Zen – Den Klang der Stille hören - Osho - E-Book

Zen – Den Klang der Stille hören E-Book

OSHO

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Beschreibung

Erkenntnisse im Zen geschehen plötzlich - sich nach innen zu wenden ist der Weg. Wie bei allen Osho Büchern ist dies keine akademische Einführung in die Welt des Zen. Zen wird unmittelbar beim Lesen selbst erfahren - diese Momente des Nicht-im-Verstand-seins (No-Mind), in dem wir gewahr werden, dass ein stiller Klang um uns ist, der schon immer da war. In dieser Stille öffnet sich die Tür zum authentischen Selbst. Die ausgewählten Zen-Geschichten, die als Einstieg in das jeweilige Kapitel dienen, zeigen die Radikalität und Nonkonformität der jeweiligen Zen-Lehrer: Stets dem Moment verpflichtet und voller Empathie, scheren sie sich nicht um Konventionen. Gerade das macht sie zu großen Lehrern. In Oshos Interpretationen finden sie einen zeitgenössischen Lehrmeister, der ihre Kraft für den Leser sichtbar werden lässt.

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Seitenzahl: 357

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Dieses Buch ist ein Transkript aus einer Original-Vortragsserie, die Osho vor einer internationalen Zuhörerschaft gehalten hat. Die Vorträge sind bisher unter dem englischen Original-Titel Ancient Music in the Pines publiziert worden. Alle Diskurse Oshos sind als vollständige Bücher publiziert worden und auch als Audios und /oder Videos erhältlich. Audios und das vollständige Text-Archiv finden sie unter der online-Bibliothek „Osho Library“ bei: www.osho.com

Titel der Originalausgabe:

Ancient Music in the Pines

Ebookausgabe 2020

Umschlaggestaltung: Silke Watermeier, www.watermeier.net

Übersetzung: Prem Nirvano

Copyright© 1976, 2009 Osho International Foundation, Zürich, Schweiz

Copyright© 2011, Innenwelt Verlag GmbH, Köln

OSHO ist eine registrierte Handelsmarke der Osho International

Foundation, www.osho.com/trademarks

Alle Rechte vorbehalten.

Nachdruck und fotomechanische Wiedergabe, auch auszugsweise,

nur mit Genehmigung des Verlags

www.innenwelt-verlag.de

eISBN 978-3-947508-77-8

Inhalt

1 Der innere Konflikt zwischen linkerund rechter Hirnhälfte

2 Die Bedeutung von Reife

3 Der Heiligenschein des Yakushi-Buddha

4 Sei dir selbst ein Licht

5 Das eigentliche Geheimnis der Schwertkunst

6 Über Verrückte und ergebene Anhänger

7 Der Idealzustand des Denkens

8 Leben, Tod und Liebe

9 Ins Schwarze getroffen

Gosa Hoyen hatte die Gewohnheit, allen, die ihn fragten, was Zen sei, folgendes zu antworten:

„Wenn ich nach Zen gefragt werde, erzähle ich gern diese Geschichte: ‚Als der Sohn eines Einbrechers merkte, dass sein Vater alt wurde, bat er seinen Vater, ihn in seine Kunst einzuweihen, damit er das Familiengeschäft nach seinem Tod weiterführen könne, wenn sich der Vater zur Ruhe setze. Der Vater willigte ein und nahm ihn noch am selben Abend zu einem Einbruch mit.

Kaum hatte er eine große Kleidertruhe geöffnet, forderte er seinen Sohn auf, hineinzusteigen und die Gewänder an sich zu nehmen. Sobald der Junge drin war, verschloss der Vater die Truhe und begann so laut zu lärmen, dass das ganze Haus erwachte und machte sich leise aus dem Staub. Eingesperrt in der Truhe packte den Jungen der Zorn, und vor Schreck wusste er nicht aus noch ein – bis ihm blitzartig eine Eingebung kam: Er miaute wie eine Katze.

Man schickte eine Magd mit einer Kerze, um die Truhe zu untersuchen. Kaum wurde der Deckel gehoben, sprang der Bursche raus, blies die Kerze aus, schob die erstaunte Magd beiseite und suchte, von allen verfolgt, das Weite.

Am Straßenrand sah er einen Brunnen, warf einen dicken Stein rein und verschwand im Dunkeln. Seine Verfolger scharten sich um den Brunnen und reckten die Hälse, um den Einbrecher ertrinken zu sehen.

Kaum wieder zu Hause, beschimpfte er seinen Vater, doch als er ihm zu erzählen begann, wie er entkommen war, sagte der Vater nur: ‚Vergiss die Einzelheiten: Du bist wieder da – folglich hast du die Kunst erlernt.

1. Kapitel

Der innere Konflikt zwischen linker und rechter Hirnhälfte

DAS SEIN IST EINS, DIE WELT IST MANNIGFALTIG. UND ZWISCHEN den beiden steht der zweigeteilte Verstand, der duale Verstand. Es ist genau wie mit einem großen Baum, einer uralten Eiche: der Stamm ist eins, dann aber teilt er sich auf in zwei Hauptäste, die Hauptgabel, die sich daraufhin unzählige Male erneut gabelt.

So wie der Baumstamm eins, ungeteilt ist, so ist es auch das Sein. Der Verstand ist seine erste Gabelung, wo sich der Baum entzweit, dual wird, dialektisch wird: zu These und Antithese, Mann und Frau, Yin und Yang, Tag und Nacht, Gott und Teufel, Yoga und Zen.

Jede Dualität der Welt beruht letztlich auf dem Dualismus des Verstandes, aber darunter befindet sich die Einheit des Seins. Wer tiefer geht, der stößt unterhalb der Dualität auf das Eine – nennt es Gott oder Nirvana oder wie ihr wollt. Wer sich durch diese Dualität aufwärts bewegt, der stößt auf die millionenfache Vielfalt der Welt. Dies gilt es grundsätzlich zu verstehen: dass der Verstand nicht eins ist. Somit wird alles, was man durch den Verstand sieht, zweierlei. Das ist so, wie wenn ein weißer Lichtstrahl durch ein Prisma geht: Augenblicklich teilt er sich in sieben Farben und wird zum Regenbogen. Bevor das Prisma dazwischentrat, war er eins; durchs Prisma gesehen aber zerteilt sich sein Weiß in die sieben Farben des Regenbogens.

