Zärtliche Verschwörung - Barbara Cartland - E-Book

Zärtliche Verschwörung E-Book

Barbara Cartland

0,0

Beschreibung

Prinz Ivan Katinouski, von russisch-englischer Abstammung zählt zu den einflussreichsten und vermögendsten Männern am Hof Königin Viktorias. Er ist ein Lebemann und bekannt für seine zahlreichen Liebschaften. Lady Odele Ashford ist seine derzeitige Geliebte, eine bekannte Schönheit und mit Sir Edward Ashford verheiratet. Nach dem Tode der schwerkranken Frau des Prinzen, bittet dieser Lady Odele, ihm eine passende junge englische Ehefrau zu finden, mit der er eine Familie gründen könnte. Diese will eine geeignete unerfahrene Kandidatin finden, um ihr zu ermöglichen, ihre Stelle als seine Geliebte zu behalten und sie denkt sofort an ihre junge Nichte Charlotte von Storrington, die in der nächsten Saison in die Gesellschaft eingeführt werden soll. Lady Odele arrangiert, dass Charlotte mit ihrem Bruder Richard und dessen Freund Shane O'Derry auf das Schloss des Prinzen eingeladen werden, so dass er Charlotte kennenlernen und um ihre Hand anhalten kann. Charlotte ist von dieser arrangierten Ehe entsetzt, da sie Shane liebt, der leider aus einer verarmten Adelsfamilie in Irland stammt und Charlottes Eltern niemals einer solchen Ehe zusagen würden. Um den Prinzen von Charlotte abzulenken, hecken die drei Freunde einen Plan aus und überreden Alana Wickham, die Tochter eines verstorbenen Musiklehrers, die derzeit im Pfarrhaus als Nanny arbeitet, Shanes Cousine zu spielen und mit auf das Schloss mitzukommen. Wird dies genügen, so dass de Prinz nicht um Charlottes Hand anhält und ihr Liebesglück mit Shane zerstört? Werden Alana und Prinz Katinouski ihre Ängste überwinden können und das Glück finden, nachdem sie streben?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 205

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



DIE HAUPTPERSONEN DIESES ROMANS

Prinz Ivan Katinouski

zählt zu den einflussreichsten und vermögendsten Männern am Hof Königin Viktorias. Er ist russischer Abstammung und herrscht wie ein Märchenprinz aus Tausendundeiner Nacht.

Lady Odele Ashford

Geliebte des Prinzen, wird von der Londoner Gesellschaft als strahlende Schönheit gefeiert. Sie ist mit Sir Edward Ashford verheiratet.

Alana Wickham

Tochter eines Musiklehrers, lebt nach dem Tod ihres Vaters zurückgezogen in einem ländlichen Pfarrhaus.

Charlotte von Storrington

Eine temperamentvolle Gräfin, soll gegen ihren Willen mit Prinz Ivan Katinouski verheiratet werden.

Shane O’Derry

Verarmter Adliger - ein Anbeter von Charlotte.

Richard von Storrington

Charlottes Bruder und Freund von Shane.

Die Autorin überdiesen Roman

Standesunterschiede waren im späten 19. Jahrhundert noch von großer Bedeutung. Das mag Sie aus unserer heutigen, modernen Sicht verwundern, aber das Viktorianische Zeitalter - und in dieser Epoche spielt mein Roman - unterschied noch immer sehr streng zwischen Adel und Bürgertum.

Auch Alana Wickham ist ein Kind ihrer Zeit, und Gräfin Charlotte von Storrington weiß, dass sie sich auf glattem Parkett bewegt, wenn sie Alana als „Lady Alana O'Derry" auf Schloss Charl einschmuggelt. Denn Alana ist ja nur die Tochter eines bürgerlichen Klavierlehrers. Doch bewegt sie sich - sehr zum Erstaunen ihrer Mitverschwörer - wie eine wirkliche große Lady in der ‚feinen Gesellschaft‘. Ist hier Zufall im Spiel, oder ist Alanas natürlicher Adel angeboren? Aber ich möchte den turbulenten Ereignissen des Romans besser nicht vorgreifen . . .

Erstes Kapitel ~ 1878

Bequem in ihrem privaten Eisenbahn-Coupe untergebracht, stellte Lady Odele Ashford befriedigt fest, dass der Zug bald ihr Reiseziel erreichen würde.

