Zen und die Kunst, die Welt zu retten - Thich Nhat Hanh - E-Book
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Zen und die Kunst, die Welt zu retten E-Book

Thich Nhat Hanh

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Beschreibung

Wir leben in schwierigen Zeiten: Verunsicherung und Hilflosigkeit sind groß angesichts von Umweltkatastrophen, sozialer Ungleichheit oder Pandemien. Thich Nhat Hanh, einer der bedeutendsten spirituellen Lehrer der Gegenwart, macht Mut. Denn es gibt etwas, das wir alle ändern können und das den entscheidenden Unterschied ausmachen kann: unsere geistige Haltung. Der Weg heraus aus der Krise führt über unser Inneres! Dort können wir die nötige Kraft für Veränderung finden – und der weltbekannte Zen-Mönch zeigt uns mithilfe von fünf Achtsamkeitstrainings, wie wir unser eigenes Leben und alles um uns herum auf eine völlig neue Art sehen. Mit echtem Mitgefühl und innerer Klarheit finden wir Heilung für uns selbst, unsere Mitmenschen und unseren Planeten.

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Wir leben in schwierigen Zeiten: Verunsicherung und Hilflosigkeit sind groß angesichts von Umweltkatastrophen, sozialer Ungleichheit oder Pandemien. Thich Nhat Hanh, einer der bedeutendsten spirituellen Lehrer der Gegenwart, macht Mut. Denn es gibt etwas, das wir alle ändern können und das den entscheidenden Unterschied ausmacht: unsere geistige Haltung. Der Weg heraus aus der Krise führt über unser Inneres! Dort können wir die nötige Kraft für Veränderung finden – und der weltbekannte Zen-Mönch zeigt uns mithilfe von fünf Achtsamkeitstrainings, wie wir unser eigenes Leben und alles um uns herum auf eine völlig neue Art sehen lernen. Mit echtem Mitgefühl und innerer Klarheit finden wir Heilung für uns selbst, unsere Mitmenschen und unseren Planeten.

THICH NHAT HANH

Herausgegeben und mit Kommentaren

versehen von Schwester True Dedication

Mit einem Nachwort

von Schwester Chan Khong

Aus dem Englischen übersetzt von Ursula Richard

Lotos

Die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel

»Zen and the Art of Saving the Planet« im Verlag HarperOne,

an imprint of HarperCollins Publishers, LLC, USA.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Lotos Verlag

Lotos ist ein Verlag der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH.

Copyright © 2021 by Plum Village Community

of Engaged Buddhism.

Published by arrangement with HarperOne,

an imprint of HarperCollins Publishers, LLC.

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2022

by Lotos Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte sind vorbehalten. Printed in Germany.

Covergestaltung: Guter Punkt, München,

unter Verwendung des Originalcovers

von © The Book Designers

mit einem Foto von Shutterstock & PVCEB

Satz: Leingärtner, Nabburg

www.ansata-integral-lotos.de

ISBN 978-3-641-29266-9V002

INHALT

VORWORT

von Schwester True Dedication (»Wahre Hingabe«)

EINFÜHRUNG

TEIL 1: RADIKALE ERKENNTNIS:

EINE NEUE SICHTWEISE

TEIL 2: DIE HANDLUNGSDIMENSION:

EINE NEUE LEBENSWEISE

EHRFURCHT VOR DEM LEBEN: GEWALTLOSIGKEIT IST EIN WEG, KEINE TAKTIK

TIEFE EINFACHHEIT: SIE SIND GENUG

RICHTIGER TREIBSTOFF: BESCHÜTZEN SIE IHREN GEIST, NÄHREN SIE IHRE TIEFE SEHNSUCHT

MUT IM DIALOG: DIE MACHT DES ZUHÖRENS

WAHRE LIEBE: WIE WIRD SIE REAL?

TEIL 3: GEMEINSCHAFTEN DES WIDERSTANDS:

EINE NEUE WEISE DES MITEINANDERSEINS

EPILOG

NACHWORT

IHR SEID DIE ZUKUNFT

DANKSAGUNG

VORWORT

Schwester True Dedication

Thich Nhat Hanh (oder »Thay«, wie wir ihn nennen, das bedeutet »Lehrer« auf Vietnamesisch) ist ein Dichter, Gelehrter, Friedensaktivist, Zen-Meister – und ein Mann der Tat. Seine inspirierende, entschlossene, mitfühlende und furchtlose Haltung entspringt einem Ort der Gelassenheit und Einsicht. Thay lehrt, dass Meditation zu praktizieren bedeutet, »tief in das Herz der Wirklichkeit zu schauen und Dinge zu sehen, die andere nicht sehen können«. »Sobald man etwas sieht«, so sagt er, »muss man auch handeln. Was nützt sonst das Sehen?«

Thay, seit fast achtzig Jahren Mönch, hat zeit seines Lebens seine Meditations- und Achtsamkeitspraxis auf bemerkenswerte Weise mit Aktivitäten für Frieden und soziale Gerechtigkeit verbunden, und er hat seine Lebensenergie in die Ausbildung der nächsten Generation von engagierten Buddhistinnen und Buddhisten einfließen lassen sowie in den Aufbau heilsamer Gemeinschaften für achtsames Leben, die auch zukünftig Katalysatoren für Veränderungen in der Welt sein werden.

In den 1960er-Jahren hat Thay in Vietnam eine Bewegung von Tausenden von jungen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern ins Leben gerufen, bevor er in den Westen ging, um dort für den Frieden zu werben. Als eine der führenden Stimmen für gewaltlosen sozialen Wandel arbeitete er mit Dr. Martin Luther King Jr. zusammen und teilte mit ihm die Vision, eine »geliebte Gemeinschaft« aufzubauen, die Spaltung, Diskriminierung und Hass überwinden kann – eine Gemeinschaft, in der wahre Versöhnung zwischen den Menschen und den Nationen möglich ist. In den 1970er-Jahren rettete Thay zusammen mit Schwester Chan Khong und anderen Weggefährten Bootsflüchtlinge aus den Gewässern vor Singapur und initiierte eine der ersten internationalen Umweltkonferenzen in Europa. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte Thay einen für Millionen Menschen zugänglichen Weg, Achtsamkeit im Alltag anzuwenden. Seine Vision von mitfühlender Führung hat er mit Politikern, Geschäftsleuten, Lehrerinnen, Aktivistinnen und sogar mit CEOs aus dem Silicon Valley geteilt. Aus seinen eigenen – oft schmerzhaften – persönlichen Erfahrungen mit instabilen und polarisierten Zeiten heraus hat er einen einfachen, aber wirkungsvollen Kodex einer globalen Ethik entwickelt – ein leuchtender Kompass, der uns den Weg in die Zukunft weist.

Gegenwärtig stehen wir vor einer richtungsweisenden Kreuzung, denn wir befinden uns inmitten verschiedener kraftvoller Krisen: Umweltzerstörung, Klimakatastrophe, wachsende Ungleichheit und Ausbeutung, rassialisierte Ungerechtigkeit sowie die nachhaltigen Auswirkungen einer verheerenden Pandemie. Die Situation ist mehr als bedrohlich. Um diesen Herausforderungen mit dem Besten, was wir haben, zu begegnen, müssen wir Wege finden, unsere Klarheit, unser Mitgefühl und unseren Mut zu stärken. Uns in Meditation und Achtsamkeit zu schulen ist kein Opiat, um dem, was da geschieht, zu entkommen, sondern ein Weg, um den Geist zu beruhigen und tief zu schauen, damit wir uns selbst und die Welt klarer sehen können. Von dieser Grundlage der Klarheit und Einsicht aus können wir die angemessensten, wirksamsten Maßnahmen ergreifen, um die Situation zu verändern und eine regenerative Kultur zu schaffen, in der alles Leben geachtet wird.