Die Welt ist ein Regenbogen, der Verstand ist ein Prisma, und das Sein ist der weiße Strahl. Die moderne Forschung hat eine sehr wichtige Entdeckung gemacht, eine der wichtigsten dieses Jahrhunderts, nämlich dass man nicht nur eines Sinnes ist, sondern zweier Sinne. Euer Gehirn ist in zwei Hälften geteilt, die rechte und die linke Hirnhälfte. Die rechte ist mit der linken Hand verknüpft und die linke ist mit der rechten Hand verknüpft – überkreuz. Die rechte Hirnhälfte ist intuitiv, unlogisch, irrational, poetisch, platonisch, fantasiebegabt, romantisch, mythisch, religiös; die linke Hirnhälfte ist logisch, rational, mathematisch, aristotelisch, wissenschaftlich, berechnend. Die beiden Hälften liegen im Dauerstreit. Die eigentliche Politik der Welt läuft in eurem Innern ab! Das mag euch zwar nicht bewusst sein, aber das, worauf es ankommt, liegt zwischen diesen beiden Mentalitäten.

Die linke Hand hat mit der rechten Hemisphäre zu tun, also mit Intuition, Vorstellungskraft, Mythos, Dichtung, Religion. Die linke Hand wird regelrecht verurteilt. In der Gesellschaft geben die Rechtshänder den Ton an; „rechtshändig“ heißt linke Hemisphäre. Zehn Prozent aller Kinder kommen als Linkshänder zur Welt, doch sie werden zur Rechtshändigkeit gezwungen. Linkshändige Kinder sind im Grunde irrational, intuitiv, unmathematisch, nicht-euklidisch. Sie stellen eine Gefahr für die Gesellschaft dar – die alles tut, um sie zur Rechtshändigkeit zu zwingen. Es ist nicht nur eine Frage der Hände, sondern eine Frage der inneren Politik: Ein linkshändiges Kind lebt die rechte Hemisphäre aus. Das kann die Gesellschaft nicht dulden, es ist gefährlich; dem muss Einhalt geboten werden, bevor es ausufert.

Man geht davon aus, dass das Verhältnis ursprünglich wohl fifty-fifty gewesen sein muss: fünfzig Prozent rechtshändige Kinder, fünfzig Prozent linkshändige Kinder. Aber die Partei der Rechtshänder herrscht nun schon so lange, dass die Proportion mit der Zeit auf zehn zu neunzig Prozent geschrumpft ist. Selbst viele unter euch hier dürften Linkshänder sein, ohne dass ihr euch dessen bewusst seid. Auch wenn du heute mit Rechts schreibst und arbeitest, ist es durchaus möglich, dass man dich als Kind dazu gezwungen hat. Das ist ein Trick: denn kaum bist du rechtshändig, setzt sich deine linke Hemisphäre in Gang. Die linke Hemisphäre ist vernünftig, die rechte aber ist jenseits von Vernunft. Ihre Arbeitsweise ist nicht mathematisch, sondern beruht auf Eingebungen, sie ist intuitiv, sehr anmutig, aber irrational.

Es gibt keine Minderheit auf der Welt, die so sehr unterdrückt wird wie die Linkshänder – sogar noch mehr als die Schwarzen, sogar noch mehr als die Armen. Wenn ihr euch jetzt diese Zweiteilung klar machen könnt, werden euch viele Dinge klar werden: z.B. Bürgertum und Proletariat: Das Proletariat kommt immer aus der rechten Gehirnhälfte; Arme sind intuitiver. Geht zu primitiven Stämmen – sie sind intuitiver. Je ärmer, desto weniger intellektuell. Und das mag auch die Ursache sein, warum er arm ist. Da er weniger intellektuell ist, kann er in der Welt des Rationalen nicht mithalten: Sprachlich ist er weniger beredt und was Vernunft betrifft, Kalkül betrifft, ist er geradezu ein Narr. Vielleicht ist er ja deswegen arm…

Und der Reiche kommt aus seiner linken Gehirnhälfte: Er ist berechnender, in allem rechnerisch; listig, klug, logisch; er plant. Vielleicht ist er ja nur deswegen reich…

Nun, Proletariat und Bürgertum können nicht durch kommunistische Revolutionen verschwinden, nein, denn die kommunistische Revolution wird von denselben Leuten gemacht. Der Zar beherrschte Russland; er tat es durch die linke Gehirnhälfte.

Dann hat ihn Lenin ersetzt – der genau vom selben Schlage ist. Dann löst Stalin ihn ab, der sogar noch mehr vom selben Schlage ist. Die Revolution ist deshalb falsch, weil dann letztlich dieselben Leute weiterherrschen: Herrscher und Beherrschte bleiben dieselben; die Beherschten gehören immer zur rechten Gehirnhälfte. Ihr könnt also in der äußeren Welt anstellen, was ihr wollt, es bleibt sich gleich: Es ist und bleibt oberflächlich.

Dasselbe gilt für Männer und Frauen. Frauen vertreten die rechte Gehirnhälfte, Männer die linke Gehirnhälfte. Seit Jahrhunderten beherrschen die Männer die Frauen. Heute revoltieren zwar ein paar Frauen, aber das Erstaunliche ist, dass diese Frauen wieder vom selben Schlag sind – ja, sind sie genau wie die Männer: rational, streitlustig, aristotelisch.

Durchaus möglich, dass es eines Tages … so wie die kommunistische Revolution in Russland und China gelungen ist, auch den Frauen irgendwo – vielleicht in Amerika – gelingen wird, die Männer zu besiegen. Aber bis dahin, bis ihnen das gelungen ist, werden die Frauen keine Frauen mehr sein; bis dahin werden sie zur linken Hemisphäre gehören – denn wer kämpfen will, muss berechnend sein, und wer die Männer bekämpft, der muss so werden wie die Männer, aggressiv.

Genau diese Aggressivität wird überall auf der Welt in der Frauenbefreiung sichtbar. Frauen, die der Frauenbefreiung angehören, sind sehr aggressiv; sie verlieren all ihre Anmut, alle Früchte der Intuition … denn wenn man gegen die Männer kämpfen muss, muss man denselben Trick lernen, wenn man gegen die Männer kämpfen muss, muss man mit denselben Mitteln kämpfen. Jemanden zu bekämpfen ist sehr gefährlich, denn dann wirst du wie dein Feind. Das ist eines der größten Probleme der Menschheitsgeschichte. Sobald du jemanden bekämpfst, passt du dich nach und nach seiner Methode und seiner Vorgehensweise an. Der Feind mag unterliegen, aber bis dahin bist du zu deinem eigenen Feind geworden. Stalin ist zaristischer als jeder Zar, brutaler als jeder Zar. Natürlich, das muss so sein: Zaren sind nur durch sehr gewaltsame Menschen zu überwältigen – gewaltsamer als der Zar selbst. Nur sie können Revolution machen, nur sie können sich durchsetzen. Wenn sie schließlich am Ziel sind, sind sie selber wie die Zaren, und alles bleibt beim Alten. Nur die Oberfläche ändert sich etwas; untendrunter besteht derselbe Konflikt weiter.

