Zucker auf deiner Haut - Philippa L. Andersson - E-Book
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Philippa L. Andersson

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Beschreibung

Allison Summers betreibt eine kleine, stetig wachsende Patisserie im Herzen New Yorks und ist aufgeregt: Sie darf die Desserts für DAS High Society Event im Mai, die Manhattan Cocktail Night, kredenzen. Gelingt es ihr, so macht sie sich nicht nur einen Namen in der Metropole, sondern kann dank der Einnahmen auch ihre Mietschulden begleichen. Alles läuft nach Plan, bis Allison dem Milliardär Christopher A. Winters begegnet. Kann sie ihm widerstehen, wenn nicht nur ihre berufliche Zukunft sondern auch ihr persönliches Glück auf dem Spiel steht?

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Inhaltsverzeichnis

Impressum

Klappentext

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Über Philippa L. Andersson

Originalausgabe

April 2014

 

Tolino Erstausgabe

September 2023

 

Zucker auf deiner Haut

Philippa L. Andersson

Copyright: © Philippa L. Andersson, 2023, Berlin, Deutschland

 

Umschlagfoto: © iStock.com/Jeffrey Banke

Foto Innenteil: © iStock.com/Hulinska_Yevheniia

Umschlaggestaltung: Philippa L. Andersson

Lektorat: Mona Gabriel, Leipzig, Deutschland

Korrektorat: Laura Gosemann, Berlin, Deutschland

 

Philippa L. Andersson vertreten durch:

Sowade, Plantagenstraße 13, 13347 Berlin, Deutschland

www.philippalandersson.de

 

Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nachdrücklich nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet.

Sämtliche Personen in diesem Text sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig.

PHILIPPA L. ANDERSSON

Zucker auf deiner Haut

Allison Summers betreibt eine kleine, stetig wachsende Patisserie im Herzen New Yorks und ist aufgeregt: Sie darf die Desserts für das High Society Event im Mai, die Manhattan Cocktail Nights, kredenzen. Gelingt es ihr, so macht sie sich nicht nur einen Namen in der Metropole, sondern kann dank der Einnahmen auch ihre Mietschulden begleichen.

 

Alles läuft nach Plan, bis Allison dem Milliardär Christopher A. Winters begegnet. Kann sie ihm widerstehen, wenn nicht nur ihre berufliche Zukunft, sondern auch ihr persönliches Glück auf dem Spiel steht?

EINS

Offensichtlich hatte er meine dreihundert Dollar Miete pro Monat nicht nötig.

Alles in der Empfangshalle von Winters Real Estates, einem Immobilienriesen mit Sitz an der Fifth Avenue, glänzte wie ein Palast aus 1001er Nacht. Der weiße Marmorboden, die hohe gewölbte Decke, die opulenten mehrstufigen Kronleuchter. Dazu die verglasten türkisfarbenen Mosaikwände, die von einer hauchdünnen Wasserschicht überzogen waren. Im Zentrum all dessen stand ein riesiger Springbrunnen, der an die berühmte Fontana di Trevi in Rom erinnerte. Wer eine Münze hineinwarf, käme wieder, wer zwei warf, verliebte sich in einen Römer, und wer drei warf, würde heiraten.

»Sie wünschen?«

Man hatte mich beim Starren erwischt. Ich starre sonst nie. Schließlich bin ich New Yorkerin, und meine Augen haben so ziemlich alles schon gesehen. Dreharbeiten am Times Square, Präsidentenkonvois, eine Demo von Pelzfetischisten. Hitze kroch mir den Hals hoch. Wie unprofessionell. Mehrmals holte ich tief Luft. »Ich bin Ally … Allison Summers, und ich habe einen Termin mit Mr. Winters.«

Die Dame an der Rezeption musterte meine Gestalt langsam vom Kopf bis zur Taille und zurück. Offenbar passte ich nicht zu dem Besuch, den Mr. Winters normalerweise empfing. Dabei hatte ich mir solche Mühe mit meinem Look gegeben.

