Zirp und Rollewanst - Almut Weitze - E-Book

Zirp und Rollewanst E-Book

Almut Weitze

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Beschreibung

Der ängstliche Zirp und der verfressene Rollewanst arbeiten für die Sandmannfabrik als Traumüberbringer. Jeden Abend fliegen sie auf einer Mondtaube unerkannt zu schlafenden Kindern, damit diese schön träumen können. Da Zirp und Rollewanst einerseits noch recht unerfahren, andererseits sehr tollpatschig sind, unterläuft ihnen eines Tages ein Fehler. Sie werden von einem Jungen entdeckt. Jedoch schließen die Männchen und das Kind schnell Freundschaft, was zu so manch kurioser Situation führt. Almut Weitze ist Verfasserin wissenschaftlicher und belletristischer Bücher. In erster Linie schreibt sie Lyrik und Kurzprosa. Etliche Gedichte hat sie selbst vertont und u. a. im Album "Someday" veröffentlicht.

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Seitenzahl: 57

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Inhalt

Die Besucher

Die zweite Nacht

So viel Traurigkeit

Der Traumerzählwettbewerb

Wie verjagt man eine Katze?

Das stärkste Tier

Die Urlaubsfahrt

Die Besucher

„Da ist noch Licht. Jetzt ist es weg. Sind wir zu früh?“, brummte erstaunt eine tiefe Stimme. „Das kann nicht sein“, piepste eine hohe. „Das sind wir nie.“ „Schau doch mal auf die Uhr!“, drängte die tiefe Stimme. „Sie ist kaputt“, schimpfte die hohe. „Hättest du dich vorhin nicht auf meine Hand gesetzt, dann wäre die Uhr jetzt noch ganz und wir wüssten, wie spät es ist.“ „Ich habe mich nicht auf deine Hand gesetzt“, verteidigte sich die brummige Stimme. „Ach ja? Und was ist das?“, ereiferte sich die andere Stimme. Betretenes Schweigen folgte. „Nun ja, sie ist kaputt.“ Da war es wieder, das Brummen. „Genau! Sie ist kaputt!“, piepste es. „Die hast du selbst kaputt gemacht.“ Das Brummen war nun etwas leiser. „Hättest deine Hand ja wegnehmen können!“ „Wie denn, wenn sich ein so dicker Hintern wie deiner draufsetzt?“, empörte sich die piepsende Stimme. „Mein Hintern ist nicht dick!“, jammerte die tiefe.

Tim hatte ganz ruhig in seinem Bett gelegen und zugehört. Aus Angst hatte er die Augen fest geschlossen und so getan, als würde er schlafen. Er hatte gehofft, dass die Stimmen von alleine wieder verschwinden würden. Jetzt aber wollte er wissen, wer sich da in seinem Kinderzimmer stritt. Vorsichtig hob er den Kopf und sah sich um. Das Zimmer war schon fast dunkel. Aber durch den Vorhang schien noch etwas Licht und warf ein hübsches Muster auf den Teppich. Tim schaute von links nach rechts. Überall sah er hin. Sein alter Teddy lehnte am Schrank, daneben war sein kleiner Roboter, sein Laster stand mit Bausteinen beladen in der Mitte des Zimmers, ein paar Bälle lagen hier und da. Aber außer seinem Spielzeug konnte er nichts erkennen.

Da waren die Stimmen wieder. Sie kamen nicht aus dem Zimmer. Sie waren unter seinem Bett! Hastig knipste Tim das Licht an. „Da, das Licht! Das Licht ist wieder an!“, piepste die hohe Stimme. „Halt den Mund! Wenn wir ruhig sind, geht es vielleicht wieder aus“, schlug die brummende vor. Doch das Licht ging nicht aus.

Neugierig streckte sich ein Kopf vom Bettrand herunter. Aha, dachte Tim. Da sind sie ja! Zwei winzig kleine Männchen sahen ihn mit großen Augen und offenen Mündern an. Der eine war schlaksig dünn, hatte viel zu große Schuhe und eine grüne Weste an. In der Hand hielt er so etwas wie eine Flöte oder Pfeife. Am Handgelenk konnte man deutlich eine von Bändern gehaltene Taschenuhr mit gesprungenem Glas erkennen. Der andere hielt sich mit beiden Händen unsicher seinen riesigen, dicken Bauch. Die Weste darüber war ihm viel zu eng und ging nicht zu, auch wenn er noch so stark den Bauch einzog. Außerdem fehlte ihm ein Knopf. Wahrscheinlich hatte er so lange aus Verlegenheit daran gedreht, bis er eines Tages einfach abfiel.