In ihrem hocheleganten Reisekostüm und dem Zobel sah sie genauso aus wie auf den Photographien, die in vielen Schaufenstern auslagen. Lady Odele durfte sich rühmen, eine der schönsten Frauen ihrer Epoche zu sein.

Im Augenblick wirkte sie hinreißender denn je. Sie freute sich darauf, ihren Geliebten, Prinz Ivan, wiederzusehen und wenigstens für ein paar Stunden mit ihm allein zu sein.

In einem ausführlichen Brief hatte er sie gebeten, ihn auf Schloss Charl zu treffen, bevor die anderen geladenen Gäste kamen.

Beim Gedanken an sein schön geschnittenes Gesicht, die dunklen, leidenschaftlichen Augen und die schlanke, aber dennoch athletische Gestalt schlug ihr Herz gleich höher.

Einen so attraktiven Geliebten, einen Mann, der die Kunst des Liebens so meisterhaft beherrschte und zudem noch unermesslich reich war, hatte sie schon lange nicht mehr gehabt.

Sie hatte ihren Gatten sagen hören, das Vermögen des Prinzen Ivan sei noch größer als das der wohlhabendsten Mitglieder der Gesellschaft zusammengenommen.

Das machte die Tatsache, dass er ihr vor all den Schönheiten, die ihn hartnäckig umschwärmten, den Vorzug gab, nur um so reizvoller.

Den Zeitpunkt für die Einladung auf Schloss Charl hatte Prinz Ivan klug gewählt. Ihm konnte nicht entgangen sein, dass Edward Ashford, der Ehemann Lady Odeles, der sich für Pferde begeisterte, die Rennen in Doncaster besuchen würde. Selbst wenn er ihr anschließend nachreiste, hätten sie doch mindestens zwei, wenn nicht gar drei Tage für sich allein.

Was mochte Prinz Ivan an sich haben, sann Lady Odele, das ihn so unwiderstehlich und soviel faszinierender machte als all die anderen gutaussehenden Engländer, die sie ständig in Marlborough House und anderen vornehmen Häusern traf, in denen man zu Ehren des Prinzen von Wales Abendgesellschaften veranstaltete.

Zum Teil lag es gewiss an seiner russischen Abstammung, auch wenn zur Hälfte englisches Blut in seinen Adern floss. Aber Lady Odele war davon überzeugt, dass dies nicht der einzige Grund sein konnte.

Der Prinz war ein Mann von Intelligenz und Weitblick. Man munkelte, selbst erfahrene Staatsmänner beugten sich seinem Urteil, wenn es um Politik ging.

Er kannte sich auch auf vielen anderen Gebieten aus. Wenn die Damen nach Tisch das Speisezimmer verließen und die Herren bei ihrem Glas Portwein allein ließen, holte sich mancher von ihnen beim Prinzen einen guten Rat.

Überdies genoss er den Ruf, ein ausgezeichneter Reiter zu sein. Dank seiner hervorragenden Pferdekenntnisse gewann er sämtliche klassischen Rennen - sehr zum Verdruss ihres Gatten und der anderen Mitglieder des Jockey Clubs.

Dazu umgab ihn ein Hauch von Geheimnis, der jede Frau wünschen ließ, die Tiefen seiner Seele zu ergründen.

Was immer es auch sein mochte, das ihn so anziehend machte, Lady Odele freute sich beinahe wie ein Kind auf das Wiedersehen.

Der Zug verringerte das Tempo, und gleich darauf konnte sie die Station sehen mit dem Schild:

„Nur für Besucher von Schloss Charl.“

Wie erwartet, standen die livrierten Bediensteten des Prinzen und sein persönlicher Sekretär zu ihrem Empfang bereit.

Auf dem Bahnsteig lag ausgerollt ein roter Teppich. Lady Odele wusste von früheren Besuchen, dass ganz in der Nähe eine bequeme Kutsche mit einem hervorragenden Gespann stehen und sie in Windeseile zum Schloss bringen würde.

Der Zug hielt, doch sie machte noch keine Anstalten auszusteigen. Man öffnete die Tür für sie, der Sekretär, den Hut in der Hand, verneigte sich tief, und ihre Zofe, den Pelzmuff bereithaltend, stieg aus dem angrenzenden Abteil.

