Zauberhaft - Victoria - Larissa Schwarz - E-Book

Zauberhaft - Victoria E-Book

Larissa Schwarz

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Beschreibung

Victoria hat ihre On-and-Off-Beziehung zu Hakim satt. Scheich hin oder her, nach zehn Jahren hat sie mit 29 immer noch keinen Ring am Finger und er macht wenig Anstalten, das zu ändern. Sie schafft Fakten, als sie sich in Magnus Brandt verliebt, doch der hütet ein pikantes Geheimnis. Der zweite Band der Eschberg-Reihe entführt gleich zwei Heldinnen nach Dubai und lässt die Herzen plötzlich im Doppelpack höher schlagen; obendrein gibt es ein Wiedersehen mit liebgewonnenen Freunden ...

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Zauberhaft – Victoria

Band 2 der Eschberg-Reihe

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.d-nb.de abrufbar.

Texte: © Larissa SchwarzUmschlaggestaltung: © Larissa Schwarz

Verlag:Edition Eschberg – Larissa Schwarz Heisterbusch 1

46539 [email protected]

Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Montag, 15.07.

»Einen Kaffee!«, zischte der Gast.

Irritiert sah Victoria sich kurz um. Vom Café-Personal war niemand zu sehen, Joachim Zeilinger hatte das Team kurz zu einer Besprechung in sein Büro gerufen und offenbar war die Notbesetzung gerade nicht in Reichweite. Zeilinger selbst lehnte zwar in der Tür, unterhielt sich jedoch intensiv mit seiner Buchhalterin.

»Sie sprechen aber schon Deutsch, oder?« Der Ton wurde rauer.

Als hätte er sie aus einem Tagtraum geweckt, zuckte sie zusammen und warf die Stirn in Falten, schmunzelte aber sofort, als sie den dunkelblonden Herrn näher betrachtete. Sicher keiner von hier, dachte sie. »Verzeihen Sie, bitte. Natürlich, ein Kaffee. Kommt sofort«, flötete sie und lächelte den Gast an Tisch vier freundlich an. Da immer noch keiner der Angestellten zu sehen war, ging sie tatsächlich hinter den Tresen und betätigte den Kaffeeautomaten.

Magnus Brandt war genervt. Von Eschberg. Von dem Café, in dem er saß. Von seinem neuen Job und am allermeisten von den Menschen um ihn herum. Was, um alles in der Welt, hatte ihn veranlasst, diese Stelle in der Provinz anzunehmen? Er wollte Richter am Bundesgerichtshof werden und nicht Direktor des Amtsgerichts in diesem 70.000-Einwohner-Nest. Zwar stammte er aus der Gegend, aber für jemanden, der sich in Berlin einen Namen gemacht hatte, war Eschberg ein Kuhdorf. Und die blödeste Kuh war die Politesse, die vor zwei Stunden sein Auto von seinem persönlichen Parkplatz hatte abschleppen lassen, nur weil noch das Kennzeichen seines Vorgängers dort hing. An zweiter Stelle rangierte seine Vorzimmerdame Irene Scharnweber, die ihn aus dem Büro ausgesperrt hatte und nun daran schuld war, dass er in diesem fürchterlichen Café saß. Dicht gefolgt von dieser seltsamen Kellnerin, die den Eindruck machte, als wäre sie mit den Gedanken ganz woanders, nur nicht bei ihren Gästen. Magnus Brandt wollte zurück.

Nur: Hatte er nicht noch vor zwei Tagen in Berlin das Gleiche über »zu Hause« gesagt?

Victoria malte mithilfe des Barista-Werkzeugs einen Smiley in die Crema des Kaffees und servierte ihn dem, wie sie schätzte, in etwa gleichaltrigen Gast, der immer noch eine gewisse Unruhe ausstrahlte, was sie wiederum neugierig machte.

Sie zwinkerte ihm zu. »Bitte sehr.«

Im selben Moment kam der Geschäftsführer aus der Deckung, Joachim Zeilinger, Eschberger Urgestein, Inhaber des Café Daily.

»Victoria, ich dachte, du wärst schon weg!?«, rief er ihr zu.

»Ja, eigentlich war ich auch schon fast raus.« Sie ließ eine kurze Pause. »Der Kaffee hier geht auf mich, Jo!« Sie deutete auf Tisch vier, winkte und zwinkerte beim Hinausgehen noch einmal Magnus Brandt zu, der ihr mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund hinterherstarrte.

»Schon in Ordnung, ich zieh es von deiner Rechnung ab ...«, lachte Zeilinger. Er wandte sich Magnus zu. »Es tut mir leid, dass Sie offenbar warten mussten, der Kaffee geht selbstverständlich aufs Haus.«

Er streckte Magnus die Hand entgegen: »Joachim Zeilinger.«

»Magnus Brandt«, schlug er ein und schüttelte sie.

»Ach, der neue Direktor des Amtsgerichts?«, wunderte sich Zeilinger laut, wohl auch ob des etwas kräftigeren Händedrucks.

»Ja, in voller Lebensgröße ...«

»Ich habe in der Zeitung von Ihnen gelesen. Was verschlägt Sie so früh in meine gute Stube, Herr Dr. Brandt?«

»Lange Geschichte, ich wurde quasi aus meinem Büro ausgesperrt und muss warten, bis meine Vorzimmerdame zurück ist, damit irgendjemand bestätigen kann, dass ich ich bin und wieder ins Gerichtsgebäude darf. Mein Ausweis liegt in meinem Büro und an der Pforte hielt der Wachtmeister das für einen schlechten Scherz, als ich ihm die Situation erklärte.«

»O je. Da haben Sie ja einen prima Einstand in Eschberg erlebt ...«

»Das können Sie laut sagen ...« Magnus seufzte. »Zudem ist mein Auto vorhin abgeschleppt worden und ich hatte bis gerade fürchterlichen Koffeinentzug ...«

»Na, wenigstens eine schöne Seite von Eschberg haben Sie ja eben kennengelernt ...«

»Hm?« Magnus hob fragend die Augenbraue. »Ach, Sie meinen – wie heißt die Dame? Victoria?«

»Ganz recht ...« Zeilinger grinste und tappte ihm auf die Schulter. »Dann mal herzlich willkommen in der Provinz. Und wenn Sie hier richtig angekommen sind, melden Sie sich ruhig mal bei mir.«

Magnus nickte ihm zu. »Ja, gern.« Auch wenn er eigentlich nicht genau wusste, warum und was Zeilinger damit bezwecken wollte.

Beziehungen schaden nur dem, der keine hat, dachte er und trank den Rest seines Kaffees aus. Victoria, geisterte es ihm durch den Kopf. Hm. Eigentlich hätte er ja sehen müssen, dass sie nicht zum Personal gehörte; das Business-Kostüm war zwar schwarz, wie die Kleidung der Angestellten, aber sie trug eine weiße Bluse statt des »Daily«-Shirts und eine Aktentasche. Er seufzte erneut und rieb sich das Kinn. Das konnte ja heiter werden. Noch keine 24 Stunden vor Ort und schon unbeliebt gemacht. Offenbar kannte dieser Zeilinger Victoria aber etwas besser, sie gingen vertraut miteinander um, vielleicht könnte er – Magnus drehte sich zum Tresen um.

»Herr Zeilinger!?«, rief er.

»Ja, was gibt es?«, näherte er sich grinsend noch mals dem Tisch.

»Könnten Sie Victoria ausrichten, dass es mir leidtut, dass ich sie so angeblafft habe? War bisher nicht mein Tag und ich hätte eigentlich sehen müssen, dass sie hier nicht arbeitet ...«

»Kein Ding, so wie sie Sie angelächelt hat, hat sie Ihnen das sicherlich längst verziehen, aber ich richte es ihr gern aus.«

»Danke.« Magnus drehte sich wieder zum Fenster und beobachtete das Treiben auf dem Marktplatz. Es war Hochsommer und die Sonne schien trotz der Frühe des Tages bereits unerbittlich auf die große Glasfront. Er hatte in der Nacht zuvor die letzten Kartons in seine Wohnung getragen, die Reste der Tiefkühlpizza verdrückt, die noch im Ofen gelegen hatte, und war gegen vier Uhr morgens in einen unruhigen Schlaf gefallen. Um sechs hatte der Wecker geläutet. Das gleißende Licht brannte in seinen Augen und er fühlte sich verkaterter als nach einer durchzechten Nacht.

Victoria. Die Siegerin. Vor seinem inneren Auge lief sie erneut vorbei und lächelte ihn an, zwinkerte ihm zu. Klar, so eine wie sie stand auf der Sonnenseite des Lebens, hübsch, jung, dem Auftreten nach zu urteilen offenbar nicht auf den Kopf gefallen und irgendwie war sie ihm sympathisch. Magnus strich sie wieder von der Liste der Menschen, über die er sich ärgerte. Immerhin hatte sie ihm einen Kaffee beschert und die noch zu hinterfragende Bekanntschaft mit Joachim Zeilinger.