Thay sagt, dass »die Welt keine weitere Ideologie oder Doktrin braucht, sondern die Art von Erwachen, die unsere spirituelle Kraft und Stärke wiederherstellt«. Dieses Buch, herausgegeben von seinen Schülerinnen und Schülern, vermittelt seine inspirierenden, zeitgemäßen Lehren für die nächste Generation und enthält seine Anleitungen, wie wir unseren tiefen Wunsch, unser Bestreben, unserer Gesellschaft und unserem Planeten zu helfen, bewahren können, ohne auszubrennen. Thay hat uns bereits vor zehn Jahren gebeten, mit der Arbeit an diesem Buch zu beginnen, und wir freuen uns sehr, dass wir nun seine kraftvollen Zen-Lehren über Tiefenökologie, engagiertes Handeln, Gemeinschaftsbildung und kollektives Erwachen aus seinen Schriften, Vorträgen, Interviews und Frage-und-Antwort-Sitzungen in einem Band zusammengestellt haben. Wir können uns in unseren Entscheidungen und Handlungen von Thays praktischer Alltagsethik leiten lassen. Das versetzt uns in die Lage, unsere alltäglichen, uns immer wieder ausbremsenden Gewohnheiten zu verändern, und wir können Freude und Sinn im Herzen eines jeden Augenblicks finden. Thay sagt, dass wir ohne eine solche Ethik – ohne eine spirituelle Dimension, die unser tägliches Leben leitet – alles verlieren werden.

Bevor Thay im Jahr 2014 einen schweren Schlaganfall erlitt, hatten viele von uns die Chance, unter seiner Anleitung mit ihm zu leben und zu üben. Er förderte uns und forderte uns, ermutigte uns, und manchmal schalt er uns auch. Er war zärtlich wie ein Großvater und kämpferisch wie ein Krieger. Es gab Zeiten, in denen er uns dazu aufforderte, einige seiner vielen Arme des engagierten Handelns in der Welt zu sein. Und was auch immer die Aufgabe war, sie sollte stets direkt erledigt werden. (Ich habe gelernt, dass eine junge Schülerin ihren Lehrer niemals fragen sollte: »Bist du sicher?«) Manchmal erklärte Thay in wahrem Zen-Stil: »Tu nicht einfach nur etwas, setz dich hin!« In anderen Momenten rief er uns namentlich auf, und wir mussten unser Kissen und die Meditationshalle verlassen, um an etwas Dringendem zu arbeiten, mit dem wir noch nicht fertig geworden waren. Es gab Tage, an denen er uns mit einem sanften Lächeln und einem Funkeln in den Augen daran erinnerte, dass »es nicht nötig ist, zu Mittag zu essen. Der menschliche Körper kann mehrere Tage ohne Essen überleben.« Und es gab andere Tage, an denen er sah, dass wir über unsere viele Arbeit zu essen vergessen hatten, und leise in die Küche ging, um uns eine heiße Suppe zum Abendessen zu kochen.

Es ist schwer, Thays Mitgefühl und auch Feuer sowie seinen freundlichen, durchdringenden Blick in Worte zu fassen. Es ist schwer, seine Sanftmut und Wärme zu beschreiben. Es ist schwer zu verdeutlichen, wie viel Liebe und Vertrauen er bedingungslos all jenen entgegenbringt, die sich als seine Schülerinnen und Schüler betrachten. Thay ermutigt uns, das Wagnis einzugehen, uns eine völlig neue Art, zu leben und zu handeln, vorzustellen und niemals Angst vor dem Träumen zu haben. Und er erinnert uns daran, dass wir, egal was passiert, immer zusammenarbeiten müssen, niemals allein. Wir laden Sie ein, sich mit uns als Weggefährtinnen und -gefährten auf eine Reise zu begeben: zum Kern seiner Lehren über Zen und die Kunst, die Welt zu retten.

T. D.

Ich habe dich gesucht, mein Kind,

Seit jener Zeit, da die Flüsse und Berge noch im Dunkeln lagen.

Gesucht habe ich dich, als du noch tief geschlafen hast,

Obgleich das Muschelhorn viele Male aus allen zehn Richtungen widerhallte.

Ohne unseren altehrwürdigen Berg zu verlassen, habe ich auf entfernte Länder geschaut

Und deine Schritte auf so vielen unterschiedlichen Pfaden wiedererkannt.

Wohin gehst du, mein Kind?

In früheren Leben hast du oft meine Hand genommen,

Und wir haben uns daran erfreut, zusammen zu gehen.

Wir haben lange Zeit am Fuße alter Kiefern zusammengesessen,

Wir haben Seit an Seit viele Stunden in Stille dagestanden,

Dem sanften Ruf des Windes gelauscht

Und den vorbeiziehenden weißen Wolken zugesehen.

Du hast das erste rote Herbstblatt aufgehoben und mir gegeben,

Und ich habe dich durch tief verschneite Wälder geführt.

Doch wo immer wir hingehen, immer kehren wir zu unserem alten Berg zurück,

Um dem Mond und den Sternen nahe zu sein,

Um jeden Morgen die große Glocke zum Erklingen zu bringen

Und allen Wesen zu helfen aufzuwachen.

Aus »Am Waldesrand«

von Thich Nhat Hanh

EINFÜHRUNG

Die Schönheit der Erde ist eine Glocke der Achtsamkeit. Wenn Sie diese Schönheit nicht sehen, sollten Sie sich fragen, warum. Vielleicht steht Ihnen etwas im Weg oder Sie sind so sehr damit beschäftigt, nach etwas anderem Ausschau zu halten, dass Sie den Ruf der Erde nicht hören.

Mutter Erde sagt: »Mein Kind, ich bin für dich da; ich biete dir all dies an.« Es ist wahr: die Sonnenstrahlen, das Vogelgezwitscher, die klaren Bäche, die Kirschblüten im Frühling und die Schönheit der vier Jahreszeiten – das alles ist für Sie da. Wenn Sie es nicht sehen oder hören können, liegt das daran, dass Sie zu viel im Kopf haben.

Die Erde sagt Ihnen, dass sie da ist und dass sie Sie liebt. Jede Blume ist ein Lächeln der Erde. Sie lächelt Ihnen zu, doch Sie wollen nicht zurücklächeln. Die Frucht in Ihrer Hand – vielleicht eine Orange oder eine Kiwi – ist ein Geschenk der Erde. Verspüren Sie aber keine Dankbarkeit, dann sind Sie nicht wirklich für die Erde und das Leben da.

Eine wesentliche Voraussetzung dafür, den Ruf der Erde zu hören und ihr zu antworten, ist Stille. Ohne innere Stille werden Sie ihren Ruf nicht hören: den Ruf des Lebens. Ihr Herz ruft Sie, aber Sie hören es nicht. Sie haben keine Zeit, auf Ihr Herz zu hören.

