Young Agents New Generation (Band 1) - Andreas Schlüter - E-Book

Young Agents New Generation (Band 1) E-Book

Andreas Schlüter

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Beschreibung

Seit Kurzem steigt die Zahl der Wohnungseinbrüche dramatisch an. Ob dies mit der neuen Diebesbande zusammenhängt, die immer mehr Kinder rekrutiert und skrupellos ausnutzt? Eindeutig ein Fall für die Young Agents! Doch um deren Identität zu schützen, hat die Zentrale drei neue Agenten eingesetzt: Tim, der bisher jüngste Agent der Akademie überhaupt, lässt sich von dem neuen Einbruchsclan anwerben. Parallel erwirbt sich Abena mit ihrer beeindruckenden Menschenkenntnis das Vertrauen einer konkurrierenden Bande. Ein gefährliches Unterfangen! Aber um das Schlimmste zu verhindern, müssen sie dringend den Drahtziehern der Einbruchs-Mafia auf die Spur kommen …

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Seitenzahl: 261

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Young Agents – New Generation

In den Fängen der Mafia

Band 1

eISBN 978-3-96129-196-0

Edel Kids Books

Ein Verlag der Edel Germany GmbH

Copyright © Edel Germany GmbH,

Neumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edel.com

Text: Andreas Schlüter

Coverillustration: Max Meinzold

Covergestaltung: Antje Warnecke, www.nordendesign.de

unter Verwendung von Illustration und Gestaltung von

© Max Meinzold

ePub-Konvertierung: Datagrafix GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

INHALT

PROLOG

Ein neuer Auftrag

Erster Kontakt

Die Einschleusung

Erster Einsatz

Die erste Einbruchstour

Unerwarteter Besuch

POLIZEI!

Böse Konkurrenz

Ein Bandenkrieg?

Böse Überraschung

Der große Coup

Ein Treffen und ein blöder Fehler

Eine dicke Überraschung

Doppelagentin Abena

Tims Befreiung

Es läuft aus dem Ruder

Abenas Befreiung

Showdown!

PROLOG

Es ist Mitternacht, und ich bin nervös. Ich sitze gemeinsam mit zwei weiteren Kindern in einem alten, blauschwarzen Lieferwagen, der jetzt in einer einsamen, engen und dunklen Allee vor einer unbeleuchteten Villa hält. Obwohl sonst niemand in dieser Straße parkt, ist der Wagen in dem fahlen, gelben Lichtschein der Straßenlaternen kaum auszumachen. Die Anwohner haben ihre SUVs und Luxuslimousinen in ihren eigenen Tiefgaragen stehen. Unser Fahrer steigt aus und schiebt leise die hintere Seitentür auf.

Wir drei steigen aus. Niemand spricht ein Wort. Jeder weiß, was er zu tun hat. Unser Fahrer setzt sich wieder ans Lenkrad, um auf uns zu warten. Wir sehen uns vorsichtig und aufmerksam um. Niemand ist auf der Straße zu sehen.

Zu unserer komplett schwarzen Kleidung und unseren schwarzen, dünnen Handschuhen stülpen wir uns noch schwarze Sturmhauben über die Köpfe, die bis auf die Augen das ganze Gesicht verdecken. Eines der beiden anderen Kinder gibt mit einem Kopfnicken das Kommando. Wir brechen auf; überwinden eine zweieinhalb Meter hohe, massive Gartenumzäunung und schleichen uns unbemerkt an den Kameras vorbei, die an einigen Gartenlaternen angebracht sind.

Ich stoppe. Verdeckt hinter einer Konifere, rufe ich auf meinem Smartphone eine spezielle App auf und schalte damit von außen die Alarmanlage der Villa aus.

Anschließend nicke ich den beiden anderen zu. Wir schleichen weiter bis zum Haus.

Um die Villa herum.

Bis zur Terrassentür auf der Rückseite.

Dort ziehe ich ein besonderes Tool aus meiner Hosentasche und öffne nach nur wenigen Sekunden die Tür.

Wir steigen in die Villa ein.

Drinnen knipsen wir unsere Taschenlampen an und schleichen über die Treppe hinauf in die obere Etage.

Auch hier ist alles ruhig und dunkel.

Schnell, leise und systematisch durchsuchen wir Zimmer für Zimmer nach Wertsachen. Was wir finden, verstauen wir in unseren Rucksäcken.

Ein perfekter Einbruch. Eigentlich.

Genau den aber soll ich verhindern, ohne dass ich dafür verantwortlich gemacht werden kann. Es ist mein erster Einbruch und meine Bewährungsprobe, um mir das Vertrauen einer organisierten Einbrecherbande zu erschleichen.

Mein Name ist Tim. Ich bin elf Jahre alt und einer von drei neuen YOUNG AGENTS.

Woher ich komme und wie ich zu einem YOUNG AGENT wurde, berichte ich später. Jetzt hab ich zu tun. Mein erster Auftrag als neuer YOUNG AGENT lautet: Ich soll Mitglied in der Einbrecherbande werden, die Hintermänner aufspüren und identifizieren, um sie der Polizei auszuliefern.

