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Zuckersüß verliebt E-Book

Karin Lindberg

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Beschreibung

Sie ist die Märchenprinzessin aus dem Vergnügungspark. Er macht sich einen Spaß daraus, sie wachzuküssen.

Falls im Kleingedruckten stand, dass Charlottes Dienstkleidung als Marketing-Assistentin im Vergnügungspark mit Rüschen, Spitze und einem Krönchen garniert ist, muss sie es überlesen haben. Sie hasst es, als Märchenprinzessin durch das Abenteuerland zu flanieren. Dass ihr bei dieser Gelegenheit ein wildfremder Besucher einen Kuss aufdrückt, macht es auch nicht besser. Sie braucht einen Ausweg – sprich einen neuen Job. Dringend! Dass Marius die Produktion von Charlottes Lieblingsgummibärchen einstellt, könnte die Lösung sein. Nur ahnt der Süßwarenfabrikant nicht, dass die junge Marketing-Fachfrau, die ihm an den unmöglichsten Stellen auflauert, um ihm ihr Konzept für eben jene Ladenhüter-Gummibärchen aufzuschwatzen, seine frisch geküsste Prinzessin ist. Die beiden geraten – gar nicht märchenhaft – aneinander. Aber das ist das wahre Leben, und der Prinz nur einen Kuss entfernt.

Der neue humorvolle Liebesroman von Karin Lindberg – herzerwärmend, romantisch und natürlich mit Happy End. Der Roman ist in sich abgeschlossen.

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Zuckersüß verliebt

ES IST EINFACH LIEBE

KARIN LINDBERG

Klappentext

Sie ist die Märchenprinzessin aus dem Vergnügungspark. Er macht sich einen Spaß daraus, sie wachzuküssen.

Falls im Kleingedruckten stand, dass Charlottes Dienstkleidung als Marketing-Assistentin im Vergnügungspark mit Rüschen, Spitze und einem Krönchen garniert ist, muss sie es überlesen haben. Sie hasst es, als Märchenprinzessin durch das Abenteuerland zu flanieren. Dass ihr bei dieser Gelegenheit ein wildfremder Besucher einen Kuss aufdrückt, macht es auch nicht besser. Sie braucht einen Ausweg – sprich einen neuen Job. Dringend! Dass Marius die Produktion von Charlottes Lieblingsgummibärchen einstellt, könnte die Lösung sein. Nur ahnt der Süßwarenfabrikant nicht, dass die junge Marketing-Fachfrau, die ihm an den unmöglichsten Stellen auflauert, um ihm ihr Konzept für eben jene Ladenhüter-Gummibärchen aufzuschwatzen, seine frisch geküsste Prinzessin ist. Die beiden geraten – gar nicht märchenhaft – aneinander. Aber das ist das wahre Leben, und der Prinz nur einen Kuss entfernt.

Lektorat: Katharina Katharina Strzoda

Korrektorat Ruth Pöß - www.das-kleine-korrektorat.de

2. Korrektorat Sybille Weingrill

Covergestaltung: Casandra Krammer - www.casandrakrammer.de

Zuckersüß Verliebt Impressum

Covergestaltung: Casandra Krammer – www.casandrakrammer.de

Covermotiv: © Ollga P_09, woodhouse, flas100 – depositphotos.com, amoklv  – depositphotos.com

Copyright © Karin Lindberg 2022

K. Baldvinsson

Am Petersberg 6a

21407 Deutsch Evern

 

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Alle Rechte vorbehalten.

Jede Verwertung oder Vervielfältigung dieses Buches – auch auszugsweise – sowie die Übersetzung dieses Werkes ist nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet. Handlungen und Personen im Roman sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Epilog

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Über die Autorin

KapitelEins

Von wegen Märchenprinzessin! Charlotte richtete sich das Plastikkrönchen und schnitt ihrem Spiegelbild eine Grimasse. Das Kunsthaar schimmerte golden im Sonnenlicht. Unter der Perücke und der dicken Schicht von Theater-Make-up, das sogar ihre ungeliebten rötlichen Sommersprossen verbarg, schwitzte sie wie verrückt. Was für ein irrsinnig heißer Tag für Ende Mai. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Deo unter diesem pinkfarbenen Polyester-Albtraum, den die Geschäftsführung des Freizeitparks allen Ernstes Prinzessinnenkleid nannte, versagen würde, lag bei einhundert Prozent. Privat mochte sie es lieber natürlich und weniger bunt, aber hier fragte niemand nach ihrer Meinung.

Sie sollte sich endlich etwas Neues suchen und kündigen. Doch solange sie hier noch arbeitete, würde sie mit der Verkleidung leben müssen. Wie mit vielem anderen auch, weil sie nun mal eine Sterbliche war, die Rechnungen zu bezahlen hatte. Bei ihrem nächsten Job würde sie das Kleingedruckte genauer lesen!