Eigentlich war es recht schön in Eschberg. Als er noch klein war, waren seine Eltern häufiger mit ihm und seiner Schwester hergekommen, hatten das Schloss und das Museum besucht oder waren in den Wald gegangen, um Maronen und Bucheckern zu sammeln. Aulbach, der kleine Ort, circa 15 Kilometer entfernt, in dem er aufgewachsen war, war nicht mal halb so groß und lag verkehrstechnisch etwas ungünstiger, um genau zu sein: auf dem platten Land. Deswegen hatte es ihn nach dem Abitur auch »nach draußen« gezogen. Berlin schien ihm seinerzeit für den Anfang gerade groß genug und irgendwie hatte er sich bis vor ein paar Monaten auch nicht davon lösen können. Er liebte dieses Flair und die Enge, den Puls der Großstadt mit ihren unendlichen Möglichkeiten. Wie sich eben ein Neunzehnjähriger aus der Provinz die Stadt so vorstellte. Im Nachhinein erkannte er natürlich seine Naivität, damals jedoch war er voller Energie und Tatendrang. Nichts konnte ihn aufhalten; mit seinem Einser-Abitur hatte er sich die Universität quasi aussuchen können, eine kleine Wohnung im Studentenwohnheim war schnell gefunden und da er bereits in Bärenthal bei McDonald’s gearbeitet hatte, musste er sich um einen Nebenjob keine großen Sorgen machen. Irgendwie war er immer über die Runden gekommen, dank BAföG und der Unterstützung seiner Eltern, die stets bestrebt gewesen waren, ihren beiden Kindern alles zu ermöglichen. Seine Schwester Anna hatte in Köln Sport und Englisch auf Lehramt studiert, eine Weile gab es wenig Kontakt zwischen den Geschwistern. Als aber Anna vor gut vier Jahren schwanger war, näherten sie sich schnell an, wurden wieder ein Herz und eine Seele.

Magnus zog dennoch nichts zurück nach Aulbach; in Berlin hatte er seine Freunde, seine Beziehungen und kannte sich aus. Dem Nachtleben war er anfangs zwar nicht abgetan, doch nachdem er das erste Staatsexamen absolviert hatte, sah er sein Ziel klar vor Augen: schnellstmöglich und gradlinig zur Promotion, die notwendigen Etappen meistern, um dann Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe zu werden. Dazu würde er Berlin irgendwann verlassen müssen, das war ihm damals schon klar gewesen. Aber mit Ilona hatte er die richtige Frau an seiner Seite. Bankerin, bei einer weitverzweigten und flächendeckend verbreiteten Großbank, flexibel überall in Deutschland einsetzbar, gut vernetzt.

An Silvester hatten sie sich kennengelernt, vor fünf Jahren, am Brandenburger Tor. Dort, wo jedes Jahr die größte Party Deutschlands stattfand. Sie hatte so kläglich gefroren, er sie gewärmt. Seit jener Nacht waren sie unzertrennlich.

Dachte er. Das böse Erwachen ereilte ihn vor etwas mehr als einem Jahr, als er Ilona in der Mittagspause in der Bank überraschen wollte. Er sah sie turtelnd und küssend mit einem Kollegen vor der Filiale stehen. Völlig unverblümt und unbekümmert. Im Augenwinkel musste sie ihn erspäht haben, sie ließ von ihrem Gegenüber ab, ging auf ihn zu und meinte trocken: »Tja, dann weißt du es jetzt wohl auch.« Magnus wähnte sich im falschen Film, wartete einen Moment, ob jemand die Situation aufklären würde, und sah dann nur noch Ilona und den ihm unbekannten Mann, Hand in Hand in die Filiale gehen.

Ilona und Magnus. »Ein Traumpaar«, sagte der Freundeskreis. Doch kurz nach der Hochzeit vor zwei Jahren kriselte es schon. Magnus hatte tagsüber eine Stelle am Amtsgericht Tiergarten inne, seine Dissertation schrieb er nebenbei nachts, an den Wochenenden besuchte er Fortbildungen und Seminare. Ilona arbeitete Vollzeit in der Wertpapierberatung, ging häufig zu Kundenveranstaltungen, vertrieb sich die Abende mit Freundinnen. Es war wenig Zeit für sie beide geblieben. Kein Wunder, dass sie sich getröstet hatte. Aber, dass es ausgerechnet an dem Tag herauskommen musste, an dem er seine Doktorwürde verliehen bekam!?

Eigentlich hatten sie am Nachmittag gemeinsam zur Universität gewollt, das letzte Kapitel Studium abschließen. Magnus war dann allein gefahren, hatte sich im Anschluss auf einer Parkbank gegenüber dem Brandenburger Tor niedergelassen, die Flasche Champagner allein geleert und sich von seinem Freund Tobias nach Hause bringen lassen. Besser gesagt: Dorthin, wo er sein Zuhause vermutete. Die Wohnung in der Kurfürstenstraße, nur einen Katzensprung von seiner Arbeit entfernt, hatten er und Ilona erst kurz vorher gekauft. Als er dort ankam, stand seine Reisetasche schon vor der Tür.

Tobias hatte ihn für ein paar Tage zu sich geholt, bis Magnus dann in ein möbliertes Apartment gezogen war. Das Kapitel Berlin schloss sich plötzlich auf dieselbe Weise, wie es begonnen hatte: ein bisschen naiv, da er die Affäre schon längst hätte bemerken müssen und mit einem Koffer voller Kleidung, Träume und Pläne. Es musste schließlich irgendwie weitergehen und Karlsruhe war und blieb das erklärte Ziel.

Die ersten Wochen nach dem Rauswurf hatte er weiter wie bisher gearbeitet, um nicht negativ aufzufallen. Seine Eltern hatten ihn kurz besucht, eigentlich um ihm zu gratulieren, waren schockiert über die Trennung, aber hielten sich im Großen und Ganzen heraus. Tobias, sein ehemaliger Kommilitone, bester Freund und liebster Anwalt hatte ihn in Sachen Trennung beraten und mit einem Mal verspürte Magnus das Gefühl, dass er Berlin verlassen könnte.

Heimwärts wäre schön, dachte er damals. Dort, wo alles klein, weitläufig, langsam und beschaulich war.

Im Intranet suchte er wochenlang nach Stellenanzeigen, bis ihm zum wiederholten Mal der Direktorenposten in Eschberg ins Auge sprang.

Eigentlich war er noch etwas zu unerfahren für den Job, aber die Stelle war schon länger unbesetzt, also wagte Magnus erst einen Anruf, dann das Bewerbungsschreiben.

Wodurch er letztlich überzeugt hatte, konnte er nicht mit Sicherheit ausmachen, aber mit einem Mal ging es Schlag auf Schlag: Zusage, Wohnungssuche, Versetzung, Kisten packen, Auto beladen und losfahren. Innerhalb von drei Wochen hatte sich die fixe Idee zur Realität gewandelt.

Ilona hatte kein Wort mit ihm gesprochen, seit sie ihm den Koffer vor die Tür gestellt hatte, es lief alles über ihre Anwälte.

Magnus waren diese Paare, von denen er zu Beginn seiner Karriere schon einige geschieden hatte, immer suspekt gewesen. Erst war es die große Liebe, jenseits aller Vorstellungskraft und erhaben über jeden Zweifel. Dann erstarrten alle Moleküle unter der Kälte, die diese Menschen ausstrahlten und nur noch der Richterspruch vermochte ihnen wieder Leben einzuhauchen.

Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Auch er würde bald vor dem Richtertisch stehen, die Scheidung war längst eingereicht, beim Trennungsjahr hatte Tobias großzügig zurückdatiert und auch Ilonas Anwalt hatte keine Einwände erhoben. Ein seltsames Gefühl, aber er spürte bereits den Anflug der Freiheit, die darauf folgen würde und atmete tief durch.

Victoria Berg hörte kaum noch, wie sich die Tür des Café Daily hinter ihr schloss, als ihr Handy läutete. Sie klemmte die Aktentasche unter den Arm, hantierte umständlich mit dem Autoschlüssel, und schob das Handy zwischen Ohr und Schulter. »Ja, bitte!?«

Ihr Assistent David Meißner war ganz aufgeregt: »Victoria, ist alles gut? Ich hab schon dreimal versucht, dich zu erreichen ...«

»Ja, alles fein. Und Herzchen: Einmal anrufen reicht. Ich sehe es doch auf dem Display. Wir sind nicht mehr in 1980, die Telefone sind nicht mehr grün und haben keine Wählscheibe mehr. Normalerweise. Was gibt es denn so dringendes?«

»Wir müssen deine gesamte Wochenplanung für die 30. und 31. Kalenderwoche umstellen, dein Trip nach Dubai wirft alles durcheinander.«

»Ja, dann stell die Termine halt um und mail es mir oder trag es ein. Und bei den Klienten, bei denen ich mich selber melden muss, schickst du mir bitte ein Memo. Was ist so schlimm daran?«

»Du weißt doch, wie sehr mich so was aus der Ruhe bringt ...«

»David, ich schätze deine Arbeit sehr, aber zerbrich dir bitte nicht meinen Kopf. Ja? Du weißt doch, dass Hakim einer unserer VIP-Kunden ist.« Sie lachte innerlich. Dubai verband für sie das Angenehme mit dem Nützlichen und David wusste das. Dass er aber immer noch so schnell unruhig wurde, wenn Victoria kurzfristig ihre Prioritäten änderte, missfiel ihr langsam. Eigentlich sollte David sie entlasten und für Ruhe und Ordnung sorgen. Wenn sie gleich in die Firma käme, würde sie ihn darauf ansprechen. Aber bis es so weit sein sollte, stand sie wieder im Stau. Wie nahezu jeden Tag. Eine gute Stunde hin, an schlechten Tagen anderthalb Stunden zurück. Die Bahn war keine Alternative, zu unflexibel. Victoria sah auf das Schild mit der Geschwindigkeitsbegrenzung. 120 km/h. Können, vor Lachen, grummelte sie und ließ den Kopf auf das Lenkrad sinken. Wozu habe ich ein Auto mit 662 PS, wenn ich eigentlich mehr stehe als fahre? Und was, um alles in der Welt, hat den alten Herrn damals dazu bewogen, die Firma nach Düsseldorf zu verlegen? Victoria kannte die Antwort. Es machte sich gut auf der Visitenkarte, man war schnell am Flughafen, schnell bei den Klienten und nah bei der Konkurrenz. Wobei sie das Wort »Konkurrenz« nicht mochte. »Mitbewerber« gefiel ihr besser. Sie wusste, dass an die Effizienz und Effektivität von ECG so schnell niemand heranreichte und es war nicht zuletzt ihr Verdienst in den letzten zwei Jahren, dass der Abstand zu den anderen Firmen eher noch wuchs.