Ich bin also nun bereits so weit gekommen, mit der Bande einen Einbruch durchziehen zu dürfen. Aber jetzt bin ich in der Zwickmühle: Einerseits muss ich die Bewährungsprobe als Einbrecher bestehen. Andererseits darf ich als YOUNG AGENT nicht so ohne Weiteres zulassen, dass dieser Raub gelingt. Ich will und darf ja eigentlich auch nicht wirklich Menschen bestehlen, sondern im Gegenteil: Ich soll die Einbrecher überführen. Deswegen suche ich nach einer Möglichkeit, den Alarm, den ich vorhin ausgeschaltet habe, wieder so zu aktivieren, dass erstens niemand bemerkt, dass ich es war, und zweitens unsere kleine Einbrechertruppe zwar noch rechtzeitig abhauen, aber in der hektischen Flucht nichts an Diebesgut mitnehmen kann. Das wird nicht einfach. Mir stehen ein wenig die Schweißperlen auf der Stirn. Meine Hände zittern leicht.

Ich sehe mich um. Wir sind wieder unten im Erdgeschoss; einer in der Küche, der andere in dem riesigen Wohnzimmer, von dem auch die Terrasse abgeht, über die wir eingestiegen sind.

Die Gelegenheit ist günstig. Ich verziehe mich unbemerkt in einen kleineren Raum, der wohl als Musikzimmer dient. Außer einem Klavier, einem Sofa und einigen Gitarren an der Wand gibt es hier nichts.

Die Luft ist rein.

Ich ziehe mein Smartphone hervor, um heimlich die Alarmanlage wieder zu aktivieren. Doch genau in diesem Moment betritt einer meiner vermummten Komplizen das Zimmer! Das helle Deckenlicht geht an. Eine Sirene ertönt laut und kurz.

Das Signal kommt aber nicht von der Alarmanlage.

Oh verdammt! Ich hab’s versaut.

Der vermummte Komplize nimmt seine Maske ab. Es ist – Naomi!

»Abbruch. Das war’s«, sagt sie.

»Scheiße!«, fluche ich.

Mein zweiter Komplize betritt den Raum, jetzt auch ohne Maske. Es ist Liam.

»Jetzt hätten sie dich am Kragen, mein Freund.«

Ich presse meine Lippen zusammen, um meine Tränen zu unterdrücken. So eine Scheiße! Alles war ein Training der YOUNG AGENTS. Meine Generalprobe.

Allerdings ist mein Auftrag real: Tatsächlich soll ich mich Undercover in eine Einbrecherbande einschleusen. Nur: Die Aufgabe steht mir noch bevor. Diese Übung hier gehört zu einem Vorbereitungstraining.

»Komm mit«, sagt Naomi. »Wir werten es aus.«

Ich bin völlig fertig.

»So schlecht warst du gar nicht«, versucht Liam, mich zu trösten.

»Schlecht genug, dass er aufgeflogen und sein Leben in Gefahr wäre«, widerspricht Naomi.

EIN NEUER AUFTRAG

Wir steigen in den wartenden Lieferwagen, der nun zunächst Naomi zurück in die Agentenwohnung fährt, die sie gemeinsam mit Charles bewohnt.

»Also bis morgen dann!«, verabschiedet sie sich, als sie aussteigt.

»Bis morgen«, antwortet Liam, während ich ihr nur zaghaft und stumm zum Abschied winke. Naomi hat mich sowieso schon auf dem Kieker. Ich glaube, sie hält nicht viel von mir. Deshalb warte ich, bis wir ohne sie weiterfahren, ehe ich Liam frage: »Ist sie sehr sauer auf mich?«

Liam schüttelt den Kopf.

»Überhaupt nicht«, versichert er. »Naomi nimmt deine Ausbildung nur sehr ernst, so wie ihre eigene damals auch. Sie will nicht, dass dir oder einem anderen YOUNG AGENT etwas zustößt. Ihr Motto lautet: Je besser wir sind, desto sicherer.«

»Da hat sie ja auch recht«, stimme ich zu. »Naomi war damals bestimmt gut in der Ausbildung, oder? Hatte sie auch mal einen Abbruch?«

»Nein. Sie war die Beste«, bestätigt Liam. »Aber auch Charles und ich. Jeder von uns hatte ein Gebiet, auf dem er der Beste war.«

Na toll! »Nur ich nicht!«

»Quatsch!«, widerspricht Liam. »Du auch. Sonst wärst du gar nicht hier, mit deinen elf Jahren, und schon kurz vor Abschluss der Ausbildung.«

»Echt?«, frage ich.

»Ganz sicher!«, verspricht Liam.

Der Lieferwagen hält. Wir beide verabschieden uns mit einem kurzen Winken vom Fahrer und gehen auf das Hochhaus zu, in dem Liam wohnt – und wo auch ich seit zwei Wochen untergebracht bin.

»Denk dran«, schärft Liam mir noch mal ein, »im richtigen Leben heiße ich Billy. Also auch für meine Eltern. Meinen Agentennamen Liam kennen die, glaube ich, gar nicht.«

Ab dem Moment, in dem Liam unten die Haustür aufschließt, wird er also wieder zu Billy. Wir gehen am Fahrstuhl vorbei, denn wir YOUNG AGENTS haben gelernt, niemals mit Fahrstühlen zu fahren, wenn es sich vermeiden lässt. Das Risiko ist zu groß, ein Agent könne einmal im falschen Augenblick stecken bleiben.

Oben im achten Stock schließt Billy die Wohnungstür auf. Innen ist alles dunkel und still. Seine Eltern schlafen bereits.