Der Konflikt ist im Menschen. Bevor man ihn nicht dort löst, kann man ihn nirgendwo anders lösen. Die Politik ist in euch selber – nämlich zwischen euren beiden Gehirnhälften, und es gibt nur eine winzige Brücke. Wenn diese Brücke zerbricht – ob durch Unfall oder einen physiologischen Mangel oder sonstwie, wird man gespalten, man wird zu zwei Personen, und dann haben wir es mit dem Phänomen der Schizophrenie oder „Persönlichkeitsspaltung“ zu tun.

Zerbricht die Brücke – und diese Brücke ist äußerst zerbrechlich – dann wird man zu zwei Personen, man verhält sich wie zwei Personen. Morgens ist man ausgesprochen liebevoll, einfach wunderbar, und abends schäumt man vor Wut, ist wie verwandelt. Und man weiß nicht mehr, wie man morgens war – woher auch? – jetzt kommandiert ein anderer, denn jetzt sind zwei Personen da statt einer. Wenn es gelingt, die Brücke wieder herzustellen und beide Teile zu vereinigen, dann ist man selber wieder heil und ganz, kommt es zur Kristallisation.

Wenn George Gurdjieff immer von der „Kristallisation des Seins“ sprach, meinte er damit nichts anderes als das Einswerden dieser beiden Gehirnhälften, das innere Verschmelzen von Mann und Frau, die Vereinigung von Yin und Yang, von Links und Rechts, von Logik und Unlogik, von Plato und Aristoteles. Wenn euch klar geworden ist, dass sich euer Lebensbaum grundsätzlich in zwei Teile gabelt, dann werden euch alle Konflikte klar, ob in eurem Umfeld oder in euch selbst.

Dazu eine Anekdote:

Für Deutsche ist Berlin der Inbegriff preußischer Schroffheit und Effizienz, während Wien der Inbegriff österreichischer Liebenswürdigkeit und Nonchalance ist. Es gibt die Geschichte, dass ein Berliner, der zu Besuch in Wien ist, sich dort völlig verläuft. Was tut also ein Berliner, der sich zurechtfinden will? Er packt den erstbesten Passanten beim Mantelkragen und bellt ihn an: „Zum Postamt! Wo geht’s da lang?“

Der verdatterte Wiener entwindet sich vorsichtig den Fäusten des andern, streicht seinen Mantelkragen glatt und sagt zuvorkommend: „Mein Herr, wäre es nicht freundlicher, mich höflich zu fragen: „Können Sie mir bitte sagen, wo es von hier zum Postamt geht?“

Der Berliner starrt ihn fassungslos an und brummt dann: „Lieber verlauf ich mich!“, und stapft davon.

Kurz darauf besucht eben dieser Wiener Berlin und sucht nun selber den Weg zur Post. Er nähert sich einem Passanten und fragt ihn höflich: „Mein Herr, entschuldigen Sie bitte die Störung, aber wissen Sie zufällig den Weg zur Post?“

Wie aus der Pistole geschossen antwortet der Mann: „Kehrtmachen, zwei Block geradeaus, dann über die Straße rüber, halb rechts über die Bahnschienen, am Zeitungskiosk vorbei und Sie stehen vor der Post.“

Der Wiener, mehr verstört als aufgeklärt, kann gerade noch murmeln: „Tausend Dank, sehr freundlich, gnädiger Herr!“ – als ihn der Berliner beim Mantelkragen packt und brüllt: „Stecken Sie sich den Dank sonst wohin! Anweisung wiederholen!“

Hier die männliche Hirnhälfte – der Berliner; da die weibliche Hirnhälfte – der Wiener… Die weibliche hat eine gewisse Anmut, die männliche hat Durchsetzungskraft. Natürlich muss da auf die Dauer, wenn man sich ständig streitet, die weibliche unterliegen. Siegen wird nur, wer sich durchsetzen kann: Denn die Welt versteht wohl die Sprache der Mathematik, nicht aber die der Liebe. Aber wenn eure Durchsetzungskraft eure Anmut vertrieben hat, fehlt euch etwas enorm Wertvolles; denn nun seid ihr nicht mehr in Tuchfühlung mit eurem eigenen Wesen. Ihr mögt noch so erfolgreich sein, seid nun aber kein wahrer Mensch mehr, sondern zu einer Maschine, einer Art Roboter geworden.

Deswegen gibt es ständig Streit zwischen Mann und Frau. Sie können nicht ohne einander, sie müssen wieder und wieder in Beziehung treten. Aber zusammen halten sie es auch nicht aus. Es ist kein äußerer, sondern ein innerer Streit. Und so sehe ich die Sache: Ehe ihr den inneren Streit zwischen eurer linken und rechten Gehirnhälfte nicht gelöst habt, werdet ihr euch niemals in Frieden lieben können – denn der innere Streit spiegelt sich außen wider. Wenn der Mann innerlich kämpft und sich mit seiner linken Gehirnhälfte, seiner Vernunftseite identifiziert und versucht, seine rechte Hirnhälfte ständig zu unterdrücken, wird er es mit der Frau, in die er sich verliebt, ebenso machen. Wenn die Frau innerlich ständig gegen ihre eigene Vernunft rebelliert, wird sie den Mann, den sie liebt, ständig bekämpfen.

Alle Beziehungen – fast alle, die Ausnahmen sind unerheblich, kann man außen vor lassen – werden hässlich. Am Anfang ist alles wunderbar. Am Anfang verbergt ihr die Wirklichkeit, am Anfang verstellt ihr euch. Sobald man sich eingerichtet hat und sich entspannt, sprudelt der innere Streit hoch und spiegelt sich nach und nach in eurer Beziehung – dann kämpft und nörgelt ihr, zerstört ihr einander auf tausendundeine Art.

Daher der Reiz der Homosexualität: Wann immer eine Gesellschaft sich überlebt hat – denn zumindest bietet die Liebe zwischen zwei Männern weniger Reibungsflächen. Diese Liebe mag weniger befriedigen, mag nicht so viel Seligkeit und orgasmische Augenblicke enthalten, aber zumindest ist sie nicht so abstoßend wie die Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau. Frauen werden lesbisch, wenn sie den vielen Streit satt haben; denn die Liebe zwischen zwei Frauen hat zumindest weniger Konflikte: „Gleich und gleich gesellt sich gern“ – sie können einander verstehen. Sicher, man kann sich verstehen, aber die ganze Anziehungskraft, die Polarität geht verloren. Das kommt sie sehr teuer zu stehen. Man versteht sich zwar, aber die Spannung, die Herausforderung ist hin. Und wenn man sich für die Spannung entscheidet, geht der Streit los – denn das eigentliche Problem steckt irgendwo in euch selbst. Solange ihr noch nicht mit euch im Reinen seid, zwischen eurer weiblichen und männlichen Seite zutiefst Frieden geschlossen habt, seid ihr nicht fähig zu lieben.