Wilhelm Engwald hatte die Engwald Consulting Group vor mehr als 30 Jahren gegründet, aus dem Drei-Mann-Unternehmen war über die Jahre ein verzweigtes Netzwerk an Firmen geworden, 600 Mitarbeiter insgesamt und inzwischen eine Aktiengesellschaft in Privatbesitz, 49 % er, 51 % seine Tochter. Nach einem gelungenen Coup mit einer weitreichenden Firmenfusion vor 25 Jahren, hatte sich Wilhelm Engwald auf das größere Parkett gewagt, zunächst kreditfinanziert die Firma vergrößert, immer wieder reinvestiert und nach weiteren fünf Jahren die 10-Millionenmarke beim Umsatz geknackt.

Victoria schmunzelte. Die Firmengeschichte konnte fast jeder Angestellte herunterbeten, aber nicht als Schikane, sondern aus purem Selbstverständnis. ECG hatte Googliness, lang bevor es Google gab.

In ein paar hundert Metern Entfernung konnte Victoria die ehemalige Fabrikhalle schon erkennen. Vor dem strahlend blauen Himmel leuchtete das alte Backsteingebäude in der inzwischen hoch stehenden Sonne. Die Restaurierung und Modernisierung hatte Unsummen verschlungen, dafür war der Standort aber ideal.

Am Rande der Innenstadt, beste infrastrukturelle Anbindung, schnellste Internetverbindung, ausreichend Parkplätze, der Medienhafen und eine Grünanlage zur Erholung in der Mittagspause. Nicht zu vergessen das damit einhergehende Prestige. Victoria selbst machte sich wenig daraus, aber für gewisse Kundenschichten war es vorteilhaft, dieses repräsentable Firmendomizil vorzuweisen.

Den schwarzen Shelby GT 500 stellte sie auf ihrem Parkplatz mit dem kleinen silbernen Schild ab: CEO.

Drei Jahre hatte ihr Vater noch an diesem Standort auf seinen Ruhestand hingearbeitet, die Früchte der Modernisierung gekostet und war jeden Morgen entweder allein oder gemeinsam mit ihr von Eschberg dorthin gependelt. Bis er eines Abends in ihr Büro kam und ihr eine unscheinbare DIN-A-4 Seite überreichte. Wertpapierübertrag. 10.000 Stück ECG- AG-Aktien. Von Wilhelm Engwald an Victoria Berg.

»Morgen möchte ich bitte ausschlafen«, hatte er gesagt, ihre Tür geschlossen und sie der Sprachlosigkeit überlassen.

Der Gedanke an jenen Moment ergriff Victoria in dieser Sekunde sehr, sie hielt vor dem Eingang kurz inne. Ihr Vater hatte damals angedeutet, nicht mehr lange berufstätig sein zu wollen, sein Leben als Privatier zu genießen, solange er die Chance dazu hatte. Er sah Victoria als bestens vorbereitet an, die Firma zu führen und legte sein Lebenswerk in ihre Hände, ohne mit der Wimper zu zucken. Selbstredend war nach diesem Abend eine Menge an Formalien zu erledigen, aber mit der Überschreibung der Anteile waren die Eigentumsverhältnisse umgekehrt worden und Victoria besaß nun die Majorität, was sie laut Firmenstatuten automatisch zur Vorstandsvorsitzenden machte. Nachdem das Ganze rechtlich und vertraglich abgesichert war, läutete Wilhelm Engwald die neue Ära auch offiziell ein und hatte sich daraufhin nicht mehr ins Tagesgeschäft eingemischt. Seine Liebe galt der Falknerei, die er seit Ewigkeiten betrieb und der er seine Lebensenergie widmen wollte. In Eschberg hatte er dazu sowohl den Platz als auch die Möglichkeiten, deswegen war er nie umgezogen, auch wenn es ihm einiges an Zeit, Nerven und Kilometern erspart hätte. Seit ihn Victorias Mutter direkt nach der Geburt verlassen hatte, waren seine drei Säulen im Leben die Familie, die Firma und die Falken. Wobei die Familie aus ihm und Victoria bestand. Er war immer offen damit umgegangen, dass sie quasi ein »Unfall« gewesen war, der schönste und intelligenteste seines Lebens, aber ein Unfall.

Ihre Mutter hatte schon während der Schwangerschaft unmissverständlich geäußert, dass sie keine Familie sein wollte, eine gemeinsame Sorgerechtserklärung abgegeben und mit dem Tag der Entbindung das Leben der beiden für immer verlassen. Und so gab er seiner Tochter ihren Namen: Victoria. Weil sie mit ihrem ersten Atemzug alle Zweifel in ihm besiegt hatte, ob er auch allein ein guter Vater sein könnte und als Omen, dass sie aus noch so vielen Kämpfen, die das Leben ihr bieten würde, als Siegerin hervorgehen mochte. Nur an ihrem Nachnamen konnte er nichts ändern, also hieß sie immer anders als er, was mit zunehmender Größe und Bekanntheit der Firma aber nicht nachteilig war. Victoria konnte inkognito bleiben, behütet und unbehelligt aufwachsen, in Ruhe studieren und anfänglich sogar in den Semesterferien bei ECG arbeiten, ohne erkannt zu werden. Das änderte sich im Laufe der Zeit selbstredend, als Wilhelm sie an die Aufgabe heranführte, die er ihr für später zugedacht hatte.

Wer die beiden sah, erkannte sofort die Ähnlichkeit, in der Physiognomie, im Habitus, in der Rhetorik. Ein Vater-Tochter-Gespann wie im Bilderbuch.

Victoria war inzwischen in ihrem Büro angelangt, das Handy erneut zwischen Schulter und Ohr eingeklemmt, die Aktentasche und den Kaffeebecher jonglierend und ihren Vater am anderen Ende der Leitung beruhigend.

»Ja Papa, ich halse mir nicht zu viel auf. Alles gut. Und liebe Grüße von Joachim, er kommt in der nächsten Woche bei dir vorbei und sieht sich die neue Voliere an.«

»Gut. Sehen wir uns heute Abend?«

»Ich schreib dir gleich noch. Bin gerade zur Tür rein und sehe das Chaos auf meinem Schreibtisch, ich weiß noch nicht, wann ich Feierabend machen kann.«

»Okay. Bis nachher.«

Victoria legte die Tasche und das Handy auf den Glastisch, nahm einen großen Schluck Kaffee und ließ sich in den weißen Ledersessel fallen. Die Klimaanlage war eindeutig eine sinnvolle Investition gewesen. Auch wenn die dicken Backsteinmauern das Gebäude prinzipiell gut klimatisierten, die vielen Glasscheiben machten es fast zu einem Aquarium und im Hochsommer hielt man es dort sonst nicht aus.

Ihre Gedanken kreisten um die Vorkommnisse am Morgen im Café Daily, weniger jedoch um das Meeting mit Zeilinger und seinen Angestellten, als um den missgelaunten Gast, der sie für eine Kellnerin gehalten hatte. Unwillkürlich musste sie lachen; sie hatte tatsächlich früher in den Schulferien bei Zeilinger gearbeitet, damals aber nicht in Heels und einem Businesskostüm von Frederik Stein, sondern in Chucks und Jeans. Ihr Vater hatte sie von klein auf wissen lassen, welchen Wert Geld hatte; auch wenn sie in nahezu überbordendem Wohlstand aufwuchs, sorgte er dafür, dass sie sich die Erfüllung des ein oder anderen Wunsches erarbeiten musste. Geschadet hatte es ihr nicht. Noch heute konnte sie sich wie ein Kind über Kleinigkeiten freuen, ärgerte sich aber auch gern über hohe Benzinpreise und die unverschämten sieben Euro für ein Desperados im Old Daddy.

Irgendetwas passte nicht zusammen in dieser Situation; ein Anzugträger, ohne die übliche Businesstasche oder zumindest Tablet unter dem Arm, eine gepflegte Erscheinung, aber anscheinend durchnächtigt, auf den ersten Blick eigentlich sympathisch, aber dieser raue Tonfall!? Im Nachhinein ärgerte sie sich, dass sie die Situation nicht aufgeklärt hatte. Normalerweise hätte sie sich zu ihm an den Tisch gesetzt und ihm die Leviten gelesen. Bei ECG brachte man sich seit jeher jederzeit Respekt entgegen und seit ein paar Monaten waren alle per Du, von der Putzfrau bis zum Vorstand. Verbale Entgleisungen oder Unhöflichkeiten wurden streng geahndet, theoretisch. Praktisch kam es quasi nie dazu, da man überall das offene Wort pflegte und die Hierarchie zwar steil, aber sowohl nach oben als auch nach unten durchlässig war. Nicht umsonst rangierte ECG auf der Liste der beliebtesten Arbeitgeber Deutschlands sehr weit oben und führte unter den Dienstleistungsunternehmen das Feld sogar an. Für einen Moment erlaubte sie sich, ein bisschen stolz darauf zu sein, trank ihren letzten Schluck Kaffee aus und öffnete die Gesprächsnotizen aus dem Meeting bei Zeilinger.