»Meinst du, es ist noch Gulasch da?«, frage ich leise. »Ich habe Hunger.«

»Es ist immer noch Gulasch da«, antwortet Billy und blickt mit einem Schmunzeln auf den Lippen zur Schlafzimmertür, hinter der seine Eltern liegen. »Seit ich als Agent unterwegs bin und oft unerwartet zu den unmöglichsten Uhrzeiten nach Hause komme, hat sich meine Mutter angewöhnt, immer einen Topf Gulasch auf dem Herd stehen zu haben.«

»Echt? Immer?«, frage ich nach.

Billy nickt und bestätigt: »Immer.«

Wir verziehen uns in die Küche, schließen die Tür hinter uns, damit wir seine Eltern nicht wecken, und wärmen uns das Gulasch auf.

Morgen um zehn haben wir unser gemeinsames Treffen in der Zentrale zur Auswertung und weiteren Planung meines ersten Einsatzes. Das heißt, Billy und Abena müssen sich in ihrer normalen Schule entschuldigen. Ich besuche derzeit keine reguläre Schule. Aufgewachsen bin ich in einem Heim in der Nähe von München. Meinen Vater kenne ich nicht, meine Mutter war wegen Alkoholmissbrauchs zu oft im Entzug, ist einige Male straffällig geworden und saß sogar kurzzeitig im Gefängnis, sodass ihr das Sorgerecht entzogen wurde. Ich kam ins Heim und fand das furchtbar dort. Deshalb bin ich mehrfach abgehauen, hab sogar eine Zeit lang auf der Straße in München gelebt, bis mich der Geheimdienst aufgegriffen und zu einem YOUNG AGENT gemacht hat. Das war vor etwa einem Jahr. Jetzt stehe ich kurz vor meinem ersten Einsatz.

Billy, also Liam, ist dabei so etwas wie mein Mentor. Für meinen ersten Einsatz werde ich zunächst für zwei Wochen vom Unterricht durch einen Privatlehrer befreit.

Ich sammle mir die Sitzkissen von den vier Küchenstühlen zusammen, staple sie alle übereinander auf meinen Stuhl und setze mich darauf an den Tisch.

Denn ich bin – kleinwüchsig.

Gut, ich muss fairerweise einräumen, für den offiziellen medizinischen Befund einer »Kleinwüchsigkeit« bin ich mit meinen elf Jahren und einer Größe von 131,5 Zentimetern genau einen Zentimeter zu groß. Was mein Alltagsleben als zu kleiner Mensch allerdings nicht einfacher macht. Aber was soll’s? Ist halt so.

Billy füllt uns das Gulasch auf die Teller. »Guten Appetit.«

»Danke«, sage ich. Und denke wieder an die Sitzung morgen.

Die zweite neue Agentin ist Abena. Sie kam erst vor knapp einem Dreivierteljahr in Billys Schulklasse, sozusagen direkt aus Ghana eingeflogen. Nie zuvor hat Billy jemanden kennengelernt, die so schnell Deutsch gelernt hat, hat er mir erzählt. Sie ist die Einzige, die den YOUNG AGENTS je auf die Schliche gekommen ist und selbstständig herausbekommen hat, dass es diese Kinderagenten überhaupt gibt. Was aber auch mit daran liegt, dass ihre Eltern in jungen Jahren selbst einmal Agenten gewesen sind. Heute arbeiten beide im diplomatischen Dienst für Ghana. Von ihnen hat Abena so viel gelernt, dass sie fast keine Ausbildung mehr auf der Akademie benötigt. Seit dem Ende des letzten Falls gehört auch Abena zu den YOUNG AGENTS.

Der dritte in unserem Bunde der Neuen ist Balu. Dreizehn Jahre alt, und ja: mit einem Namen wie der große, dicke, etwas tapsige Bär aus dem »Dschungelbuch«. Obwohl Balu aus Indien stammt und man ihn sich deshalb vielleicht eher dünn und zierlich vorstellen würde, passt seine Statur sehr gut zu seinem Namen. Denn Balu ist das genaue Gegenteil von mir: ungewöhnlich groß und vor allem, wie er selbst sagt, »stämmig«. Ich würde eher sagen, Balu ist schon ein ziemlich dicker Kloß. Aber trotz seiner kräftigen Körperfülle ist Balu ausgesprochen beweglich und wendig.

»In Japan wäre ich bestimmt Sumoringer«, hat er selbst dazu mal gesagt.

Balu ist in Mumbai aufgewachsen, ein Moloch von einer Stadt, die in Deutschland wohl immer noch eher unter ihrem ehemaligen Namen »Bombay« bekannt sein dürfte. Eine Stadt mit fast 29 Millionen Einwohnern. Sechzehn mal so groß wie Hamburg! Ehrlich, eine solche Stadtgröße kann ich mir gar nicht so richtig vorstellen.

Wie sein Vater ist Balu ein ab-so-luter Computer-Experte. Der Geheimdienst hat ihn von einem Internat für Hochbegabte abgeworben. Balu ist also so etwas wie ein typischer Nerd. Und obwohl er auch in Kampfsportarten ausgebildet ist (darunter tatsächlich das Sumoringen!), sind ihm sämtliche körperliche Aktivitäten ein Gräuel. Er ist deshalb hauptsächlich für die Aufgaben in unser Team gekommen, für die viel Wissen, eine hohe Intelligenz und Technikwissen gefordert wird.

