XXL-LESEPROBE: Kasasian - Mord in der Mangle Street - M.R.C. Kasasian - kostenlos E-Book

XXL-LESEPROBE: Kasasian - Mord in der Mangle Street E-Book

M.R.C. Kasasian

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Beschreibung

Start der etwas anderen Krimireihe mit Sidney Grice und March Middleton! London 1882. Nach dem Tod ihres Vaters begibt sich die junge March Middleton in die Obhut ihres Patenonkels: Sidney Grice, Englands berühmtester Detektiv, der vor einem neuen Rätsel steht. Eine Frau ist brutal ermordet worden, der einzige Verdächtige ist ihr Ehemann. Mit jeder neuen Wendung des Falls ist Sidney stärker von der Schuld des Ehemanns überzeugt und March von seiner Unschuld. In die dunkelsten Ecken des East End führen die Ermittlungen die junge Frau mit dem Faible für Gin und den bärbeißigen Spötter mit dem Glasauge. Wer von ihnen wird wohl recht behalten? Dies ist der erste Band der Gower Street Detective Reihe. Mit schwarzem Humor und bissigen Kommentaren geht es in diesen Fällen weiter: Band 2 - Der Fluch des Hauses Foskett Band 3 - Tod in der Villa Saturn Band 4 - Die Geheimnisse der Gaslight Lane

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M.R.C Kasasian

Mord in der Mangle Street

XXL-Leseprobe

Roman

Aus dem Englischen von Johannes Sabinski und Alexander Weber

Atlantik

Leseprobe

Einleitung

Vor sechzig Jahren begegnete ich Sidney Grice zum ersten Mal. Er war noch recht jung – wobei er einen anderen Eindruck erweckte – und in England schon sehr bekannt. Den internationalen Ruhm jedoch, den ihm eine Reihe gänzlich missratener Hollywoodfilme einbringen sollte, musste er sich erst noch erwerben.

Er war ein eitler Mensch, der das Rampenlicht genoss, aber selbst er sträubte sich gegen einige besonders abstruse Geschichten, die über ihn verbreitet wurden. So erklomm er beispielsweise nie die Niagarafälle auf der Jagd nach einem Werwolf. Er war weder dermaßen extravagant noch so athletisch. Ebenso wenig war er aber auch das sadistische Ungeheuer, als das ihn Biografen unlängst dargestellt haben. Nur seine schlechte gesundheitliche Verfassung hielt ihn von einer Klage gegen E.L. Jeeveson ab, dessen verleumderisches und lückenhaft recherchiertes Buch Sidney Grice den Mord am eigenen Vater unterstellte.

Aus Furcht, den Unschuldigen zu schaden und die Schuldigen zu legalen (oder illegalen) Maßnahmen zu animieren, hielt ich mich in meinen frühen Darstellungen der Grice’schen Ermittlungen im Monthly Journal zurück. Jetzt aber, da nahezu alle Beteiligten verstorben sind und sich mein eigenes Leben seinem natürlichen Abschluss zuneigt, ist es an der Zeit, die Dinge richtigzustellen.

Das London meiner Jugend erhob sich glanzvoll aus seinem Pestgestank menschlicher Fäulnis. Das heutige London wird gerade zerstört, in Trümmer gelegt von einem Feind, dessen Wüten seinesgleichen sucht, seit die Barbarenhorden das Römische Reich auslöschten.

Ob auch das Empire zerstört werden wird, wie so viele vorhersagen, bleibt abzuwarten. Sicher weiß ich aber, dass Sidney Grice niemals aus London geflohen wäre – all seinen Fehlern zum Trotz war er nie ein Feigling –, und auch ich werde bleiben, obwohl die Lichter verlöschen und der Boden erzittert, während ich diese Zeilen schreibe, im kalten Keller von Gower Street Nummer 125.

M. M., 3. Oktober 1941

1Die Morde in der Slurry Street

Lizzie Shepherd ward geschlacht,

Überm Wirtshaus in der Nacht.

Janie Donnell hieb man klein.

Und du wirst bald die Nächste sein.

Viktorianischer Hüpfreim (aus Rhymes and Reasons von Jenny Smith und Alex Duncan MacDonald)

Eliza Shepherd war ermordet worden. Am Morgen des 28. Januar 1882, einem Montag, fand ihre Schwester Maria die Leiche auf dem Bett. Gemeinsam hatten sie zwei Dachstuben bewohnt, die sich, samt einer Reihe weiterer maroder Gästezimmer, über dem Red Lion auftürmten, einem beliebten Wirtshaus in der Slurry Street, Whitechapel.

Zwei Stunden später entdeckte man in einem anderen Zimmer auf demselben Flur die Leiche von Jane O’Donnell.

Beide Frauen waren grausam ermordet worden. Genau vierzig Mal hatte man auf ihre Gesichter, Gliedmaßen und Oberkörper eingestochen. Es gab keinerlei Anzeichen eines Diebstahls, und obgleich sich sexuelle Motive nicht ausschließen ließen, galt keine von beiden als stadtbekannte Dirne. Eliza Shepherd hatte sich als Näherin verdingt und Jane O’Donnell seit kurzem unten im Wirtshaus als Kellnerin gearbeitet.

In beiden Fällen waren die Türen von innen verriegelt gewesen und mussten aufgebrochen werden. Darüber, wie sich der Mörder Zugang verschafft hatte, bestand indes wenig Zweifel. Die Fenster waren eingeschlagen. Wie der Täter dorthin gelangen konnte – neun Meter über dem Boden –, war freilich eine andere Frage. Es gab weder Regenrinnen noch andere Kletterhilfen, und in einer belebten Straße wie der Slurry Street unbemerkt eine Leiter herbeizutragen, aufzustellen und wieder fortzuschaffen, war schier unmöglich. Das Dach war schwer zugänglich, ja, es erwies sich gar als derart morsch und baufällig, dass es nicht einmal den kleinen Buben trug, den die Polizei hochschickte, um es zu inspizieren.