David Meißner vergötterte seine Chefin. Für Victoria würde er alles tun und tat es auch, zumindest arbeitstechnisch. Nachdem sie ihn bei einem kurzen One-on-one in ihrem Büro gebeten hatte, etwas mehr Ruhe walten zu lassen, hatte er den »Zwangstermin« bei der hauseigenen Physiotherapeutin gern über sich ergehen lassen und startete nach dem Lunch mit neuer Energie in den Nachmittag.

Die Tickets für Dubai waren gebucht, der Fahrer ebenfalls, ein Großteil der Termine konnte problemlos verschoben werden und auch die wenigen Kunden, die er noch nicht erreicht hatte würden keinen Anstoß daran nehmen, wenn die Meetings erst in den darauffolgenden Wochen stattfänden. Er gönnte Victoria die Zeit in den VAE, in der sie zwar arbeiten würde, aber der Scheich verstand es, sie auch zu bremsen und ihr ein wenig Erholung zu verschaffen. Alle sechs Monate flog sie zu ihrem »Lieblingskunden«, in den Monaten dazwischen besuchte er sie und die Firma in unregelmäßigen Abständen.

Es wurde viel spekuliert, was das »wahre« Verhältnis der beiden betraf; klar war offiziell nur, dass Victoria und Hakim bin Mohammed Al Hazim für zwei Semester zusammen in München studiert hatten. Das erklärte auch sein hervorragendes Deutsch und die heimliche Liebe zu Currywurst. Ob es eine heimliche oder unheimliche Liebe zu Victoria gab, blieb ein Geheimnis. Vorstellbar war es jedenfalls, sie verstanden sich gut, gingen gemeinsam zu Formel-1-Rennen, liebten schnelle Autos. Die Presse hatte ihr Bild von den beiden, David Meißner hatte sein eigenes. Man hörte sie viel gemeinsam lachen, wenn er bei ihr war und auch abends gingen sie gemeinsam aus. Andererseits stieg Scheich Hakim immer im Schlosshotel in Eschberg ab, übernachtete nie bei Victoria. Und man sah sie nie ohne diese kleinen Anzeichen einer gewissen Distanz.

Prinzipiell konnte es David Meißner egal sein, ob und mit wem Victoria eine Beziehung hatte, rein optisch und emotional war sie nicht sein Fall. Einerseits war sie ihm zu feminin, die langen kastanienbraunen Haare, die weibliche Figur und ständig High Heels oder wie Victoria es abkürzte: Heels. Er mochte Frauen lieber in Jeans und Kapuzenpullover, gern sehr sportlich, was zu seiner eigenen Natur passte. Und bitte keine langen Haare; er wollte nicht jede Nacht aufpassen müssen, wo er seine Arme und seinen Kopf ablegte. Wann und wo er diese Frau finden würde war ihm noch nicht klar. Aber mit 25 muss man das auch noch nicht genau wissen, sagte er sich, klickte sich durch diverse Seiten der Bilanz eines Kunden und fügte die Essenz davon in einen Onepager für Victoria ein. Nein, sie war definitiv nicht sein Fall. Zu quirlig, zu sehr von dieser Aura umgeben, mit der sie, eigentlich ungewollt aber unvermeidbar, immer im Mittelpunkt stand, egal wohin sie kam. Und vor allem war sie zu alt. Für ihn. Dass sie aber immer noch nicht den Mann fürs Leben gefunden hatte, wunderte ihn hin und wieder. Vielleicht war es ja doch Scheich Hakim? Egal, das alles war nicht seine Baustelle.

Victoria verfiel in eine stumpfe Grübelei. Bisher hatte sie sich immer auf Dubai gefreut. Hakim und sie verband eine lange Geschichte, die bis in die Anfänge ihrer gemeinsamen Zeit in München reichte.

Sie hatten sich im Audimax der Uni kennengelernt, notgedrungen nebeneinander auf der Treppe gesessen und einer der langweiligsten Vorlesungen der Menschheitsgeschichte gelauscht. Statistik. Sie blödelten ungezwungen herum, kritzelten sich gegenseitig Unsinn in die Collegeblöcke und bekamen von den Inhalten kaum etwas mit. Zum Ende des Vortrages schrieb Victoria Hakim ihre Handynummer in den Block. »Falls du noch mehr Blödsinn loswerden willst.«

Noch im Rausgehen wählte er ihre Nummer, als es tatsächlich in ihrer Jackentasche klingelte, grinste er sie unverhohlen an. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich daraus eine Liebelei, von der beide wussten, dass sie nur schwierig bis gar nicht fortzuführen wäre. Victoria wollte nach dem Abschluss nach Düsseldorf zurückkehren, Hakim bereits nach zwei Semestern wieder nach Dubai. Also genossen sie die Zeit, die ihnen blieb, kosteten jeden Moment aus und schoben den Abschied vor sich her. Am Abend vor dem Heimflug jedoch rang Hakim Victoria noch ein Versprechen ab.

Sie lagen auf dem Bett, in Victorias Wohnung in der Nähe des Campus, Hakim hielt sie im Arm und spielte mit ihren Haaren. Beiden war schmerzlich bewusst, dass sie sich lange Zeit nicht sehen würden, wenn es überhaupt ein Wiedersehen gab und beiden lastete dieser Gedanke schwer auf dem Gemüt. Victoria drehte sich zu ihm um und sah ihm in die Augen. Ohne ein Wort zu verlieren, küsste er sie, wieder und wieder und wieder. Die Sonne war gerade untergegangen und mit dem Wegfall des Tageslichts verdüsterte sich die Stimmung zunehmend.

»Hakim, was wir hatten ... was wir haben; ich will das eigentlich nicht aufgeben ...«

»Ich auch nicht ... Aber wir haben so viel darüber gesprochen ... Wir waren uns einig, dass wir die Zeit die Dinge klären lassen. Oder, Hobbi?«

»Ja, du hast recht ... Ich mag dich einfach nur nicht loslassen.«

Er zog sie näher an sich heran und küsste ihre Stirn. »Hey, lassen wir es drauf ankommen, jeder geht erst mal seinen Weg. Wo sich unsere Wege kreuzen, gehen wir ein Stück gemeinsam, wo sie sich trennen, lassen wir einander freien Lauf. Und wenn du mit 30 noch nicht den Richtigen gefunden hast, heiratest du einfach mich.«

Beide lachten, bis sich Victoria auf die Unterlippe biss und ihn forschend ansah: »Okay. Abgemacht.«

Hakim lachte sie an, küsste sie leidenschaftlich und fiel kopfschüttelnd über sie her. »Du bist soooo verrückt ...«

Magnus Brandt starrte immer noch auf den Marktplatz. Gute 500 Kilometer lagen zwischen gestern und heute, Berlin und Eschberg, Ilona und – Victoria. Warum um alles in der Welt ging sie ihm nicht aus dem Kopf?

»Da hat es aber jemanden erwischt ...« Zeilingers dunkle Stimme ließ Magnus zusammenfahren und er fühlte sich ertappt, seine Ohren wurden heiß und seine Wangen röteten sich.

»Auweia, so schlimm?«, fragte Zeilinger.

»Nein. Ähm. Hm. Ich weiß nicht. Die Begegnung war irgendwie – prägend. Es tut mir leid, wie ich zu ihr war und dass ich das nicht richtiggestellt habe, das ist so gar nicht meine Art. Unrecht mag ich nicht und ich möchte das so nicht stehen lassen.« Er seufzte.

»Unrecht ist Ihnen unlieb«, schmunzelte Zeilinger. »Ganz recht. Sonst hätten Sie auch definitiv den Beruf verfehlt ... Mein Lieber, wenn Ihnen so viel daran liegt, werde ich Ihnen gleich Victorias Nummer geben und Sie können Ihre Entschuldigung selbst vortragen.«

»Hm. Hat sie nichts dagegen, wenn Sie einfach so die Nummer weitergeben?«

»Nein, ich denke nicht. Und bevor Sie sich das Hirn zermartern: es gibt auch sonst niemanden, der etwas dagegen hätte.«

Magnus überlegte für einen Moment, was Zeilinger ihm nun damit sagen wollte. Victoria war Single? Fast nicht vorstellbar. Zeilinger tippte und wischte auf dem Display seines Handys herum.

»Ich gebe Ihnen die Nummer im Büro bei ECG, dann kann sie immer noch entscheiden, ob sie Ihnen die Handynummer gibt.«

»ECG?«»Engwald Consulting Group. In Düsseldorf.«

»Ah, okay. Unternehmensberaterin? So, so ...«

»Ja, genau. Fragen Sie nach Victoria Berg, falls sie nicht selbst drangeht.«

»Danke.«»Immer wieder gern ...«

Wieder im Büro angelangt begann der Marathon im Merken von Namen und Gesichtern, Händeschütteln und Post lesen für Magnus. Gegen fünf Uhr am Nachmittag hämmerte es zunehmend in seinem Kopf und er fühlte sich nicht mehr aufnahmefähig. Und erst recht nicht in der Lage, entschuldigende Worte gegenüber Victoria zu finden. Und schon gar nicht, sie um ein Date zu bitten. Ein Date? Allein der Gedanke daran ließ ihm die Knie weich werden. Wie ging das noch mal? Er hatte bei seiner Hochzeit eigentlich damit abgeschlossen, jemals wieder in diesen Prozess einzutreten; Aufmerksamkeit erregen, anbandeln, Achterbahnfahren, annähern und abschleppen.

