15,99 €
Mit großer Sprachkraft und formaler Raffinesse beschreibt Salich das Aufeinanderprallen zweier Kulturen. Schauplatz des Romans ist ein kleines Dorf am Nil, eine archaische Welt mit jahrtausendealten überlieferten Werten. Der Fluss ist die nährende und die todbringende Kraft. Seit fünf Jahren lebt Mustafa Said, der gutaussehende 50-jährige "Fremde", dort. Niemand kennt seine Geschichte, inzwischen ist er jedoch akzeptiert, ja geschätzt und mit einer Frau aus dem Dorf verheiratet. Doch eines Tages holt ihn seine Vergangenheit ein, und er gibt einem jungen Mann, der soeben seine Studien in England beendet hat, sein Geheimnis preis. Im Vertrauen erzählt er ihm von seiner "Nordwanderung", die ihn über Kairo nach London führte, von seiner glänzenden akademischen Karriere, seiner ersten Ehe, seinen erotischen Abenteuern, die allesamt tragisch endeten. 2001 wurde "Zeit der Nordwanderung" von der Arabischen Literaturakademie in Damaskus zum wichtigsten arabischen Roman des 20. Jahrhunderts erklärt.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 229
Veröffentlichungsjahr: 2014
Der Autor
Tajjib Salich, geboren 1929 im Norden des Sudan, gehört zu den herausragenden arabischen Autoren des zwanzigsten Jahrhunderts. Weltweite Berühmtheit erlangte er mit seinem Roman Zeit der Nordwanderung, einem Kultbuch der arabischen Intellektuellen und Klassiker der arabischen Literatur. Seine Werke wurden in über zwanzig Sprachen übersetzt. Der Autor starb 2009 in London.
Die Übersetzerin
Regina Karachouli, geboren 1941 in Zwickau. Studium der Arabistik und der Kulturwissenschaften in Leipzig. Promotion über Dramatik und Theater in Syrien. Von 1975 bis 2002 Lehr- und Forschungstätigkeit am Orientalischen Institut der Universität Leipzig. Übersetzerin zahlreicher literarischer Werke aus dem Arabischen (u.a. von Sahar Khalifa, Alia Mamduch, Hanna Mina, Habib Selmi, Sabri Mussa, Baha Taher und Nihad Siris).
Nach langer Abwesenheit, meine Herren– nach genau sieben Jahren, die ich in Europa studierte– kehrte ich heim zu meinen Angehörigen. Vieles hatte ich gelernt, und vieles nicht begriffen, aber das ist eine andere Geschichte. Wichtig ist: Ich kehrte zurück, mit grossem Heimweh nach meiner Familie in jenem kleinen Dorf an der Nilbiegung. Sieben Jahre hatte ich mich nach ihnen gesehnt, von ihnen geträumt, und als ich zu ihnen kam, war es schon ein seltsames Gefühl, mich tatsächlich mitten unter ihnen zu befinden. Sie freuten sich, mich zu sehen, und lärmten um mich herum, und es dauerte gar nicht lange, da war mir zumute, als schmelze ein Eisblock in meinem Innern, als sei ich am Erfrieren gewesen und die Sonne schiene warm auf mich herab. Es war die Lebenswärme in der Sippe, die ich so lange Zeit in Ländern vermisst hatte, „wo die Fische vor Kälte sterben“. Ihre Stimmen waren meinen Ohren wohlbekannt, ihre Gestalten meinen Augen vertraut. So oft hatte ich in der Ferne an sie gedacht, dass ich sie im ersten Moment des Wiedersehens wie durch einen Nebel wahrnahm. Doch der Nebel verging, und ich erwachte am nächsten Tag in meinem gewohnten Bett, in dem Zimmer, dessen Wände die Belanglosigkeiten meines Lebens in der Kindheit und frühen Jugend mitangesehen hatten. Hingegeben lauschte ich dem Wind. Das ist nun, weiss Gott, ein Geräusch, das ich ganz genau kenne; in unserem Dorf klingt es wie fröhliches Geflüster. Wind, der durch die Palmen fährt, säuselt eben anders als Wind, der durch die Weizenfelder streift. Ich hörte das Gurren der Turteltauben, sah durch das Fenster hinaus zu der Palme im Hof unseres Hauses und wusste: das Leben ist noch in Ordnung. Ich betrachtete ihren starken, geraden Stamm, ihre in den Boden geschlagenen Wurzeln, die grünen Wedel, die um ihr Haupt wallten, und spürte Zuversicht. Ich fühlte, dass ich keine Feder im Wind war, sondern, wie diese Palme, ein Wesen mit einer Herkunft, mit Wurzeln und mit einem Ziel.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!