Wyatt Earp Box 14 – Western - William Mark - E-Book

Wyatt Earp Box 14 – Western E-Book

William Mark

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Beschreibung

"Vor seinem Colt hatte selbst der Teufel Respekt!" (Mark Twain) Der Lieblingssatz des berühmten US Marshals: "Abenteuer? Ich habe sie nie gesucht. Weiß der Teufel wie es kam, dass sie immer dort waren, wohin ich ritt." Diese Romane müssen Sie als Western-Fan einfach lesen! E-Book 71: Shenandoah E-Book 72: Sierra Arcada E-Book 73: Rostiger Stacheldraht E-Book 74: Cowboy Spencer E-Book 75: Die Fegefeuer-Bar

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Inhalt

Shenandoah

Sierra Arcada

Rostiger Stacheldraht

Cowboy Spencer

Die Fegefeuer-Bar

Wyatt Earp – Box 14 –

E-Book 71-75

William Mark

Shenandoah

Roman von Mark, William; William, Mark

Etwa anderthalb Meilen vor ihnen im Nordwesten, inmitten der weiten grüngelben Talmulde, lag die Stadt.

Die beiden Reiter kamen aus dem Südosten, aus dem fernen Tulsa.

Der eine von ihnen saß auf einem Rapphengst, dessen Fell seidig glänzte. Er war ein hochgewachsener Mann mit breiten Schultern und schmalen Hüften. Er trug ein graues Kattunhemd und eine kurze offene schwarze Weste. Seine Hose war ebenfalls schwarz und lief über die Schäfte der hochhackigen Stiefel aus. Er hatte ein markantes wettergebräuntes Gesicht und stahlblaue Augen.

Unter dem Rand seines schwar­zen Hutes blickte dunkles, kräftiges Haar hervor. Sein Waffengurt war aus dickem Büffelleder und hielt an jeder Seite einen schweren fünfundvierziger Revolver.

Obgleich nichts Besonderes an diesem Mann zu sein schien, strahlte er eine ungeheure Wirkung aus. Jeder, der ihn einmal gesehen, in sein Gesicht geschaut, von dem Blick seiner Augen getroffen worden war, würde ihn nie wieder vergessen.

Der Reiter war Wyatt Earp, der berühmte Marshal von Dodge City. Neben ihm, auf einem schwarzweiß-gescheckten Hengst, der ebenfalls wie auch der Rappe von edler Herkunft war, saß ein Mann, der etwa gleich groß, aber nicht so breit in den Schultern sein mochte. Überhaupt hatte er mit dem anderen wenig Ähnlichkeit. Sein Gesicht war blaßbraun, hatte einen aristokratischen Schnitt und wurde von einem wahrhaft eisblauen Augenpaar beherrscht. Er trug einen schwarzen Anzug mit langschößigem Rock, nach der neuesten Mode gefertigt. Sein schwarzer Stetson war ebenfalls neu. Sein blütenweißes Rüschenhemd wirkte fast ein wenig grotesk in dieser Umgebung, in diesem Land. Aber es stand ihm ausgezeichnet. Es schien zu ihm zu gehören wie die weinrote Seidenschleife und die giftgrüne, mit schwarzen Stickereien besetzte Weste. Er trug wie sein Begleiter einen schwarzen patronengespickten Waffengurt aus dickem Büffelleder, der zwei große Revolver mit elfenbeinbeschlagenen Knäufen hielt.

Auch von diesem Mann ging eine sonderbare Wirkung aus. Sein Name war in den Weststaaten nicht minder berühmt als der des Sternträgers Wyatt Earp, denn auch er war vor allem durch seine geradezu phantastisch schnellen Revolverhände und seine unerhörte Geschicklichkeit im Pokern populär geworden. Es war ein Name, der den Geruch von Pulverrauch mit sich zu bringen schien, von düsterer Spannung und irgendwie auch etwas von dem Glanz der großen Welt, die hier im weiten Westen Sage geworden war.

Dieser Reiter war der große Gunfighter Doc Holliday.

Sie kamen von Tulsa und wollten hinauf nach Dodge. Tom Conally, der mit ihnen gekommen war, war schon vorausgeritten, da die beiden noch westlich von Arkansas City Wyatts alten Freund James Heeth auf seiner großen Ranch besuchen wollten. Heeth war einer der ersten, die vor mehr als einem Vierteljahrhundert aus dem Osten gekommen waren und sich hier an der Grenze von Kansas niederließen.

Er hatte es schwer gehabt, der alte knorrige Engländer. Erst hatten ihm die Indianer das Leben auf seiner damals noch winzigen Farm zur Hölle gemacht, und dann waren es weiße Banditen gewesen, die immer und immer wieder gekommen waren, um ihn heimzusuchen. Er hatte sein ­Ranchhaus öfter als sonst irgend jemand aufbauen müssen, den der Marshal kannte; aber unverdrossen hatte sich der Brite immer und immer wieder an das schwere Werk gemacht.

Heute stand seine Ranch als eine der größten und gesündesten da, die es im Grenzland überhaupt gab.

Die beiden hatten die Stadt seitlich liegen lassen und hielten nach Westen zu.

Es war früher Vormittag.

Die Stadt war längst hinter dem Horizont versunken, als der Missourier in der Ferne ein Dach auftauchen sah.

»Eine Pferdewechselstation.« Wyatt zog sein Nelsonglas aus der Tasche und brachte es vor sein linkes Auge.

»Da sitzen sie in der Sonne«, sagte er.

Der Georgier, der auch einen kurzen Blick durch das Glas geworfen hatte, setzte hinzu:

»Und pokern.«

»Well, wir werden da eine kurze Rast einlegen. Bis zur H-Ranch haben wir noch ein paar Stunden vor uns.«

Sie hielten auf die in einer sanften Mulde gelegene Station zu.

Drei Pferde standen vorn am Zügelholm in der prallen Sonne. Der Corral neben dem Haus schien leer zu sein.

Die Pferde vermochte man erst beim Näherkommen zu erkennen, sie hatten sich dicht an das Gatter unter den schattenspendenden Wagendachvorbau gedrängt.

Vor dem Haus, unter dem Überdach, saßen drei Männer beim Kartenspiel.

Zweien konnte Wyatt ins Gesicht sehen.

Sie waren mittelgroß, vielleicht Ende Zwanzig, und ihre Gesichter glichen einander. Wahrscheinlich waren es Brüder. Sie trugen helle, verwaschene Hemden, bunte Halstücher und große, abgeschabte Revolvergurte.

Ihnen gegenüber saß ein ziemlich großer Mann im dunkelblauen Jak­kenhemd, mit rotem Halstuch und schwarzem Melbahut. Er trug eine sonderbar helle, sandfarbene Hose und einen breiten Waffengurt. Das rote Halstuch hatte er in den Kragen gerollt.

Es war genau vier Minuten vor zwölf, als die beiden Dodger vor der Station vom Pferd stiegen.

Drüben im Türrahmen stand ein kahlhäuptiger Mann mit faltenzerrissenem Gesicht und kleinen müden Augen. Er hatte die Hemdsärmel hochgekrempelt und stützte sich mit hochgeschobenem rechtem Unterarm in den Türrahmen. Er hatte das linke Bein über das rechte geschlagen und die Stiefelspitze aufgestellt. Es fiel Wyatt nicht auf, erst sehr viel später, als alles vorbei war, würde er sich an diese merkwürdige Haltung erinnern. Und daß sie merkwürdig war, verdankte sie dem sonderbaren Umstand, daß der Mann nicht das linke Bein als Standbein in dieser Haltung benutzte.

Dieser Mann mußte der Stationsmaster sein. Er trug eine grüne Schürze, ein blaues Hemd und eine braune, flickenbesetzte Hose.

Vorn an der Kante des niedrigen Vorbaues hockte ein zottiger ungepflegter Hund und blinzelte über die Prärie.

Während der Gambler noch seine Zügelleinen über das vierkantige Querholz legte, schritt der Missou­rier auf den Posthalter zu.

»Hallo!«

Der Postmaster grüßte müde zurück, indem er eine träge Bewegung mit dem Kopf machte.

Die anderen drei blickten überhaupt nicht auf, so sehr schienen sie in ihr Kartenspiel vertieft zu sein.

»Können wir hier eine kurze Rast machen?«

»Natürlich.«

»Danke.«

Holliday kam hinter seinem Pferd hervor. Noch ehe er den Marshal erreicht hatte, raunte er ihm durch den Mundwinkel gepreßt zu:

»Eigenartige Luft hier, finden Sie nicht?«

Wyatt drehte sich nach ihm um.

»Ich habe auch ein sonderbares Gefühl in der Magengrube – weiß aber nicht, warum.«

Holliday zündete sich eine Zigarette an und sagte dabei:

»Die spielen den sonderbarsten Poker, den ich je gesehen habe.«

Wyatt wandte sich wieder um und musterte jetzt die drei Männer am Tisch.

Da hob der Wirt den Kopf und stieß sich von der Tür ab.

»Die Overland!« kam es krächzend über seine Lippen.

Im Norden stieg eine kleine fahle Staubwolke in das dunkle Blau des Himmels.

Die drei Spieler blickten kurz auf und setzten ihre Partie dann fort.

Schweigend verstrichen die Minuten, bis die Kutsche herankam.

Es war eine sehr alte Karre, mit vier schweißtriefenden Gäulen bespannt. Als die Staubwolke, die die Kutsche hochgewirbelt hatte, sich legte, sah Wyatt den Driver. Er drehte das Gesicht ab und rutschte vom Sitz drüben auf der anderen Seite des Wagens herunter.

Vielleicht hätte Wyatt argwöhnisch sein sollen?

