Zen·Ethik - Ulrich Mack - E-Book

Zen·Ethik E-Book

Ulrich Mack

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Beschreibung

Die Weltgemeinschaft steht inmitten großer Herausforderungen. Die Krisen der Geschichte wiederholen sich auf verschiedene Weisen. Und der Mensch ist und bleibt auf der Suche nach einem Leben, das sich lohnt zu leben und das ihm und seiner Gemeinschaft Frieden, Glück und Erfüllung spendet. Aus den Erfahrungen und der Perspektive des Zen, bietet dieses Buch eine Orientierung an, die dabei unterstützen will, die vielfältigen Krisen des Menschen erfolgreich zu bewältigen. Dabei spielen sowohl eine individuelle als auch kollektive Übernahme von Verantwortung für das Weltganze eine entscheidende Rolle. "Heute können wir nicht mehr umhin, der Wirklichkeit ins Auge zu schauen, dass wir global denken müssen. Mein Leben ist das Leben aller. Ulrich Macks Buch verdient großen Respekt und Dank." (Aus dem Vorwort von Zen-Meisterin Doris Zölls)

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Seitenzahl: 114

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Zen∙Ethik

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Ulrich MackZen∙EthikEine Herausforderung fürdie Verantwortung des Menschen

Mensaion Verlag

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragungdurch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziertoder unter Verwendung elektronischer Systemeverarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Originalausgabe – im Mensaion Verlag© 2023 by Ulrich MackISBN-978-3-757570-08-8 (print)ISBN-978-3-757570-09-5 (E-Book)Satz: LaTeX, ebgaramond and TeX4ebook, stix2Herstellung: epubli, ein Service der neopubli GmbH, BerlinUmschlaggestaltung: © by Mensaion Verlaghttps://www.mensaion.de/Umschlagbild: © by Markus Frankehttps://www.markus-franke-malerei.de/Besuchen Sie uns im Internet

Für Freyja

Vorwort

Ulrich Mack hat mich vor einiger Zeit gebeten zu seinem Buch „Zen∙Ethik“ das Vorwort zu schreiben. Wir hatten bereits über sein Thema einige Gespräche mit einander, in denen wir die Kernpunkte seines Anliegens diskutierten. Ich möchte sie gerne in meinem Vorwort nochmals aufgreifen, da sie für mich die Schwierigkeiten aufzeigen, die entstehen können, wenn Ethik vom Zen her seine Ausrichtung bekommen soll.

Ich schätze Ulrich Mack sehr für sein großes Engagement, angesichts der großen Krisen, in die heute die Menschheit gestellt ist. Es ist ein großes Unterfangen, einen ethischen Ansatz zu entwickeln, der ein Beitrag zu der Diskussion sein kann, wohin unsere Gesellschaft gehen soll, ja muss, damit wir Menschen überleben können. Wir haben heute nicht nur Krisen, die ein Volk, ein Land oder auch nur einen Kontinent betreffen. Ich denke, noch nie wurde uns Menschen so bewusst, dass es nicht mehr um einzelne Länder geht, nicht um einzelne Völker, die durch Krieg oder eine Naturkatastrophe bedroht sind. Wir sind als ganze Menschheit betroffen.

Heute können wir nicht mehr umhin, der Wirklichkeit ins Auge zu schauen, dass wir global denken müssen. Wir sind eine Welt, in der wir mit allen in Beziehung, beziehungsweise in Abhängigkeit sind und so für alle in der Verantwortung stehen. Wir spüren und müssen heute ganz deutlich erkennen, dass wir mit einander verwoben sind. Wird nur an einem Faden gezogen, wird das ganze Gewebe bewegt und verändert.