Meine dunklen, glatten Haare hatte ich zu einem strengen Zopf zusammengebunden, bei dem nicht ein Haar abstand. Meine beste Freundin Cate nannte mich dann immer Domina Alice. Ich fühlte mich eher wie eine Lehrerin, die nichts durchgehen ließ. Der Effekt war der Gleiche: Ich hatte die Kontrolle über die Situation und war Herrin der Lage.

Damit jedoch nicht jeder von mir sofort in Lackstiefeln und mit Lederpeitsche träumte, hatte ich mir gestern Abend noch kurz vorm Schlafengehen meinen süßen Pony so geschnitten, dass er kurz über meinen Augenbrauen endete und meinem Gesicht etwas Unschuldiges verlieh. Auf Make-up hatte ich bis auf etwas Rouge und Lipgloss komplett verzichtet. Wenn man jung ist, dann sollte man das auch zeigen, und ich hatte verdammt gute Gene, die mir einen samtweichen, makellosen Teint beschert hatten. Einmal mehr war ich dankbar dafür.

Um mein einziges Etuikleid, das in dezentem Mauve einen schönen Kontrast zu meinen dunklen Haaren bildete, trug ich einen geflochtenen Ledergürtel, der meinem klassischen Aussehen das gewisse Etwas verlieh. Außerdem bewegte ich mich auf den höchsten Absätzen, die ich besaß. Mit 1,79 m war ich bereits groß, doch wenn Männer ihre breiten Schultern spielten, so zog ich die Karte mit den langen Beinen. Wenn ich gleich bei Winters Real Estates vorsprechen und um einen Mietaufschub bitten würde, dann wollte ich meinem Gegenüber zumindest in die Augen schauen können. Es ging doch nichts über die richtige Rüstung, wenn man in den Kampf zog.

Ich räusperte mich und starrte so arrogant wie nur möglich zurück. Ich hatte den Blick zu Hause geübt. Und ich würde mit mir keine Diskussion anfangen.

»Entschuldigung … natürlich … der Termin. Wenn Sie mir bitte folgen würden. Sie werden bereits erwartet.«

Unauffällig schaute ich auf die Uhr. Nein, ich war pünktlich. Kein Grund, eingeschüchtert zu sein.

Ich folgte der Dame selbstsicher, als ginge ich jeden Tag in Büros an der Fifth Avenue ein und aus. Nur weil diese Leute an einem Tag verdienten, was ich in einem ganzen Monat bekam, machte sie das nicht besser als andere.

»Hier, bitte sehr!« Die Hand der Dame zeigte auf eine schwere, gepolsterte Tür, und ihr ›Bitte sehr‹ klang wie ›Sie haben keine Chance. Die werden Sie fertigmachen.‹

Wir werden sehen.

Die Wände des Konferenzraumes waren verglast, und Morgenlicht blendete mich und brachte mich für einen Moment aus dem Konzept. Sonne war in New York der reinste Luxus.

Hinter mir wurde die Tür mit einem dumpfen Plopp geschlossen, und ich kam zu mir. Fünf Männerköpfe musterten mich feindselig. »Mr. Winters?«

»Kann leider nicht an diesem Termin teilnehmen.« Der Mann, der sprach, musste um die vierzig sein. In der Highschool konnte ich ihn mir locker als Quarterback oder Captain des Rugby-Teams vorstellen. Er hatte diesen Look, dem die Mädchen reihenweise erliegen. Nun jedoch wirkten die gegelten Haare und das Hemd mit den zwei offenen Knöpfen lächerlich. Wie der verzweifelte Versuch, jung zu bleiben. Er machte sich nicht die Mühe aufzustehen und zeigte auf einen Stuhl, wo ich Platz nehmen sollte. »Fangen Sie an, Miss Summers! Ihre Zeit läuft.«

So schnell würde es Ihnen nicht gelingen, mich in die Enge zu drängen. Ich lächelte so zuckersüß und unschuldig wie möglich und nahm Platz. »Gerne doch. Sobald Sie sich vorgestellt haben.«

Niemand sprach. Doch das schüchterte mich nicht ein. Ich hatte schon ganz andere Leute in Grund und Boden gestarrt. Meine persönliche Bestzeit lag bei 53 Minuten. Die Typen hatten keine Chance.