Nein, abschleppen passte nicht. Das war vor 10 Jahren vielleicht die Masche, aber erstens war Victoria sicherlich keine Frau für eine Nacht und schon gar nicht für die Erste und zweitens war es auch nicht das, was er wollen würde. Zwar wollte er auch nicht von einer Beziehung in die nächste stolpern, aber der Sicherheitsabstand zu Ilona war in jedem Detail inzwischen groß genug. Insbesondere in seinem Herzen hatte sie seit geraumer Zeit keinen Platz mehr. Heimlich, still und leise hatte sich dort aber seit dem Morgen ein gewisses Lächeln eingenistet, das es schneller schlagen ließ, sobald er es sich wieder vor Augen rief.

Zwei Aspirin und einen Stapel Briefe später packte er das Tablet und seinen Dienstausweis in die Aktentasche, schloss die Bürotür hinter sich und eilte ins Freie.

Die Sonne stand schon tiefer am Himmel, es war aber immer noch herrlich warm und er fragte sich, wie er den Abend ausklingen lassen könnte.

Seine Vorzimmerdame hatte ihm den Tipp gegeben, dass es bei »Mutti« in der Fontanestraße eine echte Berliner Currywurst gab, für den Fall, dass er Heimweh hätte. Sehnsucht nach Berlin hatte Magnus definitiv nicht, aber Hunger. Und keine Ahnung, wo die Fontanestraße war. Er googelte kurz die Wegbeschreibung und stellte fest, dass sie an einer Buchhandlung vorbeiführte. Es war kurz nach sechs, bis sieben könnte er dort noch schauen, ob die neueste Ausgabe von Bike verfügbar war.

Victoria blickte auf die Uhr, Viertel nach sechs. Es war doch wieder später geworden als geplant, aber immerhin hatte sie schnell einen Parkplatz in der Innenstadt gefunden und noch ein wenig Zeit, bis die Buchhandlung schloss. Per SMS hatte man sie benachrichtigt, dass ihre Buchbestellung eingetroffen war und sie sie abholen könnte. Sie freute sich bereits auf den großen Folianten – »Decorative Arts« – limitierte Auflage. Erst würde sie heute Abend auf der Terrasse bei einem Glas Contur den Tag ausklingen lassen, darin blättern und später, wenn sie fertig eingerichtet wäre, würde das Buch einen Ehrenplatz in ihrer kleinen Bibliothek bekommen. Als sie es auf einem Mittelaltermarkt entdeckt hatte, war jenes Exemplar bereits reserviert, sie durfte es aber in Augenschein nehmen und hatte sich sofort darin verliebt. Mit fast fünf Kilogramm viel zu schwer, um es in der Hand zu halten, bot es aber unzählige Abbildungen von Kunstgegenständen, ausgehend vom europäischen Mittelalter bis in die Renaissance. Im Prinzip genau das, wonach sie seit mehreren Jahren gesucht hatte, um ihre Sammlung dahingehend zu vervollständigen und ihre Kenntnisse um diese Epoche zu vertiefen. Vor zwei Jahren hatte sie sich einer Gruppe von Mediävisten angeschlossen, die sie auf einem Mittelaltermarkt kennengelernt hatte, ein loses Grüppchen von Anhängern des »dunklen Zeitalters«. Sie trafen sich in unregelmäßigen Abständen zu gemeinsamen Recherchen, werkelten an ihren Gewändern und verbrachten hin und wieder Wochenenden auf Mittelaltermärkten, um in einer authentischen Form den Besuchern nahezubringen, wie die Menschen damals lebten. Ein eigentlich zu aufwändiges Hobby für jemanden mit ihrem Job, aber auch hierfür musste David hin und wieder Inseln in ihrem Kalender finden oder schaffen. Dummerweise fiel der nächste Markt mit ihrer Rückkehr aus Dubai zusammen und sie würde wohl nur als Besucherin teilnehmen, ohne großes Equipment. Aber das war es allemal wert; das Kochen über dem Lagerfeuer, den ganzen Tag an der frischen Luft und die Entschleunigung des Alltags würden auch so ein Lichtblick werden.

Als sie das Buch entgegennahm, leuchteten ihre Augen, sie legte es wie ein Baby in ihren Arm und ging von der Abholung Richtung Kasse. Am Zeitschriftenständer vorbei blickte sie plötzlich in ein neu-bekanntes Gesicht.

»Hi ...«, sagte sie lächelnd und wunderte sich gleichzeitig, warum ihre Stimme so trocken und brüchig geklungen hatte. Ihr Gegenüber blickte auf und sah sie mit demselben niedlichen, aber seltendämlichen Gesichtsausdruck wie beim Verlassen des Cafés an.

»Ähm, hi!?« Es klang mehr wie eine Frage und Magnus zog im selben Moment die Stirn kraus. Er war getroffen. Das Lächeln war wieder da, es stand vor ihm, real. »Frau Berg, ich wollte Sie eigentlich vorhin angerufen haben ...«

»Frau Berg? Himmel, so nennen mich ja höchstens meine Klienten ... Victoria. Bitte.«

»Okay, also, Victoria. Ich wollte mich für mein Verhalten heute früh entschuldigen. Zeilinger hat mir Ihre –«

»Bssssss. Ich bin kein Freund von unnötigen Höflichkeitsfloskeln, schon gar nicht unter Gleichaltrigen. Wir können uns gern duzen.« Der Ton war milde und gab Magnus ein wenig Selbstvertrauen zurück.

»Okay, ich spule zurück und fang noch mal von vorn an ...«, witzelte er. »Victoria, es tut mir leid, dass ich heute früh so ungehobelt war. Erstens ist das für gewöhnlich nicht meine Art, niemandem gegenüber, und zweitens hätte mir auffallen müssen, dass du dort nicht kellnerst. Sorry.«

»Mach dir keinen Stress. Verrat mir lieber deinen Namen ...« Es klang ein wenig spöttisch, aber ihr Augenaufschlag verriet, dass es nett gemeint war.

»O Mann, ich steh hier wie ein kompletter Vollidiot. Magnus. Magnus Brandt.«

»Ach was ...« Victoria umklammerte das Buch etwas fester und sah ihn an.

»Sag nicht, du hast auch in der Zeitung von mir gelesen ...«

»Doch, hab ich. Aber es war kein Bild dabei, sonst hätte ich dich wahrscheinlich erkannt ... Nichts für ungut.« Sie zwinkerte ihm zu. »Provinznest eben. Da ist ein neuer Direktor am Amtsgericht schon so ein kleines Highlight.«

»Na fein ... und ich dachte, ich krieg hier etwas Ruhe ... Stattdessen werde ich quasi zum Celebrity ...«

»Wenn du noch länger hier mit mir stehst, sicherlich ...«, lachte sie.

»Wie hab ich das zu verstehen?«

»Eschberg ist ein Dorf ... Und man wird sich sehr schnell ein Bild von dir machen, machen wollen. Wenn du also noch länger mit mir hier Wurzeln schlägst, führt das unweigerlich zu Gerüchten.«

»Und das hängt nicht auch indirekt mit deiner Person zusammen?« Magnus grinste. Jemand wie sie war sicherlich keine Unbekannte hier.

»Könnte sein ...« Mit einer diebischen Freude lächelte sie ihn an. »Hast du Lust, mal mit mir Mountainbiken zu gehen?«, fragte sie und tippte auf das Magazin, das er die ganze Zeit in der Hand hielt.

»Wer, ich?« Er blickte sie verdutzt an.

Victoria sah sich demonstrativ um, zuckte mit den Schultern und hob fragend die Hände. »Ja. Du ...«

Als er rot anlief, fuhr sie besänftigend fort: »Sorry, ich will nicht, dass das so aussieht, als wollte ich dich irgendwie auflaufen lassen. Passiert mir manchmal. Ich dachte nur, dass du eventuell Interesse hast, weil du eben auch das Bike-Magazin liest ...«

»Nein, alles gut. Ich habe nur wahnsinnig wenig Schlaf gehabt in den letzten Tagen und bin noch nicht ganz im Hier und Jetzt angekommen. Aber deine Einladung nehme ich gern an.«

»Fein. Ich muss jetzt übrigens los. Meine Nummer hat Zeilinger dir ja sicherlich gegeben, oder?«

»Ähm, die im Büro. Ja. Woher weißt du?«

»Nur so. Ich hab früher mal bei ihm gekellnert und er hat den bösen Buben immer die Nummer meines Vaters aufgeschrieben, wenn sie nach mir gefragt haben. Das war sehr amüsant. Manchmal macht er das heute noch ...«

»Ah ja ... Sehr interessanter Zeitgenosse. Eigenartiger Humor.« Magnus begleitete sie Richtung Kasse. »Das heißt, ich muss das Risiko eingehen, eventuell deinen Vater nach deiner Nummer zu fragen oder hab ich eine Chance, deine Handynummer von dir persönlich zu bekommen?«

Er neigte den Kopf zur Seite und sah sie an, ließ ihr den Vortritt an der Kasse und staunte nicht schlecht; das riesige Buch kostete eine dreistellige Summe und Victoria legte, ohne auf die Anzeige zu achten, ihre Kreditkarte hin und unterschrieb.

»Hast du dein Handy griffbereit?«, fragte sie, während sie das Buch wieder in ihre Arme schloss.