Charlotte schlüpfte mit einem Seufzen in die unbequemsten Schuhe aller Zeiten, auf denen sie heute bis zur Schließung des Freizeitparks durchhalten musste. »Augen auf bei der Berufswahl«, brummte sie, dann trat sie aus der Angestellten-Umkleide hinaus ins gleißende Licht.

Kein Wölkchen zierte den strahlend blauen Himmel. Für einige Sekunden schloss sie die Augen und genoss diesen Moment für sich, obwohl sie zu spät dran war. Stumm erinnerte sie sich daran, dass es ein Privileg war, draußen arbeiten zu können und nicht in einem stickigen Büro sitzen zu müssen.

»Frau Knottenkamp!«, ertönte eine ihr leider zu gut bekannte Stimme, die Charlotte zusammenzucken ließ. Sie brauchte nicht hinzusehen, um zu wissen, wer ihren Frieden störte. Sie öffnete die Augen und versuchte dabei ihrem ätzenden Boss nicht zu zeigen, wie genervt sie war. Mit dem hatte sie gerade nicht gerechnet.

Während er fortfuhr, verspannte sie sich zunehmend. »Ich glaube, wir bezahlen Sie nicht fürs Sonnenbaden, oder?«

Sie schluckte den Spruch hinunter, den sie ihm am liebsten vor den Latz knallen wollte. Seine speckige Halbglatze glänzte in der Sonne, und unter seinem Kurzarmhemd zeichneten sich die Ränder des weißen Feinripp-Leibchens ab. Herr Brandtner war nur wenige Jahre älter als Charlotte, trotzdem trennten sie Galaxien. Er war cholerisch, dazu hatte seine Spießigkeit sadistische Züge. Er war gerne gemein zu seinen Angestellten. Außerdem hatte er Charlotte bereits bei der Einstellung übers Ohr gehauen: Sie hatte sich auf eine Stelle im Marketing beworben und gelandet war sie schlussendlich im Kostüm eines Park-Maskottchens. Im Winter war es noch schlimmer, da durfte sie Park-Werbe-Prospekte abstempeln und eintüten, die dann verschickt wurden. Gut, wenn man es genau betrachtete, war das auch eine Form des Marketings – allerdings nicht die, die sie sich während ihres Studiums in schillernden Farben ausgemalt hatte. Damals hatte sie sich frisch motiviert in die Arbeit stürzen wollen, war voller Tatendrang mit unzähligen Ideen angetreten. Zunächst hatte sie sich nichts dabei gedacht, dass man sie für Hiwi-Jobs unter dem Vorwand, sie müsse erst vieles über das Unternehmen lernen, missbraucht hatte. Mittlerweile hatte Charlotte begriffen, dass Herr Brandtner nie vorgehabt hatte, sie als Marketing-Expertin einzusetzen. Das war ein herber Schlag, nachdem ihre Hoffnungen so groß gewesen waren. Ihr Berufsleben war eine einzige Enttäuschung, die so erniedrigend war, dass sie lieber nicht über ihre Arbeit redete. Bis heute hatte ihr jedoch der Mut gefehlt, die Konsequenzen daraus zu ziehen. Bestenfalls machte sie sich zum Gespött der Leute. In Charlotte verkrampfte sich alles und sie zwang sich zu einem tiefen Atemzug. Solange sie nichts Besseres in Aussicht hatte, musste sie mitspielen. Sie sagte sich stumm ihr übliches Mantra auf: Bleib cool, du brauchst den Job, er bezahlt deine Rechnungen. Dennoch spürte sie, wie sich ihr Nacken und die Kieferpartie verkrampften, ehe sie antwortete: »Guten Tag, Herr Brandtner. Mir war gerade nur ein wenig schwindelig. Bei der Hitze spielt mein Kreislauf manchmal verrückt. Eigentlich hätte ich heute zu Hause bleiben müssen, aber mein überdurchschnittlich entwickeltes Pflichtgefühl hat mich dazu getrieben, trotz aller gesundheitlichen Schwächen …«

Am Morgen hatte sie tatsächlich überlegt blauzumachen, blöderweise war sie dafür zu feige. Und eigentlich wollte sie nicht nur ein paar Tage krankfeiern, sondern nie wieder in diesem verdammten Kostüm durch den Park laufen.