Geschichten über den legendären Schurken Springheel Jack lebten wieder auf, und zahlreiche Leute glaubten, gesehen zu haben, wie er sich über die Dächer schwang. Manch anständiges Mädchen hatte dereinst berichtet, wie er ihr vor die Füße gesprungen war, ihr mit seinen Klauenhänden die Kleider von Leib gerissen und seine kalten Lippen auf ihre gepresst hatte. Doch gemordet hatte er, soweit bekannt, noch nie.

Der Tod war ein steter Gast im East End, Gewalt und Mord nicht selten, doch die Grausamkeit dieser Taten schockierte sogar die Polizei, und die Entrüstung darüber zog Anfragen in beiden Parlamentskammern nach sich.

Rasch florierten Groschenheftchen mit reißerischen Schilderungen ähnlicher Verbrechen, die mit den Morden in Verbindung stehen sollten. Die Zeitungen überschlugen sich mit immer neuen Theorien zur Identität des Mörders. Es hieß, Rivincita, das italienische Wort für Rache, sei mit Blut an die Wände geschrieben worden, und ein Bericht über einen geheimnisvollen rothaarigen Neapolitaner, der in der Gegend Verdacht erregt habe, führte unten an den Docks zu einer Welle von Übergriffen auf Einwanderer.

Die schaurige Moritat vom Schlachthaus an der Slurry Street wie auch das melodramatische Bühnenstück Mord im Roten Löwen feierten kurzzeitige Erfolge, doch in Ermangelung echter Verdächtiger und weiterer Gräueltaten ebbte das öffentliche Interesse bald ab.

Der Mörder wurde nie gefasst, doch sollte er nicht nur Verfasser von Balladen und Pamphleten inspirieren. Zumindest einen anderen Menschen würde er auf die Idee bringen, seinem Vorbild zu folgen.

2Der Würger von Chelsea

Es war mein letzter Tag. Mr Warwick, der Makler, traf pünktlich um neun ein. Ich übergab ihm die Schlüssel und verließ mein Elternhaus, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen. Meine Familie hatte über dreihundert Jahre lang im Grange gewohnt, und zweifellos würde es noch einmal so lange ohne uns dort stehen.

George Carpenter, der alte Wildpfleger, fuhr mich in einem klapprigen Karren zum Bahnhof. Sein uralter Esel Onion plagte sich den Parbold Hill hinauf und stakste dermaßen zögerlich auf der andere Seite hinab, dass ich den Zug zu verpassen fürchtete. Aber wir kamen rechtzeitig an, und George trug meine Reisetasche zum Bahnsteig.

»Das hat Mrs Carpenter für Sie gebacken.« Er reichte mir ein Päckchen aus braunem Wachspapier, das mit brauner Schnur umwickelt war. »Falls Sie Hunger kriegen.«

Ich bedankte mich, und er scharrte mit den Füßen.

»Wir haben den Colonel sehr geschätzt.«

Ich gab ihm fünf Schillinge in die Hand, und der Zug pfiff und zog mit einem Ruck an. Ich fragte mich, ob ich ihn je wiedersehen würde oder Ashurst Beacon oder den seichten, verseuchten Fluss Douglas, der sich als Safranfaden unter dem schnurgeraden Liverpool-Leeds-Kanal entlang schlängelt.

In Wigan Wallgate wechselte ich den Bahnhof und wartete mit gesenktem Kopf am Straßenrand, bis eine Prozession trauernder Familien hinter vier Särgen vorbeigezogen war. Vor drei Tagen erst hatte es eine Schlagwetterexplosion in der Zeche gegeben, und die ganze Stadt war noch von Wut erfüllt.

Im Bahnhof Wigan North Western erwarb ich ein Buch bei W.H. Smith & Son und saß bald wieder im Zug, in einem Nichtraucherabteil nur für Damen und ohne Verbindungsgang. Da alle anderen Plätze frei waren, konnte ich mir Mrs Carpenters ganze Wildpastete, drei Zigaretten und einen kleinen Becher Gin aus dem Flachmann meines Vaters gönnen, ehe der Zug kreischend in Rugby zum Stehen kam.

Nach einigem Geschrei und Türenschlagen ertönte der Pfiff des Schaffners. Ich glaubte schon, unbehelligt zu bleiben, als plötzlich die Tür aufflog und eine gut gekleidete Dame mittleren Alters das Abteil bestieg und sich mir gegenüber setzte. Sie machte einen etwas strengen und steifen Eindruck auf mich, und wir schwiegen eine Weile lang, bis sie die Nase rümpfte.

»Haben Sie etwa geraucht?«

»Nein.«

Sie streifte den linken Handschuh ab, legte ihn mitsamt ihrem Hut auf den Sitz neben sich und sah mich an.

»Was lesen Sie denn da?« Sie linste herüber. »Der erschütternde Fall des Giftmörders von Primrose Hill. Was für ein Stuss. Kaufen Sie den Würger von Chelsea. Ist schön grausig und viel amüsanter.« Sie rümpfte erneut die Nase. »Sie haben doch geraucht.«

»Könnte sein«, sagte ich, und die Dame lächelte. Sie hatte kleine, weiße Zähne und ein spitzes Kinn wie das eines Kindes.