Mißtrauischer!

Aber er hatte ja keinen Grund, mißtrauisch zu sein.

Um den Leuten Platz zu machen, die eventuell jetzt aus der Kutsche kamen, um ins Haus zu gehen, traten sie zur Seite, vor die Veranda, und in diesem Augenblick sausten zwei knackende Schläge über ihre Köpfe.

Was Holliday tat, konnte der Marshal nicht mehr beobachten, und auch das, was er tat, war eigentlich nur eine Reflexbewegung: Er riß den großen sechskantigen Revolver aus dem linken Halfter und wirbelte damit herum.

Wie aus weiter, weiter Ferne verspürte er noch einen Widerstand.

Dann umgab ihn tiefschwarze Dunkelheit.

*

Wieviel Zeit seitdem vergangen war, konnte der Missourier nicht genau bestimmen, als er die Augen wieder aufschlug.

Die Sonne stand hoch im Zenit und warf fast überhaupt keinen Schatten.

Links neben ihm lag der Spieler. Langausgestreckt, direkt vor den Planken des Vorbaues, leblos, wie tot.

Wyatt richtete sich etwas auf und sah sich um.

Drüben stand die Overland.

Ohne Pferde.

Und neben dem offenen Wagenschlag am Boden lag eine Frau.

Sie war tot; Wyatt sah es sofort an ihrem Blick.

Und der Tisch, an dem die drei Männer gesessen hatten, war leer.

Noch weiter wandte der Marshal seinen schmerzenden Schädel.

Aber auch von dem Stationsmaster war nichts mehr zu sehen.

Wyatt beugte sich über Doc Holliday und wandte ihn auf den Rücken.

Der Gambler hatte die Augen geschlossen.

Wyatt näherte seinen schwankenden Kopf dem Gesicht des Freundes, mühte sich, das Ohr vor die Nasen-Mundpartie zu bringen.

Der Georgier war nicht tot!

Das gab dem Missourier augenblicklich neuen Antrieb. Ächzend richtete er sich hoch und wollte zur Tränke gehen.

Phi! Gab das einen schmerzenden Stich durch den Hinterkopf. Alle Glieder schienen einzeln mit glühendem flüssigem Blei gefüllt zu sein, so schwer waren sie.

Dann stockte der Fuß des Marshals.

Die Pferde! Der Rapphengst und der Schecke! Sie waren verschwunden.

Wyatt tastete nach seinen Colts.

Weg!

Auch dem Gambler fehlten die beiden vernickelten elfenbeinbeschlagenen Sixguns, mit denen er meisterlich umzugehen verstand.

Mit torkelnden Schritten schleppte sich der Marshal zur Pferdetränke, zerrte den Hut vom Schädel und steckte den Kopf tief in das brackige Wasser.

Triefend zog er ihn wieder zurück – und fühlte sich etwas besser.

Dann füllte er seinen Zehngallonenhut mit dem Naß und schaukelte damit zu dem Spieler zurück.

Die lauwarme Dusche brachte Holliday sofort wieder zu sich.

Mit einem Ruck setzte er sich auf, tastete über seinen Schädel, dann über sein nasses Gesicht und blickte von seinen leeren Halftern hoch in das Gesicht seines Begleiters.

Er sah den nassen Hut noch in Wyatts Händen, und die Worte, die er dann sagte, waren typisch für ihn:

»Schade um das schöne weiße Hemd. Ich hätte es noch ein paar Tage tragen können.«

Dann erhob auch er sich und sah sich um.

Mit hölzernen, staksigen Schritten ging er auf die Frau zu. Es kostete ihn ungeheure Anstrengungen, neben ihr niederzuknien.

Wyatt, der breitbeinig und mit dröhnendem Schädel vorn vor dem Tisch im Sand stand, beobachtete, wie der Spieler die Augenlider der Frau schloß und sich dann mühsam wieder aufrichtete und erneut einen Blick in die Umgebung schickte.

»Weg, alles weg!«

Er kam zu Wyatt zurück und ließ sich auf einen der Hocker vor dem Tisch nieder.

Der Marshal ging ins Haus und kam bald wieder zurück.

»Wie ausgebrannt.«

Holliday nickte. Er hielt dem Freund einen Papierfetzen entgegen.

Wyatt sah auf ein Wort darauf:

Shenandoah.

Eine steile Falte grub sich in die braune Stirn des Missouriers.

»Wo kommt das her?«

»Es lag hier unten neben dem Tischbein und ist offensichtlich von einer Zeitung gerissen worden.«

Wyatt wischte sich über die Augen. Dann sah er zu der Toten hinüber.

»Ob sie in der Overland war?«

»Anzunehmen.«

Es war wieder eine Weile still.

Endlich machte sich der Marshal an einen Rundgang um die kleine Pferdewechselstation.

»Kein Hufeisen mehr, stimmt’s?« empfing ihn der Spieler.

Der Marshal nickte trübe.

»Sie haben die Gäule alle mitgenommen.«

Wyatt ließ sich auf der Verandakante nieder. Ohne den Georgier anzusehen, fragte er:

»Und Ihre Brieftasche?«

»Weg.«

Der Marshal lachte heiser auf.

»Ich hatte nicht viel bei mir.«

Holliday zündete sich eine neue Zigarette an.

Da stand Wyatt auf und ging um das Haus herum. Nach einer Weile kam er mit einer Schaufel zurück.

»Wir müssen sie unter die Erde bringen.«

Unweit vom Haus hoben die beiden Überfallenen eine Grube aus, in die sie die Tote betteten.

Als die unglückliche Frau in der Erde lag, meinte der Spieler:

»Sie war noch jung.«

Die Fäuste des Marshals ballten sich.

»Ja.«

Sie gingen in das Haus zurück und unterzogen es einer nochmaligen eingehenden Untersuchung.

Ohne jeden Erfolg. Die Männer, die den Überfall hier vorgenommen hatten, waren wirklich sehr gründlich gewesen und hatten nicht die geringste Spur hinterlassen.

Die beiden Dodger standen hinten am Corral, und Holliday beobachtete den Marshal von der Seite.

»Was haben Sie vor?«

»Ich habe mir die Spuren angesehen. Sie führen zurück nach Norden.«

»Und?«

»Wir haben keine Pferde.«

»Selbst für einen Reiter wären es noch ein paar Stunden gewesen. Wir schaffen es heute nicht mehr.«

Sie machten sich auf den Weg nach Westen. Für einen Reiter bedeutete ein solcher stundenlanger Marsch durch die Prärie eine ungeheure Schwierigkeit.

Ein Westmann ist wohl gewohnt, viele Stunden im Sattel zu sitzen, nicht aber zu marschieren.

Meile um Meile legten die beiden zurück, bis Wyatt auf dem Kamm eines nordwärts verlaufenden Hügelstreifens anhielt und nach Westen in die Savanne hinausdeutete:

»Da hinten am Horizont fängt das Weideland der H-Ranch an.«

Von dort allerdings bis zur Ranch selbst waren es noch einige Meilen.

Der Nachmittag verstrich, und dann kam der Abend.

Die beiden hatten sich bisher keine größere Pause gegönnt.

»Ich hatte die Hoffnung, daß wir hier vielleicht jemandem von der Ranch begegnen würden«, meinte Wyatt, als die herannahende Nacht ihre graubraunen Schleier über das Land zu breiten begann.

Aber nirgends war ein menschliches Wesen zu entdecken.

Es war dunkel.

In einer sehr kleinen Bodensenke wurde das Nachtlager aufgeschlagen. Es gab natürlich nichts aufzuschlagen, und von einem Lager konnte auch keine Rede sein.

Trotz des langen, anstrengenden Marsches vermochte der Marshal nicht einzuschlafen. Sein Kopf schmerzte, und das Erlebnis des Mittags beschäftigte ihn noch zu sehr.

Sie hatten unterwegs nicht mehr darüber gesprochen. Aber in den Gedanken des Marshals stand unentwegt das Bild der toten jungen Frau.

Weshalb hatte sie ihr Leben lassen müssen?

Wer war der Mann auf dem Kutschbock gewesen, der sein Gesicht abgewendet hatte?

Wer hatte die Poststation zur Zeit des Überfalls geleitet?

Wer waren die drei Männer am Spieltisch gewesen?

Viele Fragen – und keine Antwort.

Der Marshal vermochte sich jedenfalls keine gültige Antwort auf den Überfall überhaupt zu geben.

Wer war die Frau?

Hatten die Banditen auf sie gewartet?

Weshalb war die Frau getötet worden – während man ihn und Doc Holliday nur hinterrücks niedergeschlagen hatte?

Da bemerkte er, daß der Spieler nach seinen Zigaretten tastete.

»Sie sind noch wach?«

»Yeah.«

Wyatt setzte sich und stützte den Kopf in die Hände.

Da sagte der Gambler:

»Ich verstehe das alles nicht. Weshalb haben sie die Frau erschossen?«

Wyatt wandte dem Freund das Gesicht zu.

»Darüber habe ich auch nachgedacht.«

Holliday bückte sich tief an den Boden nieder, riß das Zündholz kurz an und hielt dann die brennende Zigarette ebenfalls aus alter Gewohnheit in Deckung am Boden.

»Das ist eine höllische Geschichte. Ein paarmal kam es mir schon so vor, als hätte ich den ganzen Schwindel nur geträumt.«

»Leider aber ist es bittere Wahrheit.«

»Ich werde die Gesichter der beiden Burschen am Tisch jedenfalls nicht vergessen.«

Keine Klage über ihre verlorenen Pferde, über die Waffen, die ihnen gestohlen worden waren, keinen Laut über die Schmerzen, die sie plagten.