Herr Brandtner machte eine ungeduldige Geste mit seinen wurstigen Fingern. »Natürlich, Frau Knottenkamp. Sie opfern sich ja geradezu für uns auf.«

Unglaublich, wie sehr Charlotte den Typ hasste, dabei war sie sonst doch so ein umgänglicher Mensch. Zumindest sagten das ihre Freunde, meistens jedenfalls. Charlotte rief sich noch einmal die positiven Seiten ihres Jobs in Erinnerung, eine Strategie ihres besten Kumpels Felix, die sie immer wieder anwandte. Die Kinder sollten weiter an die glamouröse Prinzessinnenwelt glauben. Sie würde das Theater zur Zufriedenheit der Besucher auch heute durchziehen, weil die nichts dafür konnten, dass man sie bei der Einstellung belogen hatte.

Aber Herrn Brandtner musste Charlotte so schnell wie möglich loswerden, ehe sie doch noch die Kontrolle über ihre Zunge verlor. Zu gern würde sie ihm ins Gesicht schreien, für was für ein verlogenes Arschloch sie ihn hielt.

»Ich muss dann mal«, trällerte sie stattdessen übertrieben fröhlich – jetzt war sie im Arbeitsmodus angekommen. Eigentlich hätte sie nach jedem Feierabend einen Oscar verdient … »Sie wissen ja: Gemeinsam mehr erleben, alles dreht sich nur um dich«, ratterte Charlotte den neuen Spruch herunter, den sie den Gästen seit Saisonbeginn stets um die Ohren hauten, und ließ ihren Chef stehen.

Bei diesem neuen Slogan rollten sich ihr beinahe die Fußnägel hoch. Das klang so was von gewollt und nicht gekonnt. Bestimmt hatte sich Herr Brandtner den selbst ausgedacht und das komplette Marketingbudget in die eigene Tasche gesteckt.

Sie biss die Zähne zusammen. Gut, dass sie nicht schon während des Studiums gewusst hatte, welches Schicksal sie im Berufsleben erwartete, sonst hätte sie sich vielleicht nicht so reingehängt. Ihre Professorin, die ihre Masterarbeit bewertet hatte, hatte ihr allerdings damals schon prophezeit, dass sie im Marketing niemals erfolgreich sein würde. Mit ihrem besten Freund Felix oder ihren Eltern hatte Charlotte nie darüber gesprochen, aus Angst, dass die blöde Professorin recht behalten würde. Nun, nach heutigem Stand schien es tatsächlich so. Sie ließ die Schultern hängen und versuchte sich zu motivieren. Es war gerade mal kurz nach elf und Charlotte fühlte sich, als wäre sie seit Stunden hier. Es tummelten sich bereits Gäste im Park. Charlotte musste umherlaufen, ihr Sprüchlein aufsagen und Luftballons an die Kinder verteilen. Das war eine Seite der Arbeit, die es halbwegs erträglich machte. Ein fröhliches Kinderlachen half ihr über so manchen Kummer hinweg. Apropos, die Luftballons hatte sie vergessen. Kurz schaute sie sich um, damit sie nicht noch einmal ihrem ätzenden Boss begegnete, dann holte sie sich blaue und rosafarbene, mit Helium gefüllte Ballons aus der Kammer neben den Umkleiden und machte sich wieder auf die Socken.

Es dauerte nicht lange, bis sie bei ihrem Freizeitpark-Prinzen angekommen war, der im Eingangsbereich der Anlage stand, um die eintreffenden Besucher mit fröhlichem Gesicht zu begrüßen. Heute steckte Elias in diesem Kostüm, ihr Lieblingskollege.

»Mensch Charlotte, wo warst du denn so lange? Ich wollte schon eine Suchmeldung aufgeben«, begrüßte er sie so leise, dass die Besucher ihn nicht hören konnten. Dabei lächelte er weiter. Sie mochte Elias sehr gern, auch wenn sie sich nur selten außerhalb der Arbeitszeiten trafen. Mit seiner stets guten Laune schaffte er es immer, ihren Ärger verfliegen zu lassen.

Charlotte erwiderte sein Lächeln und dieses war nicht aufgesetzt, sondern echt. Sie verteilte unterdessen ein paar Ballons an vorbeihüpfende Kinder. »Jetzt bin ich ja da. Komm, drehen wir unsere Runde«, meinte sie daher nur zu ihrem Park-Prinzen.

Kurz darauf bummelten Charlotte und Elias über einen schmalen Seitenweg durch die Anlage. Hie und da verteilten sie einige Ballons, zum Glück war noch nicht viel los. Ein paar Bäume spendeten etwas Schatten, was bei der ungewöhnlichen Hitze sehr angenehm war.

»Na, was war heute der Grund dafür, dass du jetzt erst kommst?«

»Das willst du gar nicht wissen.« Darüber zu reden, würde sie nur deprimieren.