Der Mann mir gegenüber, der mich begrüßt hatte, gab zuerst auf. »Thomas Wilkens, Vize-CEO.«

Die anderen folgten seinem Beispiel. Und wenn sie die Wahrheit sagten, dann hatte mir Winters außerdem seinen Finanzchef, zwei Anwälte und den Leiter des Gebäudemanagements vor die Nase gesetzt. Erstaunlich. Denn dass der Boss von Winters Real Estates sich nicht zu einer Audienz herabließ, war klar. Seine Zeit war viel zu wertvoll. Dass er jedoch seine besten Leute ins Feld gegen mich schickte, ergab keinen Sinn. Mein Fall war viel zu klein. Ich war zu klein. Hohe Schuhe hin oder her.

»Genug vorgestellt?« Wilkens konnte das Lächeln in seinen Mundwinkeln nicht unterdrücken.

Blödmann! »Gewiss doch.« Ich reckte mein Kinn. »Wie ich sehe, sind Sie das richtige Gremium. Stellen Sie das Mahnverfahren bitte ein und gewähren Sie mir ein letztes Mal einen Aufschub.«

»Miss Summers, Sie liegen mit Ihrer Miete sechs Monate im Rückstand. Wir waren bereits mehrfach kulant. Wie lange sollten wir das Ihrer Meinung nach noch sein?« Er lehnte sich entspannt in seinem Ledersessel zurück, sodass das Material knarzte, und drehte sich gelangweilt hin und her. »Wie lange würden Sie als Geschäftsfrau auf Ihre Einnahmen verzichten?«

Gar nicht, wie die Leute vor mir wussten. Aber so leicht gab ich nicht auf.

Vor neun Monaten hatte ich Jolie Pâtisserie zusammen mit meiner besten Freundin Cate gegründet. Die Finanzierung lief über ein Darlehen, und um uns schnell einen Namen zu machen, hatte ich jeden erdenklichen Auftrag angenommen, ohne die Kunden zu prüfen. Anfang des Jahres waren die ersten Zahlungen ausgefallen, unser ganzer Businessplan war wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen, und wir hatten seit Wochen doppelt und dreifach gearbeitet, um aus dieser Misere wieder herauszukommen. Das hier war New York und nicht Disneyland. Wir brauchten nur noch einen letzten Aufschub.

Ich spielte meine einzige Trumpfkarte. »Wie Sie diesem Dokument entnehmen können, wird in zwei Wochen der Betrag von 50 000 Dollar an mich überwiesen. Damit bin ich wieder solvent und kann meine Schulden ohne weitere Verzögerung begleichen.« Professioneller, als man es von der Inhaberin einer kleinen Patisserie vielleicht erwartet hätte, erklärte ich meinen Geschäftsplan für die nähere Zukunft.

»Warum haben Sie Ihr Budget nicht besser geplant?« Die Frage kam vom Finanzchef Andrew Baumgarden, einem schätzungsweise 45 Jahre alten Hünen mit stechend blauen Augen.

Wut keimte in mir auf. Vielleicht weil es nicht so einfach war, ein Geschäft zu gründen? Konnte schließlich nicht jeder ein fettes Jahresgehalt plus Boni bei Winters Real Estates einstreichen.

Ich hoffte, dass mein Gesicht keinen dieser Gedanken verriet. Ich blieb cool. »Geben Sie mir den Aufschub, wenn ich es Ihnen erkläre?«

Die Anwälte waren sichtlich amüsiert. Gute Comedy bekam man sonst nur in Kellerbars in Brooklyn geboten.

Mich verließ allmählich der Mut. Das durfte nicht das Ende der Geschichte sein. Nur eines konnte mir jetzt noch helfen, nur eines würden sie verstehen: die Sprache des Geldes. »Sehen Sie es als Kredit an mich. Ich zahle Ihnen die Summe plus alle Gebühren, Zinsen und Zinseszinsen.«

»Betteln Sie jetzt tatsächlich?« Wilkens spielte ungeduldig mit seinem Stift. So als hätte ich ihm das richtige Stichwort gegeben und sein Job wäre nun erfüllt, das Ergebnis klar. Klackklackklack.

»Sehen Sie es als Kredit«, wiederholte ich stur.