Es kommen Leute zu mir und wollen wissen, wie man seine Beziehung vertiefen könne. Ich erwidere ihnen: „Geh erst tief in Meditation. Solange du keine Klarheit in dir selber geschaffen hast, wirst du nur noch mehr Probleme verursachen, als du schon hast. Wenn du dich jetzt auf eine Beziehung einlässt, multiplizieren sich all deine Probleme.“ Die Liebe ist das Größte und Herrlichste überhaupt auf der Welt – aber kennt ihr etwas Abstoßenderes und Höllischeres?

Mulla Nasruddin vertraute mir einmal an: „Also, ich schieb diesen Schreckenstag nun schon seit Monaten vor mir her, aber diesmal muss ich endlich in den sauren Apfel beißen.“

„Zahnarzt oder Klinik?“, erkundigte ich mich.

„Weder noch!“, sagte er. „Ich muss heiraten.“

Die Leute vermeiden möglichst das Heiraten, schieben es immer weiter hinaus. Erst wenn ihnen kein Ausweg mehr bleibt, lenken sie ein. Wo liegt das Problem? Warum fürchten sich die Leute so davor, sich tiefer einzulassen? Intimität macht sofort Angst; Verpflichtung macht sofort Angst – und der moderne Mensch will Sex, aber keine Liebe.

Eine Frau hat mir mal anvertraut, dass sie nur mit Fremden Sex haben möchte. Wenn sie auf einer Bahnfahrt einen Fremden kennenlernt, sei das okay, aber auf keinen Fall mit Freunden oder Bekannten.

Ich fragte sie: „Warum?“

Sie sagte: „Wenn du erstmal mit einem geschlafen hast, den du kennst, kommt man sich langsam auch näher. Im Zug, auf Reisen, da trifft man sich, schläft miteinander – man braucht noch nicht einmal zu wissen, wie der andere heißt, wer er ist, wo er herkommt. Du steigst aus, wenn dein Bahnhof kommt, und er fährt fort, auf immer vergessen – ohne auch nur einen Kratzer zu hinterlassen, du bleibst völlig unangetastet. Du gehst daraus völlig sauber und unangetastet daraus hervor.“

Ich kann das verstehen. Dies ist die Schwierigkeit der gesamten modernen Einstellung: Alle Beziehungen verflachen mit der Zeit. Die Leute haben Angst davor, sich irgendwie tiefer einzulassen, weil sie aus bitterer Erfahrung zumindest so viel gelernt haben: Sobald man sich allzu nahe kommt, bricht die Wirklichkeit durch und der andere wird zum Spiegel deiner eigenen inneren Konflikte. Und dann wird das Leben abstoßend, schrecklich, unerträglich.

Mir ist mal folgendes passiert:

Ich saß mit ein paar Freunden auf dem Rasen einer Universität. Einer der Professoren sagte: „Am Tag als meine Eheschließung, meine Hochzeit passierte…“

Aber sofort fiel ihm der andere Professor ins Wort und sagte: „Entschuldige, wenn ich widerspreche, aber Sachen wie Hochzeiten, Empfänge, Abendeinladungen und dergleichen finden statt. Nur Unglücke passieren. Hörst du den Unterton? Sag bitte nicht „Am Tag, als meine Eheschließung passierte, als meine Hochzeit passierte“.

Dieser Professor war Sprachwissenschaftler und natürlich hatte er recht. Aber der erste erwiderte: „Aber genau so war es ja auch gemeint: Der Tag, als meine Hochzeit passierte, war eine Katatrophe.“

Auf Außenstehende, mag es wie eine blühende Oase in der Wüste wirken, aber wenn man näher kommt, verwelkt und verblasst die Oase. Sobald du drauf reinfällst, bist du ein Gefangener. Aber vergiss nicht: Deine Gefangenschaft kommt nicht vom Partner, sondern aus deinem Innern.

Wenn deine linke Hirnhälfte dich stets beherrscht, wirst du ein sehr erfolgreicher Mensch werden, so erfolgreich, dass du mit vierzig Magengeschwüre, mit fünfundvierzig mindestens ein bis zwei Herzinfarkte bekommst und mit fünfzig nahezu tot bist – wenn auch erfolgreich tot. Du magst zwar ein großer Wissenschaftler werden, aber niemals ein großer Mensch. Du magst zwar einen Haufen Geld machen, aber alles Wertvolle verlieren. Du magst zwar die ganze Welt erobern wie ein Alexander, aber deine eigene Innenwelt wird unerobert bleiben.

Der linken Gehirnhälfte, also dem weltlichen Denken zu folgen, hat viele Reize. Dem geht es mehr um weltliche Dinge: Autos, Häuser, Macht, Ansehen. Das ist die Ausrichtung dessen, der in Indien ein Grihastha, ein Haushälter genannt wird.

Die rechte Hirnhälfte ist die Ausrichtung des Sannyasins – dessen also, der sich mehr für sein inneres Wesen, seinen inneren Frieden, seine Seligkeit interessiert und weniger mit Dingen befasst. Wenn sie ihm in den Schoß fallen – gut; wenn nicht – auch gut. Ihn beschäftigt mehr dieser Augenblick, weniger die Zukunft; ihn interessiert mehr die Poesie des Lebens, weniger sein Einmaleins.

Folgende Anekdote: Finkelstein hat beim Pferderennen großen Reibach gemacht, und Muskowitz ist natürlich gelb vor Neid. „Wie hast du das nur hingekriegt?“, will er wissen.

„Kinderleicht“, antwortet Finkelstein, „es war ein Traum.“

„Ein Traum?“

„Ich hatte mir vorgestellt, dass drei Pferde in Frage kamen und wollte schon auf alle drei setzen, hatte aber noch meine Zweifel beim dritten Pferd. Da träumte ich in der Nacht davor, dass ein Engel vor meinem Bett stand und immerzu sagte: Gesegnet seist du, Finkelstein, sieben mal sieben seist du gesegnet!‘ Als ich aufwachte, wurde mir klar, dass sieben mal sieben achtundvierzig sind, und dass das Pferd mit der Nummer 48 „Himmlischer Traum“ hieß. Da hab ich alles auf „Himmlischer Traum“ gesetzt – und gewonnen! Einfach ratzfatz alles abgeräumt!“

„Aber,“ sagt Muskowitz, „sieben mal sieben ist 49, nicht 48!“ Worauf Finkelstein auftrumpft: „Da hast du’s, Muskowitz! Du kannst halt nur mathematisch denken!“

Man hat zwei Möglichkeiten im Leben: Entweder man hält sich an die Mathematik, oder man richtet sich nach seinen Träumen und Visionen. Das sind zwei völlig verschiedene Wege.