Mit dem strahlenden Lächeln, das Lady Odele automatisch immer dann aufsetzte, wenn sie die Herzen anderer gewinnen wollte, schritt sie nun die Stufen hinunter auf den Bahnsteig.

„Willkommen auf Charl, Mylady“, grüßte Mr. Brothwick, der Sekretär, ehrerbietig.

„Ich danke Ihnen.“ Graziös schwebte Lady Odele auf dem roten Teppich dem Stationseingang zu.

Sie war sich dessen bewusst, dass hinter jedem Zugfenster Leute standen und sich bemühten, einen Blick auf eine der gefeiertsten Schönheiten Englands zu erhaschen.

Weil sie ,ihr Publikum’, wie sie es insgeheim nannte, niemals enttäuschte, drehte sie sich nach ihrer Zofe um, die ihr folgte. So hatten die Beobachter Gelegenheit, ihre Schönheit zu bewundern.

„Haben Sie auch nicht meine Schmuckkassette vergessen?“ fragte sie ihre Zofe.

Eine überflüssige Frage, da sie die besagte Kassette mit beiden Händen fest umklammert hielt.

„Nein, Mylady.“

Lady Odele sah noch einen Moment auf den Zug und vermeinte, beinahe das andächtige ,Oh’ und ,Ah’ der Reisenden hören zu können.

Dann schickte sie sich an, die Station zu verlassen. Man half ihr in die luxuriöse Equipage, die bereits auf sie wartete.

Bis nach Charl waren es nur zwei Meilen. Lady Odele beugte sich nicht erwartungsvoll vor, wie die Gäste, die das große Schloss zum ersten Mal besuchten. Das Bild, das sich einem bot, war äußerst imposant. Stolz erhob sich die Residenz über dem Tal, Sonnenlicht brach sich in den Hunderten von Fenstern, auf dem hohen Turm wehte eine Flagge.

Lady Odele hatte jedoch dafür keinen Blick übrig - sie kannte das Schloss bereits seit vielen Jahren. Weil sie Lord Charlwood mochte, dessen Familie das Schloss vier Jahrhunderte lang gehört hatte, freute sie sich mit ihm, als Prinz Ivan es von ihm erwarb und es sich ein Vermögen kosten ließ, das Innere instand zu setzen.

Obwohl es Lord Charlwood schwergefallen sein musste, sich von seinem Besitz zu trennen, der traditionsgemäß Bestandteil seiner Familie war, hatte der immense Kaufpreis es ihm und seiner Gemahlin ermöglicht, ihren aufwendigen Lebensstil weiterzuführen, ohne sich immer tiefer in Schulden zu verstricken.

Als eines der größten Schlösser Englands gab Charl, wie Lady Odele fand, für Prinz Ivan den passenden Rahmen ab. Vorher hatte sie sich oft gewundert, warum der Prinz, der sich häufig in England, dem Heimatland seiner Mutter, aufhielt, hier kein einziges Haus besaß, denn in vielen anderen Ländern hatte er bereits Häuser: einen Palazzo in Venedig, ein Chateau in Frankreich, ein Jagdschloss in Ungarn und eine Villa in Monte Carlo, in die sich Lady Odele zum kommenden Frühjahr insgeheim schon selbst eingeladen hatte.

Soweit sie wusste, plante Prinz Ivan, zu Ehren des Prinzen von Wales auf Charl Fasanenjagden großen Stils auszurichten. Für Hetzjagden standen dem erlauchten Gast zwei der besten Meuten aus den gesamten Midlands zur Verfügung. Außerdem würde es zahlreiche größere und kleinere Bälle in dem riesigen Ballsaal geben, wo sie sich schon als strahlenden Mittelpunkt sah.

Lady Odele war so in ihre Gedanken vertieft, dass sie erst wieder auf ihre Umgebung achtete, als die Equipage schon in die breite, kiesbestreute Zufahrt einbog, die zum Schloss führte.

Ein rascher Blick in ihren kleinen Handspiegel verriet ihr, dass sie ihre Nase nicht frisch zu pudern brauchte und dass ihre Lippen rot genug waren.

Bei jeder ihrer Bewegungen verströmte sie den Duft eines betörenden französischen Parfüms. Das Gesteck aus dunkelroten Orchideen, das in der Kutsche für sie bereitgelegen hatte, nahm sich auf ihrer Zobelstola außerordentlich elegant aus.