So ist es auch nicht mehr möglich, nur für mich und meinen engen Umkreis Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Alles muss heute global gesehen werden. Diese Erkenntnis kann bei manchem Ohnmacht und Hilflosigkeit hervorrufen. Das Gefühl, dass man tun und lassen kann, was man will, wenn die anderen nicht mitmachen, geht der eigene Einsatz ins Leere. Manch einer würde sich gerne in einen Elfenbeinturm zurückziehen, möchte sich herausnehmen aus dem großen Ganzen, das für ihn nicht mehr überschaubar, geschweige denn händelbar ist. Doch es gibt keinen Rückzug, die Illusion als „Selbstversorger“ ein autarkes und für mich selbst heiles Leben gestalten zu können, ist wie ein Kartenhaus zusammengefallen.

Bereits die kleinsten Dinge, die ich zu meinem Leben brauche, machen mir deutlich, wie ich mit dem Ganzen verbunden bin. Die Klimakatastrophe betrifft mich wie alle anderen auch, ihr kann ich an keinem Ort der Welt entkommen. Die Umweltverschmutzung, sei es der Lärm, die Lichtverschmutzung, die Gifte, sie alle dringen zu mir vor. Ich werde in die Verantwortung für die ganze Welt gesetzt. Ob ich Dinge kaufe, die von Menschen mit geringem Lohn und unter miserablen Umweltbedingungen gefertigt werden, nehmen mich in die Verantwortung für Mensch und Natur, auch für die, die nicht unmittelbar neben mir leben. Es nützt auch nicht, gegen diese Globalisierung zu wettern und zu glauben, die einzelnen Staaten sollten doch wieder eigenständig und auf sich bezogen leben. Das war nie der Fall, kann nicht der Fall sein und wird auch nie der Fall sein. Das ist wider die Wirklichkeit.

Seit es die Welt gibt, war sie immer nur eine, in der alles mit einander in Abhängigkeit steht. Es war uns nur noch nie so bewusst. Der Regen fällt nicht nur auf mich herunter, die Sonne scheint nicht nur für mich. Im Zen wurde dies stets deutlich gemacht. Alles ist eines und eines ist alles, wird in allen Texten immer rezitiert. Mein Sosein ist das Sosein aller anderen Lebewesen. Das Innen ist das Außen. Nichts existiert für sich alleine, sondern steht in unentwegter Wechselbeziehung zu einander.

Wird dies von uns wirklich erkannt, gibt es nicht mehr die Einstellung, dass mich das andere nichts angeht. Schaue ich auf mich, schaue ich immer gleichzeitig auf das andere und umgekehrt. Oder wie ein Zen-Meister es ausdrückte, als ein Mönch ihm erzählte, dass er soweit sei, nur noch auf die anderen zu achten und sein Ich ganz zurückgenommen habe und der Meister daraufhin sagte: ich denke nur noch an mich, weil es die anderen nicht mehr gibt. Diese wechselseitige Abhängigkeit aller Phänomene ist eine Erkenntnis, die es im Zen von Anbeginn zu verwirklichen gilt. Mein Leben ist das Leben aller.

Diese Bedingtheit allen Seins bringt gleichzeitig mit sich, dass nichts fest sein kann, alles in unentwegtem Wandel ist. Möchte ich etwas festhalten, es konservieren, ist dies nur mit einem Bild von dem momentanen Erlebnis möglich, das ich krampfhaft in Händen zu halten versuche. Nichts hat Bestand, auch wenn es mir noch so fest erscheint. Das Feste ist eine Illusion, die mir meine Sinnesorgane vorgaukeln, doch die nicht der Realität entspricht. Will ich die Wirklichkeit leben und mich nicht nur in einem Traum verlieren, werde ich herausgefordert, jeden Augenblick bewusst zu ergreifen, um das Leben nicht zu verpassen. Aber es ist nicht nur das Verpassen des realen Lebens; das Festhalten von Gewesenem gibt mir das Gefühl, das Leben nicht wirklich gelebt zu haben. Es bringt Leiden hervor.

