Zen-Worte der blitzartigen Erleuchtung - Zensho W. Kopp - E-Book

Zen-Worte der blitzartigen Erleuchtung E-Book

Zensho W. Kopp

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Beschreibung

Wortwitz des bekannten Zen-Meisters – Zen-Geschichten ohne Ende. Vieles von dem, was in diesem Buch geschrieben steht, wird den Leser aufrütteln, seine gewohnte Sichtweise und somit alles, was er bereits weiß und woran er glaubt, infrage stellen. Es fordert den Leser heraus, indem es ihm abverlangt, seinen sogenannten gesunden Menschenverstand vollkommen hinter sich zu lassen, um zum unmittelbaren Begreifen der Wirklichkeit jenseits des verstandesmäßigen Verstehens zu gelangen. Durch diese Loslösung von alten Verhaltensmustern und Denkmodellen befreit dieser sich von den Ketten seiner Begrenzung, sodass sein Bewusstsein über den bisherigen eingeschränkten Horizont hinauswächst. In dem Buch geht es vor allem um das Zen des augenblicklichen Erfassens der Wirklichkeit, wie es von den großen chinesischen Chan-Meistern in der Zeit der Hochblüte des Zen gelehrt wurde. Der ursprüngliche Geist des Zen wird in diesem Buch hautnah spürbar. In den sehr lebendigen und prägnanten Texten begegnen uns der Witz und das befreiende Lachen der alten chinesischen Chan-Meister, die mit ihren paradoxen Worten und Handlungen unseren Verstand aus den Angeln heben. Zensho W. Kopp hat mit diesem Werk – das aus kurzen Texten besteht, die das Wesentliche ohne alles überflüssige Drumherum auf den Punkt bringen – ein äußerst wertvolles Praxisbuch des Zen geschaffen, das die tiefe Wahrheit dieser Lehre offenbart. Eine Besonderheit dieses Buches ist auch, dass es eine umfangreiche Sammlung der besten Koans und Mondos der Zen- Literatur enthält, die ohne die erhellenden Erläuterungen und Kommentare eines erleuchteten Meisters nur schwer verständlich wären.

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Zensho W. Kopp

Zen-Worte der blitzartigen Erleuchtung

Der Zen-Weg des augenblicklichen Erfassens der Wirklichkeit

ISBN 978-3-8434-6236-5

Zensho W. Kopp:

Zen-Worte der blitzartigen Erleuchtung

© 2010 Schirner Verlag, Darmstadt

Umschlaggestaltung: Michel Schmidt, Jörg Zimmermann;

unter Verwendung der Kalligraphie »Mu« von Zensho W. Kop

E-Book-Erstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt, Germany

Alle Zeichnungen und die Kalligraphie in diesem Buch stammen von Zensho W. Kopp.

www.schirner.com

1. E-Book-Auflage 2015

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen und sonstige Kommunikationsmittel, fotomechanische oder vertonte Wiedergabe sowie des auszugsweisen Nachdrucks vorbehalten

Inhalt

Vorwort

Das klare Licht des Geistes

Konzepte

Keine Unterscheidung

Betrüge dich nicht selbst

Weißer Ochse

Keine Wahl zwischen Zweierlei

Ich-Wahn

Teufelskreis

Blitzartige Erleuchtung

Der Finger und der Mond

Der wahre Mensch des Zen

Vollkommenes Vergessen

Spielerei

Zielorientiertheit

Nichts Besonderes

Das eine Wort

Alter Pfirsichkern

Zazen

Logischer Dualismus

Gehirnakrobat

Scheingebilde

Grenzsituation

Denkzwang

Zen – jenseits aller Worte

Wildgänse

Das Wesentliche im Zen

Alles ist MU

Das wahre MU des Zen

Die Natur des Geistes

Das Ich

Morgenstern

Heilig

Keine Erwartung

Nur-Geist-Lehre

Bashos Fröschlein

Die eine Wirklichkeit

Kuhschwanz

Nicht ein Wort

Töte den Buddha

Tokusans blitzartige Erleuchtung

Leere Begriffe

Bindung

Zither spielen für eine Kuh

Eine Kuh baden

Suche nicht!

Wu-wei

Das Eine

Maya-Gewebe

Suppe trinken, Reis essen!

Es gibt nichts zu erreichen

Weder Ja noch Nein

Zen

Satori – das eigentliche Zen-Leben

In einem Nu

Wahres Wesen

Persönlichkeit

Radikal empirisch

Erkenntnis

Pseudo-Zenisten

Schwierige Einfachheit

Die Freiheit des Zen

Der Mond ist immer da

Ein ausgestopfter Löwe

Falsche Suche

Joshus Steinbrücke

Reiskuchen

Pseudo-Sicherheit

Im Augenblick des Todes

Ma-tsu lacht

Spekulationen

Keine Lehre

Die vier Merkmale des Zen

Falsche Zen-Praxis

Schafgarbenstrauch

Ein Donnerschlag

Hund! Buddha-Natur!