Er knuffte sie in die Seite. »Doch, das will ich!«

Gerade kamen sie an einer Bimmelbahn vorbei, die mit vielen Kindern und deren Eltern auf Gummireifen durch den Park tuckerte. Aus Lautsprechern dudelte schreckliche Orgelmusik, die sich, wenn sie nur ein bisschen schriller wäre, perfekt für einen Horrorfilm eignen würde. Charlotte knipste ihr mechanisches Lächeln an und winkte den Fahrgästen zu, ebenso wie Elias, der sicher nicht lockerlassen würde, bis sie ihm erzählte, was los war. »Ich hatte heute sehr unerfreuliche Post«, erklärte sie einsilbig, obwohl es nur die halbe Wahrheit war.

»Ich verstehe nicht?«

»Tja. Weißt du noch? Neulich habe ich dir doch von der Politesse erzählt?«

»Du meinst, von der Staatsdienerin, die du als senile Kuh beschimpft hast?«

Leider war Charlotte in vielem, was sie tat, ein wenig zu impulsiv. Weil sie bei dieser einen Politesse ihren Mund nicht hatte halten können, hatten sich unangenehme Konsequenzen für sie daraus ergeben, aber das Thema wollte sie genauso wenig vertiefen wie die Misere ihres Arbeitslebens. Charlotte verzog ihre Lippen und kräuselte ihre Nase so sehr, dass sie befürchtete, einige Schichten Make-up würden abbröckeln. »Jap. Genau die.«

»Und?«, hakte Elias nach.

»Tja – ich habe heute Morgen eine Verwarnung wegen Beamtenbeleidigung aus dem Briefkasten gefischt.«

»Scheiße.«

»Das kannst du laut sagen! Ich bin eh schon so knapp bei Kasse, und das wird teuer. Nicht nur das …« Charlotte ließ die Hand sinken. Mit einem kurzen Prüfblick stellte sie fest, dass es gerade keine Gäste gab, denen sie winken oder stupide angrinsen musste. »In letzter Zeit hatte ich häufiger Ärger deswegen. Zu meiner Verteidigung muss ich erwähnen, dass es geradezu unmöglich ist, in der Nähe meiner Wohnung einen Parkplatz zu finden. Was soll ich denn sonst machen? Irgendwo muss ich mein Auto doch abstellen! Letzte Woche war nicht mal die Hälfte der Vorderreifen im Halteverbot und die Trulla hat mir trotzdem einen saftigen Strafzettel verpasst. Ich bin gerade zum Wagen gekommen, als sie das Ding unter meinen Scheibenwischer geklemmt hat, und da bin ich halt sauer geworden, weil sie das Knöllchen nicht zurücknehmen wollte.«

»Du zahlst bestimmt bald mehr für Strafzettel als für deine Miete … Und das will für Hamburg schon was heißen.«

»Wer in einem Kuhkaff wohnt, hat leicht reden. Du hast doch keine Ahnung, wie schwer es ist, in dieser Stadt eine bezahlbare Wohnung und auch noch einen Parkplatz zu finden, der nicht am anderen Ende des Elbtunnels liegt.«

»Du könntest mit den Öffis fahren, wie die meisten Großstädter.«

»Hey, wenn ich dich nicht so sehr mögen würde, würde ich dir dein blödes Grinsen aus dem Gesicht wischen. Bis hierher müsste ich ungefähr zehnmal umsteigen, dann würde ich auch wirklich jeden Tag zu spät kommen.«

»Du bist heute ja echt eine ganz schöne Krawallbürste.«

»Ich weiß! Aber ich habe nur Pech momentan und das schlägt mir auf die Stimmung.«

Elias schaute verständnisvoll. »Schon okay, Herzchen. Ich verstehe, was du meinst. Vielleicht ist ja heute doch noch dein Glückstag und jemand rettet dich.«

»Daran glaube ich, ehrlich gesagt, nicht mehr. Obwohl der Gedanke schön wäre, dass ich irgendwann von einem Prinzen auf dem weißen Ross erlöst werde.«

Eine »Rettung« würde auch kaum aus heiterem Himmel passieren. Dafür müsste sie ein paar Bewerbungen schreiben oder einen Lottoschein ausfüllen. Aber die Gute-Laune-Marathons in diesem verdammten Park waren lang und kräftezehrend, nach Feierabend war sie oft zu erschöpft, um überhaupt noch an etwas anderes zu denken. Und wer sagte ihr, dass sie es mit einem neuen Job besser treffen würde? Hier gab es wenigstens Elias …

»Ist schon gut, Prinzessin. Ich verstehe dich ja. Was du brauchst, ist ein Mann aus Fleisch und Blut!«

Charlotte hätte sich beinahe verschluckt. »Was soll ich denn mit einem Kerl?«

Er wackelte anzüglich mit den Brauen. »Herzchen, wenn ich dir das noch erklären muss?«

»Du hast doch auch keinen«, protestierte sie.