An sechs Lakaien vorbei schritt sie die Treppe empor. In der Halle empfing sie der Butler, der den Eindruck eines würdevollen Erzbischofs machte.

„Herzlich willkommen auf Charl, Mylady“, sagte er im gleichen Ton aufrichtiger Herzlichkeit, den auch Mr. Brothwick, der Sekretär, benutzt hatte.

„Danke, Newton. Es ist ein herrliches Gefühl, wieder einmal hier zu sein.“

„Seine Hoheit wartet im Blauen Salon auf Sie, Mylady.“

Lady Odele unterdrückte ein Lächeln.

Sie wusste, dass der Blaue Salon zu den privaten Gemächern des Prinzen gehörte. Nur auserwählten Gästen wurde der Zutritt gestattet.

Das leise Rascheln seidener Unterröcke begleitete jede ihrer Bewegungen. Zum Glück herrschte für Anfang Oktober eine ungewöhnlich milde Witterung. Sie hatte sich also nicht gezwungen gesehen, wärmere Reisekleidung anzulegen.

Das leichte Kostüm schmeichelte ihrer vollendeten Figur. Über dem Kostüm trug sie ihre wundervolle Zobelstola, das Geschenk eines wohlhabenden Mannes, der sie leidenschaftlich liebte. Dieser Zobel war jedoch im Wert nicht mit der Stola und dem Muff aus Chinchilla zu vergleichen, die sie sich als Geschenk des Prinzen erhoffte.

Sie erreichten den Blauen Salon. Der Butler meldete:

„Lady Odele Ashford, Hoheit.“

Als sie eintrat, erhob sich der Prinz, der in die Lektüre einer Zeitung vertieft gewesen war. Lady Odeles Herzschlag beschleunigte sich.

Es war immer das gleiche, wenn sie den Prinzen sah - immer wieder musste sie feststellen, dass sie vergessen hatte, wie gut er aussah und wie dunkel seine Augen waren, die im Feuer der Leidenschaft glühen oder spöttisch funkeln konnten. Sie schienen bis in die geheimsten Winkel einer Frauenseele zu blicken.

„Ivan!“ rief sie voller Freude, als sie ihn mit der Geschmeidigkeit, die sie bei den englischen Männern so vermisste, auf sich zuschreiten sah. Er hob ihre Hand an seine Lippen.

Wie es die Sitte verlangte, küsste er ihren Handschuh. Dann, während sie einander in die Augen schauten, streifte er das weiche Wildleder von ihrer Hand und küsste die Innenfläche.

Die Berührung der warmen Lippen ließ sie erbeben. Der Prinz führte sie zum Sofa neben dem Kamin und setzte sich zu ihr.

„Wie geht es dir? Hattest du eine angenehme Reise?“ erkundigte er sich.

Seine Stimme hatte einen tiefen, verführerischen Klang. Während er sprach, ließ er seinen Blick über sie gleiten. Es kam ihr vor, als vermerke er jede Einzelheit ihres Gesichtes, ihrer Kleidung und der Orchideen, die er ihr geschenkt hatte.

„Alles war vollkommen. Wie immer, wenn du etwas arrangierst.“

„Du siehst bezaubernd aus.“

Das wollte Lady Odele hören. Kokett lächelte sie ihm zu.

Er sah sie immer noch an. Andere Männer hätten sie mittlerweile bereits mit ihren Zärtlichkeiten und Liebkosungen überschüttet. Er aber war beherrscht. Und gerade das machte einen Teil seiner Faszination aus, dachte sie.

„Warum wolltest du, dass ich vor den anderen Gästen komme?“

Eigentlich hätte sie sich in Geduld fassen und abwarten müssen, bis er von selbst darauf zu sprechen kam. Doch sie konnte die Frage nicht zurückhalten.

„Du kannst dir doch denken, dass ich dich sehen wollte“, gab Prinz Ivan zurück.

Sie stieß einen zufriedenen Seufzer aus.

„Mindestens zwei Tage haben wir für uns allein. Wer weiß, vielleicht verliebt sich Edward in eines der Pferde und bleibt noch länger in Doncaster.“

Prinz Ivan lachte.