Jenseits von Sein und Nichts

Pseudo-Meditation

Herbstblätter

Wahre Worte

Verbeugung

Wirf's weg

Leeres Blendwerk

Problem

Ein ganz besonderer Tag

Wahrer Zen-Geist

Der große Zen-Weg

Essschalen

Kein Geheimnis

Verrücktes Zen

Den Mund halten

Dringlichkeit

Definieren

Ein Frosch

Befreiung

Blick nach innen

Wundervolle Taten

Unterbrechen

Jetzt

Ein Schwert, um zu töten

Verwirrung

Teebrett

Sei gegenwärtig

Sukhavati-Paradies

Das Anfanglose

Die Gans in der Flasche

Wahres Verstehen

Unaussagbar

Wichtig

Blüten aus dem Nichts

Glückstag

Das eine Licht

Ma-tsus Axt

Loslassen am Abgrund

Vierfache Verneinung

Mit einem Hieb

Rossmäuler und Eselslippen

Kein Zen ohne Erleuchtung

Das große Erwachen

Geburt und Tod

Märchenblumen

Dieser Augenblick

Zen-Verwirklichung

Hirn vollstopfen

Befreit euch von allem!

Vergänglichkeit

Raum – Zeit

Stinkende Leichen

Begrenzte Blickwinkel

Ma-tsus Fußtritt

Ganzer Einsatz

Ein langer Traum

Wahnvorstellung

Den Fluss ausloten

Kommen und Gehen

Verstand

Form ist Leere

Hörner auf dem Kopf

Nicht-Denken

Angst vor der Leere

Marionette

Schon tot

Offene Weite – nichts von heilig

Das torlose Tor

Nichts zu lernen

Künstliche Praxis

Feldarbeit

Über den Fluss geblasen

Yung-chia bei Hui-neng

Lin-chis blitzartige Erleuchtung

Eine Sache von Leben und Tod

Jetzt-Hier

Die letzte Stunde

Heilige Verblendung

Der Geist ist Buddha

Anhang

Liste der Zen-Meister

Glossar

Bibliographie, weiterführende Literatur

Kontaktadresse

Zen-Meister-Porträts, gezeichnet von Zensho, finden sich auf den Seiten 266, 268, 270, 272 und 274.

Vorwort

Vieles von dem, was in diesem Buch geschrieben steht, wird den Leser aufrütteln, es wird seine gewohnte Sichtweise und somit alles, was er bereits weiß und woran er glaubt, in Frage stellen.

Das Buch fordert den Leser heraus. Denn sein Autor, Zen-Meister Zensho, verlangt von uns mit großer Entschiedenheit, dass wir unseren sogenannten gesunden Menschenverstand vollkommen hinter uns lassen, um zum unmittelbaren Begreifen der Wirklichkeit jenseits des verstandesmäßigen Verstehens zu gelangen.

In dieser Loslösung von allen festgefahrenen Verhaltensmustern und Denkmodellen befreien wir uns von den Ketten unserer selbsterzeugten Begrenzungen, und unser Bewusstsein wächst über den bisherigen begrenzten Horizont weit hinaus.

Zensho ist einer der herausragenden spirituellen Meister unserer Zeit. Das Zen, das er lehrt, ist erfrischend direkt und dem bei uns im Westen am meisten verbreiteten japanischen Zen, das sich durch seine humorlose Trockenheit auszeichnet, vollkommen entgegengesetzt. In diesem sehr lebendigen Zen-Buch begegnen uns der Witz und das befreiende Lachen der alten chinesischen Chan-Meister, die mit ihren paradoxen Worten und Handlungen unseren Verstand aus den Angeln heben.

Zensho hat mit diesem Werk, das aus kurzen Texten besteht – die das Wesentliche ohne alles überflüssige Drum und Dran auf den Punkt bringen –, ein äußerst wertvolles Praxisbuch des Zen geschaffen. Bei dieser Zen-Praxis geht es jedoch nicht nur, wie heute allgemein üblich, um die Übung der Meditation, des Zazen oder des achtsamen Gehens und Teetrinkens. Vielmehr geht es hier um das Zen des augenblicklichen Erfassens der Wirklichkeit, wie es von den großen chinesischen Chan-Meistern in der Zeit der Hochblüte des Zen gelehrt wurde.

Es gibt keine stufenweise Erleuchtungserfahrung, sondern nur ein plötzliches »blitzartiges« Erwachen zur Wirklichkeit unseres wahren Seins. Dies ist der wesentliche Kerngedanke dieses Buches.

Mit klaren Worten, die ins Schwarze treffen und jede Illusion entlarven, weist Zensho immer wieder darauf hin, dass die Erleuchtung jedem jederzeit möglich ist, der bereit ist, sich von seinem verselbstständigten Denkzwang zu befreien und sich auf die Wirklichkeit des Hier und Jetzt ganz einzulassen.

Die Möglichkeit des Erwachens ist immer gegeben, selbst in scheinbar ausweglosen Bewusstseinszuständen. Oftmals sind es gerade diese festgefahrenen Bewusstseinszustände, die einem plötzlichen Erleuchtungserlebnis vorausgehen.

Auf den folgenden Seiten finden sich viele Beispiele dafür, wie ein Faustschlag, ein Fußtritt oder oftmals nur ein Wort eines Zen-Meisters den Schleier der Dunkelheit des Schülers zerreißt, so dass sich ihm das Wesentliche enthüllt. Diese Beispiele, im Zen Mondos genannt, sind Zwiegespräche zwischen Meister und Schüler, in denen der Meister mit brillanter Schlagfertigkeit – oftmals handgreiflicher Art – das festgefahrene Denken des Schülers zerschlägt.