Elias lachte. »Nein. Einen habe ich nicht. Ich habe viele! Du wirkst sexuell frustriert auf mich, sonst würdest du dich nicht über all das so aufregen.«

»Nach den letzten Reinfällen kommen One-Night-Stands für mich jedenfalls nicht mehr infrage. Da bleibe ich doch lieber allein. Ich muss dir bestimmt nicht erklären, dass man als Frau auch andere Möglichkeiten hat, zum Orgasmus zu kommen …?« Sie wackelte anzüglich mit den Augenbrauen, obwohl sie insgeheim doch darauf hoffte, dass sie den Einen irgendwann traf, mit dem sie alt werden konnte. »Aber scheiß drauf, Elias, hier finde ich garantiert keinen Prinzen, in dieser Horroranlage verliere ich nur meine Würde.«

Eine Familie mit zwei Kindern stand in ihrer Nähe, die sie vorher nicht bemerkt hatte. Die Mutter machte große Augen und schob ihre beiden Sprösslinge schnell an ihnen vorbei, um sie vor dieser Diskussion in Sicherheit zu bringen. Auch als die Kids quengelten, weil sie Luftballons haben wollten, reagierte die Mama nicht, sondern zog sie gnadenlos fort. Das konnte Charlotte leider nachvollziehen, ihr Mund war mal wieder schneller gewesen als ihr Gehirn.

»Nicht so laut, Herzchen. Sonst kriegen wir wieder Ärger«, warnte Elias sinnloserweise auch noch.

Es war bereits vorgekommen, dass sich Leute bei Herrn Brandtner beschwert hatten, weil die Park-Maskottchen zu viel miteinander quatschten und zu wenig mit den Gästen interagierten.

»Scherereien hatte ich für heute schon mehr als genug. Der Boss hat mich beim Zuspätkommen erwischt. Wenn es nach mir geht, muss ich den heute nicht mehr sehen.«

»Verdammt.« Elias schüttelte den Kopf. »Du Pechmarie!«

»Ich sag’s dir. Es kann nur besser werden.« Charlotte blickte in den strahlend blauen Himmel und hoffte, dass irgendwer da oben ihr Flehen erhörte. Universum, Gott, Engel auf einer Wolke – egal, solange bald mal etwas Positives in ihrem Leben passierte.

Für einen Moment schlenderten sie schweigend nebeneinander her und kamen an allen möglichen Fahrgeschäften mit Loopings, rasanten Geschwindigkeiten und absurden Namen vorbei. Bis sie eine der beliebtesten Attraktionen am Ende des Parks erreichten, war bereits die Hölle los. Die Schlange war endlos, weil alle Europas höchsten Turm bezwingen wollten. Siebzig Meter freier Fall! Der Name dieser Attraktion war natürlich Programm: Schrei. Die Fahrgäste saßen mit baumelnden Füßen in einer Reihe nebeneinander. Gehalten wurde man lediglich durch die Schulterbügel, sodass man wirklich das Gefühl hatte, in der Luft zu hängen. Ein Albtraum für Menschen mit Höhenangst. War man erst mal oben, drehte sich das Ding auch noch im Kreis, sodass man die ganze Umgebung überblicken konnte. So hatte man ausreichend Zeit, mit dem Leben abzuschließen und sein letztes Gebet zu sprechen, bevor man in die Tiefe stürzte. Es gab kaum jemanden, der sich nicht die Seele aus dem Leib brüllte.

Einmal hatte Charlotte diese Park-Attraktion selbst in einem Anflug von Todessehnsucht ausprobiert. Keine zehn Pferde würden sie da jemals wieder hineinbekommen. Zum Glück wurde von ihr nicht auch noch erwartet, dass sie regelmäßig in diesem Höllengerät mitfuhr.

»Siehst du die silbernen Sahneschnitten da drüben?« Elias machte Charlotte auf ein Männergrüppchen aufmerksam, das mit Bollerwagen in der Warteschlange stand. Heute war Samstag, da kamen zu den vielen Familien auch noch feuchtfröhliche Junggesellenabschiede hinzu.

Die Typen trugen silberne Jumpsuits und rosafarbene Haarreifen mit wippenden Bommeln. Von den albernen Outfits abgesehen, war einer attraktiver als der andere. Die Kerle schienen sich gut zu amüsieren, bis auf einen. Es war offensichtlich, dass er nicht im Schrei mitfahren wollte. Er war ganz grün im Gesicht, was nicht an den Gummibärchen liegen konnte, die er sich panisch in den Mund stopfte.

Gummibärchen! Verdammt, ich hätte jetzt gerne welche.

Beim zweiten Hinsehen bemerkte sie, dass es sich dabei außerdem noch um ihre Lieblingsmarke handelte. Oma Hilde hatte die auch immer gekauft und gesagt: »Wenn sonst nix mehr hilft, helfen Gummibärchen.« O Mann, sie vermisste ihre Oma. Bei ihr hatte Charlotte nie das Gefühl gehabt, nicht gut genug zu sein.