Sie dösten schweigend und wachend dem neuen Tag entgegen.

Als er erste silbergraue Streifen des aufziehenden Tages über den Horizont kroch, stand der Marshal auf.

Doc Holliday nahm den Hut ab, fuhr sich mit den Fingern der ge­spreizten Hand durchs Haar und erhob sich ebenfalls.

Wortlos setzten sie ihren Weg fort.

Erst spät am Vormittag sahen sie die Bauten der Ranch fern am Horizont vor sich auftauchen.

Wyatt kniff ein Auge ein.

»Noch anderthalb Stunden, dann haben wir es geschafft.«

Der Georgier erwiderte nichts. Der Marsch mußte ihn sehr angestrengt haben, da er ganz besonders derartige Strapazen überhaupt nicht gewohnt war. Aber kein Wort darüber kam über seine Lippen.

Schon nach einer halben Stunde sahen sie einen Reiter von der Ranch her über die Fahrstraße kommen.

Es war ein Cowboy. Als er der beiden Fußgänger ansichtig wurde, hielt er seinen braunen Wallach an, stützte sich mit dem Ellbogen auf den Sattelknauf und verzog sein Holzapfelgesicht zu einem spöttischen Grinsen.

Vorsichtshalber hatte er zehn Yard Distanz zwischen sich und den beiden Fremden gelassen.

»He, ist das das Neueste, zu Fuß durch die Gegend zu laufen?«

Holliday warf den Kopf hoch.

»Ja, Brother, wir leiden an Krampfadern, weißt du, da hat uns der Doc diese Kur verschrieben. Viele, viele Meilen zu Fuß, das soll das Übel abstellen.«

Der Cowboy fletschte die Zähne.

»Krampfadern?«

Holliday nickte und entgegnete mit ernster Miene:

»Krampfadern vor allem. Bei mir sind allerdings noch ein paar faule Zähne dabei und mein Begleiter leidet an Vergeßlichkeit.«

Jetzt ging dem Cowpuncher ein Licht auf.

Er feixte und kam dann näher.

»Wo kommt ihr her?«

Wyatt wies mit einer vagen Geste hinter sich.

»Und – wo wollt ihr hin?«

Der Marshal deutete nach Westen.

Da grinste der Kuhtreiber und schnäuzte umständlich in ein riesiges Taschentuch.

»Im Westen ist noch ziemlich viel Platz für Leute ohne Pferde. Ich an eurer Stelle hätte mich etwas weiter südwestlich gewandt.«

»Was du nicht sagst! Ist das gut gegen Krampfadern?« fragte ihn Holliday ohne die geringste Spur eines Lächelns.

Der Mann wurde unsicher und kam zu der Ansicht, es hier womöglich mit zwei Geistesgestörten zu tun zu haben.

»Well, Boys, dann geht mal weiter, es ist doch eine gute Luft hier gegen Krampfadern.«

Er wollte an den beiden vorbei.

Wyatt hielt ihn auf.

»Du gehörst zur Crew von James Heeth?« erkundigte er sich.

»Doch, gehöre ich.«

»Ist der Boß daheim?«

»Nein –«, stotterte der Weidereiter sehr unsicher.

»Ah, und wo ist er?«

Der Cowboy grinste dummschlau.

»So fragt man Leute aus.«

Holliday legte den Kopf auf die Seite und fragte ihn mit ernsthafter Miene:

»Hast du etwa auch Krampfadern?«

Der Cowboy starrte ihn entgeistert an.

»Ich?«

»Ich sprach nicht mit deinem Gaul.«

»Ich habe keine Krampfadern.«

Da hob der Gambler den Zeigefinger und bewegte ihn mahnend hin und her.

»Weißt du, so etwas kann man auch im Kopf haben, Brother. Da ist es dann ganz besonders schlimm.«

Der Kuhtreiber schluckte.

»Kann sein. Ich muß jetzt weiter.«

Wyatt ließ ihn passieren.

Da gab der Cowboy seinem Braunen die Sporen und sprengte in wildem Galopp davon.

Holliday sah ihm nach.

»Ich wette, daß der sich jetzt Gedanken über Krampfadern macht, die er im Kopf haben könnte…«

Ein müdes Lächeln flog über das Gesicht des Missouriers.

»Wenn ich wüßte, daß da oben ein Steak auf mich wartet, würde ich auch in Galopp fallen«, sagte Doc Holliday.

*

Endlich hatten sie das Ranchtor erreicht. Vor ihnen lag der weite Platz, der von den verschiedenen Gebäuden gesäumt wurde. Drüben rechts lag das zweigeschossige große Wohnhaus. Gegenüber, auf der anderen Seite des Hofes, war das langgestreckte, eingeschossige Mannschaftshaus. Daneben Ställe, Scheunen, Geräteschuppen und Werkstätten.

Wyatt dachte daran, daß fast zehn Jahre verstrichen waren, seit er zum letzten Mal auf der Ranch gewesen war.

Es hatte sich hier manches verändert. Zum Beispiel die Veranda vorm Ranchhaus, die Balustrade oben, die neuen blockartigen Gebäude rechts vorm Tor und vor allem die drei großen Scheunenbauten links vorm Corral. Aber im Grunde war es doch das Bild der alten Heeth-Ranch geblieben.

Kaum hatten die beiden einige Schritte auf den Hofplatz getan, als ein gewaltiger ockerfarbener Hund auf sie zuschoß und erst wenige Yards vor ihnen laut kläffend stehenblieb.

»Wer ist das?« fragte Holliday.

»Keine Ahnung. Damals, als ich hier war, existierte dieser Bursche noch nicht hier. Der Rancher hatte einen großen schwarzen Neufundländer.«

»Well, gehen wir weiter.«

Da fletschte der kalbsgroße Hund seine Zähne, und sein rauhkehliges Gebell verstärkte sich ins Unerträgliche.

Links öffnete sich eine Stalltür, und ein untersetzter Mann im grünen Hemd und grauer Hose trat auf den Hof.

Er streckte den linken Arm aus und rief:

»He, was fällt euch ein?«

»Er ist fast so gut wie der Hund«, meinte Holliday, während er sein Zigarettenetui herausnahm und seelenruhig eine seiner geliebten Glimmstengel zwischen die Lippen schob.

Wyatt Earp warf einen kurzen Blick zum Ranchhaus hinüber, dann ging er auf den Mann mit dem grünen Hemd zu.

»Hallo, ich hätte gern Mister Heeth gesprochen.«

»Was wollen Sie von ihm?«

»Wenn Sie gestatten, würde ich es ihm selbst sagen.«

Der Mann mit dem grünen Hemd schürzte die Lippen. Dann kam ein quäkender Laut aus seiner Kehle.

»Ihr bildet euch doch wohl hoffentlich nicht ein, daß wir uns hier mit Tramps aufhalten können? Seht zu, daß ihr auf eure Gäule kommt, sonst…« Er hatte sich unterbrochen und sah sich um.

»He, wo habt ihr die Pferde?«

»Wir haben keine Pferde.«

»Keine… Das kann doch nicht wahr sein. Ihr seid doch nicht zu Fuß gekommen?«

Holliday ging auf den Brunnen zu, auf dessen steingefügten Rand er sich niederließ.

Das veranlaßte den Hund, sein für kurze Zeit unterbrochenes Gekläff wieder anzustimmen.

Wyatt wischte sich mit dem Handrücken über die von Staub und Schweiß verschmierte Stirn.

»Mein Name ist…«

Der Mann mit dem grünen Hemd machte eine wegwischende Bewegung.

»Der Name interessiert hier niemanden. Packen Sie Ihren Partner und verschwinden Sie!«

»Freundliche Gegend da«, meinte der Spieler.

Da kamen aus einem Geräteschuppen zwei Männer. Sie waren groß und hatten sehnige Gestalten.

Man glaubte ihnen die Weidearbeit auf zwanzig Schritt ansehen zu können.

Der Bursche mit dem grünen Hemd rief ihnen zu:

»Etwas schneller, Boys. Diese beiden Burschen hier machen sich ziemlich breit. Wird Zeit, daß ihr sie hier vertreibt.«

Aus dem Bunkhaus kam ein o-beiniger Mann mit wasserhellen Augen und wuchtigen Kinnladen.

Die drei anderen verstummten, als er dazukam.

Aus scharfen Augen fixierte er den Missourier.

»Was wollt ihr?«

Der Bursche mit dem grünen Hemd deutete mit dem rechten Daumen über die Schulter auf Wyatt.

»Der Mann hier hat ein ziemlich großes Maul, Vormann. Er sagt, daß er mit Heeth sprechen müsse.«

Immer mehr Cowboys kamen heran.

Das heisere Gebell des zottigen Hundes schien bis in die hintersten Winkel der Ranch gedrungen zu sein.

Da drang plötzlich Hufschlag an die Ohren der Männer, und zwischen dem alten Wagenhaus und dem Küchenbau kamen zwei Reiter über den Hof.

Der eine von ihnen war ein Mann in den Sechzigern mit grauem Haar und hartem kantigem Gesicht. Er trug Weidereiterkleidung und hatte den grauen Stetson tief in die Stirn gezogen. Dennoch hatte Wyatt Earp ihn sofort erkannt.

Es war James Heeth, der Rancher.

Der Mann neben ihm mochte eben vierzig sein, hatte ein ovales gutaussehendes Gesicht, braune Augen, trug einen schwarzen Hut, ein blaues Hemd und eine helle Hose.

Die beiden Reiter kamen heran.