Achtsamkeit hilft uns, uns nicht länger abzulenken und zu unserer Atmung zurückzukehren. Indem wir mit der Aufmerksamkeit nur bei unserer Ein- und Ausatmung sind, hören wir auf zu denken und erwachen innerhalb weniger Sekunden zu der Tatsache, dass wir lebendig sind, dass wir einatmen, hier sind. Wir existieren. Wir sind nicht nicht existent. Wir erkennen: »Ahhh, ich bin hier, ich bin lebendig.« Wir hören auf, an die Vergangenheit zu denken, wir hören auf, uns über die Zukunft zu sorgen, wir richten unsere gesamte Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass wir atmen. Unser achtsames Atmen befreit uns. Wir sind frei, ganz gegenwärtig zu sein: frei von Gedanken, Angst, Sorgen und Streben.

Sind wir frei, können wir auf den Ruf der Erde antworten. »Ich bin hier. Ich bin dein Kind.« Wir erkennen, dass wir Teil des Wunders sind. Und wir können sagen: »Ich bin frei: frei von all dem, was mich daran hindert, ganz und gar lebendig zu sein. Du kannst dich auf mich verlassen.«

Wenn Sie erwachen und erkennen, dass die Erde nicht nur Umwelt ist, sondern dass Sie die Erde sind, dann berühren Sie die Natur des Interseins, unsere wechselseitige Verbundenheit und Verwobenheit. Und in diesem Moment treten Sie in eine echte Kommunikation mit der Erde ein. Das ist die höchste Form des Gebets. In dieser Art Beziehung werden Sie über die Liebe, die Kraft und das Erwachen verfügen, die Sie für die Veränderung Ihres Lebens benötigen.

Viele von uns haben sich der Erde entfremdet. Wir vergessen immer wieder, dass wir hier auf einem wunderschönen Planeten leben und dass unser Körper ein Wunder ist, welches wir der Erde und dem gesamten Kosmos zu verdanken haben. Die Erde vermochte Leben hervorzubringen, weil sie auch Nicht-Erde-Elemente in sich trägt, darunter die Sonne und die Sterne. Die Menschheit ist aus Sternenstaub entstanden. Die Erde ist nicht nur die Erde, sondern der gesamte Kosmos.

Nur mit dieser Sichtweise und Einsicht werden Sie Ihre wertenden Unterscheidungen aufgeben und sich mit der Erde tief verbunden fühlen. Daraus wird sich viel Gutes entwickeln. Sie sehen die Dinge nicht länger auf dualistische Weise und überwinden die Vorstellung, dass die Erde nur die Umwelt mit Ihnen im Zentrum ist und Sie nur dann etwas für die Erde tun wollen, wenn es Ihrem Überleben dient.

Werden Sie sich beim Einatmen Ihres Körpers bewusst, schauen Sie tief in Ihren Körper hinein und erkennen Sie, dass Sie die Erde sind und dass Ihr Bewusstsein das Bewusstsein der Erde ist und es zu einem befreiten Bewusstsein werden kann, frei von jeglichen wertenden Unterscheidungen und falschen Ansichten. Damit werden Sie das, was Mutter Erde von Ihnen erwartet: erleuchtet, ein Buddha, sodass Sie allen Lebewesen helfen können, nicht nur auf der Erde, sondern letztlich auch auf anderen Planeten.

Meine Generation hat viele Fehler gemacht. Wir haben uns diesen Planeten von den jüngeren Generationen geliehen, und wir haben ihm immensen Schaden zugefügt und große Zerstörung angerichtet. Wir sind beschämt, ihn jetzt so zu übergeben, und hätten es uns anders gewünscht. Ihr Jungen erhaltet einen wunderschönen, aber beschädigten, verwundeten Planeten. Das tut uns leid. Als jemand der älteren Generation hoffe ich, dass die junge Generation so schnell wie möglich aktiv wird. Dieser Planet gehört euch, den zukünftigen Generationen. Euer Schicksal und das Schicksal des Planeten liegen in euren Händen.

Unsere Zivilisation ist eine Zivilisation, die auf Pump lebt. Wann immer wir uns etwas anschaffen, das wir uns nicht leisten können, wie ein Haus oder ein Auto, setzen wir darauf, dass wir in der Zukunft in der Lage sein werden, die Schulden zurückzuzahlen. Wir leben auf Pump, ohne zu wissen, ob wir das alles jemals zurückzahlen können. Auf diese Weise sind wir bei uns selbst, unserer Gesundheit und unserem Planeten zu Schuldnern geworden. Aber der Planet kann das nicht mehr tragen. Wir haben uns auch zu viel von unseren Kindern und Enkelkindern geliehen. Der Planet und die zukünftigen Generationen sind auch wir; wir sind nicht voneinander getrennt. Der Planet sind wir, und die zukünftigen Generationen sind auch wir. Die Wahrheit ist aber, dass von uns selbst nicht mehr sehr viel übrig ist.

Von daher ist es sehr wichtig, dass wir aufwachen und erkennen: Wir müssen uns nichts mehr ausleihen. Was uns im Hier und Jetzt zur Verfügung steht, reicht vollkommen aus, damit wir uns genährt und glücklich fühlen. Das Wunder von Achtsamkeit, Konzentration und Einsicht besteht in der Erkenntnis, dass wir glücklich mit den uns verfügbaren Bedingungen sein können, dass wir nicht danach streben müssen, immer mehr zu bekommen und dafür den Planeten auszubeuten. Wir müssen nicht mehr auf Pump leben. Nur mit dieser Art von Erwachen können wir die Zerstörung stoppen.

Das ist keine individuelle Angelegenheit. Wir müssen gemeinsam aufwachen. Und wenn wir gemeinsam erwachen, dann haben wir eine Chance. Unsere Lebensweise und Zukunftsplanung haben uns in diese Situation geführt. Und jetzt müssen wir genau hinschauen, um einen Ausweg zu finden, nicht nur individuell, sondern kollektiv, als Menschheit. Man kann nicht mehr auf die ältere Generation allein zählen. Ich habe oft gesagt, dass ein Buddha nicht ausreicht; wir brauchen ein kollektives Erwachen. Wir alle müssen Buddhas werden, damit unser Planet eine Chance hat.

TEIL 1

RADIKALE ERKENNTNIS:

EINE NEUE SICHTWEISE

Sitzen Sie bequem?

Schwester True Dedication (T. D.)

Thay ist da ganz klar: Es gibt etwas, das wir wirklich verändern können: unseren Geist oder unser Bewusstsein, und das macht den Unterschied. Unser Geist ist das Instrument, das uns mit der Welt interagieren lässt; er umfasst unsere Verzweiflung und Ängste, unsere Hoffnungen und Träume. Die Sichtweise unseres Geistes bestimmt die Entscheidungen, die wir treffen oder vermeiden, sowie unser Handeln, legt fest, wie wir mit denen umgehen, die wir lieben oder ablehnen, und wie wir in einer Krise reagieren. Im Buddhismus sagen wir oft, dass wir mit unserem Geist die Welt erschaffen. Unsere Wahrnehmungen sind geprägt von der Sprache, Kultur und Gesellschaft, in der wir leben, und von der Tendenz, die Realität in Kategorien zu stecken, die oft einfach nicht passen. Diese Etiketten, vielfach wertend unterscheidend, schränken unsere Klarheit und unser Handeln zum Schutz des Planeten ein und hindern uns daran, in Harmonie miteinander und mit der Welt zu leben. Wir wollen vielleicht, dass die Welt erwacht und handelt. Aber welche Art von Erwachen ist denn tatsächlich hilfreich? Was brauchen wir, um zu was zu erwachen?