Eine Besonderheit in diesem Buch sind die von Zen-Meister Zensho gezeichneten Zen-Meister-Porträts im Anhang sowie eine Kalligraphie auf Seite 14. Erfüllt von der tiefen Wahrheit des Zen, lässt Zensho in seinen Bildern den außergewöhnlichen Charakter und den erfrischend tiefgründigen Humor der alten chinesischen Zen-Meister lebendig werden.

Seine ausdrucksstarken Bilder atmen den Geist des Zen und verweisen uns in der gesammelten Betrachtung auf die schweigende Aussage jener Wirklichkeit, aus der sie hervorgetreten sind.

Das Buch enthält eine umfangreiche Sammlung der besten Koans und Mondos der Zen-Literatur. Doch ohne die erhellenden Erläuterungen und Kommentare eines erleuchteten Meisters sind diese Koans und Mondos nur schwer verständlich.

Deshalb schätzen wir uns sehr glücklich, dieses äußerst wertvolle Zen-Buch eines großen spirituellen Meisters unserer Zeit veröffentlichen zu dürfen.

Frühjahr 2010

Die Herausgeber

Zen-Zentrum Tao Chan, Wiesbaden

»MU« - Nichts. Kalligraphie, gemalt von Zensho W. Kopp

Zen-Worte der blitzartigen Erleuchtung

Das klare Licht des Geistes

Seht: Ein höchst verheißungsvolles Licht von größter Helligkeit leuchtet im ganzen Kosmos. Es macht alles zugleich sichtbar – alle Länder, alle Ozeane, alle Berge, alle Sonnen und Monde, alle Himmel und alle Welten, von denen es jeweils hunderttausende Myriaden gibt. Ihr Mönche, seht ihr das Licht nicht?

Zen-Meister Chih-chang

Alles ist der Eine Geist. Nichts, was nicht der Eine Geist wäre. Und da dieser Geist dein wahres Wesen jenseits von Geburt und Tod und außerhalb von Raum und Zeit ist, kann er nichts anderes sein als das »Jetzt«.

Dein wahres Wesen kann niemals die Vergangenheit sein, und es kann niemals die Zukunft sein. Denn das sind alles nur Wolken, die über das klare Licht des Geistes hinwegziehen und keine Realität haben. Dahinter strahlt die Wirklichkeit des Einen Geistes mit unverminderter Klarheit – ewig und ungeboren, unzerstörbar und außerhalb von Raum und Zeit.

Zen-Meister Ling-yün wurde einst von einem Mönch gefragt: »Wie waren die Dinge vor dem Erscheinen des Buddha in der Welt?«

Der Meister hob schweigend seinen Fliegenwedel in die Höhe.

»Und wie waren die Dinge nach dem Erscheinen des Buddha?«

Wieder hob er seinen Fliegenwedel in die Höhe.

Konzepte

Ich trage einen Spaten in meinen Händen,

aber meine Hände sind leer.

Ich gehe zu Fuß,

doch reite ich auf dem Rücken eines Ochsen.

Wenn ich über die Brücke gehe,

siehe, die Brücke fließt, aber nicht das Wasser!

Zen-Meister Fu Ta-shih

Der Verstand denkt immer logisch, und die Antwort, die er findet, kann somit auch nur logisch sein. Doch schon allein dadurch, dass die Antwort logisch ist, ist sie in den Augen des Zen falsch, denn – alles begriffliche Denken ist eine irrtümliche Meinung.

Zen-Meister Huang-po saß eine Weile still auf seinem hohen Sitz, ohne ein Wort zu sagen. Dann sagte er: »Ich war von großer Güte zu euch – doch begreift ihr?«

Ein Mönch trat vor und fragte: »Schweigend verharren und kein Wort sagen – was ist dessen Sinn?«

Der Meister sagte: »Du redest im Schlaf.«

Der Mönch: »Bitte, sagt uns etwas über die Wahrheit des Zen.«

Der Meister: »Und du schnarchst auch noch.«

Der Mönch: »Mag sein, dass ich schnarche, doch wie steht es mit euch?«

Der Meister: »Wie kann man nur so unempfindlich sein, dass man nicht einmal weiß, wo es juckt?«

Keine Unterscheidung

Ein Mönch fragte Zen-Meister Hsüeh-tou: »Was ist die lebendige Wahrheit des Zen?«

Der Meister sagte: »Die Gebirge sind hoch, die Meere sind weit.«

Das ursprüngliche Zen, so wie es die alten chinesischen Zen-Meister gelehrt und gelebt haben, ist ein sehr spontanes, lebendiges Zen, das sich über jede Form von Unterscheidung erhebt. Alles, was es auch sei, ist das Eine ohne Zweites, in der Erscheinungsweise dessen, als was es uns erscheint.

Jede Dualität, jede Unterscheidung entspringt dem Nichtwissen, der konditionierten Tendenz des Verstandes, alles in Begriffen von Richtig und Falsch, Gut und Böse, Ja und Nein zu sehen und somit als Gegensätze zu trennen.

Da aber, in der Sprache des Zen, alles Denken eine irrtümliche Meinung ist, sind alle Gegensätze nichts weiter als willkürliche Annahmen eines von seinen eigenen Projektionen verblendeten Bewusstseins.

Alles ist das Eine, alles ist der Eine Geist, neben dem nichts anderes existiert. Es gibt nur die eine aus sich selbst seiende unteilbare Wirklichkeit.