Der Vormann tippte mit der Hand an den Hutrand und sagte nur: »Hallo, Boß.« Dann deutete er auf die beiden Dodger. »Wir haben die Tramps hier aufgegriffen, Boß.«

Wyatt wußte nicht, ob der Rancher ihn erkannt hatte.

James Heeth saß mit unbeweglichem Gesicht im Sattel.

»Aha«, kam es spröde von seinen Lippen. »Wer hat sie aufgegriffen?«

»Ich«, sagte der Vormann schnell.

»Dann tust du mir sehr leid, ­Steve.«

Der Vormann sah seinen Boß verständnislos an.

»Well«, meinte der Rancher, »ein Mann, der nur noch wenige Minuten zu leben hat, ist doch ein bedauernswerter Bursche, nicht wahr?«

»Ja, aber…«

Der Rancher deutete auf Wyatt Earp.

»Hast du mit diesem ›Tramp‹ da schon gesprochen?«

»Natürlich, der Kerl ist frech wie Bohnenstroh. Ich werde ihm ein paar Maulschellen verpassen lassen, Boß…«

»Davon möchte ich dir entschieden abraten, Steve. Hast du den Mann nach seinem Namen gefragt?«

»Nein.«

»Damit hättest du dir einigen Ärger erspart, Junge.«

Er hatte ihn also erkannt.

Wyatt nahm den Hut ab und fuhr sich durch den Schopf.

»Wir haben unsere Pferde verloren, Rancher«, sagte er.

»Sind sie euch gestohlen worden?«

»Yeah, gestern mittag. Zwischen hier und Arkansas City auf einer Overlandstation.«

»Das ist eine böse Sache. Ich möchte auf keinen Fall in der Haut des Burschen stecken, der diesen üblen Streich verübt hat.«

»Leider war es kein Streich, Mister Heeth. Es war ein Verbrechen. Wir wurden niedergeschlagen und beraubt – und eine Frau wurde erschossen.«

James Heeth rutschte langsam aus dem Sattel.

»Eine Frau?«

Wyatt nickte. »Sie war mit der Overland gekommen und wurde von mehreren Banditen niedergestreckt.«

Der Rancher reichte dem Missourier die Hand.

»Es tut mir leid, daß Ihnen so übel mitgespielt wurde. Trotzdem, willkommen auf der Ranch, Mister Earp.«

»Earp?« krächzte der Vormann.

Der Rancher zog die linke Braue bis unter den Hutrand.

»Yeah, Steve, er ist Wyatt Earp.«

»Wyatt Earp!« Ein Ruf aus einem halben Dutzend Kehlen.

Heeth stemmte die Hände in die Hüften.

»Siehst du jetzt ein, Steve, in welcher Gefahr du dich befunden hast?«

Steve Randers deutete mit dem Daumen auf Wyatt.

»Er ist Wyatt Earp? Der berühmte Sheriff?«

»Darauf gebe ich dir Brief und Siegel, Steve.«

»Zounds! Das konnte ich doch nicht wissen. Wer soll denn auf den Gedanken kommen, daß Wyatt Earp hier ohne Pferd auf der Ranch aufkreuzt. Und er hätte wirklich seinen Namen nennen können.«

»Das wollte ich ja«, antwortete Wyatt. »Aber dieser Mann da mit dem grünen Hemd hielt es für unnötig.«

Der Rancher schüttelte den Kopf.

»Leute habe ich! Eine Bande von Hottentotten. Halten den Marshal Earp für einen Tramp.«

Wyatt winkte ab. »Es ist nicht so wichtig. Mir würde es auch nicht gefallen, wenn plötzlich zwei Männer ohne Pferde auf meinem Hof auftauchten.«

Der Rancher begrüßte den Missourier noch einmal herzlich.

Dann deutete Wyatt auf den Gamb­ler, der sich beim Auftauchen der beiden Männer vom Brunnenrand erhoben hatte.

»Das ist Doktor Holliday.«

In den Augen des Ranchers blitzte es auf.

»Doc Holliday? Himmel! Den habe ich mir ganz anders vorgestellt.«

Holliday nahm die dargebotene Hand und schüttelte sie.

»Wie hatten Sie ihn sich vorgestellt?« fragte er.

»Wilder, bärenhafter. Jedenfalls nicht im schwarzen Anzug und im weißen Rüschenhemd.«

Der Spieler lächelte betrübt und sah an sich hinunter.

»Ist es denn noch weiß? Das muß doch schon ein paar Monate her sein.«

James Heeth blickte von einem zum anderen.

»Wyatt Earp und Doc Holliday! Wenn ich das gewußt hätte, hätte ich mein Rheuma vergessen und wäre anstatt im Trab im Galopp auf die Ranch gekommen.«

»Das habe ich vorhin schon einmal gesagt, für den Fall, daß hier ein Steak auf mich wartete.«

»Das wartet ganz bestimmt! Sam«, rief der Rancher, »Sam, alte Trauerweide.«

Er wandte sich um zum Haus. Und da erst wurde er sich des Mannes bewußt, der mit ihm gekommen war. »He, den hab’ ich ja ganz vergessen. Das ist mein Bruder Rod, Marshal. Steig ab, Boy, den Vorzug hast du nicht alle Tage, Wyatt Earp die Hand zu geben.«

Rodney Heeth rutschte aus dem Sattel und kam auf den Marshal zu. Er war ein großer, gutaussehender Mann mit breiten Schultern, schwar­zem Haar und etwas kleinen Augen. Er war sehr sorgfältig wie sein älterer Bruder gekleidet, und dennoch war etwas an ihm, das dem Marshal nicht gefiel.

Der Rancher klopfte dem Bruder auf die Schulter und meinte, zu Wyatt Earp gewandt:

»Sie haben ihn noch nicht gesehen. Er ist erst seit zwei Jahren hier. Ich glaube, ich erzählte damals schon von ihm. Er ist bei einer Tante oben in Virginia aufgewachsen, in Shenandoah.«

Als dieses Wort gefallen war, spürte Wyatt, daß ihn ein kurzer Blick des Gamblers streifte.

Shenandoah! Hatte dieses Wort nicht auf dem Papierstück gestanden, das Doc Holliday auf der Pferdewechselstation in Arkansas City gefunden hatte?

»Wir gehen ins Haus, Marshal. Kommen Sie mit. Schätze, daß Sie höllisch müde sein werden.«

»Es geht.«

Dann saßen sie im Ranchhaus, an dem großen, rohgezimmerten Tisch vor den dampfenden Schüsseln.

Wyatt hatte den Spieler noch nie so viel essen sehen. Anschließend gab’s einen starken Kaffee, und die beiden »Fußgänger der Prärie« fühlten sich schon erheblich wohler.

Wyatt nahm eine der angebotenen Zigarren des Ranchers und erhob sich, um von einem Wandbord den Zinnbecher mit den Fidibussen zu holen.

Als er damit zurückkam, zwang ihn das Bild, das sich ihm bot, zum Stehenbleiben.

Drei Yard vor ihm am Tisch saß ein Mann. Er trug eine blaue Hemdjacke, in deren Kragen er ein rotes Halstuch gerollt hatte. Seine Hose war samtfarben hell und sein Waffengurt aus braunem Leder. Dunkles Haar wuchs ihm hinten fast bis in den Kragen hinein. Und als er sich jetzt den Melbahut aufstülpte, war das Bild vollkommen: der dritte Mann vom Pokertisch an der Pferdewechselstation von Arkansas City.

Rodney Heeth.

Der Marshal suchte die Augen des Georgiers.

Holliday hatte beide Daumen unters Kinn gestützt und hielt mit Zeige- und Mittelfinger die Zigarette. Unmerklich nickte er dem Marshal zu.

»So«, meinte der Rancher. »Ich denke, nachdem Sie sich jetzt gestärkt haben, können Sie mir Ihr Erlebnis einmal genauer schildern.«

Wyatt kam dieser Aufforderung nach, ohne jedoch die Beschreibung des Mannes im schwarzen Melbahut zu geben.

James Heeth hatte aufmerksam zugehört.

»Was mir an dieser Geschichte wirklich merkwürdig vorkommt, ist Ihre Erklärung, daß die Overlandkutsche die Station angelaufen haben soll. Seit fünf Jahren verkehrt auf dieser Strecke nämlich keine Linie mehr.«

»Ach?« Wyatt streifte die Asche von seiner Zigarre. »Es standen aber Pferde im Corral, und der Mann, der in der Tür lehnte, sah ganz nach einem Stationsmaster aus.«

Der Rancher rieb sich das Kinn und schüttelte den Kopf.

»Das ist ja eine ganz verteufelte Geschichte. Nicht genug, daß die arme Frau ihr Leben lassen mußte, haben sie auch noch Ihre Pferde und Waffen eingebüßt. Nun, mit Waffen kann ich Ihnen aushelfen. Drinnen in meiner Stube hängen noch zwei Revolver an der Wand. Es sind zwar keine Prunkstücke, aber fürs erste reichen sie aus. Rod, hole die beiden Kanonen mal her.«

Der Bruder des Ranchers erhob sich und verschwand im Nebenzimmer.

Es verstrich eine ganze Zeit, bis sich die Tür wieder öffnete.

Rodney Heeth kam heraus und hatte in jeder Hand einen Revolver. Er ließ die Trommeln rotieren, wirbelte die Colts um die Mittelfinger, hielt sie dann plötzlich an und spannte die Hähne.

Wyatt spürte, daß der Revolver in der linken Faust des Mannes auf ihn gerichtet war.

Und Holliday hatte sehr wohl bemerkt, daß die Mündung des anderen Revolvers auf ihn wies.

Rodney Heeth spannte die Hähne.

Klick! Klick!