»Ja«, antwortete er und zückte es aus der Hosentasche, während er die Münzen für das Magazin der Kassiererin überreichte.

Victoria diktierte ihre Nummer, dann fuhr sie fort: »Nur fürs Protokoll: Victoria mit c. Und ich hasse es, wenn mein Name abgekürzt wird. Nicht Vicky, nicht Tory, nicht Ria.«

Wenn sie dabei nicht so nett geschaut hätte, hätte es frech oder fast herrisch geklungen. So fand Magnus es irgendwie süß, eine Umgehungshilfe für Fettnäpfchen quasi.

»Okay, danke. Kann ich dir das schwere Biest vielleicht abnehmen und irgendwo hinbringen?«

»Eigentlich ... Hm. Ich wollte gleich noch auf eine Currywurst zu Mutti. Echt Berliner Art ...« Sie grinste ihn schelmisch an. Vor der Buchhandlung blieben sie stehen.

»Ob du es glaubst oder nicht, ich bin auch auf dem Weg dorthin. Meine Vorzimmerdame hat mir den Laden empfohlen. Bei einem Anflug von Heimweh ...«

»So ... Hat sie das ... Und, hast du schon Heimweh?«

»Nicht im Geringsten. Außerdem komme ich ja ursprünglich aus der Gegend hier. Aber Currywurst geht immer … Was hältst du davon: ich nehme dir das Buch ab und wir gehen zusammen?«

Sie lächelte. »Gern. Aber nur, weil du es bist.«

Die wenigen Straßen bis zu Mutti trug Magnus das Buch, ohne es sich genauer zu besehen, erst, als er es auf dem Stuhl neben sich ablegte, blickte er auf den Titel. Nachdem sie ihre Bestellung erhalten hatten, sprach er Victoria darauf an.

»Sag maaaaaal ...«, begann er zögerlich.

»Ja!?«

»Ich hab gerade erst gesehen, was du gekauft hast. Eine mountainbikende Unternehmensberaterin, die sich für mittelalterliche Kunst interessiert, offenbar mehr Humor hat, als die meisten ihrer Zunft und die im Designeroutfit eine Currywurst mit doppelter Pommes und Mayo bestellt. Du kannst dir vorstellen, wie sich mein Hirn gerade verrenkt, dieses Bild irgendwie zu verarbeiten!?«

»Herr Doktor, ich weiß selbst, dass ich augenscheinlich nicht ganz normal bin ...«, spottete sie und knabberte an der ersten Pommes. »Um dich vollends zu verwirren: Ich bin süchtig nach Red Bull, kann nicht auf flachen Schuhen laufen und fahre ein Muscle-Car. Aber ich habe Angst vor dem freien Fall und kann nicht stricken.«

Magnus kugelte sich beinahe vor Lachen. »Ja, danke. Das hat mich jetzt tatsächlich restlos aus dem Konzept gebracht. Du kannst also nicht stricken? Das kann ja sogar ich ... Du bist sicherlich nicht viel jünger als ich und damals stand das in der Grundschule überall auf dem Stundenplan ...«

»Ich bin 29. Also, wenn man dem Zeitungsartikel trauen darf, damit gut 4 Jahre jünger als du. Und ja, es stand auf dem Stundenplan. Handarbeiten und Werken. Die einzige Fünf, die ich jemals auf dem Zeugnis hatte.« Victoria lachte und lutschte genüsslich die Mayonnaise von der Pommes. Dass Magnus sie in diesem Moment sehr genau angesehen hatte, wurde ihr erst klar, als er fragend die Augenbraue hob. Sie schloss die Augen für einen Moment und grinste.

»Ähm. Ja. Hab ich gerade mit dir und der Pommes geflirtet?«

»Neeeeeiiiin, niemals.« Magnus lachte und pikte ein Stück Currywurst auf die Gabel. Natürlich flirtete sie mit ihm, das war so klar wie der wolkenfreie Abendhimmel.

Er hielt ihr eine Pommes hin und sie schnappte danach. Victoria biss sich auf die Unterlippe und schmunzelte. Magnus war so anders als am Morgen, jetzt fügte sich ihr Bild von ihm. Unterwegs hatte er ihr erzählt, was vor ihrem Zusammenstoß im Café passiert war und daraufhin hatte sie ihm den Tonfall noch weniger übel genommen.

Sein Lächeln faszinierte sie, diese kleinen Fältchen im Mundwinkel, die zum Vorschein kamen, wenn er sie angrinste. Und von diesem smaragdgrünen Funkeln in seinen Augen konnte sie nicht genug bekommen.

»Sag mal, was habe ich mir denn unter Muscle-Car vorzustellen?«, fragte Magnus sie, um das Thema zu wechseln und ihrem Blick auszuweichen, dem er nicht lange standhalten konnte.

»Wenn du mir das Buch noch bis zum Parkplatz bringst, wirst du es sehen.« Mit einem Mal zögerte sie. »Also, nicht, dass du mich für eine Angeberin hältst ... Ich steh halt auf schöne Autos und für den Luxus, den ich mir gönne, arbeite ich auch ziemlich viel.«

»Ich habe eigentlich nichts anderes gedacht. Wie kommst du darauf, dass du dich im Vorfeld verteidigen müsstest?«

Ja, wie kam sie darauf? Weil es immer so war. Wenn Victoria sich verliebte. Sobald klar war, wer sie war, gab es genau zwei Alternativen. Entweder die Männer versuchten, sie auszunutzen und sich an ihr zu bereichern. Dazu müssten sie aber früher aufstehen. Oder sie nahmen Reißaus. Bei Magnus tippte sie eher auf die zweite Variante.

»Hm. Was soll ich sagen!?« Victoria legte die Gabel auf den Teller und fuhr fort. »Das mit dem Auto ist mir vorhin eher so rausgerutscht. Ich muss halt oft rechtfertigen, warum ich wie handle. Und Erfolg ruft halt auch gern Neider auf den Plan. Dürftest du ja auch kennen. Oder?«

»Ich verstehe, was du meinst. Nur so richtig erfolgreich war ich, abgesehen von meiner Versetzung hierher, in den letzten Monaten nicht. Ist ein bisschen was schiefgelaufen und ich bin froh, wenn ich hier einen Neuanfang hinbekomme.« Resigniert lehnte Magnus sich zurück. Klar, dass das irgendwann auf den Tisch kommen musste. Aber so früh? Aber wann sonst?

»Ich bohre auch nicht weiter ... Keine Panik. Ich glaube, wir haben alle unsere Leichen im Keller ...«

Sie biss in ihre Currywurst und wischte sich mit der Serviette die Sauce aus dem Mundwinkel.

Das lockte Magnus nun wieder aus der Reserve. Eigentlich lief es gerade noch in die Richtung, dass er sich einkapseln würde, aber jetzt erwachte seine Neugier.

»So, so. Du hast also Leichen im Keller. Mit den High Heels erdolcht?« Er nippte an seiner Coke.

»Nein!« Victoria lachte. »Sollte ich jemanden erdolchen wollen, habe ich dafür echte Waffen. Das Mittelalterbuch kommt nicht von ungefähr, ich bin quasi ›in der Szene‹ unterwegs.«

»Ernsthaft? Also so richtig Re-Enactment mit Gewandung, Lagern und allem Drum und Dran?« Er stützte den Kopf in die Hand und sah sie fragend an.

»Ja, ernsthaft. Und so wie du sprichst, hört es sich an, als würdest du dich auskennen!?«

»Ein bisschen. Wobei ›ein bisschen‹ schon untertrieben ist. Ich betreibe das momentan nicht ganz so intensiv, aber in drei Wochen bin ich in Bärenthal auf dem Markt mit meinen Leuten. Ein bisschen abschalten, mal wieder Schwertkampf trainieren und so.«

»Du siehst mich sehr verwundert, Herr Dr. Brandt ... Damit habe ich nicht gerechnet ...« Victorias Herz schlug schneller. So viele Gemeinsamkeiten; rein statistisch betrachtet war das schon fast unwahrscheinlich, bei ihrer Interessenlage. »Okay, ich will dich eigentlich nicht ausfragen, aber ...«

Er zwinkerte ihr zu. »Frag ...«

»Welche Epoche?«

»Hochmittelalter. Raum Mitteldeutschland.«

»Immerhin: kein SpäMi ...« Sie lachte. Die Leute, die sich auf das Spätmittelalter konzentrierten waren ihr suspekt. Magnus stand auf der richtigen Seite. Und er kicherte, deutete mit einer Handbewegung an, dass sie weiterfragen sollte.

»Ich hab mich auch bei 1220 ungefähr festgelegt ... Und um offen zu sein: Bärenthal hatte ich ebenfalls auf dem Radar für diesen Sommer. Ich bin zwar vorher beruflich unterwegs, aber vielleicht sehen wir uns dort ja dann ... By the way – Was für ein Mountainbike fährst du?« Bevor er antworten konnte, hob sie die Hand. »Halt, lass mich raten. Ein Fullsuspension, wahrscheinlich nichts von der Stange, eher customized.«

»Du auch?«

»Ja.«

»Rotwild?«

»Ja.«

»Wow.«

Für einen Moment lehnten sich beide zurück und sahen einander tief in die Augen. Den Hersteller der Bikes kannte man als Mountainbiker, in der Regel aber nicht als Normal-Fahrradfahrer. Solide Bikes der gehobenen Preisklasse, hoher Spaßfaktor und exzellenter Service.