Einmal wurde Zen-Meister Joshu von einem Mönch gefragt: »Wer ist der Buddha?«

Der Meister sagte: »Der im Schrein.«

Der Mönch: »Der Buddha im Schrein besitzt aber eine Form. Doch wer ist der wirkliche Buddha?«

»Der Geist ist Buddha.«

»Der Geist ist immer noch messbar. Doch wer ist der wirkliche Buddha?«

»Nicht-Geist ist Buddha«, sagte Joshu.

»Ist es erlaubt, zwischen Geist und Nicht-Geist zu unterscheiden?«

Joshu antwortete: »Du hast bereits eine Unterscheidung getroffen. Was soll ich noch weiter darüber sagen?«

Die größte Behinderung auf dem Zen-Weg ist der Intellekt mit seinem unterscheidenden, begrifflichen Denken. Da er stets auf die Unterscheidung von Subjekt und Objekt aus ist, muss er radikal abgeschnitten werden, wenn sich das Zen-Bewusstsein entfalten soll. Deshalb heißt es im Zen: »Geht es auf Gedankenpfaden nicht mehr weiter, kommt echte Belehrung zustande.«

Ein Mönch kam zu Besuch bei Meister Mu-chou. Mu-chou fragte ihn: »Bist du nicht einer von den Mönchen, die im Land umherwandern?«

Der Mönch sagte: »Ja.«

Der Meister fragte: »Hast du dich schon vor der Buddha-Statue verbeugt?«

Der Mönch entgegnete: »Warum sollte ich mich vor einem alten Lehmklumpen verbeugen?«

Da schrie ihn der Meister an: »Du elender Strauchdieb, mach, dass du fortkommst!«, und er versetzte ihm einen kräftigen Schlag mit seinem Stock.

Betrüge dich nicht selbst

Ein Mönch fragte Zen-Meister Shih-tou: »Warum kam der erste Patriarch damals aus dem Westen?«

Shih-tou sagte: »Frag doch den Tempelpfeiler dort!«

Der Mönch sagte: »Das verstehe ich aber nicht.«

Shih-tou entgegnete: »Ich verstehe auch nicht.«

Zen kann niemals zum Gegenstand gehirnakrobatischer Spekulationen und logischer Erklärungen gemacht werden. Deshalb heißt es im Zen: »Du kannst auf die Leere kein Brett nageln.«

Du kannst tun, was du willst; du kannst alle Philosophien studieren und dich noch so viel auseinandersetzen mit Zen-Schriften, Koans und Mondos. Aber in deinem Herzen bleibst du doch leblos wie ein Leichnam.

Betrüge dich nicht selbst mit deinem blinden Vertrauen auf verstandesmäßige Erkenntnis. Suche nicht im Da und Dort nach der Wahrheit.

Ein Mönch rezitierte laut das Diamant-Sutra: »Wenn einer sieht, dass Formen keine Formen sind, dann sieht er Buddha.«

Zen-Meister Wei-shan ging vorbei und hörte das. Dann sagte er zu dem Mönch: »Du zitierst falsch. Es lautet so: Wenn einer sieht, dass Formen Formen sind, dann sieht er Buddha.«

Der Mönch ereiferte sich: »Was ihr gesagt habt, ist genau das Gegenteil der Worte des Sutras.«

Da erwiderte der Meister: »Wie kann ein Blinder das Sutra lesen?«

Weißer Ochse

Machst du dir eine Vorstellung von Buddha, dann wird dir dieser zum Hindernis.

Zen-Meister Huang-po

Es ist vollkommen unmöglich, den Selbst-Geist woanders zu finden als in deinem eigenen Geist. Du kannst noch so viel im Außen suchen, doch wie sollte es möglich sein, dich selbst zu finden, wenn du woanders suchst als in dir selbst?

Es ist allein notwendig, sich des unterscheidenden, begrifflichen Denkens zu enthalten. Also lass alles so, wie es ist, und alles ist gut! Das ist der Weg des augenblicklichen Erfassens der Wirklichkeit.

Jemand fragte Zen-Meister Joshu: »Was ist die Bedeutung von: Wenn du zur Quelle zurückkehrst, wirst du die Wahrheit erlangen?«

Joshu sagte: »Würde ich dir antworten, wäre ich dein Vertrauen nicht wert.«

Im Bi-yän-lu, der Niederschrift von der smaragdenen Felswand, findet sich der folgende Ausspruch von Zen-Meister Yüan-wu:

Völlig klar und offenbar – der weiße Ochse auf freiem Feld. Scharfe Augen und offene Ohren hat er. Die Sache mit dem goldhaarigen Löwen mal beiseitegelassen, sagt mir: Was ist der weiße Ochse auf freiem Feld?

Keine Wahl zwischen Zweierlei

Eines Tages kommt Zen-Meister Lin-chi zu Zen-Meister Hsing-shan und fragt ihn: »Was ist mit dem weißen Ochsen auf dem freien Feld?«

Hsing-shan macht: »Muh! Muh! Muh!«

Lin-chi fragt: »Bist du stumm?«

Hsing-shan fragt zurück: »Was meint ihr?«

Lin-chi: »Dieses alte Rindvieh!«

Das, was du suchst, ist stets gegenwärtig – du hast es nie verloren. Ein altes Zen-Wort lautet: »Wo soll man den Ochsen suchen, wenn man auf dem Rücken des Ochsen sitzt, den man sucht?«

Die Wahrheit ist eine reine Sache des Erkennens und keine Sache des Erlangens. Im Shinjinmei, der »Meißelschrift vom Glauben an den Geist«, einer der wesentlichen Schriften des Zen, heißt es:

Die höchste Wahrheit ist nicht schwierig, und sie lässt keine Wahl zwischen Zweierlei zu. Wenn man nicht mehr hasst oder begehrt, dann offenbart sie sich klar und unendlich.