Nach diesem nostalgischen Anflug war klar, die Gelegenheit auf Süßigkeiten konnte sie sich nicht entgehen lassen.

Charlotte hatte eine Idee und raunte Elias zu: »Weißt du was? Ich muss mein Karma-Konto aufpolstern, ich rette dem Typen jetzt den Arsch, vielleicht fallen dann ein paar Gummibärchen für mich ab.«

»Wie bitte? Du glaubst doch gar nicht an Karma.«

»Stimmt, aber er hat mich gerade an meine Oma erinnert. Und die hatte ich sehr gern! Deshalb werde ich ihn ganz selbstlos retten.«

»Ach! Ich sehe, was du meinst! Du bist so durchschaubar, wenn du unterzuckert bist.« Elias kicherte, während er ein paar Ballons verteilte. »Viel Spaß, Prinzessin. Obwohl ich den Süßen gern selbst erlösen würde. Der sieht echt heiß aus …«

Charlotte schaute sich den Typen noch einmal genauer an. Es stimmte: Er war verdammt attraktiv – körperlich blieb in diesen Anzügen wenig verborgen. Breite Schultern, schmale Hüften und flacher Bauch. Seine Wangen waren nicht rasiert, er hatte eine kräftige Kieferpartie und rabenschwarzes Haar, das er mit etwas Gel gebändigt hatte. Einziger Farbtupfer war der peinliche pinke Reif mit den Bommeln. Er erinnerte sie an diesen Fernseh-Lucifer. Auf jeden Fall war der Unbekannte im silbernen Anzug sehr charismatisch und es gab nicht viele, die so ein Outfit mit Würde tragen konnten.

Auch die anderen beiden Männer waren gut gebaut und wirkten überaus athletisch, aber der Schwarzhaarige hatte das gewisse Etwas, das Charlotte zweimal hinschauen ließ. Es war Zeit zu handeln. Möglichst würdevoll schlenderte sie an der Schlange der Wartenden vorbei, bis sie die Männergruppe erreichte.

Als die Jungs sie entdeckten, stieß Einer einen Pfiff aus, ein Weiterer bot ihr einen Schnaps an, den die Truppe in den Park geschmuggelt haben musste. Charlotte musste leider ablehnen, sie war im Dienst. »Ihr wisst schon, dass das eigentlich verboten ist?«, kommentierte sie das Saufgelage mit einem koketten Blinzeln.

»Mein Freund Götz hat seine Prinzessin schon gefunden. Wir feiern heute das Ende seiner Freiheit. Da musst du einfach ein Auge zudrücken«, schwadronierte einer der Typen und legte dem Bräutigam einen Arm um die Schultern. Der ohne Gummibärchen strahlte sie an, während er auf den Bommel-Lucifer zeigte, und erklärte: »Wir beide sind noch zu haben, aber ich bin die bessere Partie!«

Das war Charlottes Stichwort. »Na gut, wenn das so ist, dann wähle ich den mit den Gummibärchen … Der Typ hat eindeutig den besseren Geschmack. Bommel-Lucifer, komm mit.« Der Mann schaute sie verständnislos an. Für einen Moment verlor sich Charlotte in seinen großen, dunklen Augen und ihr Herz schlug augenblicklich schneller.

»Marius, du Glückspilz!« Der Bräutigam schubste den Schwarzhaarigen in ihre Richtung.

Marius, wiederholte sie in Gedanken. Der Name gefiel ihr und Charlotte fand, er passte zu ihm. Marius selbst war offenbar gerade nicht in der Lage zu sprechen. Seinem Ausdruck nach zu urteilen, stand er kurz davor, sich zu übergeben. Er wirkte sichtlich erleichtert und zögerte keine Sekunde seine Freunde stehen zu lassen.

Selbst in seinem erbärmlichen Zustand sah er verteufelt attraktiv aus. Marius’ markantes Gesicht bekam allmählich wieder Farbe. Aus dem Augenwinkel bekam Charlotte mit, dass Elias eine obszöne Geste in ihre Richtung machte. Charlotte verkniff sich ein Grinsen und konzentrierte sich auf ihren Begleiter und die Gummibärchenmission. Charlotte hakte sich bei Marius ein und führte ihn weg vom Geschehen.

»Und die nehme ich gern an mich, dafür, dass ich dich gerade gerettet habe.« Sie zupfte ihm die Süßigkeiten-Tüte aus der Hand und stopfte sich direkt ein paar Gummibärchen in den Mund. »Entspann dich, es geht gleich vorüber, du musst nicht in den Schrei einsteigen.«

Marius atmete ein paarmal tief durch, dann setzte er sich und lehnte sich gegen den Baumstamm einer Eiche. »Das ist echt peinlich!« Er grinste schief und sah dabei noch umwerfender aus. Er brachte ihr Herz damit zum Stolpern, was sie sehr irritierte.