Victoria neigte den Kopf und senkte die Stimme. »Das ist schon ein bisschen spooky, oder?«

»Ja. Ein bisschen. Schlimm?«

»Nein. Ich glaube nicht. Darf ich weiterfragen?«

»Ja, immer. Auch ohne zu fragen, ob du fragen darfst.« Magnus lachte. Eigentlich war er der Fragenspezialist. Aber auch wenn hier Victoria das Verhör führte, erfuhr er ganz nebenbei einiges über sie.

»Okay, ich mach mir jetzt mal kurz eine Notiz ins Handy und dann geht’s los.« Wenige Sekunden später fragte sie: »Pepsi oder Coke?«

Sie machte also mit den Klassikern weiter. »Eigentlich Dr. Pepper. Aber, wie man sieht, tut es zur Not auch Coca Cola.«

»Mhm ... Herr Doktor steht also auf Dr. Pepper ... McDonald’s oder Burger King?«

»Als ehemaliger Mitarbeiter des ›Restaurant zum goldenen M‹ definitiv McDonald’s.«

»Sieh an ...« Und wieder kam ihr dieses 1000-Watt-Strahlen über die Lippen, das sich den direkten Weg in Magnus‹ Herz bahnte. »Katze oder Hund?«

»Momentan nur Teddybär, prinzipiell aber eher Katze.« Er versuchte in ihrem Gesicht zu lesen, ob die Antwort »richtig« war. Pokerface. Na fein.

»Letzte Frage. Evangelisch oder katholisch?«

»Äääähhhm, weder noch. Pastafari.«

»Aye.«

»Aye? Jetzt ist es spooky.« Völlig entgeistert sah er Victoria an, deren Pokerface sich löste, als sie ihm ihr Handy unter die Nase hielt.

»Nur damit es nicht heißt, ich hätte geschummelt!«

Magnus las ihre Notiz von vor zwei Minuten.

Meine Antworten:

Red Bull, aber Coke geht auch.

McDonald’s, keine Frage.

KATZE, bloß nicht noch mehr Gassigehen müssen!

Pastafari.

»Und jetzt?«, fragte sie ihn, zurückhaltend, unbestimmt und fast kleinlaut.

»Gute Frage«, antwortete er ebenso vorsichtig. »Wenn ich dich in der Buchhandlung vorhin richtig verstanden habe, musstest du eigentlich gerade los?«

»Jein, das bezog sich darauf, dass ich noch etwas essen wollte und theoretisch noch bei meinem Vater vorbei muss und es mir dann mit einem Glas Wein und dem dicken Wälzer gemütlich machen wollte. Wobei ich meinem Vater auch absagen kann und soweit ich mich erinnere, haben gedruckte Lettern den Vorteil, dass ihnen nicht der Akku ausgeht ... Also ...«

»Weißt du, das klingt jetzt vielleicht nach einer miserablen Ausrede, aber ich bin heute Nacht um vier mit meinem Umzug fertig geworden, habe zwei Stunden geschlafen und im Laufe des Tages vier Aspirin genommen. Ich fürchte, je später der Abend wird, desto desolater wird mein Zustand und irgendwann sitze ich nur noch lallend und schlimmstenfalls abstoßenderweise sabbernd neben dir, rede noch wirreres Zeug als ohnehin schon und bekomme gar nicht mehr mit, wie zauberhaft ich dich finde ...« Beim letzten Teil des Satzes hatte er ihre Hand gegriffen und sah ihr traurig in die Augen.

Victoria strich mit einem Finger über seinen Daumen und antwortete: »Eigentlich würde ich ja jetzt eine spitze Bemerkung machen. Ein zynisches ›Dann eben nicht, du wirst es noch bereuen‹, aber um ehrlich zu sein: ich hatte auch eine zermürbende Nacht und bin ziemlich müde. Ich habe also nichts dagegen, wenn du mir, als Wiedergutmachung für heute früh, noch das Buch zum Auto bringst und mir dann hoch und heilig versprichst, dass wir uns wiedersehen.«

Magnus blickte zur Seite, dann wieder hoch zu ihr. »Von mir aus trag ich dich samt Buch zum Auto ... Und darauf, dass wir uns wiedersehen, gebe ich dir mein Ehrenwort.« Er ließ ihre Hand nicht los, als sie aufstanden, auch nicht, als er das Buch aufnahm und sie das Lokal verließen. An der Fußgängerampel vor »Mutti« lehnte Victoria ihren Kopf an seinen Arm, beide sahen zur anderen Straßenseite hinüber. Grün.

»Kinderriegel oder Duplo?«

»Duplo.«

»Erdbeere oder Kirsche?«

»Erdbeere. Aber wenn es um Eis geht, am liebsten Schokolade.«

»Fußball oder Eishockey?«

»Definitiv Eishockey. Dafür war ich zu lange in Berlin. Die wissen dort gar nicht, was Fußball ist.«

»Audi oder BMW?«

»Aktuell fahre ich Audi. Aber eigentlich ist mein Traumauto ein Ford Mustang. So wie der, der da vorne steht, auf dem Parkpl- »

Im selben Moment hatte Victoria auf den Autoschlüssel gedrückt, die Lichter des Wagens leuchteten auf und sie sah zu ihm hoch. Magnus war, trotz ihrer schwindelerregend hohen Schuhe, noch gut einen Kopf größer als sie.

Sie blieb stehen, hielt ihn an der Knopfleiste seines Hemdes fest und zog ihn näher zu sich heran. »Duplo, Erdbeeren, Schokoladeneis, Eishockey und Audi. Ford Mustang Shelby GT 500. Ich hab langsam wirklich Angst.«

»Angst?«, fragte er und lehnte seine Stirn gegen ihre, sah ihr direkter denn je in die Augen und legte schüchtern seine Arme um ihre Taille.

»Angst!«, antwortete sie und stupste seine Nase mit ihrer an. »Aber das ist nichts, was wir hier und heute angehen sollten.«

»Schon okay«, flüsterte er, stupste ihre Nase zurück und verlor sich im Funkeln der kleinen goldenen Sprenkel ihrer braunen Augen.

In der Sekunde, als sie einander losließen, wurde beiden klar, dass sie gerade einen dieser One-in-a-million-Momente erlebt hatten und es für den Augenblick keiner weiteren Worte bedurfte.

»Wo kann ich dich absetzen? Oder willst du selber fahren?«

»Das ist tatsächlich deiner ... Für eine Sekunde hab ich noch an einen Zufall geglaubt, aber klar. Muscle-Car ...« Er betrachtete prüfend den schwarzen Mustang. »V8, 5,8 l, 325 km/h Spitze!?«

»Exakt. Nur das beantwortet meine Frage nicht«, tadelte sie ihn gespielt.

»Hm. Also, ich wäre sehr glücklich, wenn du mich am Gericht absetzt, ich hoffe, dass mein Auto wieder dort steht. Auch wenn der Mustang echt ein Traum ist, ich bin definitiv zu müde, mich jetzt darauf einzulassen.«

»Kein Problem. Steig ein, ich lass dich am Gericht raus.«

Magnus ließ sich in den schwarzen Ledersitz auf der Beifahrerseite fallen und sah sich in dem Auto um. Als sie den Motor anließ, machte sich ein seliges Lächeln in seinem Gesicht breit, der Sound und die Vibrationen übertrugen sich fast 1:1 in den Innenraum.

»So fühlen sich also 662 PS an? Wow.«

»Mhm ...«, nickte Victoria lachend und fuhr los.

Es waren nur wenige Straßen bis zum Gerichtsgebäude und schon aus der Entfernung sah Magnus den weißen A4 wieder an Ort und Stelle stehen. Er atmete auf.

»Einerseits bin ich ja froh, dass der Wagen wieder zurückgebracht wurde, andererseits ...« Er schmollte und hielt Victorias Hand fest, küsste sie darauf und strich mit den Fingern seiner anderen Hand darüber. »Morgen?«

»Morgen. Versprochen.«

»Schreibst du mir noch, wenn du heil zu Hause angekommen bist?«

»Ja, natürlich.« Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. »Jetzt aber raus, bevor ich dich doch noch für eine Spritztour kidnappe ...«

»Kidnappen? § 239 Strafgesetzbuch. Freiheitsberaubung. Absatz eins: Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Absatz zwei: Der Versuch ist strafbar«, entgegnete Magnus trocken.

»Ooooooh raus mit dir, Herr Doktor. Du redest Blödsinn ...«, lachte sie und knuffte ihn in die Seite. »Bevor du mir jetzt mit Körperverletzung wegen des Knuffens kommst –« Sie hielt inne und küsste ihn abermals flüchtig auf die Wange: »Abmarsch!«

Lachend und kopfschüttelnd verließ Magnus das Auto, warf ihr eine Kusshand zu und ging zu seinem Auto.

Im Rückspiegel sah Victoria ihn in die andere Richtung abbiegen. Ihr fiel auf, dass sie gar nicht gefragt hatte, wo er wohnte. Vielleicht war es besser so, sie hatte zunächst auch wenig Interesse, ihre Adresse preiszugeben. Aber warum eigentlich? Magnus machte den Eindruck, als interessierte er sich tatsächlich für ihre Person, nicht für ihren Lebensstandard. Ihr war das Funkeln in den Augen beim Anblick des Ford Shelby zwar aufgefallen, aber ihr ging es nicht anders, wenn sie ihr »Baby« sah. Der Sportwagen war zwar nicht ihr einziges Auto, aber hatte es Sinn, das zu erzählen? So weit wollte sie beim ersten, ungeplanten Date dann doch nicht gehen. Auch wenn sie Magnus für selbständig und geerdet hielt, die Gefahr, dass er vor Victoria Berg zurückschrecken könnte, war noch nicht gebannt.