»Wir denken darüber nach und melden uns.« Wilkens stand auf und verließ den Raum. Die anderen Männer taten es ihm gleich. Und binnen einer Minute war ich allein.

Das war keine Zusage, aber es war auch kein Nein. Ohne darüber nachzudenken, wo ich mich befand, führte ich einen wilden Freudentanz auf. Egal wie komisch das auf High Heels und in seriösem Mauve aussah. Ich hatte es geschafft, sang ich in meinem Kopf.

»Miss Summers?« Ein Räuspern folgte.

Keuchend hielt ich inne, band den Ledergürtel, der sich gelöst hatte, fester und richtete mir mit den Fingern die Haare, als wäre nichts passiert. »Ja?«

»Ich begleite Sie nach draußen.« Obwohl die Assistentin mein Verhalten nicht kommentierte, spielte ein wissendes Lächeln auf ihren Lippen. Meinetwegen.

 

Den Heimweg legte ich wie in Trance zurück. Hoffnung und Zweifel wechselten sich ab. Bestand wirklich eine Chance? War ich überzeugend gewesen?

Vor der Tür zum Laden löste ich den Zopf und rieb mir die schmerzende Kopfhaut, die solch strenge Frisuren nicht gewohnt war. Obwohl es noch viel zu früh für die Post war, leerte ich automatisch den Briefkasten.

Ein Umschlag fiel mir entgegen. Auf dem Büttenpapier prangte oben links ein Logo, das ich nur zu gut kannte: Winters Real Estates. Mir wurde schwummrig.

Hatte ich mich umsonst bemüht? Oder enthielt der Brief bereits die Antwort auf meine Bitte? Das Logo war anders als sonst nicht aufgedruckt, sondern als Wasserzeichen geprägt. Das Papier fühlte sich weicher an. Und statt meiner Adresse stand nur mein Name drauf, in einer gleichmäßigen, fließenden Handschrift: Miss Summers.

Zögernd öffnete ich den Umschlag und holte eine Karte aus dickem Büttenkarton hervor, im gleichen Stil beschrieben.

 

Sehr beeindruckend, Miss Summers.

Geben Sie mir eine Woche Bedenkzeit.

Wir sehen uns morgen …

Winters

 

Das war weder ein Ja noch ein Nein. Außerdem fehlten ein Treffpunkt und eine Uhrzeit. Und mein Gehirn weigerte sich zu akzeptieren, dass mir ein Milliardär persönliche Einladungen schrieb.

Wenn das ein Scherz war, so fand ich ihn nicht lustig. Dennoch behielt ich die Karte.

ZWEI

Jetzt war morgen, und Christopher Winters hatte sich nicht gemeldet. Warum sollte er auch? Wahrscheinlich war er nicht einmal in der Stadt, sondern in Sydney, Moskau oder Rom. Es gab keinen Grund, mich persönlich zu sprechen. Die Karte musste ein Scherz sein.

»Haben Sie Fragen?«

Meine Gedanken schwirrten ins Hier und Jetzt zurück. Als ob ich es nicht besser wüsste, starrte ich auf die weißen unbeschriebenen Seiten meines Blocks. Verdammt, vielleicht verdiente ich es, auf die Straße gesetzt zu werden? Denn anscheinend war ich nicht in der Lage, meinen Job zu machen.

Die Bibliothek von New York war an diesem Samstag mit einer Gala der Höhepunkt der Manhattan Cocktail Nights, einer Woche mit zahlreichen Partys, Konferenzen und Empfängen. Seit einem Vierteljahr arbeiteten wir mit dem Veranstalter an der Abstimmung sämtlicher Details. Heute war die letzte der insgesamt fünf Begehungen mit Rick, einem flippigen New Yorker Künstler Schrägstrich Fotografen alias Dragqueen Rita. Alle letzten Fragen sollten heute geklärt werden. Und ich hatte keine, weil ich nicht zuhörte.

Gemeinsam mit Caterern, Licht- und Tonkünstlern sowie der angesagtesten Innenausstatterin New Yorks durchquerte ich die beeindruckende Astor Hall mit ihren neoklassizistischen Gewölbebögen, Renaissance-Ornamenten und verglasten Fenstern und folgte der Gruppe die Treppe hinauf ins erste Geschoss.