Ich halte mich an Bildern und Konzepten, Illusionen und Vorstellungen fest. Doch sie werden mir von der Wirklichkeit entrissen. Damit erlebe ich ständigen Verlust, ja Tod. Ich baue mir eine Welt neben dem realen Leben auf. Wir sehen heute, wie wir Menschen unter diesem illusionären Weltverständnis leiden, das nicht nur von Unwissenheit durchtränkt ist, sondern vor allem von der Gier mehr und mehr zu haben. Jeder glaubt, seine Wünsche und Begierden seien berechtigt und geht damit in den Kampf, sie auch durchzusetzen. Die Konflikte sind unendlich. Wir Menschen leben dabei in einer Unwissenheit um die Welt, die uns ins Verderben führt.

Ulrich Mack hat in seiner Schrift dies in drastischer Weise dargestellt, wie wir aus unserer Unkenntnis heraus und der daraus bedingten Gier, wie wir unseren Lebensraum zerstört haben und weiterhin zerstören. Dafür müssen wir die Konsequenzen tragen, beziehungsweise wir bürden sie der jüngeren Generation auf. Es geht daher darum die Konsequenzen in Verantwortung umzuwandeln, um nicht nur von einer Krise in die andere zu schlittern. Wir dürfen nicht mehr unsere Augen verschließen, sondern müssen bewusst Schritte gehen, die allen Menschen es ermöglichen, in Würde zu leben. Die Würde ist eng mit Ethik verbunden. Sie ist Ausdruck eines bewussten und verantwortungsvollen Lebens. Sie fordert uns auf, uns bewusst dazu zu entscheiden, was darf ich tun und was muss ich lassen.

Ulrich Macks Buch deutet auf die Herausforderung, diesem Thema näher zu kommen und es verdient großen Respekt und Dank. Heute zählt jede Stimme, die dafür eintritt, einen Weg zu finden, der für uns Menschen gangbar ist, das Leiden, das unser bisheriges Handeln hervorgebracht hat, zu überwinden und unser Leben auf neue Füße zu stellen.

Doris Zölls, Juni 2023

Einleitung

Das Anliegen der hier vorliegenden Überlegungen besteht darin, Vorschläge aufzuzeigen, die Grundsätze für eine Ethik der Mit-Verantwortung des Einzelnen für das Weltganze, zum Thema haben. Ethik meint im Folgenden ein Nachdenken über die Begründung dessen, was als moralischer Konsens vereinbart werden kann; als den Versuch der Begründung der Frage: Was soll ich, was sollen wir tun? Auf dem Hintergrund der gesellschaftlichen Frage: Wie sollen oder können wir leben?

Im Verlauf der Ausführungen wird sich zeigen, dass diese Fragen zu einseitig formuliert sind und wir die folgende Ergänzung benötigen: Wie können wir als Teil des Lebens, das wir im Grunde selbst sind und das sich ständig wandelt, so leben, dass sich das Leben möglichst frei entfalten kann?

Den Text verstehe ich als Beitrag im Rahmen des ethischen Diskurses, der nach Lösungen für die Krisen in der Welt sucht. Grundlage hierfür ist die Einbeziehung der spirituellen Dimension in die Ethik.

Der Umfang einer heutigen Ethik muss die globale Situation in den Blick nehmen; ihre Aufgabe kann nicht mehr nur der Regulation des sozialen Lebens der Menschen dienen. In unserer derzeitigen Welt weisen die herrschenden Krisen in allen Bereichen des Lebens darauf hin, dass Prinzipien und Folgen des Handelns und Verhaltens über das Soziale hinaus auch die Situation unserer Mitwelt, also der Tiere, der Pflanzen, der Natur und der Erde selbst, dringend mit umfassen müssen.

Die Schwierigkeit für einen solchen ethischen Entwurf liegt schon allein darin, dass es für eine Weltgemeinschaft (die im November 2022 die Achtmilliarden-Grenze überschritten hat und sich in viele Kulturen und sich ausschließende politische Systeme differenziert hat) ein unmögliches Unterfangen scheint, ethische Sätze entwerfen zu wollen, die eine im Ziel gemeinsame Lesart für das Leben auf der Erde zu finden. Aus Sicht des Kulturrelativismus erscheint es als Anmaßung und unmögliche Übertragung.