„Glaubst du, er hat uns gesehen?“, fragte der Dicke. Dem anderen schien es die Sprache verschlagen zu haben. Wie versteinert sah er Tims grinsendes Gesicht an, der auf dem Bett fröhlich mit den Beinen strampelte. So eine Überraschung hatte er nicht erwartet. Die Männchen scheinbar auch nicht. Ohne seine Augen von Tim abzuwenden stieß der Dicke den Schlaksigen an, der immer noch keinen Mucks von sich gab. Schließlich trat er ihm auf den Fuß, woraufhin der Dünne einen hohen Schrei ausstieß, auf einem Bein hüpfte und sich die Zehen hielt. „Warum hast du das getan? Warum hast du mich getreten?“, schrie der Dünne mit Tränen in den Augen. „Ja, warum hast du das getan?“, meldete sich jetzt auch Tim.

„Es hat gesprochen“, flüsterte der Dicke. Der Dünne hörte auf zu hüpfen und starrte Tim wieder mit heruntergeklapptem Mund an. Tim gluckste vor Lachen und krabbelte aus dem Bett. Er legte sich ganz flach auf den Boden, um die beiden besser sehen zu können.

„Ich bin Tim. Wer seid ihr und was macht ihr in meinem Kinderzimmer?“ Der Dicke räusperte sich: „Das hier“, er zeigte dabei auf seinen stummen Gefährten, „ist Herr Zirp. Und ich bin Herr Rollewanst.“ „Rollewanst. Rooollllewaaansssst“, freute sich Tim. „Was ist das für ein lustiger Name!“, lachte er. „Was heißt hier lustig?“, beschwerte sich Rollewanst. „Dein Name ist schließlich auch nicht der schönste.“ „Sei doch nicht gleich beleidigt“, bat Tim. „Mir gefällt dein Name.“ „Wirklich?“ Zufrieden rieb sich Rollewanst über seinen kugelrunden Bauch. Tim nickte ernst. Er mochte den Namen wirklich.

Zirp war inzwischen kreideweiß und schwankte. Er wäre sicher umgefallen, wenn Tim ihn nicht mit seiner Hand aufgefangen hätte. Vorsichtig legte er ihn auf den Teppich. „Was fehlt ihm denn?“, fragte Tim. „Ach, gar nichts. Das ist nur die Aufregung“, entgegnete Rollewanst. „Er ist ja auch ganz dünn“, bemerkte Tim. „Das sage ich ihm auch immer wieder. Ein runder Bauch sieht besser aus. Aber er will ja nicht hören.“ Rollewanst lehnte sich an den Baulaster und holte einen angeknabberten Keks aus seiner Weste.

Tim setzte sich staunend daneben. Zwei solche Männlein hatte er noch nie gesehen. Und wie seltsam die angezogen waren! Mit dem rechten Zeigefinger piekste er Rollewanst in den Bauch. „Au!“ „Du bist ja wirklich so dick“, stellte Tim fest. „Nicht dick. Stattlich!“, stellte Rollewanst klar. Langsam kam Zirp wieder zu sich.

„Ein böser Traum, das war ein ganz böser Traum“, hauchte er, als er sich aufrichtete und langsam seine Augen öffnete. „Haaaa! Er ist ja immer noch da!“, erschrak er, als er in Tims Gesicht blickte. „Wir bekommen Ärger, mächtigen Ärger.“ „Wieso denn das?“, fragte Tim.

„Na ja, eigentlich darfst du uns gar nicht sehen“, sagte Rollewanst und die Kekskrümel flogen nur so aus seinem Mund. Er hatte den ganzen Keks auf einmal reingestopft. Und beim Essen soll man ja nicht reden, sonst verliert man die ganzen schönen Krümel und hat gleich wieder Hunger. Das merkte auch Rollewanst und bereute sofort, mit vollem Mund gesprochen zu haben. Sogleich kniete er sich hin und begann, die Krümel vom Teppich aufzulecken.

„Pfui! Du bist ein Ferkel ohne Benehmen!“, schimpfte Zirp. „Und das auch noch vor Fremden!“ Tim grinste: „Mir macht das nichts aus. Ich lasse auch immer viel auf den Teppich fallen. Und Fremde seid ihr auch nicht. Ich kenne doch eure Namen. Ihr seid Zirp und Rollewanst und ich habe euch unter meinem Bett gefunden!“

„Oh, wir bekommen mächtigen Ärger!“, klagte Zirp. „Du erzählst doch niemandem, dass du uns gesehen hast?“, fragte Rollewanst, der inzwischen alle Krümel gefunden hatte. „Nein bestimmt nicht“, versicherte Tim. „Vor wem habt ihr denn Angst?“ „Ach weißt du, wir arbeiten in der Sandmannfabrik“, erklärte Rollewanst. „Wir bringen abends die Träume zu den Kindern. Ihr dürft uns aber nicht sehen, sonst gibt es Ärger. Deswegen kommen wir immer erst, wenn ihr eingeschlafen seid. Heute bekommen wir ganz bestimmt Ärger!“