Sie sah auf den Darwin-Fisch an ihrem Schlüsselbund und schickte ein Stoßgebet zum Fliegenden Spaghettimonster, dass Magnus sie nicht googeln würde.

Magnus bog in die Talstraße ein, stellte den Wagen in Ermangelung eines Parkplatzes drei Häuser weiter ab und ging das letzte Stück zu Fuß. Er hatte Victoria gar nicht gefragt, wo sie wohnte. Na ja, überlegte er, dann fragt sie wenigstens auch nicht nach meiner Adresse.

Es bereitete ihm Unbehagen, wenn er daran dachte, dass sie ihn dort besuchen könnte. Erstens müsste er dringend vorher aufräumen. Und zweitens. Hm. Eigentlich wird selbst das Aufräumen nicht helfen. Die Wohnung erinnerte eher an eine Studentenbude als an ein Zuhause. Nervös hantierte Magnus mit dem Haustürschlüssel. Der Gedanke, wohin das alles führen würde, ließ ihn nicht los und bereitete ihm erneut Kopfschmerzen. Kaum zur Tür herein, zog er sich aus, stellte sich unter eine eiskalte Dusche und atmete tief durch. Wenig später sah er auf sein Handy. Victoria hatte sich noch nicht gemeldet. Siedend heiß fiel ihm ein, dass ja nur er ihre Nummer hatte, nicht umgekehrt.

Er öffnete WhatsApp und suchte in den Kontakten nach ihr. Zum ersten Mal sah er ihr Bild; er würde es herauskopieren und speichern. Sie trug dieses Lächeln, mit dem sie ihn verzaubert hatte. Verzaubert. Das war das Wort, nach dem er die ganze Zeit gesucht hatte.

🎓 Hey, das war vorhin nicht ganz so clever von mir; vielleicht hätte ich dir auch meine Nummer geben sollen, damit du mir sagen kannst, dass du gut angekommen bist ... Sorry!

Ein Häkchen. Zwei Häkchen. Zwei blaue Häkchen. Victoria Berg schreibt. Herzaussetzer.

💎 Ja, aber ich hab auch nicht dran gedacht ... Schlafentzug ist als Foltermethode anerkannt, hier sehen wir den Grund dafür ... Ich bin aber auch gerade erst zur Tür rein, habe doch noch schnell meinem Vater die Unterlagen gebracht, die ich versprochen hatte. Schon auf dem Weg ins Bett?

Magnus schmunzelte. Es beruhigte ihn, dass sie offenbar noch gesprächig war.

🎓 Bin gerade aus der Dusche raus. Werde mich jetzt so langsam Richtung Schlafzimmer bewegen. Eigentlich müsste ich noch tausend Sachen erledigen, aber dann sind es morgen halt zweitausend – was soll’s ...

💎 O je ... Aber das war auch alles ein bisschen viel für den ersten Tag. Oder? Klingt jetzt vielleicht blöd, aber: Kann ich dir irgendwie helfen!?

🎓 Danke für das Angebot, nur solange du nicht meine Gürteltiere für mich erledigst oder mir als eine Art Babelfisch in meinem Ohr die Namen zu den Gesichtern der Mitarbeiter zuflüsterst, fürchte ich nicht.

💎 Also, was ein Babelfisch ist, weiß ich ja glücklicherweise aus »Per Anhalter durch die Galaxis«, aber warum soll ich denn ein armes Gürteltier »erledigen«? 😁

Victoria schmunzelte. Per Anhalter durch die Galaxis. Die Romanreihe von Douglas Adams hatte sie im ersten Semester verschlungen und war seinem Humor von dieser Sekunde an verfallen. Offenbar war auch Magnus kein Unwissender. Konnte es tatsächlich sein, dass es jemanden gab, mit dem sie so sehr auf einer Wellenlänge lag? Für einen Moment beschlich sie ein dunkler Gedanke: was, wenn er längst wusste, wer sie war und ein hinterhältiges Spiel mit ihr trieb? Sich ihr Vertrauen erschleichen und sie dann hintergehen wollte?

🎓 Gürteltiere heißen im Amtsjargon die dicken, umfangreichen Akten, die durch einen Gürtel zusammengehalten werden müssen, weil sie so voluminös sind, dass sie sonst platzen würden. Und davon liegen momentan zehn in meinem Büro und zwei in meiner Wohnung. Ein nettes Erbe ... Aber eigentlich mag ich auch gar nicht an die Arbeit denken jetzt ...

Es fröstelte sie. Obwohl es noch relativ warm war, warf sie ein Cardigan über. Victoria öffnete die Flasche Contur und schenkte den Wein in ein Glas. Sie sah auf und starrte ins Nichts. Nein, dieser Typ Mann war Magnus definitiv nicht. Sie täuschte sich nie in jemandem und sowohl ihr Kopf als auch ihr Bauch signalisierten ihr, dass er zwar gerade vielleicht eine Phase des Strauchelns erlebte oder erlebt hatte, aber ein unehrlicher Richter? Unwahrscheinlich. Wobei – die Menge der Gemeinsamkeiten war auch unwahrscheinlich. Und plötzlich wurde ihr klar, warum sie Statistik als Fach immer gehasst hatte. Nein. Magnus ist kein Arsch. Punkt.

💎 So, so. Woran möchtest du denn lieber denken?

Blöde Frage, dachte Victoria, aber es konnte nicht schaden, ihm ein wenig auf den Zahn zu fühlen. Es kribbelte in ihren Fingerspitzen. Und in anderen Körperteilen. Sie errötete unweigerlich.

🎓 Morgen der Tag wird ziemlich busy, ich weiß nicht genau, ob ich dazu komme, dir zu schreiben. Deswegen (ohne dass ich jetzt drängeln will) sollten wir vielleicht schon mal überlegen, wann wir uns morgen wo treffen und was wir dann machen!?

💎 Alles gut. Ich habe solche Tage auch zur Genüge. Dann schaue ich abends auf das Handy und wundere mich, dass sich die Welt auch ohne mich gedreht hat ... Also, ich kann gegen 18 Uhr in Eschberg sein. Wenn du magst, sammle ich dich bei dir ein und wir entscheiden spontan, was wir machen?

Es wurde unvermeidlich. Einer von beiden würde den anderen abholen. Dann lieber ich sie oder irgendwo treffen, dachte Magnus.

🎓 Ich werde auch um die Zeit Feierabend machen. Spontan entscheiden klingt erst mal gut. Mountainbike fahren behalten wir uns aber vielleicht besser für ein Wochenende vor, oder?

Hm. Neutraler Boden wäre vielleicht gut, überlegte er und schrieb noch eine weitere Nachricht.

🎓 Sonst ... Lass uns doch im Café Daily treffen!?

💎 Gute Idee. Falls es bei einem von uns beiden später wird, verhungert /verdurstet der andere nicht direkt 😉 Halten wir gegen kurz nach sechs fest?

🎓 Ja, gern.

Gerettet, dachte Magnus.

🎓 Was machst DU denn noch Schönes?

💎 Sitze auf der Couch, höre Musik und trinke den Weißwein, den ich mir heute Mittag versprochen habe. Werde aber auch gleich ins Bett fallen und hoffentlich schnell schlafen. Gestern Nacht hat mich eine Mücke immer wieder geweckt.

🎓 Auweia ... Ich schlage vor, dass ich mich sofort daran mache, Mücken mit Glühwürmchen zu kreuzen, dann weißt du demnächst schneller, wo du hinschlagen musst.

Victoria grinste.

💎 Fürchte nur, dass das noch eine Weile dauern wird ... Wenn du also heute noch von einem Amoklauf in Eschberg hörst, dann war ich das und die Mücke war wieder da.

Magnus lachte.

🎓 So blutrünstig hab ich dich gar nicht eingeschätzt ...

💎 Eigentlich bin ich auch ganz lieb und handzahm. Aber wenn ich meinen Schlaf nicht bekomme, werde ich sehr schnell sehr ungeduldig.

🎓 Gut, dann lass ich dich jetzt besser schlafen ☺

💎 Schon in Ordnung, für ein nettes Gespräch bleibe ich gern etwas länger auf ...

🎓 Das nehme ich jetzt mal als Kompliment. Aber mir fallen schon zwischendurch die Augen zu. Nicht böse sein, wenn ich gleich auf einmal weg bin. Was hörst du denn Schönes?

💎 Du musst dich nicht rechtfertigen. Reicht schon, wenn ich das immer tue. Ich höre gerade (Schande über mein Haupt) Chicago – You’re the inspiration.

🎓 Warum Schande? Ich mag das Lied total gern. 80er eben.

Magnus malte gedankenverloren auf einem Blatt Papier herum. Irgendwann schrieb er ein paar Worte auf. Duplo. Erdbeeren. Schokoladeneis. Chicago. Pastafari. *meow* Als sein Handy die nächste Nachricht signalisierte, legte er das Blatt beiseite auf den Nachttisch.

💎 Schade, dass du gerade nicht hier bist.

Victoria las noch einmal, was sie geschrieben hatte. Lachte über sich selbst und ihre Direktheit. Und wartete.

Wartete. Zwei blaue Häkchen. Gelesen hatte er die Nachricht. Aber warum kam keine Antwort?

Sie widmete sich dem Weinglas und blickte durch die Terrassentür in den Garten. Die Beleuchtung im Pool tauchte die Umgebung in ein diffuses, aquamarinblaues Licht. Ein wenig gespenstisch. Eigentlich eine Verschwendung,