Was ist dann realistisch? Die Zukunft ist nicht vorhersehbar. Ein weiter so, deutet auf ein sicheres Scheitern des Menschen auf dieser Erde hin. Eine fatalistisch-resignative Haltung ist auch nicht wirklich befriedigend. Deshalb bleibe ich bei einem konstruktiven Versuch, um dem Leben und Handeln in der Gegenwart einen Sinn zu geben und die Zukunft offen zu halten. Das Leben und die Existenz für »Alle und Alles«, verdient aus subjektiver Sicht die Chance, durch einen Beitrag von uns heute, auch in Zukunft weiterhin möglich zu bleiben.

Was können wir jetzt tun? Man kann davon ausgehen, dass bei einer Zuspitzung der weltweiten Krisensituation noch moralische Ressourcen aktivierbar sind, sodass eine Veränderung des Verhaltens, zugunsten eines Lebensraums für alle, möglich sein wird. Der mühsame und zähe Weg über Institutionen, wie die Einführung der Menschenrechte (UN-Charta, 1948), wird wie damals, wieder erst nach einer eingetretenen, selbstverschuldeten Katastrophe möglich sein. Denn der Egoismus auf nationaler, wirtschaftlicher und politischer Ebene scheint zu groß.

Die zur Bewältigung anstehenden Krisen verlangen eine Haltung der Verantwortung für das Handeln in der Welt. Da ein rein rationales Verständnis von Verantwortung den Menschen in einer Distanz zur Welt belässt und damit die Übernahme von Verantwortung nicht wirklich ernst genommen wird, wird ein Verantwortungsbegriff gesucht, der eine Mitverantwortung für diese Welt nachvollziehbar werden lässt und die Bereitschaft zur Übernahme verstärkt. Eine Möglichkeit, die hier verfolgt wird, bietet die Verankerung der Verantwortung auf der trans-rationalen Ebene der Spiritualität. Wenn die Verantwortung die unmittelbare Folge der Erfahrung der Wirklichkeit ist, dann ist dem Einzelnen klar, dass er der Welt nicht wirklich gegenübersteht, sondern ein Teil von ihr – sogar die Welt selbst – ist und mitverantwortlich für ihren Zustand. Im Horizont der globalen Krisen geht es nicht nur um eine individuelle Verantwortung, sondern der Einzelne steht hier in einer gesellschaftlichen, ja einer weltweiten Mitverantwortung. Diese Einsicht in die Wirklichkeit, also das Wissen darum, ist deshalb eine mögliche Chance für die Übernahme der Verantwortung und auch eine Begründung der Verantwortung selbst. Diese Rückbindung der Verantwortung in die Spiritualität schafft Vertrauen gegenüber der Angst vor der im Raum stehenden dramatischen Zukunft, die sich in den alarmierenden Studien zur Klimakatastrophe spiegeln. Angst davor motiviert zum Handeln; zur Bewältigung wird aber vor allem Vertrauen und Besonnenheit benötigt.

Gedacht sind die formulierten Erträge dieser Arbeit als Herausforderungen für das persönliche Verhalten im Alltag und für ein mögliches Engagement in der Öffentlichkeit. Das Leben in einer Haltung der Verantwortung ist aber dennoch nicht isoliert zu sehen, zumal es Gruppen, Verbände und Aktivitäten gibt, die in der »Sache« einen Beitrag leisten, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven. Gestützt wird diese Arbeit an einer offenen Zukunft auch durch die Wirkung einzelner Personen, die durch ihre Ideen und eine damit verbundene Breitenwirkung, immer wieder zu einer Weiterverfolgung motivieren, um die Lebensbedingungen auf und für diese Erde zu bewahren. Es können so wirkungsvolle Netzwerke der gegenseitigen Unterstützung entstehen.