„Wir werden sehr glücklich miteinander sein“, versprach er. „Für meine Gäste habe ich alle erdenklichen Zerstreuungen geplant. Mein ausschließliches Interesse gilt jedoch - dir.“

„Liebster Ivan“, sagte sie zärtlich. „Ich hatte gehofft, dass du das sagen würdest.“

„Vermutlich wirst du dich nach der langen Reise umziehen wollen. Den Tee nehmen wir hier ein, und danach habe ich etwas mit dir zu besprechen.“

„Du willst etwas mit mir besprechen?“

„Nach dem Tee.“

Prinz Ivan erhob sich, und Lady Odele wusste, dass es sinnlos wäre, weitere Fragen zu stellen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als seinen Wunsch zu respektieren.

Es mutete geradezu seltsam an, welche Macht der Prinz auf Frauen ausübte. Er befahl, und sie gehorchten. Er wusste stets, was er wollte, und gestattete niemandem, seine Pläne zu durchkreuzen.

Er brachte sie zur Tür. Draußen erwartete sie ein Kammerdiener, der sie auf ihr Zimmer führte, wo ihre Zofe bereits dabei war, die Koffer auszupacken.

Es dauerte beinahe eine volle Stunde - Lady Odele war außerstande, sich rasch umzukleiden -, bis sie in den Blauen Salon zurückkehrte. Sie trug eines ihrer exquisiten Kleider, die ein berühmter Schneider eigens für sie entwarf.

Die Satinkaskaden und der rüschenbesetzte Chiffon ihres Kleides verliehen ihr Ähnlichkeit mit einem exotischen Paradiesvogel. Ihr Kleid harmonierte mit ihren blauen Augen, ihrem goldblonden Haar und dem klassischen Profil ihres Kopfes.

Sich ihrer Schönheit wohl bewusst, schritt sie auf den Teetisch zu, den man vor dem Kamin gedeckt hatte. Vor dem Feuer stand der Prinz und schaute ihr bewundernd entgegen.

Er liebt mich, dachte sie zufrieden.

Wie erwartet, befand sich das Zimmer, das man ihr zugewiesen hatte, im selben Flügel des Schlosses, in dem auch die privaten Gemächer des Prinzen lagen.

Lady Ode le schenkte den chinesischen Tee ein. Sie war sich bewusst, dass ihre schlanken, wohlgeformten Hände bei dieser Handlung vorteilhaft zur Geltung kamen.

„Bei dir erhält man den besten Tee“, lobte sie. „Einen so schmackhaften Tee habe ich noch nirgendwo getrunken. Du suchst dir von allem immer das Beste aus, Ivan.“

„Es ist auch mein Wunsch, stets nur das Beste zu haben“, pflichtete er ihr bei. „Als du eben ins Zimmer kamst, dachte ich, dass es in ganz England keine Frau gibt, die dir an Schönheit und Anmut gleichkommt.“

Lady Odele lächelte.

„Ich bezweifle, dass der Prinz von Wales dir zustimmen würde. Er ist Mrs. Langtry geradezu verfallen.“

„Das weiß ich“, gab der Prinz zurück. „Seine Königliche Hoheit und Lillie treffen morgen ein.“

„Du hast mir gar nicht gesagt, dass dies eine königliche Gesellschaft wird.“

„Ich behauptete auch nicht das Gegenteil.“

Ihre Hoffnung, der Prinz würde über seine Gäste oder andere persönliche Belange mit ihr sprechen, war fehlgeschlagen. Selbst ihr gegenüber bewahrte er stets eine gewisse Reserviertheit.

„Natürlich bin ich entzückt, dass beide kommen“, beeilte sie sich zu sagen. „Ich mag Mrs. Langtry. Obwohl die meisten Frauen neidisch auf sie sind.“

Während sie weitersprach, warf sie dem Prinzen unter langen Wimpern einen beredten Blick zu. „Aber auch ich könnte sehr eifersüchtig werden, Ivan, wenn du sie reizvoller fändest als mich.“

Er sagte nicht, dass dies unmöglich wäre. Er lächelte nur hintergründig, und Lady Odele fuhr fort:

„Doch es beruhigt mich zu wissen, dass die meisten deiner Geliebten Blondinen waren. Natürlich, Gegensätze ziehen sich an.“

Sie blickte auf sein schwarzes, glänzendes Haar und dachte, dass trotz seiner englischen Mutter alles an seinem Aussehen auf seine slawische Herkunft hindeutete.