Erst neulich hat mich jemand gefragt: „Gibt es Geister, Feen und dergleichen?“ Ja, die gibt’s – wenn du dich nach deiner rechten Gehirnhälfte richtest; wenn du dich nach deiner linken Gehirnhälfte richtest, gibt es keine. Alle Kinder leben in der rechten Hälfte: Sie sehen überall Geister und Feen. Wenn ihr aber mit ihnen redet und sie zurechtweist und erklärt: „Quatsch! Sei nicht so dumm. Wo ist denn deine Fee? Da ist nichts als ein Schatten.“ Nach und nach überredet ihr das Kind, das wehrlose Kind; nach und nach kriegt ihr es rum, und es zieht um, aus der rechten in die linke Gehirnhälfte. Es hat keine andere Wahl – schließlich muss es in eurer Welt leben. Es muss sich seine Träume, alle Sagen und Märchen und alle Poesie aus dem Kopf schlagen – und stattdessen Mathematik lernen. Natürlich beherrscht es bald die Mathematik und bleibt praktisch auf Lebenszeit verkrüppelt und gelähmt. Der Zugang zur Existenz entgleitet ihm mehr und mehr, und es wird praktisch zu einer Ware. Sein ganzes Leben ist nur noch ein Abfallhaufen, auch wenn es natürlich in den Augen der Welt noch so wertvoll sein mag.

Ein Sannyasin ist jemand, der aus seiner Vorstellungskraft heraus lebt, der aus seiner Traumfähigkeit, seiner Fantasie heraus lebt, der aus der Poesie heraus lebt, der poetisch über das Leben denkt, der ein Visionär ist. Dann sind die Bäume grüner als sonst, dann singen die Vögel schöner, dann hat alles ein gewisses Leuchten. Gewöhnliche Kiesel werden zu Diamanten, gewöhnliche Steine sind nicht gewöhnlich – dann ist nichts mehr gewöhnlich. Wer von der rechten Gehirnhälfte aus sieht, dem wird alles göttlich, geheiligt. Religion entspringt der rechten Hälfte.

Ein Mann trinkt mit seinem Freund eine Tasse Tee in einem Café. Er studiert seine Tasse und sagt seufzend: „Ach, mein Freund, das Leben ist wie eine Teetasse.“

Der andere überlegt kurz und fragt dann: „Wieso denn? Wieso ist das Leben wie eine Teetasse?“

Der erste Mann erwidert: „Woher soll ich das wissen? Bin ich vielleicht ein Philosoph?“

Die rechte Hirnhälfte registriert nur Fakten, ohne Gründe nennen zu können. Fragt man „Wieso?“, schweigt sie still, fällt ihr nichts dazu ein. Wenn du spazieren gehst und eine Seerose siehst und sagst: „Herrlich!“ und dich jemand fragt: „Wieso?“, was machst du dann? Du wirst sagen: „Woher soll ich das wissen? Bin ich vielleicht Philosoph?“ Es ist eine bloße Feststellung, eine ganz simple Feststellung, rund in sich selbst, vollendet. Es gibt keinen Grund und es gibt auch kein Ergebnis: Du hast einfach eine Tatsache festgestellt.

Lest die Upanishaden – da stehen einfache Feststellungen. Da steht: „Das Göttliche ist.“ Frag nicht warum, sonst bekommst du zur Antwort: „Woher sollen wir das wissen? Sind wir vielleicht Philosophen?“

„Das Göttliche ist.“ Dort steht, dass das Göttliche schön ist und dir das Göttliche ganz nah ist, näher als dein Herz – aber fragt nicht warum, sie sind keine Philosophen.

Schaut in die Evangelien und lest, was Jesus gesagt hat – schlicht und einfach. Er sagt: „Mein Gott ist im Himmel. Ich bin sein Sohn, er ist mein Vater. Fragt nicht warum.“ Er könnte das nie vor Gericht beweisen, sondern nur sagen: „Ich weiß es.“ Wenn ihr ihn fragt, von wem er das hat, mit welcher Autorität er so etwas sagt, wird er erwidern: „Das sag ich aufgrund meiner eigenen Autorität. Ich erkenne keine andere Autorität an.“ Das ist das Problem, wenn einer wie Jesus auf Erden wandelt: Das rationale Denken kann ihm nicht folgen. Das war der einzige Grund seiner Kreuzigung – die linke Gehirnhälfte hat ihn gekreuzigt, weil er ein Mann der rechten Gehirnhälfte war. Nur wegen dieses inneren Konflikts wurde er gekreuzigt. Laotse sagt: „Die ganze Welt scheint schlau zu sein, nur ich bin wirr im Kopf. Die ganze Welt scheint Bescheid zu wissen, nur ich bin durcheinander und zögerlich.“ Er ist ein Mann der rechten Gehirnhälfte.

Die rechte Gehirnhälfte ist die Hälfte der Poesie und Liebe. Was wir brauchen, ist eine große Umwälzung … anders gesagt: eine innere Transformation. Yoga ist ein Versuch, diese Einswerdung durch die linke Gehirnhälfte zu bewirken, mithilfe von Logik, Mathematik, Wissenschaft die Transzendenz zu bewerkstelligen. Zen ist genau umgekehrt: Zwar ist das Ziel dasselbe, aber Zen benutzt für die Transzendenz die rechte Gehirnhälfte. Beides ist möglich, aber Yoga ist ein sehr, sehr langer Weg. Es ist geradezu ein überflüssiger Kampf, denn da will man vom Verstand aus zum Superverstand gelangen, was schwerer ist. Zen ist deshalb leichter, weil es man vom Nichtverstand zum Superverstand gelangt. Der Nichtverstand gleicht praktisch schon dem Superverstand – da gibt es keine Hürden. Yoga will praktisch mit dem Kopf durch die Wand, während man mit Zen nur eine Tür zu öffnen braucht – sie braucht nicht einmal verschlossen zu sein, man braucht sie nur etwas anzutippen, und schon geht sie auf.

Nun zu unserer Geschichte… sie ist eine der schönsten unter den Zen-Geschichten. Die Zen-Meister sprechen durch Geschichten. Sie können nicht anders, denn sie können keine Theorien und Lehrsätze aufstellen, sie können nur Geschichten erzählen. Sie sind große Geschichtenerzähler. Jesus spricht immerzu in Gleichnissen, Buddha spricht immerzu in Gleichnissen, die Sufi-Mystiker sprechen immerzu in Gleichnissen – das ist nicht zufällig so. Geschichten, Gleichnisse, Anekdoten sind typisch für die rechte Gehirnhälfte. Logik, Meinungsstreit, Beweisführung, Schlussfolgerungen sind typisch für die linke Gehirnhälfte.