Nächster Tag. Nun treffen wir uns also in der geheimen Zentrale des Geheimdienstes. Wir, die drei neuen YOUNG AGENTS, zusammen mit den drei alten: Billy alias Liam, Naomi und Charles, um unseren ersten gemeinsamen Auftrag genauer zu besprechen. Obwohl das Team der YOUNG AGENTS nun auf die doppelte Größe angewachsen ist, ist das getarnte, unterirdische Büro des Profs unterhalb der Tankstelle nicht größer geworden. Deshalb sitzen außer Naomi und Charles alle anderen auf dem Fußboden. Der Prof wird natürlich gleich wieder in seinem Chefsessel an seinem überdimensioniert großen Schreibtisch thronen.

Wie üblich, hält der Prof sich auch dieses Mal nicht mit Begrüßungsfloskeln auf. Er betritt wortlos durch eine Seitentür den Raum, setzt sich und beginnt ohne jede Einleitung: »Liam, Naomi und Charles haben erfolgreich gearbeitet und sowohl den Boss als auch Thorsten Maffei hinter Gitter gebracht.«

Ich schaue zu den dreien rüber und merke, wie sehr sie sich über dieses Lob freuen.

Doch bevor sie es auch nur annähernd auskosten können, fährt der Prof gleich fort: »Aber damit ist die Kriminalität natürlich nicht ausgemerzt. In Deutschland ist in letzter Zeit die Zahl der Einbrüche und Diebstähle dramatisch gestiegen, auch hier in Hamburg. Und sogar europaweit, vor allem in den reicheren europäischen Staaten wie Frankreich, Großbritannien, den nordischen Ländern, hauptsächlich in Schweden, aber die Einbruchwelle geht hinunter bis Spanien. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass wir es mit organisierten Banden zu tun haben, die ihre Diebes-Kolonnen europaweit auf Tournee schicken. Sie kommen, rekrutieren neue Einbrecher, schlagen drei bis vier Wochen lang zu, dann ziehen sie ins nächste Land und kehren irgendwann zurück.«

»Organisierte Banden in Deutschland?«, fragt Billy dazwischen. »Ohne den Boss und ohne Maffei?«

Der Prof nickt. »Wir wissen noch nicht, ob vielleicht Bandenmitglieder der beiden mit dahinterstecken, quasi deren Nachfolger oder Stellvertreter, oder ob wir es mit einer gänzlich neuen Struktur der organisierten Kriminalität zu tun haben.«

Und ich spüre gerade, dass es jetzt wirklich ernst wird. Wir werden es mit echten, gefährlichen Verbrecherbanden zu tun bekommen. Auch Abena und Balu sehen den Prof mit großen Augen an. Ich glaube, die sind genauso angespannt und aufgeregt wie ich.

Billy, Naomi und Charles hingegen wirken eher ein wenig resigniert. Nachdem sie unter so großem Einsatz und mit so viel Mühe beide Bandenchefs zur Strecke gebracht haben, geht nun alles von vorn los?

»Wir – das heißt, die Polizei und der Geheimdienst – wissen: Es werden dazu auch immer mehr Kinder angeworben«, fährt der Prof fort.

Billy nickt ihm zu.

Ich nehme an, jetzt kommt der Prof zum Punkt, weshalb wir YOUNG AGENTS eingesetzt werden sollen.

»Erstens kommen Kinder leichter durch kleine Keller-, Flur-, Dach- und Badezimmerfenster«, erklärt der Prof weiter. »Zweitens sind sie nicht strafmündig, wenn man sie erwischt. Wir sind sicher, dass die Kinder zu diesen Taten gezwungen werden. Es geht also nicht nur um die Einbrüche, sondern auch um die skrupellose Ausnutzung von Jugendlichen, vielleicht sogar mittels Entführungen. Oft handelt es sich um Mafia-Organisationen aus Osteuropa wie Russland oder Rumänien. Es ist aber plötzlich eine ganz neue Bande aufgetaucht. Aller Wahrscheinlichkeit nach aus Deutschland. Und sie will der osteuropäischen Mafia einige Gebiete streitig machen.«

»Ein neuer Clan?«, fragt Naomi.

Der Prof nickt. »Es sieht so aus. Dieser neue Clan rekrutiert ebenfalls Jugendliche und Kinder, zum Beispiel Heimkinder …«

Alle sehen in diesem Moment zu mir. Ja, okay! Wissen doch alle, dass ich in einem Heim aufgewachsen bin.

»Oder Straßenkinder.«

Wieder treffen mich alle Blicke.

»Oder auch unbegleitete, jugendliche Flüchtlinge aus Afrika«, setzt der Prof fort.

Alle Blicke wechseln plötzlich von mir zu Abena, die das sofort bemerkt und sich wehrt.

»Hallo?!«, raunzt sie uns an. »Nur, weil ich aus Ghana komme, bin ich noch lange kein Flüchtling. Und schon gar keine Einbrecherin. Im Gegenteil: Ich bin eine Diplomatentochter!«

Naomi kichert laut los. »Wir sollten uns also nicht mit ihr anlegen. Abena genießt diplomatische Immunität. Wie alle Diplomaten und ihre Angehörigen.«

»So sieht es aus.« Abena grinst frech.