Mit hartem, metallischem Ge­räusch schlugen die beiden Hammer auf die Walzen.

Der Rancher erhob sich. »Laß den Unsinn, Rod.« Er nahm ihm die beiden Revolver ab und untersuchte sie.

»Well, es sind nicht mehr die besten. Aber ich habe mir sagen lassen, daß Wyatt Earp und Doc Holliday noch mit einer Mistgabel und einem Stecken schießen können.«

Er öffnete die Kammern, und plötzlich warf er den Kopf zu seinem Bruder herum.

»Bist du verrückt? Das Ding ist ja geladen! Ist ja eine Patrone drin! Und hier auch!«

Der jüngere Heeth grinste und lehnte sich in die Fensternische. »Ich weiß.«

Sein Bruder blickte ihn entrüstet an.

»Aber du hast doch die Trommeln rotieren lassen!«

»Stimmt!«

»Ja, bist du denn des Teufels?«

»Ich denke nicht.«

Doc Holliday wischte eine Tabakwolke vor seinem Gesicht auseinander.

»Sie sollten es nicht so wichtig nehmen, Mister Heeth. Wenn in jeder Trommel nur eine Patrone ist und Ihr Bruder etwas von Revolvern versteht, so ist es gar nicht einmal schwer, diese einzelne Kugel immer wieder dahin zu schleudern, wo der Hammer sie nicht trifft.«

Der Rancher musterte den Spieler mit harten Augen.

»Das sagen Sie. Aber ich glaube nicht, daß mein Bruder ein so großer Revolverkenner ist…«

Der Rancher hob den Colt, stieß den Daumen gegen die Trommel und ließ die Walze rotieren. Dann spannte er den Hahn und zog den Stecher durch.

Die Kugel bohrte sich anderthalb Yard neben Rodney in die Wand.

Ein düsterer Schatten kroch über das faltenzersägte Gesicht des Ranchers.

»Wie Sie sehen, Doc Holliday, ist mein Bruder doch sehr leichtsinnig gewesen.«

Der Spieler stand auf und nahm den zweiten Revolver von dem Rancher entgegen.

Er wog die Waffe in der Hand und bemerkte plötzlich, wie die Rechte von Rodney Heeth zum Revolverkolben kroch.

Wie ein Rad wirbelte der große Revolver um den Mittelfinger des Gamb­lers. Dann stand er plötzlich still wie ein Stein.

Die Mündung deutete in die Fensternische.

Die Trommel rotierte.

Blitzschnell flog der Hahn zurück, und fast im selben Augenblick zog der Georgier den Stecher durch.

Klick!

Das harte, metallische Geräusch riß an den Nerven der drei anderen Männer.

Rodney Heeth war aschgrau geworden.

»Sie sehen, Rancher, es ist doch nicht so schwer«, sagte der Spieler.

Dann nahm er aus Rodneys Waffengurt, der noch um die Stuhllehne hing, eine neue Patrone heraus und behielt sie in der linken Hand.

»War das kein Zufall?« wollte der Rancher wissen.

»So wenig wie die beiden Hammerschläge Ihres Bruders vorhin.«

»Na, ich weiß nicht.«

Und was sich dann vor den Augen der drei Zuschauer abspielte, war geradezu verblüffend und geschah so schnell, daß sie kaum zu atmen wagten.

Holliday ließ die Kugel in den linken Jackenärmel rutschen, warf den Revolver von der rechten in die linke Hand, ließ die Trommel kurz rotieren, spannte den Hahn und – Klick!

Blitzschnell flog die Waffe in die rechte Hand zurück.

Und da das gleiche Spiel.

Hin und her flog der Revolver. Siebenmal, achtmal, neunmal. Dann ging Holliday zum Tisch.

»Wenn Sie aber natürlich den Schuß haben wollen…« Gedankenschnell flog die Rechte mit dem Revolver wieder hoch, und noch nie hatten die Gebrüder Heeth einen Mann so kurz das Ziel anvisieren und einen so meisterlichen Schuß abfeuern sehen.

Holliday blickte längst nicht mehr dahin und ließ sich am Tisch nieder.

»Ich habe mir erlaubt, Mister Heeth, die Kugel in das gleiche Loch zu setzen, das sie schon in die Holztäfelung gebohrt haben. Es ist jetzt etwas mehr Blei drin, aber kaum wesentlich größer.«

Rodney Heeth flog herum und starrte auf das Loch in der Holz­wand.

Dann zog er ein Messer aus der Tasche und holte das Blei aus der Wand. Tatsächlich, es waren zwei gleichartige verformte Bleigeschosse übereinander in demselben Kugelloch gewesen.

Rod ging zum Tisch, nahm seinen Waffengurt und schnallte ihn um.

»Das ist ja interessant«, preßte er durch die Zähne.

»Aber wenn ich jetzt beispielsweise einen Revolver zöge, Doc, dann wären Sie doch geschlagen.«

Der Gambler lächelte ihn hintergründig an.

»Das ist ein Irrtum, Mister. Jetzt sitzt die Patrone genau vor dem Lauf.«

»Die Patrone haben Sie verschossen!«

In den Augen des anderen glomm es auf.

Der Gambler erhob sich. »Ich will Sie nicht fragen, Mister Heeth, ob ich den kleinen Spaß von vorhin wiederholen soll. Das wäre nicht fair, und außerdem liebe ich solche Dinge nicht. Kommen Sie her.«

Der junge Heeth kam zögernd näher.

Holliday stand neben ihm und zeigte ihm den Revolver.

Heeth schluckte. »Damned, Sie haben die Kugel doch verschossen.«

»Wenn Sie da in Ihren Waffengurt sehen, werden Sie feststellen, daß eine Patrone fehlt.«

Außer dem Marshal war die Bewegung, mit der Holliday vorhin die Patrone an sich genommen hatte, allen entgangen. Und außer ihm hatte auch niemand bemerkt, wie Holliday, als er sich hinsetzte, rasch nachgeladen hatte.

Ein seltsam blechernes Lachen kam von Rods Lippen.

»Sie sind wirklich ein gefährlicher Mann, Doc Holliday«, sagte er gedehnt.

»Gefährlich?« meinte sein Bruder ziemlich verärgert. »Ich finde ihn großartig. Und ich wäre froh, Tod, wenn du aus der Lektion vorhin etwas gelernt hättest. Ich bin nicht scharf darauf, daß du die Kunststücke Doc Hollidays etwa alle nachzuahmen versuchst, aber was mir wünschenswert erscheint, ist, daß du auch etwas von der Vorsicht gelernt hast, mit der der Doc die Waffe handhabt. Denn ein Revolver ist kein Spielzeug.«

Rodney Heeth stand an der Tür zum Hof. Mit belegter Stimme fragte er:

»Das war also kein Spiel, das uns der Doc da vorgeführt hat?«

»Nein«, entgegnete Holliday und senkte den Kopf.

Rod verließ den Raum.

Der Rancher stellte eine Brandyflasche auf den Tisch und holte Gläser.

»Ach, nehmen Sie es ihm nicht übel, er ist manchmal richtig albern. Die Tante, bei der er aufgewachsen ist, hielt sich leider mehr in der Kirche auf als daheim. Ich habe nichts gegen Leute, die in die Kirche gehen und freue mich immer, wenn ich sonntags nach Arkansas City reiten kann, um das Gesangbuch herauszuholen und mit den anderen Männern und Frauen dem lieben Gott einige Lieder vorsingen kann. Aber Tante Hatty hat über der Kirche ihr Haus vergessen und ihr Leben. Und das nehme ich ihr verdammt übel. Vor allem, weil ich ihr meinen Bruder anvertraut hatte, damals, kurz nach dem Tod meiner Mutter oben in Lexington. Sie zog mit ihrem Mann und dem Baby hinauf nach Shenandoah. Und sobald ich ein paar Dollars er­übrigen konnte, habe ich sie ihr geschickt. Rod war damals zehn Jahre alt. Tante Hatty ist achtzig geworden. Ich dachte immer, ich schuldete ihr ganze Berge voll Dank. Aber sie hat den Kleinen doch vernachlässigt. Als er mir schrieb, daß sie tot wäre, habe ich ihn kommen lassen. Fragen Sie nicht, was für einen Burschen ich erwartet hatte und was für ein Häufchen Elend hier ankam. Well, er ist gesund und sieht gut aus. Er ist auch ziemlich kräftig und kann reiten – und überhaupt macht er nach außen hin den Eindruck, den eben ein Mann von achtunddreißig Jahren machen sollte. Aber wenn ich ihn dann manchmal reden höre, dann kommt er mir vor wie ein halbwüchsiger Junge. Nein, Tante Hatty hat sich nicht genug um ihn gekümmert.«

»Arbeitet er denn mit auf der Ranch?« fragte Wyatt.

Der Rancher zog die Schultern hoch und ließ sie wieder fallen.

»Wer kann das verlangen? Ein Mensch, der sein ganzes Leben oben im stillen Virginia zugebracht hat, in dem grünen Tal von Shenandoah, der wird nicht über Nacht ein Cowboy, den sie hier im Westen auf einer Ranch gebrauchen können. Aber ich freue mich, daß er Pferde offenbar ganz gern hat, daß er viel reitet und auf der Weide ist. Die Boys sagen zwar, daß er mal hier und mal da aufkreuzt, aber er ist tagelang, manchmal sogar wochenlang unterwegs. Taucht immer wieder in einem Vorwerk oder einem meiner Weidecamps auf.«

James Heeth sprach noch eine ganze Weile über seinen jüngeren Bruder. Und obgleich er viele gute Worte suchte, hörte man doch die Sorge heraus, die ihm Rod bereitete.