Der Buddhismus spricht von zwei Ebenen der Wahrheit: der Ebene der Etiketten und Erscheinungen, oft »konventionelle Wahrheit« genannt, und der tieferen Ebene der Realität, die als »letztendliche Wahrheit« bezeichnet wird. Thay lehrt uns, dass wir erkennen müssen, was auf beiden Ebenen der Wahrheit vor sich geht, wenn wir unserer Gesellschaft und unserem Planeten helfen wollen.

In vielen seiner Vorträge in Plum Village, dem internationalen Praxiszentrum und Kloster, das Thay im Südwesten Frankreichs gegründet hat, hat er einen der ältesten und kraftvollsten Texte des Zen-Buddhismus behandelt – das Diamant-Sutra. Es ist die weltweit erste Abhandlung über Tiefenökologie und ein Schatz des gemeinsamen Weisheitserbes der Menschheit. Das Sutra wurde im Nordosten des indischen Subkontinents verfasst, irgendwann zwischen dem zweiten und fünften Jahrhundert. Es gibt sogar eine aus dem neunten Jahrhundert stammende Rolle, gedruckt auf Papier aus Maulbeerbaumrinde und Hanf, die in den abgelegenen Dunhuang-Höhlen gefunden wurde, dort, wo die alte Seidenstraße in den Westen Chinas führte. Es ist das weltweit älteste gedruckte Buch der Welt. Auf einer Vortragsreise nach London vor einigen Jahren nahm Thay ein paar Dutzend von uns Mönchen und Nonnen mit, um mit ihm die Schriftrolle im Britischen Museum anzuschauen. Heutzutage vermag Weisheit räumliche und zeitliche Entfernungen zu überwinden.

Wie Sie auf den folgenden Seiten entdecken werden, bietet das Diamant-Sutra eine tiefgreifende Kontemplation an, die uns zu einem Durchbruch verhelfen kann bezüglich der Art und Weise, wie wir die Welt sehen. Die vierteilige Meditation lässt uns die Geschichten, die wir uns darüber erzählen, wie das Leben ist und wie es nicht ist, durchschauen und hilft uns, der tieferen Realitätsebene, so wie sie wirklich ist, näher zu kommen. Bekannt ist dieses Sutra als das Vajracchedika-Sutra – der »Donnerkeil« oder »Diamant«, der »die Illusion durchschneidet«. Wenden wir die Lehren des Diamant-Sutra an, kann das für uns zu einer enormen Quelle von Energie und Klarheit werden, um richtig zu handeln.

Es ist unglaublich schwer, innezuhalten und zurückzutreten. Vielleicht sogar beängstigend. Tatsache ist, dass man nur selten die Chance hat, die eigenen tief verwurzelten, gesellschaftlich geprägten Überzeugungen zu hinterfragen. Aus diesem Grund sollten Sie die folgenden Seiten langsam lesen und sich Zeit nehmen zu erkunden, wie Sie diese Erkenntnisse direkt auf Ihr eigenes Leben anwenden können. Vielleicht mögen Sie sich bei einem Spaziergang Raum für die Betrachtung dieser Ideen schaffen oder sich Notizen während des Lesens machen. Thay sagt stets, so wie der Buddha auch: »Was auch immer ihr tut, nehmt mich nicht einfach beim Wort. Setzt es in die Praxis um, und überzeugt euch selbst.«

Sind Sie bereit für ein wenig Wahrheitsfindung?

T. D.

FRÜHLINGSDONNER

Viele von uns kann man kaum als wach bezeichnen. Wir leben in der Welt, aber wir können sie nicht wirklich sehen; es ist, als ob wir schlafwandelten. Zu erwachen bedeutet vor allem, aufzuwachen zur Schönheit der Erde. Sie erwachen zu der Tatsache, dass Sie einen Körper haben und dieser Körper aus der Erde, der Sonne und den Sternen gemacht ist. Sie erwachen zu der Tatsache, dass der Himmel schön und unser Planet ein Juwel des Kosmos ist. Ihnen ist die Möglichkeit gegeben, ein Kind der Erde zu sein und Schritte auf diesem außergewöhnlichen Planeten zu machen.

Sie wachen zweitens auf zum Leiden in der Welt. Sie erwachen zu der Tatsache, dass die Erde und die unzähligen Arten von Lebewesen in Gefahr sind. Sie möchten Wege finden, um Linderung, Heilung und Transformation zu bringen. Dafür brauchen Sie viel Energie. Verspüren Sie ein starkes inneres Verlangen, einen Geist der Liebe, dann ist das die Art von Energie, die Ihnen helfen wird, folgende zwei Dinge zu tun: aufzuwachen zu den Schönheiten des Planeten, um sich selbst zu heilen, und aufzuwachen zum Leiden in der Welt und zu helfen versuchen. Wenn Sie über diese innere Quelle der Kraft sowie diesen Geist der Liebe verfügen, so sind Sie das, was man einen Buddha in Aktion nennen kann.

Nehmen Sie das Leiden in der Welt zwar wahr, haben aber Ihre Lebensweise noch nicht geändert, so ist Ihr Erwachen noch nicht stark genug. Sie sind noch nicht wirklich erwacht. Falls es für Ihr Erwachen nötig ist, wird im Zen ein Lehrer, eine Lehrerin Sie vielleicht manchmal sogar anschreien oder Ihnen einen Schlag versetzen. Der Schrei des Zen-Meisters ist wie ein Frühlingsdonner. Er weckt Sie auf und durch den anschließenden Regen werden Gräser und Blumen erblühen.

Wir brauchen ein echtes Erwachen, eine wirkliche Erleuchtung. Neue Gesetze und politische Maßnahmen sind nicht genug. Wir müssen unsere Art zu denken und unsere Sicht auf die Dinge ändern. Das ist möglich; die Wahrheit ist, dass wir es noch nicht wirklich versucht haben. Jeder und jede von uns muss es für sich selbst tun. Niemand sonst kann es für Sie tun. Sie sollten mit sich selbst und Ihrem eigenen Geist beginnen.

Ich bin der Überzeugung, dass wir die Welt nicht verändern können, wenn wir nicht in der Lage sind, unsere Denkweise, unser Bewusstsein zu ändern. Ein kollektiver Wandel in unserer Denkweise und unserer Sicht auf die Dinge ist dabei entscheidend. Ohne einen solchen Wandel können wir nicht erwarten, dass sich die Welt verändert.

Das kollektive Erwachen besteht aus individuellem Erwachen. Sie müssen zuerst selbst aufwachen, und dann haben die Menschen in Ihrem Umfeld eine Chance. Wenn wir selbst weniger leiden, können wir hilfreicher sein, und wir können anderen helfen, sich ebenfalls zu verändern. Frieden, Erwachen und Erleuchtung beginnen immer bei uns selbst. Sie selbst sind die Person, auf die Sie zählen müssen.

Einerseits müssen wir die Kunst des Glücklichseins erlernen: wie wir im Leben wirklich präsent sind, damit wir die Art von Nahrung und Heilung bekommen, die wir brauchen. Auf der anderen Seite müssen wir die Kunst des Leidens erlernen: wie wir mit unserem Leiden umgehen, um weniger zu leiden und anderen dabei helfen zu können, weniger zu leiden. Es erfordert Mut und Liebe, zu uns selbst zurückzukehren und uns um das Leiden, die Angst und Verzweiflung in uns selbst zu kümmern.

