daß es ohnehin ein Wunder wäre, daß der Mann noch lebte.

Sheriff Perkins und Larry Loons hatten die Wunden im Rücken Fullers gesehen, als die Frau einmal einen neuen Verband anlegte.

»Es ist ein Wunder«, hatte der Reverend salbungsvoll gesagt und die Winkel seines dünnlippigen Mundes nach unten gezogen. »Aber es ist kein gutes Wunder. Gott will ihn noch strafen, ehe er ihn abberuft…«