Ein Mann, der im vierten Jahrzehnt seines Lebens seinen Weg noch nicht gefunden hatte, der fand ihn nie.

Das wußte auch der Rancher ­James Heeth. Aber er bemühte sich, dieses Wissen vor seinen beiden Gästen zu verbergen.

»Ich hoffe, Wyatt, daß Sie es diesmal nicht so eilig haben und ein paar Tage auf der Ranch bleiben. Wir haben uns schließlich eine Ewigkeit nicht gesehen.«

Die beiden Dodger sagten weder zu noch ab. Heeth führte sie über die Ranch, zeigte ihnen voll Stolz die beiden Bauten und erklärte ihnen auf einer Karte, wie weit sein Weideland reichte.

»Morgen brennen wir drüben am Fluß, Marshal. Ich kann mich gut erinnern, daß Sie ein großartiger Brand­eisenführer sind. Wie wär’s, kommen Sie mit?«

Wyatt hätte liebend gern zugesagt, aber die Entdeckung, die er hier auf der Ranch gemacht hatte, würgte ihm fast die Kehle zu.

Was hatte dieser Rodney Heeth mit dem Verbrechen an der Pferdewechselstation zu tun? Wie kam der Bruder eines wohlhabenden Mannes dazu, sich mit einer Bande von Mördern herumzutreiben?

Er war der Mann, der an dem Tisch der beiden Spieler gesessen hatte. Sein merkwürdiges Verhalten nach dem Mittagessen hatte die Vermutung der beiden Dodger noch erhärtet.

Sie bekamen den Bruder des Ranchers im Lauf des Tages nicht mehr zu sehen.

Als sie von den Hügeln hinter den Scheunen auf den Hof zurückkamen und der Rancher das Scheunentor zuschob, geschah es: James Heeth sank plötzlich vornüber und fiel gegen den schweren Torflügel wie eine Gliederpuppe, deren Fäden plötzlich zerschnitten wurden.

Wyatt und der Gambler sprangen sofort hinzu und richteten ihn auf.

Heeth wischte sich übers Gesicht und lächelte schwach.

»He? Das war wohl vorhin ein Drink zuviel. Aus lauter Freude über das plötzliche Auftauchen des verstockten Sheriffs von Dodge City, der es für richtig hält, bei seinem alten Freund Heeth alle zehn Jahre aufzutauchen.«

Er kam rasch wieder zu sich, und die geisterhafte Blässe, die sein Gesicht vorhin überzogen hatte, wich wieder einem etwas frischeren Ton.

»Ach, geht schon wieder. Ich muß doch tatsächlich einen Drink zuviel genommen haben. Tja, da sieht man’s wieder. Man wird alt und kann nicht einmal mehr einen ordentlichen Schluck Brandy vertragen.«

»Haben Sie das öfter?« fragte Holliday wie nebenbei.

Aber der Rancher hatte die Ernsthaftigkeit aus der Frage des Mannes, von dem er wußte, daß er Arzt von Beruf war, doch herausgehört.

Sein Schritt stockte plötzlich, und er wandte sich dem Georgier zu.

Hektische Flecken brannten auf einmal auf seinen Wangen.

»Yeah, Doc«, sagte er heiser. »Sehr oft sogar. Ich wollte längst schon mal den alten Koupers in Arkansas City fragen, aber wenn ich zu dem ins Haus komme und rieche all die Medizin, dann kriege ich keine Luft mehr – Aber Sie, Sie müßten es doch eigentlich auch wissen. Ist es etwa – das Herz?«

»Das ist nicht so einfach zu sagen«, wich Holliday aus. »Es kann ebenso gut etwas anderes sein. Sie sollten es nicht allzu tragisch nehmen.«

»Das tue ich auch nicht. Aber wenn man feststellen muß, daß es immer häufiger wird, dann wird einem doch schließlich etwas mulmig zumute.«

»Sagten Sie nicht vorhin, daß Sie sonntags immer nach Arkansas City reiten, um die Kirche zu besuchen?« tastete Holliday sich vorsichtig vor.

»Ja.«

»Und würden Sie mit zu Ihrem alten Freund Koupers kommen, wenn der Marshal und ich Sie begleiten?«

Der Rancher hob den Zeigefinger. »Hören Sie, Doktor Holliday, Sie sehen mir nicht so aus, als ob Sie etwas nicht wüßten, was der alte Koupers weiß.«

Wyatt lenkte sofort ein. »Das wäre gut, wenn wir nach Arkansas City kämen, dann könnte ich dem Sheriff gleich einen Bericht über den Vorfall auf der Pferdewechselstation dalassen.«

Der Rancher war einverstanden.

Die drei Männer saßen noch eine Weile auf der Veranda, und dann zeigte der Rancher ihnen die Zimmer im Obergeschoß, die er für sie hatte herrichten lassen.

»Um sieben wird zu Abend gegessen. Ich schätze, daß es dann zwei ziemlich müde Tippelbrüder geben wird…«

Als die beiden Dodger nach dem Abendbrot noch einen Rundgang um die Ranch machten und die großen Scheunen hinter sich hatten, erkundigte sich Wyatt sofort:

»Was ist los mit ihm?«

»Er ist schwer herzkrank.«

Der Marshal sog die Luft tief durch die Nase ein.

»So schlecht also, daß wir es ihm nicht sagen können?«

»Ich vermute, ja«, gab der Spieler zurück.

Stumm schritten die beiden Männer nebeneinander her.

Am Corral angelangt, verhielt der Missourier den Schritt.

Er stützte sich auf einen der Pfähle und blickte über die vom Mondlicht erhellte Pferch, in der die Körper der Pferde riesenlange Schlagschatten warfen.

»Er ist der Mann von der Pferdewechselstation.«

Holliday zündete sich eine Zigarette an.

»Als ich ihn sah, gefiel er mir nur nicht. Das war eigentlich alles. Aber als der Rancher dann von Shenan­doah sprach, ging mir ein ganzes Windlicht auf. Es hätte des Auftritts mit den beiden Revolvern gar nicht bedurft.«

»Da wir mit dem Rancher also nicht sprechen können, müssen wir uns diesen Rod wohl oder übel allein vorknöpfen.«

»Eine verteufelte Geschichte«, knurrte Holliday. »Der Alte ist so ein prächtiger Bursche.«

»Eben deshalb habe ich ihn ja besuchen wollen. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie scheußlich mir zumute ist. Wir kommen abgerissen wie zwei Tramps hierher, sind ganz und gar auf die Hilfe des Ranchers angewiesen und müßten ihm jetzt sagen, daß sein Bruder ein Verbrecher ist.«

Holliday schüttelte den Kopf. »Es geht auf keinen Fall. Ganz davon abgesehen, daß man bei seinem Leiden bei jeder ernsthaften Aufregung mit dem Schlimmsten rechnen muß.«

Sorgenvoll kehrten die beiden Männer auf den Hof zurück. Noch hatten sie den großen freien Platz nicht erreicht, als plötzlich am Schuppenende eine Gestalt vor ihnen auftauchte.

Wyatt flog sofort zur Seite, und in der Rechten des Georgiers klickte der Revolverhahn.

»Um Himmels willen, nicht schie­ßen!« erkannten sie die Stimme des Vormannes. Steve Randers kam auf sie zu. »Ich habe auf Sie gewartet, Marshal, weil ich mich bei Ihnen und dem Doc entschuldigen möchte. Es tut mir wirklich sehr leid, daß ich mich so stumpfsinnig benommen hatte.«

Wyatt und der Spieler reichten ihm die Hand. Und damit war die Sache erledigt.

Von dieser Minute an hatten sie in dem Cowboy einen neuen Freund gewonnen.

Der Rancher saß noch auf der Veranda in seinem Schaukelstuhl. Ohne Übergang erklärte er:

»Es war mein Lebensplan, die Bahn hier herüberzuziehen, an mein Land. Aber es ist mir nicht gelungen. Zuviel Geld hätte ich allein dazu verbraucht. Aber vielleicht schafft es Rod später mal, wenn ich tot bin. Er ist ja ein guter Bursche…«

Wyatt und der Georgier waren neben dem alten Rancher stehengeblieben.

Heeth fuhr fort: »Ich weiß, daß die anderen keine Sehnsucht nach der Eisenbahn hatten. Weil sie glaubten, daß sie ihr Land nicht nur zerschnitten, sondern ganz auffressen würde. Aber das ist ja nicht so. Sehen Sie, drüben bei uns daheim, in old England, hatte die Bahn das Land auch zerschnitten und dennoch nicht aufgefressen. Jeder konnte sein Land behalten und hatte nur Vorteile von der Bahn. Aber das machen Sie hier niemandem klar. Die Rancher sind engstirnig. Wenn die Bahn bis an die H-Ranch liefe und meinethalben auch durch die Weide, so braucht sie in der Breite drei oder vier Yards. Wenn ich das nicht verschmerzen könnte, wäre ich ein armer Tropf. Eine Overlandstraße ist schon breiter. Aber dafür wird es dann hier irgendwo eine Station geben, auf der der Zug hält. Wo die Kisten ausgeladen werden können, die ich in Boston bestellt habe, wo sie sehr schnell sein werden, wenn ich sie sogar aus dem fernsten Ort dieses Landes bestellen würde. Und Rod – er könnte in den Osten fahren, um sich neue Feldgeräte anzusehen für unsere Landwirtschaft…«

Der Viehzüchter James Heeth betrieb als einer der wenigen Rancher schon seit Jahren auch Ackerbau neben seiner Rinderzucht. Gute und schlechte Erntejahre hatten einander abgewechselt, und am Ende hatte sich die Landwirtschaft doch sehr bewährt. Heeth war fast völlig unabhängig von der Außenwelt geworden. Nur Ackergeräte, die brauchte er immer wieder neu. Und dazu mußte er weithin Bestellungen aufgeben, denn was er brauchte, führte in den Städten hier keines Ranchers Tool.