Als spirituelle Grundlage für den hier entfaltenden Gedankengang wird das Zen gewählt, da das Zen als weltanschaulich neutral gilt und mit philosophischen und wissenschaftlichen Positionen verknüpft werden kann. Die spirituelle Dimension des Zen erlaubt es, die Verantwortung für die Ethik, über die Vernunft hinaus zu begründen. In gleicher Weise wäre es möglich, den vorgenommenen Gedankengang aus Sicht der christlichen Mystik, ausgehend von Meister Eckhart, oder aus der Perspektive einer Philosophia perennis, wie der Existenzphilosophie von Karl Jaspers, auszugehen. Es kommt hier nur auf die gezogenen Schlussfolgerungen, bezogen auf die Zielsetzung einer möglichen Krisenbewältigung, an, die für mich, für alle drei Ansätze (Zen, christliche Mystik, Philosophia perennis) für die ethischen Belange gleich sind. Inhaltlich sind die genannten Ansätze nicht identisch und haben ihre eigenen Schwerpunkte.

Die ethische Haltung auf der Grundlage der Lehre des Zen, wird als ein Beitrag für die notwendigen Veränderungen gesehen; es bedarf außerdem, zusätzlich zur Änderung des Einzelnen, einer massiven Unterstützung durch Änderungen in der Politik, der Wirtschaft und Technik, wie auch der Wissenschaft, damit notwendige Umsetzungen nachhaltig gelingen können.

Das Zen, hier verstanden als Erfahrung der Wirklichkeit und das Erreichen eines inneren Friedens, ist traditionell zurückhaltend mit Handlungshinweisen; es findet sich lediglich ein knapper Hinweis im Plattform-Sutra:1

Handle den Umständen entsprechend.

Dieser Satz entspricht aus Sicht der Mystik, dem Satz Augustins: Liebe und tue, was du willst. In beiden Sätzen sind alle potentiell folgenden Handlungsschritte im Kern enthalten. Es gibt die Position, die diesen knappen Hinweis für ausreichend hält, da er alle weiteren Entwicklungen schon beinhalte und häufig mit dem Argument verknüpft wird, dass die Haltung der Ich-Freiheit2 genügt, da dadurch schon klar wäre, was zu tun sei. Diesem Verständnis folge ich hier nicht, sondern sehe den Bedarf, zur vorhandenen Potentialität noch erläuternde und unterstützende »Leitsätze« für die heutige Weltsituation zusätzlich zu entwickeln. Dann ist der Handlungs- und Problemhorizont von Beginn an klarer.

Grundlage für diese Ethik ist weiter ein positives Menschenbild, das aus den Erkenntnissen der evolutionären Anthropologie und der Erfahrung der Einheit der Wirklichkeit gewonnen wird. Bisher wurde der Mensch in unserer westlichen Kultur letztendlich als von Natur aus egoistisch und böse betrachtet. Die moderne Evolutionstheorie betont durchaus auch die Befähigung zu pro-sozialem Verhalten und einer von Mitgefühl geleiteten Moralität. Verbunden mit der Einsicht in die Wirklichkeit und der Erfahrung einer spirituellen Liebe, zeigt sich ein konstruktives Menschenbild. Aus der Wesenssicht ist der Mensch, da alles mit allem verbunden ist, ein integrierter Teil der Welt, ist er Teil der Natur. Das bedeutet eine Korrektur des bisherigen westlichen Menschenbildes, das den Menschen als aus der Natur herausragend angesehen hat.3 Aus Sicht des Zen ist ein isoliertes Menschenbild nicht nötig, da alles eine untrennbare Ganzheit ist und sich letztlich von Augenblick zu Augenblick wandelt und vom Wesen her leer ist. Dennoch ist es auf der gleichzeitigen, relativen Ebene der Alltagswelt sinnvoll von einem Menschenbild zu sprechen.