Außerdem fand sie nicht, dass es ihm peinlich sein musste. Aber wie Männer dachten, hatte sie noch nie verstanden. Darum war sie ja Single. Deshalb, und weil sie bis jetzt nicht einen einzigen getroffen hatte, der ihren Puls auch nur ansatzweise in die Höhe getrieben hatte, wie er. Blöd nur, dass ihr Herz dabei keine Rolle spielte, denn der Typ würde gleich wieder mit seinen Freunden verschwinden.

Im normalen Leben dürfte er sie dank ihres Prinzessinnen-Aufzugs sowieso nicht wiedererkennen. Perücke, Schminke und Kostüm veränderten Charlottes Aussehen komplett.

Schade eigentlich. Sie würde ihn sehr gern wiedersehen.

Moment mal. Was dachte sie da? So ein Unsinn.

Die Sonne musste ihr Hirn verbrannt haben. Sie hatte ihn nicht gerettet, weil sie scharf auf ihn war. Na gut, ein bisschen vielleicht.

Als Charlotte bemerkte, wie sich das Fahrgerät in Bewegung setzte, erklärte sie betont lässig: »Deine Kumpels sind jetzt drin, ein paar Minuten Ruhe hast du noch, dann könnt ihr weiterziehen.«

Marius rieb sich über die Stirn. »Eigentlich würde ich lieber deine Gesellschaft genießen.«

Irgendwie fand sie es süß, glaubte ihm aber kein Wort. »Wegen der Höhenangst?«

»Jap. Da lässt sich leider nichts machen.« Er zwinkerte ihr zu, was seltsamerweise ein sehnsüchtiges Ziehen in ihrer Magengrube hervorrief.

»Pech gehabt, würde ich sagen, dann bist du hier im Park ja total falsch«, neckte sie ihn.

»War nicht meine Entscheidung, der Bräutigam ist zufällig ein sehr guter Freund von mir, und die lässt man bekanntlich nicht hängen.«

»Stimmt.« Noch ein Pluspunkt für ihn. Charlotte fand Marius immer sympathischer, je mehr Zeit sie mit ihm verbrachte.

»Woher wusstest du eigentlich, dass ich das mit dem Schrei nicht machen wollte?«

Obwohl sie nicht lachen wollte, konnte sie es sich nur mühsam verkneifen. »Das war nicht zu übersehen. Ich dachte, du kotzt gleich auf die Bretter.«

Er stöhnte. »Tja, da hast du recht. Aber genug von mir, verrätst du mir deinen Namen? Ich muss doch wissen, wie meine Retterin heißt?«

Charlotte überlegte. Andererseits, warum eigentlich nicht? Ihre Antwort ging im Gekreische der Leute, die gerade im freien Fall nach unten sausten, unter. Vielleicht war das besser so. Sie erinnerte sich daran, dass sie Marius vermutlich nie wieder begegnen würde. Es spielte also keine Rolle, ob er wusste, wie sie hieß.

»Nenn mich einfach Prinzessin«, erwiderte sie daher. »Deine Kumpels kommen gleich um die Ecke, besser, du stehst auf.« Sie bot ihm ihre Hand und zog ihn auf die Beine. »Und die hier …« Sie zeigte auf die Tüte. »… behalte ich als Schweigegeld.«

»Schweigegeld, so so.« Ein Kribbeln wanderte über ihren ganzen Körper. Mit einem Satz war Marius auf den Beinen und Charlotte ließ ihn abrupt los. Er schaute sie mit einem merkwürdigen Ausdruck an. Hatte er es auch gespürt?

Seine Übelkeit schien jedenfalls verflogen zu sein. Marius war ihr viel zu nah, ein Hauch seines Aftershaves wehte zu Charlotte herüber. Ihr Puls raste. Sie schluckte trocken.

Ein breites Grinsen breitete sich auf seinen sinnlichen Lippen aus.

Heiliger Strohsack! Die Luft zwischen ihnen knisterte.

Charlotte konnte sich nicht rühren. Sie wollte es auch gar nicht. Der Moment war geradezu magisch. Einzigartig. Und sehr intim. Marius legte ihr eine Hand in den Nacken und wisperte »Danke«. Dann senkten sich seine Lippen auf ihre und Charlottes Welt hörte für einen Moment auf, sich zu drehen.

Teufel noch mal!

Dieser Typ schmeckte noch besser, als er aussah. Nach Gummibärchen und ihm selbst. Eine Welle der Lust flutete durch Charlottes Körper und ließ sie erschaudern.