Hört gut zu…

Gosa Hoyen hatte die Gewohnheit, allen, die ihn fragten, was Zen sei, folgendes zu antworten „Wenn ich nach Zen gefragt werde, erzähle ich gern diese Geschichte:

Diese Geschichte erzählt im Grunde, was es mit Zen auf sich hat – ohne zu definieren. Sie ist ein Fingerzeig. Eine Definition ist schon deshalb nicht möglich, weil Zen im Wesenskern undefinierbar ist. Man kann davon kosten, aber es nicht definieren; man kann es leben, aber Sprache vermag es nicht auszudrücken; man kann es zeigen, aber nicht in Worte fassen. Aber durch eine Geschichte lässt sich andeuten, was es ist. Und diese Geschichte gibt hervorragend zu erkennen, wie Zen beschaffen ist. Sie ist aber nur ein Fingerzeig, macht keine Definition daraus, fangt nicht an darüber zu philosophieren. Betrachtet sie wie einen Blitz – ein blitzartiges Erkennen. Sie wird nicht euer Wissen mehren, aber sie kann in euch eine Akzentverschiebung, einen Ruck, eine „Veränderung der Gestalt“ auslösen. Sie kann euch aus der einen Ecke eurer Vorstellungswelt in eine andere werfen – und nur dazu dient diese Geschichte überhaupt.

Nun, das Gewerbe eines Einbrechers ist keine Wissenschaft, sondern eine Kunst. Einbrecher werden ebenso geboren wie Dichter; man kann es nicht lernen, eine Lehre bringt nichts. Wer es erlernt, wird geschnappt – denn da weiß die Polizei mehr als du, sie haben seit Jahrhunderten Erfahrungen gesammelt. Ein Einbrecher wird als Einbrecher geboren: Er lebt aus der Intuition heraus – er hat den Dreh raus – er hat den richtigen Riecher. Ein Einbrecher ist weiblich; er ist kein Geschäftsmann, sondern ein Spieler. Er setzt alles auf eine Karte, für nahezu nichts; sein ganzes Gewerbe ist geprägt von Gefahren und Risiken. Es ist genau wie ein religiöser Mensch.

Die Zen-Leute sagen ebenfalls, dass religiöse Menschen Einbrechern ähneln: Auf der Suche nach der Wahrheit sind auch sie Einbrecher. Es ist nicht möglich, die Wahrheit auf dem Wege der Logik zu erreichen – oder der Vernunft oder der Werte der herrschenden Gesellschaft, Kultur, Zivilisation. Irgendwo schaffen sie zwar den Durchbruch, dringen sie durch die Hintertür ein. Wenn es tagsüber verboten ist, kommen sie nachts. Wenn es ausgeschlossen ist, der Masse der Autobahnfahrer zu folgen, dann schlagen sie sich eigenständig durch den Wald. Ja, es besteht zwar eine gewisse Ähnlichkeit. Du erreichst die Wahrheit nur, wenn du ein Einbrecher bist – ein Künstler im Diebstahl des Feuers, im Raub des Schatzes.

Der Vater will sich zur Ruhe setzen und der Sohn bittet ihn: Bevor du dich zur Ruhe setzt, lehre mich deine Kunst.“ Der Vater willigte ein und nahm ihn noch am selben Abend zu einem Einbruch mit. Kaum hatte er eine große Kleidertruhe geöffnet, forderte er seinen Sohn auf hineinzusteigen und die Gewänder an sich zu nehmen. Sobald der Junge drin war, verschloss der Vater die Truhe und begann so laut zu lärmen, dass das ganze Haus erwachte und machte sich leise aus dem Staub.

Offenbar war er ein echter Meister, kein gewöhnlicher Einbrecher.

Eingesperrt in der Truhe packte den Jungen der Zorn, und vor Schreck wusste er nicht aus noch ein…

Was Wunder – natürlich! Was für eine Lehre sollte das sein? Er hatte ihn in Lebensgefahr gebracht! Aber nur so kann man jemanden das Unbekannte lehren, nur so erschließt sich die rechte Gehirnhälfte. Die linke Gehirnhälfte kann man in Schulen belehren: dort kann man etwas lernen, diszipliniert werden, stufenweise aufsteigen. So werdet ihr nach und nach, Klasse auf Klasse, zu Meistern aller möglichen Künste und Wissenschaften. Aber für die rechte Gehirnhälfte gibt es keine Schulen – die ist intuitiv; die lernt nicht stufenweise, sondern plötzlich. Quasi wie ein Blitz in finsterer Nacht. Wenn’s passiert, dann passiert’s – wenn nicht, dann nicht. Da ist nichts zu machen. Du kannst dich nur einer Situation aussetzen, wo die Wahrscheinlichkeit dafür größer ist. Darum sage ich, dass der alte Mann offenbar ein echter Meister war.

Eingesperrt in der Truhe packte den Jungen der Zorn, und vor Schreck wusste er nicht aus noch ein…

Dies sind die drei Stadien, die eure Vernunft dann durchlaufen muss. In all meinen Meditionsformen widerfährt euch dasselbe. Eingesperrt in eine Truhe, deren Schlüssel weggeworfen wurde, werdet ihr zuerst wütend.

Viele Sannyasins kommen zu mir und sagen, wie wütend sie auf mich seien. Kann ich gut verstehen; das ist natürlich: Ich zwänge sie in Situationen, wo ihr alter Verstand aussetzt. Das ist der eigentliche Grund aller Wut. Sie fühlen sich einfach machtlos, ihr alter Verstand greift nicht mehr, sie stehen vor einem Rätsel: „Was ist nur los?!“ Und wenn ihr euch in einer Situation seht, wo euer Verstand nicht mehr funktioniert, richtet sich eure Wut auf mich; erst seid ihr wütend und dann erschreckt ihr. Dann versteht man die ganze Situation und dass einem alles Gelernte einfach nutzlos vorkommt – daher die Angst.

Nun gab es keine logische Möglichkeit, aus dieser Truhe herauszukommen: Sie war von außen abgeschlossen, der Vater hatte Lärm gemacht und das ganze Haus aufgeweckt, Leute liefen suchend herum und der Vater hatte das Weite gesucht. Wie soll es da einen logischen Weg geben, sich aus dieser Klemme zu befreien? Die Logik streikt einfach, der Verstand führt zu nichts. Was meint ihr wohl? Das Denken steht plötzlich still – und darauf hat der Vater es abgesehen, genau das ist der springende Punkt. Er will seinen Sohn in eine Situation bringen, wo der logische Verstand aussetzt – denn ein Einbrecher braucht keine Logik. Wenn er dem logischen Denken folgt, schnappt ihn früher oder später die Polizei, weil die genauso denken.