Doch wer auch nur haarbreit von ihr getrennt bleibt, der ist von ihr geschieden so weit wie der Himmel von der Erde.

Wer ihre Offenbarung erleben will, der muss sich befreien von einem Annehmen und Verwerfen. Denn der Kampf zwischen Annehmen und Verwerfen heißt: Krankheit des Geistes.

Darum: Nicht erst zu suchen brauchst du die Wahrheit. Einzig und allein dein Denken lass schweigen – nur darauf kommt es an!

Also – schau hin, lass alles so, wie es ist, hör auf herumzurennen wie ein aufgescheuchtes Huhn und sieh die Dinge so, wie sie sind!

Jeden Tag pflegte Zen-Meister Zuigan Shigen sich selbst zuzurufen: »Hallo, Meister!«

Und sich selbst zu antworten: »Ja, Meister?«

Dann sagte er: »Sei wachsam!«

Und pflegte darauf zu antworten: »Jawohl!«

»Lass dich nicht täuschen!«

»Nein, Meister.«

Eines Tages sagte Zen-Meister Nansen zu Zen-Meister Huang-po: »Ich habe da ein Lied zum Kühehüten. Könntest du mir eine Fortsetzung machen?«

Huang-po entgegnete: »Ich habe hier drin meinen eigenen Lehrer.«

Als Huang-po sich von Nansen verabschieden wollte, hielt ihm Nansen seinen Strohhut entgegen und sagte: »Du bist ungewöhnlich groß. Warum trägst du einen Hut von so lächerlicher Größe, ist der nicht viel zu klein für dich?«

Huang-po sagte: »Auch wenn mein Hut sehr klein ist, hat doch das ganze Universum darin Platz.«

Ich-Wahn

Durch einen einzigen Hieb mit meinem Stock zerspringt die ganze Welt – ja das ganze Universum in tausend Stücke.

Zen-Meister Yün-men

Nichts ist wirklich, nichts existiert – denn alles ist nur ein Traum ohne jede Wirklichkeit. Doch du hältst daran fest, dass hinter dem Nichts noch etwas ist – ein Denker, der denkt, sieht, hört und versteht.

Aber gerade durch dein Festhalten an dieser konditionierten Wahnidee einer für sich bestehenden Persönlichkeit überdeckst du dein wahres Selbst – den stillen Beobachter hinter allen Erfahrungen, ohne dass du es merkst. Deshalb sagt Zen-Meister Fen-yang:

Wenige glauben, dass ihr eigener Geist der Buddha ist. Die meisten nehmen dies nicht ernst und leben deshalb unter Zwängen. Sie sind umringt von Einbildungen, Begierden, Hass und anderen Plagen, weil sie einfach die Höhle der Unwissenheit lieben.

Du meinst, das, was du so wahrnimmst, sei das wahre Selbst, aber es ist nur das Ego. Denn das durch die Gedanken, durch den Verstand kreierte Ego ist nicht ein Sein, eine Person, sondern ein Ereignis – ein Prozess.

Es ist ein verselbstständigter Prozess der Identifikation und Anklammerung. Darum wird er im Buddhismus auch »Ahamkara« genannt, der Prozess der Ego-Projektion, der Ego-Macher, der Ich-Wahn.

Teufelskreis

Wenn du dir mit dem Verstand die Dinge zurechtlegst, wirst du es schwer haben, das Zen zu erfassen. Das kannst du erst, wenn du mit dem Zurechtlegen aufhörst.

Zen-Meister Fo-yan

Menschen neigen im Allgemeinen dazu, scheinbar einleuchtende Fragen zu stellen und sich unentwirrbar in diese zu verstricken. Solange man sich nur auf seinen Verstand verlässt, hat man keine Möglichkeit, diesem Teufelskreis zu entrinnen.

Durch die Identifikation mit dem Verstand wird dein verselbstständigtes Denken zwanghaft. Auf diese Weise vergeudest du sinnlos deine Lebensenergie.

Zwanghaftes Denken ist eine schlimme Krankheit, eine Sucht. Die Befreiung von dieser Sucht geschieht einzig und allein durch absolute Gegenwärtigkeit im Hier und Jetzt. Deshalb: Lass alles hinter dir! Wirf deine gefärbte Brille der vorgefassten Meinungen und Gedanken fort, schau einfach hin und erkenne die Dinge so, wie sie sind!

Weil die meisten spirituell Suchenden aber nicht genug Vertrauen haben, kleben sie an Worten und Buchstaben. Sie wollen die absolute Wahrheit in geschriebenen Worten finden und entfernen sich so aber immer mehr von ihr. Schließlich sind sie so weit davon entfernt wie der Himmel von der Erde.

Blitzartige Erleuchtung

Übungen, die dazu führen sollen, ein Buddha zu werden, bedeuten ein stufenweises Voranschreiten. Doch der ewig-seiende Buddha ist kein Buddha der Stufen.

Erwachst du blitzartig zum Einen Geist, so gibt es nichts anderes mehr zu verwirklichen. Dies ist der wirkliche Buddha, und nichts anderes.