Naomi, Charles und Billy schmunzeln. Auch Balu kichert leise.

»Immunität?«, frage ich. Ich weiß wirklich nicht, was das hier bedeuten soll. »Gegen Krankheiten, oder was?«

Alle prusten los. Na toll!

»Wir reden hier nicht von Impfungen«, stellt Naomi lachend klar. »Sondern davon, dass Diplomaten strafrechtlich nicht vor Gericht gestellt werden können. Jedenfalls nicht so ohne Weiteres.«

»Können wir vielleicht mal wieder zum Thema zurückkommen?«, mahnt der Prof. »Es geht also vor allem darum herauszufinden, wer die Drahtzieher dieser neuen Bande sind.«

Das finde ich aber auch.

Die ganze Runde kehrt nun zum Glück wieder zum Ernst der Sache zurück.

»Schwerpunktmäßig scheint die neue Bande sich im Moment neue Diebe unter den jungen Flüchtlingen auszusuchen«, berichtet der Prof.

Abenas Gesichtszüge verfinstern sich.

»Diese Verbrecher!«, zischt sie. »Sich ausgerechnet an die Schwächsten heranzumachen!«

Ich weiß, was sie meint: Die jugendlichen Flüchtlinge, ohnehin schon vom Kriegsgeschehen in ihren Heimatländern traumatisiert, haben oft eine lebensgefährliche Odyssee hinter sich. Viele von ihnen sind in überfüllten Schlauchbooten übers offene Meer geflohen und nicht selten gerade noch so vor dem Ertrinken gerettet worden. Dann kommen sie nach langer Unterbringung in menschenunwürdigen Lagern endlich irgendwie nach Deutschland, kennen hier aber niemanden, verstehen die Sprache nicht, besitzen kein Geld, haben keine Arbeit, kein Zuhause und nicht die geringste Ahnung, was sie hier erwartet oder an wen sie sich wenden können. Und dann kommen diese organisierten Banden, versprechen ihnen das Blaue vom Himmel und verleiten sie zu kriminellen Taten.

»Um Kontakt zu dem neuen Einbrecherclan zu bekommen und auf sich aufmerksam zu machen, schlage ich vor, Abena und Liam bieten sich zunächst in einer Flüchtlingsunterkunft als Helfer an«, teilt ihnen der Prof mit. »Vor Ort müsst ihr versuchen, Kontakte zu knüpfen zu jenen, die dort in der Nähe herumlungern und neue Jugendliche rekrutieren wollen. Wenn ihr das geschafft habt, schlagt ihr Tim als den idealen Einbrechertyp vor: jung und strafunmündig; gesucht, weil er aus dem Heim abgehauen und damit erpressbar ist; und als Straßenkind auf der Flucht bereits an zahlreiche Diebstähle gewöhnt.«

Ich, der »ideale Einbrechertyp«? Das empfinde ich nicht gerade als Kompliment. Aber immerhin verschafft es mir meinen ersten echten Einsatz.

Und ich muss zugeben: Ich bin mit meiner geringen Körpergröße perfekt für Hauseinbrüche geeignet. Ohne Schwierigkeiten passe ich durch Keller- oder Badezimmerfenster und vermutlich auch durch so manches vergitterte Fenster. Und selbst meine Legende muss ich für den Einbrecherclan nicht erfinden und auswendig lernen, sondern einfach nur mein normales, wahres Leben erzählen. Schließlich bin ich wirklich im Heim aufgewachsen, von dort abgehauen, habe als Straßenkind gelebt und bin wirklich mehrfach von der Polizei aufgegriffen worden. Ich muss in meiner Lebensgeschichte eigentlich nur weglassen, dass ich irgendwann zu den YOUNG AGENTS gekommen bin.

Billy nickt mir aufmunternd zu. Soll heißen: Das schaffst du. Ich glaube an dich.

Seine Zuversicht tut mir gut. Auch wenn er wohl gar nicht anders kann, als zuversichtlich zu sein. Schließlich ist er mein Mentor und als solcher weitgehend für mich verantwortlich. Jeder von uns drei Neuen wurde einem der drei erfahrenen YOUNG AGENTS zugeteilt, der uns als Mentor zur Seite steht: Billy ist für mich zuständig, Naomi für Abena und Charles für Balu. Anders ausgedrückt: Die Jungs für die Jungs, das Mädchen für das Mädchen.

Mir gefällt diese Aufteilung. Und ich glaube, Billy auch. Jedenfalls verstehen wir uns super. Zum Glück! Denn schließlich wohne ich in den nächsten paar Wochen bei ihm. Da wäre es ziemlich schwierig geworden, wenn wir uns nicht ausstehen könnten. Das wäre bestimmt auch für Billys Eltern ein Problem. So aber funktioniert das Zusammenwohnen toll.

Abena wohnt ganz normal zu Hause. Ihre Eltern wissen ja Bescheid. Und Balu wohnt in Charles’ Zimmer in der kleinen Agentenwohnung, die sich Naomi bisher nur mit Charles geteilt hat. Da ist es zu dritt zwar extrem eng, doch in spätestens zwei Wochen soll Charles ohnehin zurückkehren nach London und dort andere Aufgaben übernehmen, sodass Balu dann das Zimmer für sich allein haben wird.

»Also«, schließt der Prof seine Erläuterungen ab, »gibt es noch Fragen?«

Wir alle sechs schütteln die Köpfe.