Meditation ist entscheidend dafür, dass Sie Ihre Verzweiflung überwinden, durch Einsicht furchtlos werden und Ihr Mitgefühl lebendig halten. Dann werden Sie als echtes Werkzeug der Erde allen Wesen zu helfen vermögen. Meditieren bedeutet nicht dem Leben entfliehen, sondern sich Zeit nehmen, tief zu schauen. Sie gönnen sich Zeit, um zu sitzen, zu gehen – um nichts zu tun. Sie schauen einfach tief in die Situation und in Ihren eigenen Geist hinein.

DIE EWIGKEIT IM GEGENWÄRTIGEN MOMENT

Das Artensterben findet jeden Tag statt. Wissenschaftler schätzen, dass jedes Jahr über zwanzigtausend Arten aussterben, und das Tempo beschleunigt sich. Das geschieht heute; es ist nicht etwas, das in der Zukunft liegt. Wir wissen, dass vor 251 Millionen Jahren bereits eine globale Erwärmung stattfand, die durch gigantische Vulkanausbrüche verursacht wurde, und diese Erwärmung verursachte das schlimmste Massenaussterben in der Geschichte unseres Planeten. Der Anstieg der globalen Temperatur um sechs Grad Celsius reichte aus, um 95 Prozent aller Arten auszulöschen. Jetzt findet eine zweite massive Erwärmung statt. Dazu kommen die vom Menschen verursachte Abholzung der Wälder und die industrielle Luftverschmutzung. Vielleicht wird es in hundert Jahren keine Menschen mehr auf unserem Planeten geben. Nach dem letzten Massenaussterben dauerte es hundert Millionen Jahre, bis sich die globale Diversität des Lebens auf der Erde wieder erholt hatte. Verschwindet unsere Zivilisation, wird es ähnlich lange dauern, bis sich eine neue Zivilisation entwickelt.

Wenn wir darüber nachsinnen, ist es nur natürlich, dass Gefühle von Angst, Verzweiflung oder Traurigkeit in uns aufkommen. Deshalb müssen wir uns durch die Praxis des achtsamen Atmens darin üben, mit unserem Einatmen und Ausatmen die Ewigkeit zu berühren. Das Massenaussterben hat bereits fünfmal stattgefunden, und das jetzige ist das sechste. Den tiefsten Einsichten des Buddhismus zufolge gibt es keine Geburt und keinen Tod. Nach dem Aussterben wird das Leben in anderen Formen wieder erscheinen.

Man muss auf eine sehr tiefgehende Weise atmen, um die Tatsache anzuerkennen, dass wir Menschen möglicherweise eines Tages verschwinden werden.

Wie können wir diese harte Tatsache akzeptieren und nicht von Verzweiflung überwältigt werden? Unsere Verzweiflung wird dadurch genährt, wie wir über uns selbst und die Welt denken. Wenn wir beginnen, unsere Ansichten zu überprüfen, und wir unsere Art, zu denken und die Dinge zu sehen, verändern, wird es uns auch möglich, den Geist wertender Unterscheidung zu transformieren, der an der Wurzel unseres Leidens liegt.

Wir können uns darin üben, den gegenwärtigen Moment in einer tieferen Weise zu sehen und zu erleben. Und wenn wir die Wirklichkeit im gegenwärtigen Moment tief berühren, berühren wir die Vergangenheit, wir berühren die Zukunft, und wir berühren die Ewigkeit. Wir sind die Umwelt, wir sind die Erde, und die Erde vermag wieder ins Gleichgewicht zu gelangen, selbst wenn zuvor viele Arten aussterben müssen.

Es braucht keine jahrelange Übung, um die Ewigkeit im gegenwärtigen Moment zu berühren. In einem Sekundenbruchteil kann man sie berühren. Durch nur einen einzigen achtsamen und konzentrierten Atemzug oder Schritt auf der Erde können wir die Zeit transzendieren. Wenn Sie den gegenwärtigen Moment tief berühren, leben Sie in der Ewigkeit.

ZEN-WURZELN

Der Sanskrit-Begriff für Meditation ist dhyana. Die Chinesen sprechen es chán aus, im Vietnamesischen sagen wir thiền, und im Japanischen heißt es zen. Das chinesische Schriftzeichen bedeutet wörtlich »die Praxis des Reflektierens«. In meiner Tradition verwenden wir den Ausdruck »die Praxis des tiefen Schauens«.

Um tief zu schauen, müssen Sie sich Zeit nehmen, achtsam und konzentriert gegenwärtig zu sein, sodass Sie Ihre Aufmerksamkeit auf das richten können, was vor sich geht. Das betrachten Sie dann eingehend. Die Energie der Achtsamkeit und Konzentration kann Ihnen zu einem Durchbruch verhelfen, und Sie beginnen, die wahre Natur dessen zu sehen, was da ist. Das kann eine Wolke, ein Kieselstein oder ein anderes menschliches Wesen sein oder auch Ihr Ärger oder Ihr Körper. Die Praxis des Zen, Dhyana, der Meditation, besteht also darin, ganz präsent zu sein und tief zu schauen.

Der Buddhismus in Vietnam begann mit der Meditationstradition. Zu Beginn des dritten Jahrhunderts gab es einen Kaufmann aus Sogdien in Zentralasien, der in den heutigen Norden Vietnams reiste, vielleicht entlang der sogenannten maritimen Seidenstraße. Er wollte dort seinen Geschäften nachgehen und dann bei günstigem Wind nach Indien zurücksegeln. Dieser junge Kaufmann fand es in Vietnam aber sehr angenehm, also ließ er sich dort nieder und heiratete eine junge Vietnamesin. Sie bekamen einen kleinen Jungen, der halb indisch und halb vietnamesisch war und später der erste Lehrer für buddhistische Meditation in Vietnam und China werden sollte: Meister Tang Hoi.

Als Tang Hoi zehn Jahre alt war, starben sein Vater und seine Mutter, und er wurde in einen indischen buddhistischen Tempel im heutigen Nordvietnam aufgenommen, um zum Mönch ausgebildet zu werden. Die Tempel waren von indischen Mönchen in den Häfen und Handelszentren für die indischen Kaufleute errichtet worden, die sich dort für längere Zeit aufhielten. Im dritten Jahrhundert erblühte der Buddhismus. Als junger Mönch studierte Tang Hoi sowohl Sanskrit als auch Chinesisch. Er gründete eine Gemeinschaft und lehrte in Vietnam, bevor er nach Norden über die Grenze in das Königreich Wu (heute China) wanderte, um die buddhistische Meditationspraxis weiterzugeben.

Als Tang Hoi in das Wu-Königreich kam, gab es dort der Überlieferung zufolge noch keine buddhistischen Mönche; er war der erste. Er baute sich eine kleine Hütte und praktizierte Gehmeditation, und seine Anwesenheit sprach sich schnell herum. Er wurde vom König eingeladen, der sich sehr beeindruckt von ihm zeigte und ihm um die Mitte des Jahrhunderts den Bau des ersten buddhistischen Tempels im Königreich Wu erlaubte. Dieser wurde als »der erste gebaute Tempel« bekannt, und wenn man heute nach Nanjing reist, kann man noch die Ruinen sehen. Dort begann Tang Hoi Meditation zu lehren und organisierte Zeremonien zur Ordination der ersten buddhistischen Mönche in China, etwa dreihundert Jahre vor Bodhidharma.