Zen-Meister Huang-po

Es gibt keine stufenweise Erleuchtung. Sie hat keine verschiedenen Stufen und geschieht ganz plötzlich. Die große Erleuchtungserfahrung ist wie das Aufblühen der Lotusblume, sie gleicht dem plötzlichen Erwachen eines Träumers.

Die große Erleuchtung kommt immer blitzartig und vollkommen unerwartet über uns. Sie ist eine absolute Augenblickserfahrung. Wenn sie sich nicht plötzlich und in einem Nu ereignet, dann ist es auch keine echte Erleuchtungserfahrung.

In einem einzigen Augenblick eröffnet sich uns eine vollkommen neue Sicht, und das ganze Dasein offenbart sich als ein vollkommen neues Sein.

Das folgende Beispiel ist hier sehr bezeichnend für die Blitzartigkeit der Erleuchtungserfahrung:

Einmal erhielt der Zen-Mönch Tu-ling eine Einladung und ritt auf einem Esel zu seinem Gastgeber. Auf einer Brücke geriet der Esel mit einem Huf in ein Loch, und Tu-ling wurde abgeworfen.

»Oh!«, schrie er laut, und es öffnete sich sein Bewusstsein für die große Zen-Erfahrung.

Tu-lings Erleuchtungs-Gedicht bringt zum Ausdruck, was ihm geschah:

Ich habe das hell leuchtende Juwel gefunden, lange vergraben war es unter weltlichen Sorgen. Heute Morgen hob der Staubschleier sich und gab ihm seinen strahlenden Glanz zurück; in seinem Licht erstrahlen Flüsse und Berge und die abertausend Dinge.

Die Erleuchtungserfahrung ist der große Wendepunkt im Leben eines Menschen, der die ganze Persönlichkeit erfasst. Er erlebt eine geistige Revolution, eine gewaltige »Feuertaufe des Geistes«, die sein ganzes Leben vollkommen verwandelt. Er hat in dieser Neugeburt einen neuen, völlig anderen Seinszustand erreicht, der seine ganze Sichtweise und sein Verhalten zum Leben verändert.

Dieses Erleben beeinflusst aber nicht nur seine geistige Einstellung zu den Dingen; es verwandelt vielmehr sein ganzes Bewusstsein zu einem tiefen und allumfassenden Verständnis des Lebens.

Der durch seine Erleuchtungserfahrung zu seinem wahren göttlichen Selbst Erwachte verwirklicht aus diesem Erleben heraus Sinn und Zweck seines eigentlichen Menschseins.

Der Finger und der Mond

Zen-Meister Dong-shan sagte zu seiner Mönchsgemeinschaft: »Ihr müsst wissen, dass es da etwas gibt, das weit über Buddha hinausgeht!«

Ein Mönch fragte: »Was ist das, was da weit über Buddha hinausgeht?«

Dong-shan sagte: »Nicht-Buddha!«

Später nahm Zen-Meister Yün-men darauf Bezug und sagte: »Es hat keinen Namen und keine Gestalt; deshalb heißt es ›Nicht‹!«

Und Fa-yen fügte hinzu: »Bequeme Hilfsmittel machen daraus Buddha!«

Die Worte der Meister sind Finger, die auf den Mond weisen. Der Mond ist die Wirklichkeit, doch du studierst den Finger und bleibst daran hängen.

Du studierst die verschiedenen Lehrsysteme, Philosophien und Religionen und bist davon überzeugt, das sei die Wahrheit. Aber das ist alles nur wertloser Plunder, intellektueller Sperrmüll – Nichts! Der Mond ist die Wahrheit und nicht der Finger, das darfst du niemals vergessen. Deshalb sagt Zen-Meister Yang-shan:

Ich erläutere euch Dinge, die mit der Erleuchtung in Zusammenhang stehen, doch versucht nicht, euren Geist dabei verweilen zu lassen.

Wendet euch dem grenzenlosen Ozean eures eigenen ursprünglichen Wesens zu und bringt euch so in Übereinstimmung mit seiner wahren Natur.

Zen schließt das Denken kurz und verweist mit äußerstem Nachdruck auf die unmittelbare Erfahrung des Seins. Der Verstand neigt dazu, all das zu definieren und zu bewerten, was jenseits seiner Möglichkeiten liegt und in den Bereich des Unergründlichen gehört.

Die Art und Weise der Zen-Meister, ihren Schülern die Wahrheit des Zen verständlich zu machen, besteht deshalb darin, ganz entschieden mit dem unterscheidenden Denken zu brechen und den Verstand aus den Angeln zu heben. Dies geht auch aus dem folgenden Beispiel hervor:

Ein Mönch fragte Zen-Meister Fa-yen: »Was den Finger angeht, so will ich nicht danach fragen. Aber was ist der Mond?«

Der Meister antwortete: »Wo ist der Finger, nach dem du nicht fragst?«

Daraufhin fragte der Mönch: »Was den Mond angeht, so will ich nicht danach fragen. Aber was ist der Finger?«

Der Meister erwiderte: »Der Mond.«

Der Mönch blieb hartnäckig: »Ich habe euch nach dem Finger gefragt, warum kommt ihr mir da mit dem Mond?«

Der Meister entgegnete: »Weil du mich nach dem Finger gefragt hast.«

Der wahre Mensch des Zen

Länger als die Menschen sich zurückerinnern können, sind sie schon dem begrifflichen Bewusstsein hörig. Sie schwimmen dahin in den Wellen von Geburt und Tod, und es gelingt ihnen nicht, unabhängig zu sein.