»Dann: Viel Erfolg!«, sagt der Prof, erhebt sich und verlässt sein Büro.

Die Besprechung ist beendet.

»Und?«, fragt Billy mich.

Meine Wangen glühen vor Aufregung. Mein erster Auftrag!

Das Blöde an unserem Plan ist, dass ich vorerst gar nichts zu tun habe. Denn erst einmal müssen Billy und Abena zur Flüchtlingsunterkunft, um die ersten Kontakte aufzubauen. Dazu wollen sie sich zunutze machen, dass sie in dieselbe Schulklasse gehen. Trotzdem bin ich aufgeregt. Ich schaue meinen Mentor mit großen Augen an, strahle dann übers ganze Gesicht und versichere ihm: »Ich bin bereit!«

ERSTER KONTAKT

Ich bin Abena. Tim hat mich ja schon vorgestellt. Ich bin eine der drei neuen YOUNG AGENTS. Und auch, wenn ich im letzten Fall der drei älteren YOUNG AGENTS schon ein bisschen mitgemischt habe, ist dies mein erster offizieller Fall, genauso wie für Tim und Balu.

Jetzt, einen Tag nach unserer Besprechung gestern, stehe ich am Nachmittag gemeinsam mit Billy vor der Tür der Flüchtlingsunterkunft, um unsere Hilfe »im Rahmen eines Schulprojekts« anzubieten.

Ein junger Mann mit dünnem Zauselbärtchen empfängt uns. Seine halblangen, braunen Haare hat er mit einem einfachen Gummiband zu einem mickrigen Zöpfchen zusammengebunden. Über seiner ausgewaschenen Jeans trägt er ein viel zu großes, schlabberiges T-Shirt in einer Farbe irgendwo zwischen Olivgrün und Graubraun.

»Hey!«, ruft er uns zu, obwohl wir direkt vor ihm stehen. »Das ist ja toll! Hilfe können wir immer brauchen. Ich bin der Basti. Und wer seid ihr?«

Er reicht uns beiden nacheinander seine Hand zur Begrüßung.

In nenne ihm meinen Namen.

Billy überlegt kurz. Er ist im Einsatz. Eigentlich müsste er seinen Agentennamen nennen: Liam. Andererseits spielt sich unser Einsatz quasi direkt vor unserer Haustür ab, in der Nähe unserer Schule, in der ihn alle nur unter seinem richtigen Namen kennen. Also entschließt er sich, genau wie ich, auch hier seinen echten Namen zu nennen. »Ich bin Billy.«

Ich hatte übrigens gar keine andere Wahl, denn einen Agentennamen habe ich noch gar nicht.

»Oh«, sagt Basti. »Billy! Das ist ja ein lustiger Name. Wie …«

»Ich weiß«, unterbricht Billy ihn leicht angesäuert. »Wie das Ikea-Regal. Das höre ich nicht zum ersten Mal.«

»Gibt es etwas zu tun?«, frage ich, bevor wir hier ins sinnlose Plaudern geraten. »Wir könnten ab sofort!«

»Hä?«, fragt Basti leicht verwirrt. Dann fällt es ihm ein. »Ach so. Logisch! Kommt mit!«

Der Wohnkomplex für die jugendlichen Flüchtlinge sieht aus wie ein gewöhnliches Mehrfamilien-Wohnhaus und ist eigentlich auch nichts anderes. Ein Wohngebäude mit insgesamt zehn Wohnungen für je maximal vier bis sechs Jugendliche.

»Zurzeit wohnen hier 38 Kinder und Jugendliche aus zwölf Ländern«, erläutert Basti, während er uns zu einem sogenannten Gemeinschaftsraum führt, der am Ende des Flures liegt, von dem auch das kleine Büro abgeht. In dem Raum stehen eine Tischtennisplatte, ein Kicker und mehrere große Tische, an denen gegessen, aber auch gebastelt, gelesen oder sonst etwas gemeinschaftlich unternommen wird.

Zwei Jungs spielen gerade Tischtennis. Ein dritter sitzt an einem der Tische und malt etwas. Der Kicker steht leer, was mich ziemlich überrascht. Auf unserem Schulhof steht auch einer, der ist immer besetzt.

»Und was sollen wir hier tun?«, frage ich, weil dieser Basti von sich aus nichts sagt.

Doch nun zeigt er auf die beiden Jungs an der Tischtennisplatte.

»Macht euch bekannt«, schlägt er vor.

Ich verstehe nicht so recht. »Und dann?«

»Nichts weiter«, antwortet Basti. »Die beiden sind die Besten in unserem Deutschkurs. Es wird ihnen sehr weiterhelfen, wenn sie die Sprache nicht nur über den Kurs lernen, sondern gleichaltrige Gesprächspartner haben, mit denen sie sich auf Deutsch unterhalten können.«

»Wir sollen also nur reden?«, fragt Billy nach.

Basti nickt. »Ganz genau. Das ist das Beste, wie ihr helfen könnt.«

Billy und ich schauen uns verwundert an. Mit allen möglichen Arbeiten haben wir gerechnet, aber damit gewiss nicht. Aber okay, wenn Basti es so vorschlägt …

Ich gehe freundlich auf einen der beiden Spieler zu. Vielleicht lassen sie uns ja mitspielen. »Hallo! Ich bin Abena. Können wir Doppel spielen?«

Die beiden Jungs unterbrechen ihr Spiel. Fragend sieht der Angesprochene mich an.