Er stellte Tasse und Untertasse auf dem Tisch ab und sagte:

„Jetzt möchte ich mich mit dir unterhalten, Odele. Ich brauche deine Hilfe.“

„Meine Hilfe?“ echote sie verblüfft.

Während sie sich umkleidete, hatte sie die ganze Zeit überlegt, worüber er wohl mit ihr sprechen wollte.

Eigentlich hatte sie sich von Anfang an gefragt, warum er sie wohl gebeten hatte, früher als die anderen Gäste zu kommen.

Es war unwahrscheinlich, dass der Prinz die Unbequemlichkeit eines Schäferstündchens nachmittags auf dem Sofa auf sich nehmen würde, so wie es der Prinz von Wales tat, dessen unorthodoxes Benehmen immer viele Nachahmer fand.

Der Nachmittag war besonders günstig, denn um diese Tageszeit hielt sich der Gatte der betreffenden Dame für gewöhnlich in seinem Club auf, und die Liebenden durften somit hoffen, nicht gestört zu werden.

Solche unbequemen Heimlichkeiten jedoch waren vollkommen überflüssig, wenn Lady Odele ganz in der Nähe der prinzlichen Gemächer schlief und sie ohnehin die ganze Nacht vor sich hatten.

Prinz Ivans Wunsch, sie zur Teestunde bei sich zu empfangen, musste also einen anderen Grund haben. Aber welchen? Lady Odele fand keine Erklärung.

Jetzt verließ sie den Teetisch und setzte sich ans Fenster, wo das Licht die verführerische Wirkung ihrer Gesten, ihres Haares und des diskreten Glitzerns ihrer Diamantohrringe noch verstärkte.

„Du weißt doch, liebster Ivan“, sagte sie mit sanfter Stimme, „ich bin immer bereit, dir zu helfen. Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, worin meine Hilfe bestehen könnte. Ich gestehe, ich brenne vor Neugier.“

„Gleich wirst du es wissen. Wir bedeuten einander so viel, Odele, dass du der einzige Mensch bist, den ich in dieser besonderen Angelegenheit um Rat bitten möchte.“

Auf elegante Art legte sie ihre Hände in den Schoß und richtete ihre blauen Augen beinahe kindlich erwartungsvoll auf Ivan.

Fast schien es ihr, als suche der Prinz nach Worten. Doch dann sagte er auf seine entschlossene, direkte Art:

„Letzte Woche starb meine Frau.“

Lady Odele erschrak.

Wie alle anderen hatte auch sie die Existenz seiner Gemahlin vergessen.

Die Prinzessin wurde niemals erwähnt, doch Lady Odele entsann sich, dass sie ungarischer Abstammung war und vor vielen Jahren, kurz nach der Hochzeit, bei einem Reitunfall eine Verletzung erlitten hatte.

Man munkelte, sie sei geisteskrank und in einer Anstalt in Ungarn eingesperrt.

„Im Grunde genommen war es eine Erlösung“, fuhr der Prinz ruhig fort. „Seit Jahren erkannte sie niemanden mehr, und es wäre Heuchelei, Trauer über ihren Tod zu bekunden.“

„Dann bist du also frei“, entgegnete sie mit weicher Stimme.

Blitzartig schoss ihr durch den Kopf, der Prinz könnte ihr einen Heiratsantrag machen. Doch dann machte sie sich klar, dass allein der bloße Gedanke an einen solchen Schritt absurd war.

16

Ganz gleich, welch lockeren Sitten man in den gehobenen Gesellschaftskreisen im Privatleben frönte, es gab ein ehernes Gesetz, nach dem jeder sich richtete und das so gut wie niemals gebrochen wurde:

„Nur keinen Skandal erregen!“

Odele wusste, selbst wenn der Prinz vor ihr auf die Knie sänke und sich ihr mit all seinem Reichtum anböte, würde sie ihn, ohne mit der Wimper zu zucken, zurückweisen.

Wie sehr sie einen Mann auch liebte - und sie liebte Ivan, vielleicht sogar mehr als je einen anderen Mann zuvor -, ihr gesellschaftliches Ansehen hatte Vorrang.

Edward war nicht nur in vielerlei Hinsicht ein nachgiebiger und großzügiger Gatte, sondern erfreute sich auch der Gunst des Prinzen von Wales und wurde von den anderen Herren vom Jockey Club und den Mitgliedern des vornehmen White’s Club hoch geachtet.