Im zweiten Weltkrieg war es auch so… Drei Jahre lang gewann Hitler ununterbrochen, und zwar nur, weil er unlogisch war. Alle anderen Länder, die ihn bekämpften, taten es logisch. Freilich, denn sie waren geübter in der Kriegsführung, eingeweiht in militärische Praktiken, in dieses und jenes, und sie hatten Experten, die versichern konnten: „Diesmal wird Hitler von dieser Seite aus angreifen.“ Und wäre Hitler bei Sinnen gewesen, hätte er genau das getan, weil die feindliche Abwehr dort ihren Schwachpunkt hatte. Natürlich muss man den Feind an seiner schwächsten Stelle angreifen, das ist logisch. Also erwarteten sie Hitler am schwächsten Punkt, zogen sie dort alle Kräfte zusammen … und was tat er? Er schlug irgendwo anders zu, unvorhersehbar. Nicht einmal auf seine eigenen Generäle wollte er hören. Er hatte einen Astrologen, der ihm riet, wo er angreifen solle. Nun, dergleichen hatte es noch nie gegeben: Kriege werden nicht von Astrologen geführt! Sobald Churchill Wind davon bekam, sobald seine Spione ihn wissen ließen, dass gegen diesen Mann nichts zu machen war, weil er absolut unlogisch war, dass alle Entscheidungen von einem törichten Astrologen nach den Sternen getroffen wurden, der keine Ahnung vom Krieg hatte, der nie an der Front gewesen war – was hatten denn die Sterne mit einem Krieg zu tun, der sich auf der Erde abspielte? Also berief Churchill sofort einen Astrologen des Königs und man richtete sich fortan nach dem königlichen Astrologen. Auf einmal passte alles zusammen, denn jetzt wahrsagten zwei Narren. Da wurde es einfacher.

Würde sich ein Einbrecher nach Aristoteles richten, würde man ihn früher oder später schnappen, da die Polizei sich nach derselben aristotelischen Logik richtet.

Erst vor ein paar Tagen hatte Vedanta die schöne Idee, sich mit dem Jeep des Ashrams davon zu machen. Natürlich musste man das der Polizei melden. Alle nahmen an, dass er in Richtung Chanda fahren würde, weil er immer davon geredet hatte, nach Chanda gehen zu wollen, um einen Ashram wiederzueröffnen, den es dort mal gegeben hatte – Kailash. Wäre er tatsächlich dort hingefahren, wäre ihm die Polizei kaum gefolgt, aber die Polizei dachte logisch und befand: „Wenn er ständig davon geredet hat, nach Chanda zu fahren, wird er jetzt nicht nach Chanda fahren, weil er befürchten müsste, auf der Straße dorthin abgefangen zu werden. Da fährt er nicht hin.“ Also kümmerten sie sich gar nicht um jene Strecke und schnappten Vedanta in Lonavla – er war nach Mumbai unterwegs. Die Polizei hatte sich das schon gedacht.

Wenn du dich an die Logik hältst, dann kriegt dich jeder zu fassen, der sich an dieselbe logische Methode hält. Ein Einbrecher muss unberechenbar sein, Logik ist ausgeschlossen. Er muss unlogisch sein, in einem Maße, dass er für niemanden vorhersagbar ist. Aber unlogisch kann nur der sein, dessen gesamte Energie durch die rechte Gehirnhälfte fließt.

Eingesperrt in der Truhe packte den Jungen der Zorn, und vor Schreck wusste er nicht aus noch ein, wie er entkommen könne…

„Wie?“ ist eine logische Frage, folglich erschrak er, denn es gab keinen Ausweg, das „wie“ griff einfach nicht. Da kam ihm blitzartig eine Idee. Nun, hier verlagert sich etwas: Nur in gefährlichen Lagen, wo die linke Gehirnhälfte aussetzt, kann sie zulassen, dass die rechte Hälfte ein Wörtchen mitredet, als letzter Strohhalm. Wenn sie selber nicht weiter weiß, wenn sie das Gefühl hat, in der Patsche zu sitzen, wenn sie sich geschlagen geben muss, dann sagt sie: „Warum nicht der unterdrückten, der eingesperrten Hirnhälfte eine Chance geben? Soll die auch ihre Chance kriegen. Wer weiß… schaden kann es jedenfalls nicht!“ Bis plötzlich …

Bis ihm blitzartig eine Eingebung kam: Er miaute wie eine Katze.

Nun, das ist nicht logisch. Zu miauen wie eine Katze ist einfach eine absurde Idee. Aber es funktionierte.

Man schickte eine Magd mit einer Kerze, um die Truhe zu untersuchen. Kaum wurde der Deckel gehoben, sprang der Bursche raus, blies die Kerze aus, schob die erstaunte Magd beiseite und suchte, von allen verfolgt, das Weite.

Am Straßenrand sah er einen Brunnen, warf einen dicken Stein rein und verschwand im Dunkeln. Seine Verfolger scharten sich um den Brunnen und reckten die Hälse, um den Einbrecher ertrinken zu sehen.

Auch dies hat nichts mit logischem Denken zu tun, denn das erfordert Zeit. Logik erfordert Zeit um fortzuschreiten, nachzudenken, zu argumentieren, ob so oder so, welche Alternative von vielen… und man hat tausendundeine Alternative. Wenn man sich in einer Lage befindet, wo es keine Zeit gibt zu denken – und wenn man verfolgt wird, wie kann man da denken? Denken taugt nur, wenn man in einem Sessel sitzt. Mit geschlossenen Augen kann man philosophieren und grübeln, danach suchen, was dafür oder dagegen spricht und alles abwägen, aber wenn die Leute hinter einem her sind und es ums Überleben geht, gibt es keine Zeit nachzudenken, lebt man im Augenblick, wird man einfach spontan.

Er beschloss nicht etwa, den Stein zu werfen, es passierte einfach. Es war keine Schlussfolgerung, er hat nicht erst groß drüber nachgedacht, sondern sah sich’s nur machen. Er warf einen Stein in den Brunnen und versteckte sich im Dunkeln. Die Verfolger blieben in dem Glauben stehen, der Einbrecher sei im Brunnen ertrunken.

Kaum zu Hause angelangt, beschimpfte er seinen Vater, doch als er ihm zu erzählen begann, wie er entkommen war, sagte der Vater nur: „Vergiss die Einzelheiten: Du bist wieder da – folglich hast du die Kunst erlernt.“

Wozu noch Einzelheiten erzählen? Sie taugen nichts. Was die Intuition betrifft, taugen Einzelheiten deshalb nichts, weil sich die Intuition nie wiederholt. Einzelheiten taugen erst etwas, wenn es um Logik geht. Daher gehen logische Leute immer bis in die winzigsten Einzelheiten, damit sie, falls sich dieselbe Situation wiederholt, alles unter Kontrolle haben und wissen, was zu tun ist. Aber im Leben eines Einbrechers wiederholt sich nie dieselbe Situation. Und auch im wirklichen Leben wiederholt sich nie dieselbe Situation. Wenn du alles im Voraus weißt, bist du so gut wie tot, gehst du auf nichts mehr ein. Im Leben muss man auf alles eingehen können, nicht reagieren: Da musst du aus dem Nichts heraus handeln, innerlich unvoreingenommen. Man muss unroutiniert handeln. Man muss aus dem Unbekannten heraus ins Unbekannte hinein handeln.