Bodhidharma wird von vielen für den ersten Lehrer des Zen-Buddhismus in China gehalten, aber das ist nicht wahr. Tang Hoi lehrte bereits dreihundert Jahre zuvor dort. Er ist tatsächlich der erste Zen-Meister Vietnams und Chinas. Und während Bodhidharma keine Schriften hinterlassen hat, hinterließ Tang Hoi viele heute noch erhaltene Werke, darunter wertvolle Übersetzungen und Kommentare. Er übersetzte und lehrte das Diamant-Sutra, eine der beliebtesten Schriften der Zen-Tradition und der früheste Text, der sich mit Tiefenökologie beschäftigt.

Wenn wir vom Diamant-Sutra hören, können wir uns einen Zen-Mönch wie Meister Tang Hoi vorstellen, der mit einem Stab in der Hand und einer alten Schriftrolle in seiner Tasche durch die Lande zog.

DER ALLES DURCHSCHNEIDENDE DIAMANT

Im Diamant-Sutra werden die Meditierenden dringend aufgefordert, vier Vorstellungen wegzuwerfen, loszulassen, um die eigene wahre Natur und die wahre Natur der Wirklichkeit zu verstehen: die Vorstellung eines »Selbst«, die Vorstellung eines »menschlichen Wesens«, die Vorstellung eines »Lebewesens« und Vorstellung einer »Lebensspanne«. Im Sutra heißt es, dass wir, solange wir in diesen Vorstellungen gefangen sind, noch nicht frei und echte Bodhisattvas sein können, erwachte Wesen, die das Leiden in der Welt zu lindern helfen. Aber wenn wir diese Vorstellungen durchschneiden und hinter uns lassen können, werden wir zu der Einsicht, dem Verstehen und der Freiheit gelangen, die wir brauchen, um den Planeten zu retten.

Es erfordert Einsicht und Mut, eine Idee zu wegzuwerfen. Unser tiefes Leiden kann daher rühren, dass wir an einer Idee festgehalten haben, von der wir uns nicht trennen konnten. Wegwerfen ist ein sehr starker Begriff. Es geht nicht einfach nur um ein »Loslassen«. Meister Tang Hoi verwendete vor vielen Jahrhunderten den Begriff »wegwerfen«, um den Pali-Begriff patinissagga zu übersetzen.

Der Sinn des tiefen Schauens und Meditierens liegt darin, dass wir zu Einsichten gelangen, und diese müssen wir selbst konkret erfahren. Wir sollten also keine Zeit damit verschwenden, immer neue Ideen und neues Wissen anzuhäufen; wir sollten uns das aneignen, was uns hilft, unsere tatsächlichen Herausforderungen und Hindernisse zu überwinden. Das Ziel eines Zen-Meisters ist es, den Schülerinnen und Schülern dabei zu helfen, sich zu transformieren; es geht nicht darum, intellektuelles Wissen oder Ansichten zu vermitteln. Eine Zen-Meisterin ist keine Professorin.

Meine Tradition gehört zur Linie des Zen-Meisters Linji aus dem neunten Jahrhundert. Er sagte oft: »Mein Ziel ist es nicht, euch Wissen zu vermitteln. Mein Ziel ist es, euch dabei zu helfen, dass ihr euch von euren Ansichten befreit.« Verstehen sollte sich nicht in bloßem Wissen erschöpfen, sondern tiefe Einsicht beinhalten. Einsicht ist kein Ergebnis des Denkens. Einsicht ist eine direkte, intuitive Vision, die sich aus starker Konzentration speist. Sie ist kein Produkt des Denkens. Sie ist eine tiefe Intuition. Und wenn es sich um eine echte Einsicht handelt, dann hat sie die Kraft, uns von unserer Wut, unserer Angst und unserem Leiden zu befreien.

Auch wenn man nur einmal im Leben etwas auf eine tiefgreifende Weise erkannt hat, ist das keine kleine Leistung. Haben Sie einmal etwas erkannt, mag es Ihnen auch ein weiteres Mal gelingen. Die Frage ist, ob Sie die dafür nötige Entschlossenheit und Ausdauer aufbringen.

SIE SIND MEHR, ALS SIE DENKEN

Die erste Vorstellung, die Sie wegwerfen müssen, ist die Vorstellung eines Selbst oder Ichs. Es ist ein sehr tief verwurzelter Glaube in jedem Menschen, dass es ein Selbst gebe, das vom Rest der Welt getrennt ist; dass ich ich selbst bin und jeder und alles andere, einschließlich der Erde, nicht »ich« ist. Wir werden mit diesem starken Glauben geboren, dass wir getrennt und eigenständig sind: »Ich bin nicht du. Das ist dein Problem; es ist nicht meins.« Intellektuell mögen wir vielleicht verstehen, dass nichts für sich allein existieren kann, aber tatsächlich glauben wir doch, dass es so sei, und wir verhalten uns so, als seien wir ein getrenntes Selbst. Dies ist die Grundlage unseres Denkens und Verhaltens, und es schafft eine Menge Leid. Es braucht eine intensive Schulung, um diese Vorstellung wegzuwerfen.

In Wirklichkeit ist da niemand, kein Selbst, kein Ich. Es gibt das Denken; es gibt die Reflexion. Aber es steht keine Person dahinter. Als Descartes sagte: »Ich denke, also bin ich«, meinte er damit, dass er in der Zeit des Denkens selbst der Denkende ist. Der Buddha sagte, dass es ein fortwährendes Denken gibt, aber es gar nicht sicher sei, dass ein »Ich« hinter dem Denken steht. Denken findet statt; das können wir feststellen. Aber können wir sagen, dass es einen Denker gibt? Wenn es ein schmerzhaftes Gefühl gibt, können wir mit Sicherheit sagen, dass da ein schmerzhaftes Gefühl ist. Aber was die Person als Fühlende angeht, ist das nicht so sicher. Das ist so ähnlich, wie wenn man sagt: »Es regnet.« Der Regen ist etwas, das geschieht; es regnet, aber es gibt keinen Regenmacher. Man braucht keinen Regenmacher, damit Regen möglich ist. Und man braucht auch keinen Denkenden, damit Denken möglich ist. Man braucht keine Fühlende, damit Fühlen möglich ist. Das ist die Lehre vom Nicht-Selbst. Die Vorstellung eines »Selbst« oder »Ich« beinhaltet, dass ich dieser Körper bin, dieser Körper ist ich; oder dieser Körper ist mein, er gehört mir. Aber diese Vorstellung entspricht nicht der Realität. Wenn Sie tief in Ihren Körper hineinschauen, erkennen Sie, dass Ihr Körper ein Strom ist. Sie können Ihre Eltern und Vorfahren in diesem Strom erkennen. Also, der Strom ist da, aber es ist nicht sicher, dass es darin jemanden gibt, der »ich« genannt werden kann. In diesem Strom können Sie Ihre Vorfahren und alles andere sehen – nicht nur menschliche Vorfahren, sondern auch tierische, pflanzliche und sogenannte anorganische Vorfahren. Es gibt ein Kontinuum. Ob es eine Person, eine Akteurin, dahinter gibt, ist nicht so sicher.

Eine bessere Aussage wäre daher: »Ich bin mit allem in wechselseitiger Abhängigkeit verbunden und verwoben, ich inter-bin.« Das ist näher an der Wahrheit. Wenn Vater und Sohn, Mutter und Tochter über die Einsicht in das Nicht-Selbst verfügen, werden sie einander im Licht dieser wechselseitigen Abhängigkeit und Verbundenheit, des Interseins, betrachten und tatsächlich keine Probleme mehr miteinander haben. Wir inter-sind. Ich bin so, weil du so bist.