»Vielleicht hätte ich Rod früher kommen lassen sollen. Aber die alten Leute oben in Furnace hatten ihn so lange gepflegt und gehegt, daß es eine Brutalität gewesen wäre, ihnen den Jungen wegzunehmen.«

Er sprach von seinem Bruder wie von einem Kind.

»Ja, man hätte mit Tante Hatty sprechen müssen, man hätte es versuchen sollen, vielleicht wäre dann schon längst alles anders, auch hier.«

Es zeigte sich, daß es keineswegs so gut um die Ranch stand, wie der Missourier angenommen hatte. Vor sechs Jahren war eine Rinderseuche ausgebrochen, von der die H-Ranch sich erst nach einem halben Jahrzehnt wieder einigermaßen erholt hatte. Da zerstörte die furchtbare Dürre im Spätsommer 1879 wieder den ganzen Aufbau. Tausende und Abertausende von Rindern lagen verdurstet, krepiert auf den Weiden herum.

Es war ein scheußlicher, niederschmetternder Anblick gewesen. Das Bild der Ohnmacht der Kreatur den Mächten der Natur gegenüber. Diese Dürre hatte James Heeth an den Rand des Ruins gebracht – wäre nicht seine Landwirtschaft gewesen. Zwar war ihm auf den Feldern auch alles von einer gnadenlosen Trockenheit zerstört worden, aber die Ernte vom Vorjahr brachte da noch Geld, und das half ihm über das Ärgste hinweg. Seitdem kämpfte der unentwegte Mann sich wieder nach vorn.

»Es war eigentlich immer ein Kampf gewesen«, sagte er leise wie zu sich selbst.

»All die Jahre. Es hat eigentlich nie ein Ende genommen. Im vergangenen Herbst, als wir uns von dem letzten Schlag gerade einigermaßen hochgerappelt hatten, brach unten an der Südspitze meiner Weide eine Rinderkrankheit aus, die mir absolut unbekannt war. Sie griff nicht so schnell um sich wie die bekannten Seuchen, aber die zernagte schließlich doch wieder einen Teil der Herde, ehe der hier seit Jahren verschriene Quacksalber Florian Bender ein Mittel dagegen fand, ausgerechnet er. Seitdem ist er steinreich und hat in Arkansas City ein großes Haus mit zwei Negerdienern. Vorher hauste er in einem Karren am Rande der Stadt…«

Er sprach noch eine Weile weiter, und die beiden hörten ihm stumm zu. Dann verabschiedete er sich für die Nacht und ließ die beiden allein.

Doc Holliday lehnte an einem Vorbaupfeiler und sah den Marshal an.

»Wenn er uns nun inzwischen durch die Lappen gegangen ist?«

»Rod?«

Holliday nickte.

Dann sah er ein Lächeln auf dem dunklen Gesicht des Marshals.

»Keine Sorge, Doc, ich habe ihn seit dem Mittagessen im Auge behalten.«

»Wie ist das möglich? Ich habe den Burschen seitdem überhaupt nicht mehr zu Gesicht bekommen.«

»Es genügt ja, wenn ihn einer im Auge behalten hat.«

»Wo steckt er denn?«

»Jetzt ist er im Mannschaftshaus. Er war erst im Stall, dann in einem der Geräteanbauten, anschließend tauchte er in der Schmiede auf, und seit dem frühen Abend ist er im Bunkhaus bei den Cowboys.«

»Aber das kann er doch längst verlassen haben, zum Beispiel, als wir vorhin unseren Spaziergang gemacht haben.«

»Wenn Sie sich genau erinnern, sind wir immer so gegangen, daß ich das Bunkhaus eigentlich nie richtig aus den Augen verlor.«

»Damned, das stimmt.«

»Ich will es jedenfalls hoffen, daß er uns nicht trotzdem entwischt ist. Aber soweit ich mich überzeugen konnte, hat das Mannschaftshaus keinen zweiten Ausgang.«

»Er kann ja nicht ewig drüben bleiben. Schließlich hat er doch hier im Ranchhaus seine Kammer.«

Holliday hatte es kaum gesagt, da wurde drüben die Tür geöffnet, und umrahmt vom Licht mehrerer Lampen tauchten die Konturen der Gestalt Rodney Heeths auf.

Er warf die Tür hinter sich zu und kam langsam über den Hof auf das Ranchhaus zu.

Die beiden Dodger hatten sich auf eine Bank gesetzt und die Stiefel gegen das Verandageländer gestützt.

Der Mann sah sie erst, als er schon auf der Veranda war.

»Na, können Sie noch nicht schlafen?« fragte er, als er auf die Tür zuging.

»Wir schlafen nie so früh«, entgegnete Wyatt.

Rod ließ sich neben ihnen im Schaukelstuhl nieder, in dem noch vor Minuten sein Bruder gesessen hatte.

Schweigend blickte Wyatt an ihm vorbei auf den Hof, der im Mondlicht ruhig dalag, auf die Häuser drüben, die harte tiefschwarze Schatten warfen.

Da sagte der Mann links neben ihm:

»Sie werden meinen Spaß von heute mittag doch nicht übelgenommen haben?«

»Haben wir nicht.«

»Wenn ich bedenke, was Sie hinter sich hatten, war es wirklich kein so passender Scherz. – Aber, der Teufel soll’s holen, man kommt in dieser Eintönigkeit hier auf die unsinnigsten Gedanken. Ich sitze oft bis spät nachts mit den Boys drüben beim Poker. Oder ich reite über unser Land.«

»Das Leben hier sagt Ihnen nicht sonderlich zu?« fragte Wyatt vorsichtig.

Rodney Heeth lehnte sich zurück und wippte mit dem Stuhl hin und her.

»Nein, wenn ich ehrlich sein soll. Ich hatte es mir alles anders vorgestellt und James ein Leben lang beneidet. Aber jetzt, da ich hier bin, finde ich, daß ich einen armen Teufel beneidet habe.«

Er sprach vernünftig, legte den beiden Männern seine Ansichten über die Dinge gründlich dar und stand nach einer halben Stunde auf, um sich in seine Schlafkammer zu begeben.

Die beiden folgten ihm.

Er wohnte oben, gleich neben dem Zimmer des Missouriers.

Als Wyatt in sein Zimmer gegangen war, lauschte er nach nebenan.

Er hörte das Geräusch, das von einem Stiefel verursacht wird, den man in eine Ecke wirft. Gleich darauf das gleiche Geräusch und dann wurde ein Stuhl ein Stück über die Dielen geschoben.

Es waren alles Geräusche, die völlig unverdächtig waren.

Da pochte es kaum vernehmlich an die Tür.

Wyatt zog den Buntline Special, spannte ihn und schraubte den Messinggriff der Tür nach rechts.

»Wyatt –«, kam ihm die flüsternde Stimme des Georgiers entgegen.

Der Missourier öffnete die Tür weiter und ließ den Freund eintreten.

Holliday blieb gleich neben der Tür stehen, die Wyatt lautlos wieder geschlossen hatte.

»Heute mittag hätte ich darauf geschworen, daß er der Halunke von der Pferdewechselstation ist, aber jetzt…«

»Er ist es«, sagte der Marshal.

»Etwa wegen der Albernheiten mit den Colts?«

»Nein.«

»Die habe ich nämlich schon von anderen Burschen erlebt, die sich ebenfalls aufspielen wollten, um mir zu beweisen, was für großartige Revolvermänner sie waren.

»Weiß ich. Das ist es auch nicht.«

»Was überzeugt Sie denn so? Er ist doch plötzlich genauso wie ein Mann, der nicht zufällig eine blaue Hemdjacke und eine sandfarbene Hose angehabt hätte. Und wenn man es nüchtern überlegt, ist er doch sogar reichlich unverdächtig.«

»Ganz und gar sogar. Das Bild, das sein Bruder von ihm entwarf, zeigt im Grunde nichts weiter als einen Mann, der aus seinem Leben im Osten gerissen wurde und nun hier vor sich hin vegetiert, mit dem Land und dem Dasein auf einer Ranch nicht zu Rande kommt und sich ziemlich unwohl in seiner eigenen Haut fühlt.«

»Eben.«

»Und doch ist er es.«

»Was überzeugt Sie so?«

Es war nur ein Wort, das der Marshal leise in den Raum sprach, vier Vokale:

»Shenandoah.«

Der Spieler nickte. »Sie haben recht. Ich versuche seit einer halben Stunde erfolglos mir einzureden, daß der Bursche harmlos ist. Aber dieser blöde Papierfetzen mit den zehn Buchstaben, der läßt mir keine Ruhe. Es ist der Mann von der Pferdewechselstation. Und er muß zu den anderen gehört haben. Vielleicht ist sogar er es gewesen, der einen von uns, vielleicht gar alle beide niedergeschlagen hat. Er saß mit an dem Pokertisch und verspielte eine Karte, die ein dümmerer Bursche als er nie verspielt hätte.«

»Weshalb eigentlich?«

»Ich nehme an, daß wir ungeeigneter gar nicht auf der Station hätten auftauchen können. Die Overland wurde doch jeden Augenblick erwartet.«

»Wir standen zunächst auch so, daß ein offener Angriff auf uns ziemlich gefährlich gewesen wäre, aber als die Kutsche dann kam, waren wir unvorsichtig genug, den Halunken den Rücken zuzukehren. Da schlugen sie zu. Aber unser Auftauchen muß sie ziemlich aus dem Konzept gebracht haben.«

Holliday blieb an der Tür stehen und lauschte immer wieder auf den Gang. Jetzt fragte er flüsternd:

»Was meinen Sie: Ob er weiß, daß er erkannt ist?«

»Das glaube ich nicht. Denn sonst müßte ich sagen, daß ich noch niemals einem Menschen begegnet bin, der sich so meisterhaft verstellen kann.«

»Wir müssen wachsam bleiben…«

Sie trennten sich.