Wenn sie Geburt und Tod verlassen wollen, müssen sie den Lauf des begrifflichen Bewusstseins entschlossen abschneiden.

Zen-Meister Ta-hui

Wenn du wirklich Befreiung erlangen willst, dann gibt es keinen anderen Weg, als alles wegzuwerfen, was du jemals als wichtig erachtet hast. Mache dich jetzt in diesem Augenblick frei von allen Anhaftungen, an was auch immer.

Lass dich von nichts fesseln. Die ganze äußere Erscheinungswelt ist nur ein Traum, sie ist vollkommen leer. Woran willst du dich da festklammern?

Wer ein wahrer Mensch des Zen ist, betrachtet auf seinem Weg durch die Welt alle Erscheinungen als Illusion. Er ist stets Meister seiner selbst und macht sich nicht zum Sklaven menschlicher Empfindungen. Frei von allen Identifikationen bricht er, mitten im Getümmel der Welt, zum klaren Licht der Wirklichkeit durch.

Ein Mönch fragt Zen-Meister Seppo: »Es heißt, dass wir Erleuchtung empfangen, wo auch immer wir hinblicken. Was bedeutet dies?«

Seppo: »Da, was für ein schöner Pfosten.«

Vollkommenes Vergessen

Der grundlegende wahre Geist ist vollkommen frei, offen und rein, klar und alles durchdringend. Bleibe seiner stets gewahr und lasse keine Oberflächlichkeit zu.

Dann ist er so hoch, dass nichts über ihm ist, und so weit, dass er keine Grenzen kennt. Lauter und bloß, vollkommen rund – dieser Geist kennt keine Beimischungen, keine Absichten.

Zen-Meister Yüan-wu

Die Freiheit und Heiterkeit des Geistes ist der natürliche Zustand deines wahren Seins. Mach einfach nur deinen Geist frei von allem, was es auch sei. Wenn du mit allem so umgehst, wie es sich gerade ergibt, dann wirst du mit allem in Übereinstimmung sein.

Wenn du alles lässt, wie es ist, und im heiteren gelassenen Widerspiegeln des Geistes in der unmittelbaren Gegenwart des Jetzt lebst, stehst du mitten in der Fülle des Seins. Du bist Herr deiner selbst und nichts kann dich mehr täuschen.

Die Nonne Liu besuchte Zen-Meister Wei-shan.

Meister Wei-shan sagte: »Na, du alte Kuh! Da bist du ja gekommen.«

Liu fragte: »Demnächst gibt es das große Kirschblütenfest auf dem Berg Tai. Werdet ihr dort hingehen, Meister?«

Wei-shan legte sich nieder und räkelte entspannt seine Glieder. Da ging die Nonne Liu wieder weg.

Spielerei

Einmal stand Zen-Meister Yün-men nach seinem Vortrag auf, schlug mit seinem Stock auf die Meditationsplattform und sagte: »Wohin wird man mich wohl verbannen wegen all meiner bisherigen Wortgeranke? Helle Köpfe mögen da durchblicken, aber Beschränkte lassen sich durch mich völlig hinters Licht führen.«

Und er fügte hinzu: »Reif auf Schnee häufen!«

Warum klammerst du dich noch an künstlich erdachte spirituelle Praktiken und Lehren, die ohne jeden wirklichen Wert und nur eine Spielerei des Egos sind? Warum Herbstblätter für Gold halten? Warum eine Diskussion auf leeren Begriffen aufbauen? Zen-Meister Fo-yan sagt deshalb:

Warum verstehst du deinen Herz-Geist nicht? Erst machst du dir eine feste Vorstellung von deinem eigenen Geist, und dann benutzt du den Geist, um den Geist zu suchen.

Das nennt man einen Bolzen in einen Baumstumpf schlagen und dann im Kreis herumlaufen.

Erleuchtung und Nichtwissen, Gefangensein im Kreislauf von Geburt, Altern, Verzweiflung, Krankheit, Schmerz und Tod – das alles sind Bestandteile des Traumes, den du träumst. Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, um da herauszukommen, und die ist: Aufwachen! Werde wach und hör auf zu träumen! Auch wenn du dieser Aussage sofort zustimmst, so bist du trotzdem ein Tagträumer!

Deshalb – lass alles los, was es auch sei, öffne deine Augen und werde bewusst. Sei weit und offen wie der Himmel und die Wirklichkeit deines wahren Seins, die stets gegenwärtig ist, wird aufstrahlen hunderttausendmal heller als die Sonne und mit ihrem Licht das ganze Universum erleuchten. So sagt auch Zen-Meister Pen-hsien:

Das Vogelgezwitscher in der Tiefe des Waldes, das muntere Springen der Fische im klaren Wasser der Bergbäche, das Rauschen und Schluchzen der Wasserfälle – all das kennt ihr doch wohl.

Bieten euch nicht alle diese zahllosen Erscheinungen der Natur ein Tor zur Erleuchtung?

Zielorientiertheit

Ihr alle seid lauter Gespenster, die einen Tanz um irgendein Stück alten Dreck vollführen.

Zen-Meister Lin-chi

Alle Denksysteme, all die künstlichen Philosophien und Religionen, die im Laufe der Jahrtausende geschaffen wurden, sind alle nur Folgeerscheinungen gehirnakrobatischer Spekulation, und deshalb bedürfen sie ständig neuer Krücken, Gerüste und Denkstützen, damit sie nicht in sich zusammenbrechen.