Ich halte seinem Blick stand, warte einen Augenblick, doch von ihm kommt nichts.

Normalerweise kann ich Menschen schon bei der ersten Begegnung innerhalb von wenigen Minuten recht gut einschätzen und liege selten falsch mit meinem ersten Eindruck. Doch jetzt fällt es mir schwer, seine Nicht-Reaktion zu deuten.

Ich versuche es mit einem Lächeln und wiederhole, dieses Mal allerdings deutlich langsamer, denn vielleicht hat er mich nur nicht verstanden: »Ich – bin – A-be-na.«

Ich tippe mir mit dem Finger gegen die eigene Brust. Das kommt mir zwar selbst ein bisschen blöd vor, aber wenn es der Verständigung dient … »Wollen – wir – ein – Doppel – spielen?«

Ich versuche, mit Gesten zu verdeutlichen, was ich mit Doppel meine.

Der Junge blickt zu seinem Kumpel auf der anderen Seite des Tisches und ruft hinüber: »Doppel?«

Mit einem seitlichen Kopfnicken zeigt er auf Billy und mich.

Der andere nickt ihm zu. »Okay. Wir gegen die.«

Ich werfe Billy einen vielsagenden Blick zu. Von wegen Deutsch lernen! Können die doch längst.

Ich sehe mich nach einem Tischtennisschläger um, doch der andere Junge hat schon zwei aus einer Kiste in der Ecke hervorgekramt und reicht sie mir. Ich reiche einen weiter an Billy und stelle mich das dritte Mal vor, um die Namen der Jungen zu erfahren: »Ich bin Abena. Das ist Billy. Und ihr?«

»Ben«, antwortet der erste Junge, zeigt auf den anderen und sagt: »Asante.«

»Schön«, sage ich und lächle.

Nun fragt Ben: »Ihr wollt helfen? Im Haus? Wobei?«

»Bei allem«, antwortet Billy.

Ich strecke fordernd meine Hand aus und sage: »Wir sind jünger. Wir haben Aufschlag. Gib den Ball!«

Diesen Asante schätze ich auf 15 oder 16, Ben vielleicht ein Jahr jünger.

Ich bekomme den Ball und mache den Aufschlag. Zum Glück kann ich einigermaßen gut Tischtennis spielen. Was ich von Billy nicht behaupten kann, nachdem ich seine ersten drei Schlagversuche gesehen habe. Dreimal hat er Löcher in die Luft geschlagen. Billy ist ja auch mein Mitschüler. Wir gehen in dieselbe Klasse. Aber noch nie ist mir aufgefallen, dass er im Tischtennis eine totale Niete ist. Ich wusste gar nicht, dass wir noch nie zusammen gespielt haben. Er tut mir fast ein bisschen leid. Aber ich versuche, es wieder wettzumachen.

Mein Aufschlag gelingt, wird aber von Asante gut pariert. Allerdings nicht besonders scharf und auch nicht sehr präzise.

Billy trifft! Yeah! Und spielt den Ball zurück. Aber selbst das wäre um ein Haar danebengegangen. Der Ball springt gegens Netz, bevor er rüber in die gegnerische Hälfte rollt und unmöglich erreicht werden kann.

»Eins zu null!«, rufe ich.

Billy schaut ganz stolz. Obwohl man sich für solche Bälle eigentlich entschuldigt.

Ich hole aus zum zweiten Aufschlag. Ein Ass, weil dieses Mal Ben danebenhaut.

Die können das auch nicht!

In dem Augenblick vibriert Billys Smartphone. Es ist sein »Diensthandy«, wenn man so will: Ein Smartphone des Geheimdienstes, das Billy stets gut versteckt in einer geheimen Tasche unter dem Gürtel im Hosenbund bei sich trägt. Ich weiß, dass er im Alltag, zum Beispiel in der Schule, ein altes, einfaches, gewöhnliches Handy benutzt, das er gut sichtbar in seiner Hosentasche trägt.

Billy muss sein Diensthandy nicht mehr aus seiner Geheimtasche ziehen. Mittlerweile ist seine neue, digitale Smartwatch mit dem Handy verbunden. Er kann die Nachrichten direkt auf dem Display ablesen, ohne dass jemand mitbekäme, von welchem Handy sie auf seine Smartwatch gesendet werden.

Billy zeigt mir kurz die Nachricht, die er gerade bekommen hat. Sie ist von Naomi. Und sie gefällt uns überhaupt nicht.

Gonzo lungert hier herum!

Ich seufze: Auch das noch! Gonzo!

»Hier«, das bedeutet, Gonzo steht draußen vor der Tür dieser Wohnunterkunft. Verflixt! Dann ist er uns gefolgt. Und wir haben das nicht mal bemerkt.

Ich muss zugeben, wir haben auch nicht darauf geachtet. Gonzo ist so ähnlich wie Zahnschmerzen. Immer wenn man denkt, man wäre ihn los, taucht er aus dem Nichts wieder auf und bleibt so lange, bis man das Übel an der Wurzel gepackt und ausgemerzt hat.