Es ist sehr wichtig, die Vorstellung »ich bin« wegzuwerfen, weil sie nicht die wahre Natur der Wirklichkeit widerspiegelt.

Die Vorstellung eines getrennten Selbst ist wie ein Tunnel, in den man sich immer wieder begibt. Bei der Meditation können Sie erkennen, dass es den Atem gibt, aber nirgendwo ein Atmender zu finden ist; dass es das Sitzen gibt, aber nirgendwo eine Sitzende zu finden ist. Durch diese Erfahrung verschwindet der Tunnel, und ein weiter Raum und große Freiheit werden erlebbar.

WER BIN ICH?

Ich bin die Fortführung meiner Eltern. Ich bin die Fortführung meiner Vorfahren. Das ist ganz klar. Ich habe kein separates Selbst. In mich hineinschauend, kann ich meinen Vater, meine Mutter in jeder Zelle meines Körpers sehen. Ich kann meine Vorfahren in jeder Zelle meines Körpers sehen. Ich kann mein Land, mein Volk, in jeder Zelle meines Körpers sehen. Ich kann erkennen, dass ich aus vielen Elementen bestehe, die man als Nicht-Ich-Elemente bezeichnen kann. Ich bestehe aus Nicht-Ich-Elementen, und wenn diese Elemente zusammenkommen, bringen sie mich hervor. Ich bin also das. Ich habe keine separate Existenz. Ich habe kein getrenntes Selbst.

Das ist die richtige oder rechte Sichtweise. Wenn Sie die Wirklichkeit auf diese Weise sehen, sind Sie nicht mehr einsam, denn Sie sind der Kosmos. Sie haben diesen Körper, aber Sie haben auch einen kosmischen Körper. Der ganze Kosmos findet sich in Ihnen. Sie haben einen kosmischen Körper hier und jetzt, und Sie können mit dem Kosmos in Ihnen sprechen. Sie können mit Ihrem Vater in Ihnen, Ihrer Mutter in Ihnen, Ihren Vorfahren in Ihnen sprechen. Sie bestehen aus Nicht-Ich-Elementen. Sie sind die Fortführung von Eltern, Vorfahren, Sternen, Mond, Sonne, Flüssen, Bergen. Alles ist in Ihnen. Sie können mit alldem sprechen, in dem Wissen, dass Sie die Welt sind. Sie sind der Kosmos. Und das können Sie in der Meditation erkennen. Wenn Sie konzentriert sind, werden Sie zu sehen beginnen.

Angenommen, eine Welle, die auf dem Ozean erscheint, fragt sich: »Wer bin ich?« Wenn die Welle etwas Zeit hat, mit sich selbst in Berührung zu kommen, wird sie herausfinden, dass sie der Ozean ist. Sie ist eine Welle, aber gleichzeitig ist sie der Ozean. Und sie ist nicht nur diese Welle, sondern sie ist auch die anderen Wellen. So erkennt sie die Verbundenheit, die Natur des Interseins, die wechselseitige Verwobenheit zwischen sich und den anderen Wellen, und sie unterscheidet nicht mehr zwischen Selbst und Nicht-Selbst. Es ist sehr wichtig, dass die Welle erkennt, dass sie einen Wellenkörper hat, aber sie hat auch ihren Ozeankörper. Wenn die Welle ihren Ozeankörper erkennt, verliert sie jede Angst und gibt alle wertenden Unterscheidungen auf.

Das ist das Gute an der Meditation. Sie kann Ihnen helfen, Ihre Wurzeln zu berühren und sich von wertenden Unterscheidungen und Ängsten zu befreien. Wenn Sie meinen, dass Sie ein Selbst hätten – getrennt von Ihren Vorfahren und dem Kosmos –, dann irren Sie sich. Es gibt ein Ich, aber das besteht aus Nicht-Ich-Elementen.

Leben Sie achtsam und konzentriert, werden Sie immer tiefer die Wahrheit, die in Ihnen ist, berühren. Und eines Tages werden Sie feststellen, dass Sie auf dem Grund des Kosmos ruhen. Im Christentum spricht man vom »Ruhen in Gott«. Wenn die Welle im Ozean ruht, ist sie in Frieden. Ruhen Sie in Ihrem kosmischen Körper, erleben Sie Frieden. Bei der Gehmeditation kann jeder Schritt Ihnen helfen, diesen kosmischen Körper, den Ozeankörper, zu berühren, der Sie unsterblich macht. Sie haben dann keine Angst mehr vor dem Sterben. Aber viele von uns sind zu beschäftigt und haben keine Zeit, bewusst zu atmen und zu gehen, um in Berührung mit unserem kosmischen Körper, unserer wahren Natur von Nicht-Geburt und Nicht-Tod zu kommen.

Meditation kann sehr befriedigend sein. Sie sind auf der Suche nach sich selbst. Sie sind auf der Suche nach einem Sinn im Leben. Meditation bedeutet, sich die Zeit zu nehmen, um tief zu schauen, tief zu lauschen. Dann können Sie mit Ihrer wahren Natur in Berührung kommen und sich von Ängsten und wertenden Unterscheidendungen befreien.

TIEFENÖKOLOGIE

Die zweite Vorstellung, die uns das Diamant-Sutra wegzuwerfen aufträgt, ist die Vorstellung eines »menschlichen Wesens«. Wir wissen, dass der Homo sapiens noch eine sehr junge Spezies auf der Erde ist. Wir sind erst sehr spät gekommen, und dennoch verhalten wir uns so, als wären wir hier der Boss. Wir halten uns für etwas ganz Besonderes. Wir meinen, wir stünden über allem anderen und jeder anderen Spezies, als wäre alles für uns geschaffen worden. Mit dieser Sichtweise haben wir der Erde großen Schaden zugefügt. Wir wollen Sicherheit, Wohlstand und Glück nur für uns Menschen, auf Kosten von allem anderen. Doch bei tiefer Betrachtung sehen wir, dass wir Menschen nur aus nicht menschlichen Elementen bestehen, einschließlich Pflanzen, Tieren und Mineralien. Nicht nur in vergangenen Zeiten, sondern auch in diesem Moment, stehen wir in wechselseitiger Abhängigkeit und Verbundenheit mit all den nicht menschlichen Elementen in uns und um uns herum. Es ist ganz klar: Wie kann es ohne Mineralien, Pflanzen und Tiere Menschen geben? Wenn man all diese Elemente entfernt oder zurückgibt, kann ein Mensch nicht mehr existieren. Und doch versuchen wir, uns zu schützen und uns zu verteidigen, indem wir die nicht menschlichen Elemente, einschließlich anderer Arten, zerstören.

Im täglichen Leben müssen wir Worte benutzen, um Dinge zu benennen und zu definieren, aber das reicht nicht aus. In der zeitgenössischen Logik und Mathematik wird immer noch das »Identitätsprinzip« verwendet: A kann nur A sein. A kann nicht B sein. Aber dem Buddha zufolge sieht man bei tiefem Schauen, dass A nicht nur A ist. A besteht nur aus Nicht-A-Elementen. Der Mensch besteht nur aus nicht menschlichen Elementen. Der Mensch besteht aus all seinen Vorfahren. Die Berge, der Fluss, die Rose, der Planet bestehen alle aus Nicht-Berge-, Nicht-Fluss-, Nicht-Rose-, Nicht-Planeten-Elementen. Diese Erkenntnis macht uns frei. »Mensch« und »Berg« sind nur Etiketten, Bezeichnungen, ohne wirkliche Substanz. Sie haben keine eigene Existenz. Dies ist das Schwert der Dialektik des Diamant-Sutra: A ist nicht A, und deshalb kann es wahrhaftig A sein.