Doch die grenzenlose Weite des Einen Geistes ist von nichts abhängig und stützt sich auf nichts. Sie ist weit und offen wie der unendliche Himmelsraum, ohne Hindernisse und Begrenzungen.

Dass es nichts zu erreichen gibt, sind keine leeren Worte, sondern die höchste Wahrheit.

Wie einleuchtend diese Worte von Zen-Meister Huang-po auch klingen mögen, so verstehen sie doch nur die allerwenigsten. Sie bestätigen zwar schnell und sagen: »Es gibt nichts zu erreichen«, doch von ihrem Verstand her bleiben sie zielorientiert. Diese konditionierte Zielorientiertheit halten sie aufrecht bei allem, was sie tun – selbst bei der Meditation.

Ein Mönch fragte Zen-Meister Joshu: »Meister, worauf konzentriert sich euer Geist?«

Joshu antwortete: »Auf den Ort ohne Absicht.«

Nichts Besonderes

In diesem Augenblick – genau an diesem Ort, wo du jetzt bist – offenbart sich der alltägliche Geist als der wahre Weg. Er ist weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft zu finden.

Zen-Meister Pu-hua aß rohes Gemüse. Zen-Meister Lin-chi sah ihn und bemerkte: »Pu-hua ist genau wie ein Esel.«

Da wieherte Pu-hua wie ein Esel.

Lin-chi sagte nichts mehr.

Pu-hua meinte: »Lin-chi ist ein Grünschnabel. Er hat nur ein Auge.«

Zen-Meister Joshu kam hinzu und sagte: »Lasst ihn doch einfach nur sein Futter fressen.«

Das Hier und Jetzt ist die Wirklichkeit, und alles andere ist Folgeerscheinung des Denkens und somit Illusion. Der alltägliche Geist ist der Weg, und somit ist er der wahre Weg mitten im Alltag.

Im alltäglichen Geist offenbart sich die Wahrheit des Zen, sie ist ganz einfach und nichts Außergewöhnliches. Du brauchst dich auf nichts Besonderes einzustellen.

Ein Mönch fragt Zen-Meister Joshu: »Was ist das wichtigste Lebensprinzip des Zen?«

Joshu antwortet: »Ich muss jetzt erst mal pissen gehen. Stell dir vor, selbst eine so unbedeutende Sache muss ich selbst erledigen.«

Das eine Wort

Jemand fragte Zen-Meister Joshu: »Das eine Wort – wie lautet es?«

Joshu erwiderte: »Wenn du dich an das eine Wort hängst, wirst du senil.«

Zen-Meister ermahnen ihre Schüler immer wieder mit allen Mitteln, nicht an Worten zu haften. Sie fordern sie auf, sich von allem – was es auch sei – zu befreien und sich nicht auf irgendwelche Methoden zum Erlangen der Wahrheit des Zen zu verlassen.

Aus diesem Grund gab mein Meister Soji Enku auf die immer wiederkehrende Frage nach der Wahrheit des Zen die Antwort: »Der Mund ist eine Pforte des Unheils.«

Und der chinesische Zen-Meister Shih-tou sagte immer, wenn ihm jemand eine Frage stellte: »Halte den Mund, kein Hundegebell!«

Als Zen-Meister Joshu ein anderes Mal über das eine Wort befragt wurde, hustete er.

Der Mönch fragte: »Ist es nicht das?«

Augenblicklich erwiderte Joshu: »Darf ein alter Mann denn nicht einmal mehr husten?«

Und noch einmal hören wir von einem Mönch, der ihn fragte: »Was ist das eine Wort?«

Joshu fragte: »Was sagst du?«

»Was ist das eine Wort?«, wiederholte der Mönch, und Joshu sagte: »Du machst zwei daraus.«

Ein Mönch fragte Zen-Meister Joshu: »Was ist das eine unübertroffene Wort der Wahrheit?«

Anstatt auf diese Frage einzugehen, erwiderte der Meister einfach: »Ja.«

Der Mönch, offenbar außerstande, einen Sinn in dieser Antwort zu erkennen, fragte ein zweites Mal, und diesmal schrie der Meister: »Ich bin nicht taub!«

Ein Mönch fragte Zen-Meister Chih-fu: »Welches ist das eine Wort?«

Die Gegenfrage des Meisters lautete: »Verstehst du?«

Der Mönch sagte: »Wenn ja, ist es das?«

Der Meister seufzte: »Ach, hoffnungslos!«

Ein anderes Mal fragte ein Mönch Zen-Meister Chih-fu: »Welches ist euer letztes Wort?«

Der Meister sagte: »Was sagst du?«

Der Mönch glaubte, der Meister habe seine Frage nicht verstanden, und so fragte er noch einmal: »Um welches Wort handelt es sich?«

»Störe bitte mein Schläfchen nicht!«, sagte der Meister.

Alter Pfirsichkern

Zen-Meister Chang-ching nahm seinen Platz ein und als er alle Mönche versammelt sah, warf er seinen Fächer hin und sagte: »Narren halten Gold für Dreck, doch wie steht es mit den Weisen? Ständig allzu bescheiden zu sein, ist ohne Verdienst. Möchte also einer von euch vor mich hintreten?«

Ein Mönch trat vor, verneigte sich und zog sich wieder zurück.

Der Meister sagte: »Sonst noch etwas?«

Der Mönch: »Ich erwarte euer Urteil.«

Der Meister: »Tausend Jahre alter Pfirsichkern.«