Die Aura all des Wissens, fast wie ein leises Gemurmel des Gebäudes, und der Geruch aus Holz, Papier und Stein schickten mir eine wohlige Gänsehaut über die Schultern. Gleichzeitig spürte ich ein Gefühl des Friedens. Als würden alle Antworten auf die Fragen des Universums darauf warten, entdeckt zu werden.

Dieses Mal verpasste ich meinen Einsatz nicht. Jeder von uns stellte seinen Part vor. Und plötzlich wurde aus all den Puzzleteilen, für die jeder Einzelne verantwortlich war, ein wunderbares großes Ganzes inklusive Pannacotta, Mascarpone-Orangencreme, Tiramisu, Himbeermousse und Schokoladentarte, die meine Jolie Pâtisserie beisteuerte.

Allein bei der Vorstellung knurrte mein Magen. Nicht nur die Mitstreiter, sondern auch Besucher der Bibliothek drehten sich um.

Wie gut, dass ich nie ohne Süßes aus dem Haus ging! Berufstick. Irgendwo in meiner Tasche musste noch ein Erdnuss-Schoko-Riegel stecken. Wenn ich nur rankäme!

Ich balancierte Block und Stift mit der einen Hand und verrenkte mich, um mit der anderen tiefer in der Tasche zu kramen. Ich ertastete den Regenschirm, Taschentücher, meinen Schlüssel, ein Tuch, weitere Stifte. Während ich so vorsichtig wie in meinem Bleistiftrock und den hohen Absätzen möglich in die Knie ging, entfernte sich meine Gruppe zu einem weiteren Türbogen. Der alltägliche Wahnsinn.

Die Stimme von Rick Langley drang als leises Murmeln zu mir, aber wenn ich mich anstrengte, dann verstand ich, was er sagte. Er referierte über die Getränke. Viel Zeit blieb mir nicht, bis es wieder um die Desserts ginge.

Ah, endlich! Der Riegel war hinter das Make-up gerutscht! Jetzt musste ich nur einigermaßen elegant wieder hochkommen.

Ich steckte mir den verpackten Riegel in den Mund, klemmte mir den Block unter den Arm, verstaute alles in der Tasche und …

Dunkelbraunes, gepflegtes Scotchgrain Leder. An der Spitze etwas dunkler. An der Sohle klebte der Staub der Straßen New Yorks. Doch die Oberfläche glänzte makellos. Und diese Schuhe standen viel zu dicht neben mir. In einem Winkel, der sagte, dass der Träger entweder mit dem nächsten Schritt über mich stolpern würde oder direkt auf mich hinuntersah. Ich spürte seinen Blick im Nacken. Auf meinem Rücken. Und auf meinem Po. Heiß. Verlangend.

Sekunden später packten mich zwei Hände unter den Achseln. Hände, die wussten, was sie taten. Die keinen Widerstand zuließen. Wobei sie den ganz sicher nicht oft – wenn überhaupt – zu spüren bekamen. Große Männerhände, die mit den Fingern meine Brust streiften, bestimmt unbeabsichtigt. Doch meine Spitzen wurden hart, mitten am Tag, mitten in der New York National Library! Dem verdammt noch mal unpassendsten Ort, um plötzlich heiß zu werden, an allen Stellen, die sonst nur heiß wurden, wenn man Sex hatte.

»Alles in Ordnung?« Ein belustigter Unterton schwang in seiner Stimme.

Sehr witzig! Niemand berührte einen einfach so auf diese Art. Dass einem nur noch ein Gedanke durch den Kopf geisterte.

Meine Gruppe verschwand im nächsten Raum. Es konnten nur Sekunden vergangen sein, vier, fünf Atemzüge, mehr nicht. Und was auch immer mit mir los war, ich durfte den Anschluss nicht verlieren.

Sei smart, Ally! Wahrscheinlich bist du nur sexuell ausgehungert.Soorgiastische Lobeshymnen auch auf deine Desserts gesungen werden, und so gerne du sie naschst, sie sind kein Ersatz für einen echten Mann. Du fantasierst nur! Du bist überarbeitet oder irgendetwas in der Art. Also, reiß dich zusammen! Der Mann hat es sicher nur gut gemeint.