Schon am ersten Tag, als ich neu in Billys und Gonzos Klasse kam, hat Gonzo sich in mich verguckt. Das klingt im ersten Moment vielleicht schmeichelhaft für mich. Aber Gonzo ist überhaupt nicht mein Typ und entpuppte sich zudem sehr schnell als totale Nervensäge. Ich hab mich dann von Beginn an lieber an Billy gehalten, was sofort Gonzos Eifersucht hervorgerufen hat, die bis heute anhält. Mittlerweile ist er sogar dazu übergegangen, wahlweise Billy oder mir oder auch uns beiden gleichzeitig nachzuspionieren! Was schon lästig war, als noch nur Billy ein young agent war. Aber nun, da auch ich zu den jungen Agenten gehöre, ist es zu einem richtigen Problem geworden.

»Wo ist er?«, frage ich Billy.

»Vor der Tür«, antwortet Billy mir.

Während ich den nächsten Aufschlag mache, den Ben und Asante wieder nicht parieren können.

»Drei zu null!«, rufe ich. Denn wir wollen hier doch nicht vergessen, wer gerade das Spiel gewinnt!

Vielleicht auch, um davon abzulenken, fragt Ben uns: »Wer? Vor die Tür?«

Ich winke ab. »Ach, niemand!«

»Polizei?«, fragt Ben.

Billy und ich schauen uns an. Wie kommt Ben denn auf die Polizei?

Noch bevor ich nachhaken kann, fragt Asante: »Ami? Er hat auch gefragt euch?«

Erneute Verwunderung bei Billy und mir.

Billy sagt erst mal nichts dazu.

Ich schmettere den vierten Aufschlag direkt ins Netz, weil ich jetzt unkonzentriert bin. Sollten wir schon gleich bei der ersten Begegnung auf der richtigen Spur sein?

»Eins zu drei«, ruft Ben mir zu.

Ich frage nicht direkt nach Ami, sondern stell meine Frage offener: »Ach, er heißt Ami?«

Mein fünfter Aufschlag ist wieder ein Ass.

»Ja«, antwortet Asante, während Ben den Ball vom Boden aufhebt und sich für seinen ersten Aufschlag bereit macht. Asante wiederholt seine Frage: »Er hat auch gefragt euch?«

Man sagt mir nach, dass ich eine sehr gute Intuition habe und über eine ausgezeichnete Menschenkenntnis verfüge. Weshalb ich ja auch von Anfang an Gonzo abgelehnt und mich Billy zugewendet habe, wie Billy einmal scherzhaft bemerkt hat.

Jetzt jedenfalls meldet sich wieder mein Gefühl, dass wir bei Asante und Ben genau an die Richtigen geraten sind, über die wir an die Leute herankommen könnten, die wir suchen. Gut möglich, dass dieser Ami genau derjenige ist, der sich hier in der Flüchtlingsunterkunft seine neuen Diebe aussucht. Ich bleibe also mal dran.

»Na ja«, antworte ich vorsichtig. »Da ist uns wirklich einer begegnet. Aber dann hat er wohl gemerkt, dass wir hier nicht wohnen, sondern nur Helfer sind. Ich hätte gern gewusst, was er gewollt hat. Wisst ihr es zufällig?«

Ben und Asante schauen sich an und scheinen sich stumm zu fragen, ob sie Billy und mir vertrauen sollen. Ich spüre regelrecht ihre Zweifel. Deshalb winke ich schnell ab.

»Lasst nur. Müsst ihr nicht erzählen, wenn es zu privat ist.«

Wieder schauen die beiden sich an.

Nachdem er sich augenscheinlich das stumme Einverständnis von Asante eingeholt hat, sagt Ben: »Wir dürfen nicht Arbeit.«

»Verstehe«, sage ich.

»Kein Arbeit, kein Geld«, fügt Asante hinzu.

Ich nicke. »Das ist bitter.«

»Bitter?«, fragt Asante.

»Äh … schlecht«, übersetze ich.

»Kein Arbeit, schlecht«, bestätigt Ben.

Nun reiht auch Billy sich in das Gespräch ein. »Und Ami hat Arbeit für euch?«

Ben und Asante nicken.

»Sprecht ihr eigentlich Englisch?«, fragt Billy.

Beide schütteln die Köpfe.

»Ich Soomaaliya«, erklärt Asante.

Das ist das Somali-Wort für Asantes Heimatland Somalia.

»Ben Afghanistan.« Asante zeigt auf Ben.

Ich verstehe: Die beiden können sich untereinander nur in der für sie fremden Sprache Deutsch unterhalten. Denn die Sprachen Somali und Paschtunisch oder Persisch sind zu verschieden, als dass sich die beiden verstehen könnten. Vielleicht ist das der Grund, weshalb sie so eifrig Deutsch lernen und die Besten im Sprachkursus sind. Sie fühlen sich als Freunde und wollen sich unterhalten können!

»Okay«, biete ich an. »Wenn ihr Hilfe braucht wegen der deutschen Sprache, zum Beispiel, wenn ihr mit Ami redet …« Ich zeige auf Billy und mich. »Wir können helfen.«

»Danke!«, sagt Asante.

»Im Übrigen sprecht ihr echt gut!«, lobt Billy. »Und versteht auch schon alles, oder?«

»Gelernt«, sagt Asante stolz. »Hier in Kuuhhrsuuhhs.«

»Und Buch« ergänzt Ben. Er zieht ein sehr zerfleddertes Büchlein aus der hinteren Hosentasche.

Billy wirft einen Blick darauf.