Ihn zu verlassen, bedeutete Ächtung und Ausschluss von allem, was ihr Leben lebenswert und amüsant machte. Niemand - nicht einmal Ivan - könnte den Verlust ihres gesellschaftlichen Ansehens wettmachen.

Der Prinz sagte:

„Nun, wo ich frei bin, wie du sagst, habe ich einen wichtigen Entschluss gefasst. Und bei dessen Durchführung sollst du mir helfen, Odele.“

„Wie lautet dein Entschluss?“

„Ich muss wieder heiraten.“

Also doch heiraten! Lady Odele hielt den Atem an. Sie fragte sich, wie sie ihn abweisen könnte, ohne ihn gleichzeitig zu verlieren.

„Wie du weißt“, fuhr er fort, „habe ich keine Kinder. Als das Unglück passierte, war meine Frau guter Hoffnung. Der Verlust des Kindes brachte sie für den Rest ihres Lebens um den Verstand.“

Seine Stimme hatte plötzlich hart geklungen. Gelassener setzte er von neuem an:

„Doch jetzt will ich einen Erben und, wenn möglich, weitere Söhne und Töchter, die einmal mein Vermögen erhalten und meinem Leben einen neuen Inhalt geben.“

Lady Odele schwieg. Sie war unschlüssig, wie sie reagieren sollte.

„Ich habe ausführlich darüber nachgedacht. Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es in meinem großen Bekanntenkreis nur sehr wenige Frauen im passenden Alter gibt.“

„Und was wäre das passende Alter?“ fragte Lady Odele. Ihre Stimme klang selbst in ihren eigenen Ohren fremd.

„Das hängt mit einem sehr entscheidenden Punkt zusammen. Die Mutter meiner Kinder soll rein und unschuldig sein. In der Liebe darf sie keinerlei Erfahrung haben.“

Verblüfft starrte sie ihn an.

Hatte er tatsächlich ,rein und unschuldig’ gesagt? Eine merkwürdige Äußerung für einen Mann, der in ganz Europa für seine Affären berüchtigt war.

Dutzende von Frauen fielen ihr ein, die ihm nur allzu bereitwillig ihr Herz und ihren Körper dargeboten hatten.

Als sie merkte, dass er auf eine Antwort wartete, meinte sie beinahe schnippisch:

„In diesem Fall müsste deine zukünftige Frau sehr jung sein.“

„Richtig!“ stimmte er zu.

„Ein junges Mädchen an der Schwelle zur Frau?“

„So stelle ich sie mir vor.“

„Soll das heißen, dass du schon um die Hand einer jungen Dame angehalten hast?“ verlangte Lady Odele zu wissen.

Trotz ihrer Absicht, kühl und gelassen zu bleiben, konnte sie eine gewisse Schärfe in ihrer Stimme nicht verhindern.

Der Prinz schüttelte den Kopf.

„Das ist ja mein Problem“, sagte er. „Ich weiß genau, was ich will, aber du kannst dir ja selbst vorstellen, Odele, dass ich so gut wie nie mit jungen Mädchen zusammenkomme. Anscheinend verkehren sie nicht in den Kreisen, in denen ,Frauen von Welt’ wie du den Ton angeben.“

Vor Erleichterung seufzte sie beinahe hörbar auf.

Allmählich begriff sie, weshalb er sich an sie um Hilfe gewandt hatte.

„Du möchtest eine Engländerin heiraten?“

„Wie du weißt, bin ich gern in England.“ Er sah sie mit einem bedeutungsvollen, äußerst vertraulichen Blick an. „Ich mag die Art der Engländerinnen, sich stolz zu geben. Ihre Kultiviertheit und ihre Selbstbeherrschung findet man kaum bei Frauen anderer Nationen.“

„Du bist selbst ein halber Engländer.“

Sie wusste, dass er stolz auf seine englische Abstammung war. Wie sein Vater, hatte er sich allem, was mit Russland zusammenhing, vollkommen entfremdet.

Der verstorbene Prinz Katinouski hatte sich mit dem Zaren überworfen und St. Petersburg für immer verlassen.

Er hatte die Tochter des Herzogs von Warminster geheiratet und seinen einzigen Sohn, Prinz Ivan, nach englischer Tradition erziehen lassen.