Der Mensch ist in allen Dingen gegenwärtig, und alle Dinge sind im Menschen gegenwärtig. Es gibt einen Berg in uns, sehen Sie das? Es gibt Wolken in uns, sehen Sie die? Es ist nicht nur so, dass wir früher eine Wolke oder ein Fels waren, sondern wir sind auch heute noch eine Wolke und ein Fels. In früheren Zeiten waren wir auch ein Fisch, ein Vogel, ein Reptil. Wir sind ein Mensch, ja, aber gleichzeitig sind wir alles. Wenn wir das erkennen, wissen wir, dass die Erhaltung anderer Arten auch unsere bedeutet. Das ist mit Intersein, der tiefgreifendsten Lehre der Tiefenökologie, gemeint.

In der Zen-Welt heißt es: »Bevor ich Meditation praktizierte, sah ich, dass die Berge Berge waren und die Flüsse Flüsse. Während ich praktizierte, sah ich, dass die Berge nicht mehr Berge und die Flüsse keine Flüsse mehr waren. Und nachdem ich praktiziert hatte, sah ich, dass die Berge wirklich Berge und die Flüsse wirklich Flüsse waren.« Ein solches Sehen führt zu Freiheit.

Ich kenne ökologisch engagierte Menschen, die in ihren Beziehungen nicht glücklich sind. Sie arbeiten sehr hart, um die Umwelt zu schützen, aber flüchten damit auch vor dem Partner, der Partnerin. Doch wie kann man der Umwelt helfen, wenn man selbst nicht glücklich ist? Deshalb bedeutet der Schutz nicht menschlicher Elemente gleichzeitig, uns Menschen zu schützen, und der Schutz von uns Menschen beinhaltet den Schutz nicht menschlicher Elemente. Die Einsicht in das Intersein hat die Kraft, uns aufzuwecken.

DAS LEBEN HAT KEINE GRENZEN

Die dritte Vorstellung, die wir durchschauen müssen, ist die Vorstellung von »Lebewesen«. Viele von uns unterscheiden zwischen empfindungsfähigen oder »lebenden« Wesen und nicht empfindungsfähiger oder »unbelebter« Materie. Doch die Wissenschaft der Evolution sagt uns, dass wir nicht nur menschliche und tierische, sondern auch anorganische Vorfahren haben. Lebewesen und unbelebte Welt zu trennen ist falsch.

Wir bestehen aus nicht empfindungsfähigen Elementen. Das Staubkorn, das Elementarteilchen, das Quark – sie sind wir, und wir sind sie. Wir müssen die Vorstellungen von Körper und Geist, Materie und Geist, Bewusstsein und materieller Welt überwinden. Sie sind ein großes Hindernis. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unserer Zeit haben entdeckt, dass sogar Photonen und Elektronen ihre eigene Intelligenz haben; auch da handelt es sich um Bewusstsein. Sie sind nicht inaktiv und leblos. Ein Maiskorn hat seine ganz eigene Art des Wissens: Man legt ein Maiskorn einfach in die Erde, und innerhalb von zehn Tagen weiß es, wie es sprießen kann und zu einer hochgewachsenen Maispflanze mit Blättern, Blüten und Maiskolben wird. Die sogenannten unbelebten Dinge sind nicht so unbelebt; sie sind sehr lebendig.

Man kann den Begriff »Lebewesen« hier auch mit »Sterbliche« übersetzen. Wir unterscheiden nicht nur zwischen »lebendig« und »unbelebt«, sondern auch zwischen dem, was lebendig – oder »sterblich« – ist und dem, was heilig oder unsterblich ist. Wir haben die Tendenz zwischen Lebewesen und heiligen Wesen zu unterscheiden. Schauen Sie in der Meditation tief in sich hinein und erkennen Sie, dass Sie aus Nicht-Ich-Elementen bestehen, einschließlich dem Element der Heiligkeit. Wir müssen die Vorstellung von einem »Lebewesen« im Unterschied zu einem Nicht-Lebewesen oder einem erleuchteten, heiligen Wesen aufgeben, denn diese Vorstellung erzeugt so viel Spaltung, Diskriminierung und Leiden. Das ist die Lehre – die Revolution – des Diamant-Sutra.

Wenn wir die Erde im Licht dieser Einsicht betrachten, sehen wir den Planeten nicht mehr als träge Materie, sondern als eine heilige Wirklichkeit, von der wir auch ein Teil sind. Dies wird unsere Einstellung zum Planeten verändern. Wir werden in der Lage sein, mit Schritten der Liebe und des Respektes auf der Erde gehen und unsere große Fähigkeit erkennen, anderen zu helfen.

PASSEN SIE AUF! VERFANGEN SIE SICH NICHT

Im Zen gibt es ein Koan, eine Frage zur Kontemplation: »Hat ein Hund Buddha-Natur?« Nicht nur ein Hund hat Buddha-Natur, sondern auch ein Stein – und der Planet. Die Erde manifestiert Einsicht, Erwachen, Glück und viele andere Tugenden. Die Erde ist ein weiblicher Buddha, eine Mutter. »Wessen Mutter?«, mögen Sie fragen. Die Mutter der Buddhas in menschlicher Gestalt und der Buddhas in nicht menschlicher Gestalt. Wenn wir uns nicht in Zeichen verfangen, ist es leicht, die Gegenwart eines Buddha zu erkennen.

Wann immer wir das Wort »Buddha« verwenden, ist es lediglich ein Konzept von Buddha. Vielleicht kennen Sie schon die Zen-Geschichte über das Wort »Buddha«. Ein Zen-Meister benutzte beim Lehren das Wort »Buddha«, und er tat es sehr sorgsam, denn das Wort »Buddha« und die Vorstellung von »Buddha« zu verwenden ist heikel. Es kann zu einem Gefängnis für die Zuhörenden werden. Die Menschen meinen vielleicht, sie wüssten, wer oder was der Buddha sei, und sie können sich in dieser Vorstellung verfangen.

Die Verwendung des Begriffs »Buddha« ist sehr gefährlich, und so ist es auch mit dem Begriff »Gott«. Um also seinen Zuhörern zu helfen, sich nicht in Worten zu verfangen, sagte der Zen-Meister: »Meine Freunde, ich bin gezwungen, das Wort ›Buddha‹ zu verwenden. Ich mag das Wort nicht; ich bin allergisch dagegen. Und jedes Mal, wenn ich es benutze, muss ich zum Fluss gehen und meinen Mund dreimal ausspülen.« Eine sehr starke Lehre. Sehr Zen. Alle waren still. Dann stand ein Schüler, der ganz hinten saß, auf und sagte: »Werter Lehrer! Jedes Mal, wenn ich Sie das Wort sagen höre, muss ich zum Fluss gehen und mir dreimal die Ohren auswaschen!«

Wir haben Glück, dass es einen solchen Lehrer und einen solchen Schüler gab, die uns helfen, uns nicht in Ideen und Worten zu verlieren oder zu verfangen.