Wyatt ließ die Tür einen kleinen Spalt offenstehen und legte sich nieder.

Eine ganze Zeitlang blieb er noch wach, aber dann fiel er doch in einen bleiernen Schlaf.

Die Strapazen, die sie hinter sich hatten, waren doch zu groß gewesen, dazu die letzte schlaflos verbrachte Nacht, das verlangte jetzt seinen Tribut.

*

Als der Marshal erwachte, war seine Zimmerdecke von rotem Feuerschein blendend erhellt. Er riß sich sofort hoch, packte den Revolver und lief hinaus und stieß nebenan die Zimmertür auf.

Rodney Heeth war verschwunden.

Wyatt weckte den Gambler.

»Aufstehen, Doc. Die Ranch brennt!«

Holliday erhob sich. Er hatte den Colt neben sich auf dem Stuhl liegen, packte ihn sofort und stülpte den Hut auf.

Auch er hatte sich wie der Marshal in dieser Nacht nicht von seinen Kleidern getrennt.

»Rod?«

»Er ist weg!«

»Dachte ich mir.«

Sie liefen hinunter.

Unten neben der Tür an einem Vorbaupfeiler stand der Rancher. Er hatte die Arme um den mächtigen Holzpfeiler geklammert.

Holliday ging sofort zu ihm.

»Kommen Sie, Mister Heeth, das Feuer wird schon gelöscht. Sie gehen am besten ins Haus. Ich komme mit Ihnen.«

Wyatt rannte auf die Feuerstelle, eine der großen Scheunen, zu.

Mitten im Gedränge der wild durcheinanderschreienden Cowboys stieß er mit Randers zusammen.

»Eine Eimerkette!« brüllte Wyatt ihm zu.

»Ja, aber bringen Sie diese Horde mal zum Zuhören!«

Wyatt riß seinen Colt hoch und feuerte einen Schuß in den Himmel ab.

Gleich darauf tönte seine Donnerstimme durch den Lärm:

»Holt die Eimer aus den Ställen und vom Corral, Männer. Und dann eine Reihe bilden vom Brunnen her!«

Das half. Die Männer rannten nach den Eimern. Das blecherne Klappern schallte über den Hof. Dann wurde eine Kette gebildet, durch die die Eimer wanderten.

Sehr bald schon zeigte sich, daß der Brandherd noch erstickt werden konnte, wenn die Männer ihn energisch bekämpften.

Wyatt stand ganz vorn am Feuer und schleuderte den Wasserbogen auf den lodernden Brand an den Außenbalken. Hier mußten die Flammen zuerst bekämpft werden, damit sie nicht um sich griffen und auf die Nachbarscheune übergriffen. Drinnen in der Scheune selbst war alles verloren. Krachend stürzten Balken von der Tenne auf den harten Lehmboden herunter. Funken stoben und wehten davon.

»Ein Glück, daß es windstill ist!« rief Randers dem Marshal zu.

Der Kampf mit dem Feuer währte eine Dreiviertelstunde, dann war die größte Gefahr zunächst gebannt. Das Feuer war eingedämmt worden. Die Scheune brannte natürlich noch unvermindert in ihrem Innern weiter.

Da strich ein kühler Luftzug über die Stirn des Marshals.

Wind kommt auf! Um Himmels willen!

Wyatt sah sich nach dem Vormann um.

»Wir müssen das Gebälk einreißen, Steve!«

»Warum?«

»Wind kommt auf!«

»Um Himmels willen!« Der Vormann stellte es jetzt auch mit Entsetzen fest. »Wie wollen wir denn die glühenden Dinger niederreißen?«

»Mit Lasso und Pferden!«

»All right.«

Sie rannten zu den Corrals.

Wyatt, der allen voranstürmte, blieb stehen, als er plötzlich Doc Holliday bemerkte, der eben von dem großen Corral kam.

Die anderen hinter ihm verhielten ebenfalls den Schritt.

Wyatt starrte in das harte Gesicht des Spielers.

»Die Pferde – sind weg?!«

Es war eigentlich gar keine Frage mehr.

Holliday nickte nur und ging zwischen den Männern hindurch auf das Haus zu, wo er vor ein paar Minuten den Rancher aufs Sofa in der Wohnstube gebettet hatte. Danach war er, von einer düsteren Ahnung getrieben, zum Corral gelaufen.

Mit geballten Fäusten stand der Missourier da und starrte aus brennenden, schmerzenden Augen in das zuckende Licht des immer noch knisternd schwelenden Brandes.

Randers war neben ihm.

»Was sagt er? Die Gäule…, sie sollen weg sein?«

»Ja, das hat er gesagt.«

Da stürmte der Vormann los.

Wilde Wutschreie ausstoßend, folgten ihm seine Männer.

Dann prallten sie gegen das Corralgatter und stierten in die leere Pferch.

Tatsächlich, die Tiere waren weg. Drüben stand das Gatter weit offen.

Wyatt Earp ging auf die große brennende Scheune zu und zermarterte sein Hirn, was zu tun war.

Randers tauchte wieder neben ihm auf.

»Aus, es ist alles aus! Sie haben uns die Pferde gestohlen. Und wenn das Gebälk nicht eingerissen werden kann, brennt die ganze Ranch nieder. Der Wind wird stärker. Da, sehen Sie sich die Funken an, sie greifen schon zum nächsten Bau hinüber.«

Mit einem Ruck wandte sich Wyatt um.

»Holt Lassos, Männer!«

Die Cowboys rannten los.

Randers schüttelte den Kopf.

»Sie glauben doch nicht, daß ein Mann mit einem Lasso da etwas ausrichten kann?«

»Ein Mann nicht, Steve.«

Die Cowboys kamen zurück.

Wyatt nahm einen kräftigen Strick, tauchte die Schlaufe in einen halbvollen Wassereimer und wartete, bis sich der Hanf vollgesogen hatte. Dann knotete er das Lasso an das Ende des ersten Stricks und legte Schlaufen.

So ging er auf die Scheune zu, stieg zum Schrecken der Weidemänner ins Tor des brennenden Gebäudes, wo ständig ein verkohlter Balken herunterstürzen konnte, und schleuderte die Lassoschlaufe hoch.

Sie packte an einem vorstehenden Querbalken an.

Ein Ruck, und sie saß fest.

Ein heiserer Schrei flog von einem Dutzend Lippenpaaren. Wyatt packte das Ende des Doppelstricks und rannte hinaus ins Freie.

»Noch ein Lasso her!«

Er verknotete es mit dem Ende der beiden anderen.

»So, Boys. Da wir keine Gäule haben, müssen wir es selbst versuchen. Angepackt und aus Leibeskräften ziehen!«

Wyatt war ganz vorne. Er gab das Kommando.

Randers hatte gleich hinter ihm angepackt.

Es schien, daß das Gebälk nicht nachgeben wollte. Zu fest noch saß es offenbar in seinem Gefüge. Und war auch die erste Schlaufe oben naß, so würde die Glut den Hanf doch bald ausgetrocknet haben.

»Zwei Gäule nur!« fluchte der Vormann hinter dem Marshal. »Zwei kräftige Gäule – und der ganze Dachstuhl läge schon unten.«

»Wir müssen es noch einmal versuchen, Männer!« rief Wyatt.

»In spätestens einer Minute ist der Strick ausgetrocknet und verbrennt! Aus Leibeskräften! Und alle zusammen! Eins, zwei, drei, ruck!«

Oben im Gebälk knirschte es.

»Noch einmal!«

»Ruck!«

Einer der von Flammen eingewickelten Oberbalken rutschte weg, der glühende Dachstuhl brach ein.

»Noch einmal!«

Und jetzt krachte der schwere Querbalken mit einem wahren Donnergetöse in die Tiefe.

Der Dachstuhl und der ganze Oberbau der gewaltigen Scheune war eingebrochen und lag jetzt unten am Boden, wo er sofort von allen Seiten her mit Wasser bekämpft wurde.

Der Wind wurde stärker. Und auch jetzt noch stoben Funken hoch. Aber der Brand war dennoch unter Kontrolle.

Wyatt hatte zwei der Männer mit gefüllten Eimern zur Nachbarscheune geschickt.

»Schleudert das Wasser über die Seitenwand. Holt neues Wasser und gebt auf die überspringenden Funken acht.«

Die H-Ranch war gerettet, wenn auch alle Pferde verschwunden waren und die größte Scheune völlig vernichtet war.

Im Osten graute der Tag, als der Missourier ins Ranchhaus zurückging.

Doc Holliday, der sich die größte Zeit um den Rancher gekümmert hatte, war in der heißesten Stunde auch draußen gewesen, um am Brunnen zu helfen.

Sie saßen am Tisch in der Stube und blickten hinaus.

Hinter ihnen auf dem Sofa lag der Rancher.

Er schlief!

»Wie sieht’s mit ihm aus?«

»Nicht sehr gut. Ich habe ihm eine Pille gegeben. Die schadet ihm nichts und läßt ihn eine Weile schlafen.«

Die Männer gingen hinaus.

Randers kam ihnen im Flur entgegen.

»Ich muß wissen, was jetzt geschehen soll. Der Boß…«