Prinz Ivan hatte Eton und Oxford besucht. Erst danach hatte ihn sein russisches Blut und sein sagenhafter Reichtum an alle Vergnügungsstätten der Welt geführt. Man sprach von Ivan Katinouski wie von einem arabischen Märchenprinzen.

Seine rauschenden Feste in Paris, seine Extravaganzen in Italien, seine englischen Vollblutpferde, alles verwob sich zu einer Legende, die man um ihn spann.

Doch es waren seine Liebschaften, die das meiste Interesse erregten.

Die Frauen liefen ihm nach, liebten ihn so hemmungslos, dass sie nicht selten ihren Ruf aufs Spiel setzten, nur um in den Genuss seiner Gunst zu kommen. Ein Blick aus seinen schwarzen Augen genügte, um sie bis zum Wahnsinn zu treiben.

„Vermutlich würde eine Engländerin auch am besten zu dir passen“, räumte Lady Odele mit leisem Zweifel ein.

Sie fragte sich, wie ein englisches Mädchen sich wohl mit den mannigfachen und oftmals merkwürdigen Seiten seines Charakters anfreunden könnte. Für sie selbst war der Prinz oft ein Buch mit sieben Siegeln. Obwohl sie davon überzeugt war, dass er sie liebte und sich leidenschaftlich zu ihr hingezogen fühlte, hätte sie doch nicht behaupten können, diesen Mann bis in die Tiefen seiner Seele hinein zu kennen.

Vieles an ihm wirkte so geheimnisvoll, war so unergründlich, dass der bloße Gedanke daran sie bestürzte.

Laut sagte sie:

„Aber vielleicht, Ivan, wäre ein Mädchen aus einem anderen Land doch richtiger für dich.“

Noch während sie sprach, ging ihr auf, dass es eigentlich keine Rolle spielte, ob Ivans Frau ihn verstand oder nicht. Sie sollte ihm ohnehin nur den erwünschten Erben schenken.

Seine nächste Bemerkung überraschte sie deshalb nicht.

„Ich weiß genau, was ich will, Odele. Ich möchte, dass du mir eine Engländerin suchst, die von einwandfreier Herkunft ist, mir Kinder schenkt und den Teil meines Lebens ausfüllt, der all die Jahre über leer geblieben ist.“

Mit leisem Lächeln fragte sie:

„Soll das im Ernst heißen, Ivan, dass du etwas vermisst? Ich dachte immer, alles in deinem Leben sei schön und perfekt.“

„Mein Leben war so vollkommen, wie es unter den gegebenen Umständen sein konnte. Jedoch im Hintergrund stand immer meine kranke Frau. Wir waren erst sechs Monate verheiratet, als das Unglück passierte.“

Mehr brauchte er nicht zu sagen.

Selbst Lady Odeles begrenzte Fantasie konnte das Bild der armen, wahnsinnigen Kreatur heraufbeschwören, die seinen Namen trug und in Ungarn versteckt gehalten wurde, während er allein durch die Welt zog.

Mit einer für sie ungewöhnlichen Einsicht begriff sie, dass der Prinz trotz seiner Villen, Schlösser und Paläste ein einsamer Mann war. Ohne Frau und Kinder besaß er kein wirkliches Zuhause.

Weil sie wusste, was er von ihr zu hören erwartete, sagte sie nun:

„Selbstverständlich helfe ich dir, Ivan. Sag mir genau, was du möchtest, und ich werde alles tun, was in meiner Macht steht."

Nur so, dachte sie, konnte sie ihn halten.

In der vornehmen Gesellschaft gab es etliche Frauen, die fleißig und tugendhaft das Haus hüteten, während ihre Gatten sich amourösen Abenteuern hingaben.

Wenn Ivan sich dazu entschließen sollte, eine Frau wie sie selbst zu heiraten, würde sie rasend vor Eifersucht werden. In diesem Fall bestand nämlich die ernstzunehmende Gefahr, dass seine Gemahlin sie, Odele, in der Gunst des Prinzen ausstach.

Ein junges Ding jedoch, von dem er nichts weiter verlangte, als dass es ihm Kinder gebar, gefährdete keine Sekunde lang ihre besondere Beziehung zueinander. Genauso wenig wie Edward sich einmischen würde, solange sie die erforderliche Diskretion wahrte.