Und genau das pflegte Goso Hoyen zu sagen, wenn man ihn fragte, was es mit Zen auf sich habe. Dann erzählte er immer diese Geschichte. Zen ist haargenau wie ein Einbruch. Es ist eine Kunst, keine Wissenschaft; es ist weiblich, nicht männlich, nicht aggressiv, sondern empfänglich; es ist keine gut durchdachte Methode, sondern immer spontan. Es hat nicht mit Theorien, Hypothesen, Glaubenssätzen, heiligen Schriften zu tun – es hat nur mit Einem zu tun, und zwar Bewusstheit.

Was ist in jenem Moment geschehen, da der Junge in der Truhe saß? In solcher Gefahr darfst du nicht dösen. In solcher Gefahr bist du hellwach. Du musst es sein: Dein Leben steht auf dem Spiel, du musst total wach sein. Genauso hellwach sollte man jeden Augenblick sein. Und wenn du hellwach bist, kommt es zu dieser Verlagerung: aus der linken Gehirnhälfte wechselt die Energie in die rechte Gehirnhälfte. Wann immer du hellwach bist, wirst du intuitiv, hast du blitzartige Eingebungen – aus dem Unbekannten, aus heiterem Himmel. Du magst sie nicht beachten, aber dann lässt du dir viel entgehen. Tatsächlich stammen sämtliche wissenschaftlichen Entdeckungen aus der rechten Gehirnhälfte, nicht der linken.

Ihr kennt sicherlich Madame Curie – die einzige Frau, die je einen Nobelpreis bekommen hat… Seit drei Jahren hatte sie an einer bestimmten Mathematikaufgabe geknobelt, ohne sie lösen zu können. Sie hatte ihr Bestes gegeben, war das Problem von allen denkbaren Seiten angegangen, aber keinen Weg finden können. Eines Nachts wachte sie auf, ging zum Schreibtisch, schrieb die Antwort auf einen Zettel, ging zurück und schlief wieder ein.

Am nächsten Morgen fand sie die Antwort auf ihrem Schreibtisch liegen. Sie konnte es nicht fassen: Wer hatte das getan? Das konnte doch keiner! Der Diener? – von dem war das nicht zu erwarten, er hatte keine Ahnung von Mathematik. Sie erinnerte sich wohl, dass sie am Abend zuvor noch einmal eine Riesenanstrengung gemacht hatte… aber ohne Erfolg. Was war da passiert? Sie versuchte sich zu erinnern, denn es war ihre eigene Handschrift! Und dann dämmerte ihr dunkel, dass sie sich in der Nacht wie im Traum an den Tisch gesetzt und etwas geschrieben hatte. Woher war diese Antwort gekommen?

Jedenfalls nicht aus der linken Gehirnhälfte; die hatte sich drei Jahre lang damit abgequält. Und auf dem Blatt stand nur die Lösung, nicht der Rechenvorgang. Wäre es ihre linke Seite gewesen, wäre ein Vorgang erkennbar, da sie Schritt für Schritt arbeitet. Aber das hier sah ganz aus wie eine Eingebung, ähnlich wie sie dem Jungen in der Truhe widerfahren war. Die linke Hälfte hatte – müde, erschöpft, hilflos, wie sie war, die Hilfe der rechten Hälfte erbeten…

Ihr dürft, wenn ihr so in der Patsche sitzt und eure Logik versagt, nie verzweifeln, nie die Hoffnung aufgeben. Solche Augenblicke könnten sich als die größten Glücksfälle eures Lebens erweisen, denn in solchen Augenblicken gewährt die Linke der Rechten den Vortritt. Dann beschert euch die weibliche Seite, die empfängliche Seite, eine Idee. Falls man ihr folgt, werden viele Türen aufgehen. Aber möglicherweise verfehlt ihr es, könntet sagen: „Was für ein Quatsch!“ Dieser Junge hätte es verfehlen können, weil die Idee nicht sehr normal, ordentlich, logisch war. Wie eine Katze miauen?! Wozu? Er hätte es mit der Frage: „Warum?“ abtun können, und dann hätte er seine Chance verpasst. Aber das konnte er nicht fragen, da seine Lage so ausweglos war. Also dachte er sich: „Versuchen kann ich‘s. Kann ja nicht schaden.“ Er nutzte den Fingerzeig. Der Vater hatte Recht.

Er sagte: ‚Vergiss die Einzelheiten. Die sind nicht wichtig. Du bist wieder zu Hause; du hast die Kunst erlernt.‘

Die ganze Kunst besteht darin, von eurer femininen Gehirnhälfte herzukommen, da die feminine mit dem Ganzen verbunden ist und die maskuline nicht mit dem Ganzen verbunden ist. Die maskuline ist aggressiv, die maskuline sucht ständig Streit; die feminine gibt sich immerzu hin, in tiefem Vertrauen. Daher ist der weibliche Körper so schön, so rund. Dort waltet tiefes Vertrauen und Einklang mit der Natur. Eine Frau lebt in tiefer Hingabe; ein Mann liegt ständig im Kampf – wütend unternimmt er alles Mögliche, um etwas zu beweisen, um irgendwo hinzugelangen. Eine Frau ist zufrieden – sie braucht nirgendwo hinzugelangen. Fragt Frauen, ob sie gern zum Mond fliegen würden: Sie werden einfach nur staunen. „Wozu? Was soll das bringen? Wozu die Mühe? Zuhause ist es doch wunderschön!“ Die Frau ist nicht daran interessiert, was in Vietnam los ist oder in Korea oder in Israel. Sie ist höchstens daran interessiert, was in der Nachbarschaft los ist, höchstens daran interessiert, wer sich in wen verliebt hat, wer mit wem durchgebrannt ist – an Klatsch, nicht an Politik. Ihr liegt das Unmittelbare, das Hier-Jetzt näher. Das verleiht ihr ihre Harmonie, ihre Anmut. Der Mann muss immerzu etwas beweisen, und wer etwas beweisen will, der muss natürlich kämpfen und rivalisieren und anhäufen.

Eine Frau versuchte einmal die Aufmerksamkeit von Dr. Johnson auf sich zu ziehen, er aber schien sie kaum zu bemerken. „Wissen Sie, Doktor,“ sagte sie neckisch, „ich glaube fast, Ihnen ist männliche Gesellschaft lieber als weibliche.“

„Madam,“ erwiderte Johnson, „ich liebe die Gesellschaft der Damen außerordentlich. Ich mag ihre Schönheit, ihre Zartheit, ich mag ihre Lebhaftigkeit – und ich mag ihr Schweigen.“

Der Mann hat die Frau gezwungen zu schweigen, nicht nur äußerlich, auch innerlich – er hat der weiblichen Seite den Mund verboten. Beobachtet euch nur mal innerlich. Wenn die weibliche Seite etwas sagt, müsst ihr euch sofort auf sie stürzen und sagen: „Logisch? Absurd!“

Es kommen Leute zu mir und sagen: „Unser Herz möchte Sannyasin werden, aber der Kopf sagt Nein“ – Dr. Johnson, der die Frau zum Schweigen bringen will!