Mit dem unschuldigsten Gesichtsausdruck, den ich unter diesen Umständen hinbekam, drehte ich mich um. »Danke, aber ich muss zu meiner Gru…« Die Worte blieben mir im Hals stecken, und das lag nicht an dem Riegel in meinem Mund. Oder irgendwie doch.

Trotz meiner gefährlich hohen Stilettos musste ich aufschauen, und ich sah nichts als seine Augen, die mich verschlangen. Eigentlich dunkelblau, doch rund um die Pupillen mit einem schillernden Grün. Sein Blick hing auf meinem Mund. Als hätte er meine Augen weiter unten erwartet. Doch nun, wo er über meine Lippen gestolpert war, zwischen denen immer noch der Riegel klemmte, konnte er sich nicht lösen.

Hilfe! Beweg dich endlich, Allison Summers!

Ich klemmte mir die Tasche unter den Arm und nahm den Riegel aus dem Mund. »Ich muss weiter.«

Ich zeigte vage in die Richtung, in der ich meine Gruppe vermutete. Aber letztlich war es egal. Jede Richtung weg von ihm war wie eine lebenserhaltende Maßnahme. Dieser Mann hatte alles, was ihn gefährlich für mich machte. Augen, die vor Klugheit, Humor und Charme blitzten. Die gemeißelten Gesichtszüge, die Michelangelo zu einem Stümper degradierten und von Willensstärke und Disziplin zeugten. Dazu im Kontrast dieser lustvolle Mund mit den weichen Lippen, von denen ich fantasierte, sobald ich sie ansah. Was mit mir passieren könnte, wenn er sie bewegte, um Wörter zu formen, wollte ich gar nicht erst herausfinden. Dazu die breiten Schultern von jemandem, der es gewohnt war, sich durchzusetzen. Perfekt, um seinen Kopf anzulehnen und die Arme um ihn zu schlingen. Und dann einfach nur seine Haut, die diesen goldbraunen Ton hatte, bei dem ich mich sofort fragte, ob es überall der Gleiche war. Und wenn ich überall sage, meine ich überall.

Sein Blick glitt unendlich langsam von meinen Lippen über meine Nasenspitze zu meinen Augen. Mein Selbsterhaltungstrieb setzte ein. »Ich muss wirklich …«

»Wie schade, Miss Summers.«

Mit einem Ruck drehte ich mich um, und bevor ich einen weiteren Gedanken fassen konnte, rannte ich meiner Gruppe hinterher. Meine Absätze schlugen mit jedem Schritt laut auf dem Boden auf und klangen wie ein Echo meines verrückten Herzschlags. Die wütenden Blicke der anderen Besucher nahm ich gerne in Kauf. Wenn die wüssten! Immerhin, ich konnte noch laufen. Selbstverständlich fand ich das nach dieser Begegnung nicht mehr. Selbstverständlich fand ich gar nichts mehr. Sogar Atmen kam mir wie eine preisverdächtige Leistung vor. Und dabei hatte ich darin 28 Jahre Erfahrung!

»Im Periodicals Room, dem Zeitschriftenraum, können sich die Partygäste erholen. Ihr Vorschlag, hier verschiedene Schokoladen- und Kaffeekreationen zu reichen, hat mir sehr gefallen, Allison. Leider hat der Veranstalter Angst um seine Polster. Können Sie die Dessertkarte für diesen Teil der Party noch mal umstellen?«

Ich war genau im richtigen Augenblick zurückgekommen. »Biskuit!«, murmelte ich, bevor ich selbst begriff, dass dies eine exzellente Alternative war. Krümel könnte man problemlos aus den Polsterecken saugen, und ich wusste schon, wie ich einem so langweilig anmutenden Gebäck den passenden Upper-Class-Touch geben könnte. Ich notierte mir die Änderungen. Meine sonst eher ruhige Schulmädchenhandschrift bekam zusätzliche Schnörkel und harte Kanten, die einzigen Anzeichen dafür, wie aufgewühlt ich gerade war. Ich brauchte endlich was Süßes!

Verstohlen wickelte ich den Riegel aus und biss beherzt hinein. Zucker und Schokolade versorgten mich augenblicklich mit neuer Energie. Sofort schaltete sich mein Superhirn wieder ein. Und weil Ricks monotone Stimme gerade über die Soundanlage referierte, mäanderten meine Gedanken zu etwas Spannenderem: dem Mann von gerade eben. Zu gerne wollte ich mich noch mal nach ihm umdrehen, einen vollständigen Blick erhaschen, um sicherzugehen, dass ich nicht einen ziemlich erotischen Tagtraum gehabt hatte. Aber ich traute mich nicht.

Hatte er wirklich meinen Namen gesagt? Klar war ich dabei, mir mein Geschäft aufzubauen. Aber ich war noch lange keine New Yorker Berühmtheit. Und spielte es eine Rolle?

Mein Name auf seinen Lippen. Wie eine Liebkosung.

Schon bei dem bloßen Gedanken zitterten meine Hände erneut. Zur Beruhigung der Nerven biss ich wieder ein Stückchen von dem Riegel ab. Warum war ich so aufgewühlt? Leute sagten andauernd meinen Namen, mal sauer, mal neidisch, mal verliebt, mal ehrfurchtsvoll. Egal wie, mein Magen hatte bisher noch nie deswegen Purzelbäume geschlagen.

Komm schon, Ally, einfach tief durchatmen! Das hatten mir schon meine Lehrer wieder und wieder gepredigt. Es war nichts, ganz einfach gar nichts.

Bis ich Vanille roch. Mir lief das Wasser im Mund zusammen.

Wieder atmete ich tief durch. Der Geruch wurde intensiver. Moschus legte sich schwer über das Vanillearoma. Mit einem Lufthauch strich mir der Duft von Sandelholz über die Haut. Mein Körper reagierte auf diesen Duftcocktail, ohne dass ich es verhindern konnte. Wie bei einer chemischen Kettenreaktion, so wie Schokolade bei Hitze schmilzt und ein Tropfen saurer Zitrone jeden Geschmack verstärkt. Lust schoss durch meinen Körper.

Tief durchzuatmen war eine blöde Idee gewesen.

ER musste ganz in meiner Nähe sein. Aber ich würde mich nicht umdrehen. So wie man sich auch nicht nach der Sonne umdreht, um zu wissen, dass sie da ist. Man spürt sie einfach auf der Haut. Wie eine Naturgewalt. Süß und doch gefährlich, wenn man ihr zu nah kommt.

Ignorier ihn!

Leichter gesagt als getan. Langsam ließ ich mir die Schokolade auf der Zunge zergehen und knackte einzeln die Erdnüsse mit den Backenzähnen. Lange könnte ich mich nicht mehr an dem Riegel festhalten, und was dann passierte, wollte ich nicht wissen.

War er näher gekommen? Wie die Sonne strahlte sein Körper Wärme ab und berührte Stellen, die hier und jetzt tabu waren. Sofort spannte ich jeden einzelnen verräterischen Muskel an. Doch ich konnte nichts dagegen unternehmen, meine plötzliche Lust nässte meinen Slip.

Hatte Rick etwas gemerkt? Er sah fragend in meine Richtung, obwohl ich keinen Laut von mir gegeben hatte. Hitze brannte auf meinen Wangen. Unruhig verlagerte ich mein Gewicht von einem Bein auf das andere. Am liebsten wollte ich davonlaufen, doch die Begehung war noch nicht beendet.

Notgedrungen schlüpfte ich aus meinem Blazer, um der Hitze zu entkommen. Das war ein Fehler. Sofort spürte ich seinen Blick auf mir, der jedes neu entblößte Stück Haut entlangfuhr und langsam der Linie meiner Wirbelsäule folgte. Tiefer und tiefer.

Ich konnte der Präsentation nicht mehr zuhören. Mein Körper war anwesend, aber all meine Aufmerksamkeit galt dem Mann hinter mir. Mich gab es nur, weil es ihn gab. Mehr nicht.

---ENDE DER LESEPROBE---