Ehe sie den Kuss erwidern konnte, löste er sich schon wieder von ihr. Dabei grinste er noch immer, ein wenig breiter sogar als zuvor.

Der Mistkerl musste wissen, welche Wirkung er auf Frauen hatte. Natürlich, daran bestand kein Zweifel.

Für eine Sekunde ärgerte sich Charlotte, dass sie so leicht zu haben war. Noch schlimmer war nur, dass sie es bedauerte, dass er den Kuss zu schnell unterbrochen hatte. Daran, dass sie hier bei der Arbeit war und sie jemand sehen könnte, hatte sie natürlich keinen Gedanken verschwendet. Ihr war wirklich nicht mehr zu helfen.

Charlotte sollte ihm eine kleben – stattdessen wollte sie sich ihm an den Hals werfen. Am meisten schockierte sie die Erkenntnis, dass es sie angemacht hatte, dass Marius sich genommen hatte, was er wollte.

Charlotte atmete zittrig aus und setzte gerade an, um einen Spruch loszulassen, als jemand hinter ihr einen Pfiff ausstieß.

»Holla, Marius! Du lässt ja nichts anbrennen!«

Männergelächter und Applaus folgten darauf.

Na großartig! Die Junggesellencrew hatte gesehen, was hier gerade passiert war. Charlotte spürte, dass sie unter ihrer dicken Schicht Make-up knallrot wurde.

Marius grinste selbstzufrieden, er war wie ausgewechselt. Wo er eben noch dankbar und durch seine kurze Schwäche sehr menschlich gewirkt hatte, war er jetzt nur noch arrogant und selbstgefällig. »Ihr wisst doch, ich lasse die Knie aller Frauen weich werden.«

Charlotte schnappte nach Luft. Das war ja wohl die Höhe. Ihr Mund öffnete und schloss sich wieder. Auf diese bodenlose Frechheit fiel ihr leider keine passende Antwort ein.

Und dann setzte der Idiot noch eins obendrauf.

»Bis bald, Prinzessin, du musst dich nicht bei mir für die schönsten Minuten deines Lebens bedanken.« Er zwinkerte ihr arrogant zu und seine Freunde spendeten ihm grölend Applaus.

Charlottes Magen krampfte sich zusammen, während ihre Kiefer mahlten. Wut brannte in ihren Eingeweiden. Am meisten ärgerte sie sich darüber, dass sie ihn falsch eingeschätzt hatte.

Zum Glück hatte sie dem Blödmann ihren Namen nicht verraten. Wobei das nach diesem chauvinistischen Spruch auch nichts mehr geändert hätte.

Charlotte schluckte den fiesen Kommentar hinunter, der ihr auf der Zunge lag. Sie straffte sich und reckte ihr Kinn nach vorn.

Wie hatte sie auch nur für eine Sekunde denken können, dass dieser Mistkerl sympathisch war? Das bewies nur einmal mehr, dass auf ihr Männer-Radar keinerlei Verlass war.

Nein, seine Frechheit konnte sie nicht auf sich sitzen lassen. »Das kann ja wohl nicht dein …« Weiter kam sie nicht, denn die Kerle in ihren peinlichen Anzügen hatten sich bereits in Bewegung gesetzt und waren mit sich beschäftigt.

Fassungslos glotzte sie ihnen hinterher. Marius schaute noch einmal über seine Schulter zurück und gab ihr mit dem Daumen nach oben zu verstehen, wie prima es für ihn gelaufen war.

So ein Widerling! Sie rettete ihn und das war der Dank dafür?

Auf gar keinen Fall! Charlotte setzte sich in Bewegung und tippte ihm ein paarmal energisch auf die Schulter. Marius drehte sich um, er wirkte erstaunt, aber noch immer sehr mit sich und der Welt zufrieden.

»Von jetzt an, lasse ich Mistkerle wie dich in der Hölle schmoren!«, zischte sie.

Charlotte zeigte ihm ihren Mittelfinger, setzte noch ein »fick dich« obendrauf, dann wandte sie sich ab und marschierte hoch erhobenen Hauptes davon. Ihr Herz hämmerte noch immer hart gegen ihre Rippen.

Unglaublich! Was für ein Schwein!

Sie ließ die letzten Minuten noch einmal Revue passieren und kam immer wieder zum gleichen Ergebnis: Sie hatte sich tatsächlich von diesem Arschloch lächerlich machen lassen.

Charlotte stieß einen nicht jugendfreien Fluch aus.

Die schockierten Blicke der nahestehenden Besucher ignorierte sie dabei geflissentlich. Sie trug ihr Herz nun mal auf der Zunge, daran ließ sich nichts ändern.

So viel dazu, dass gute Taten belohnt wurden. Wohl kaum!

Jedenfalls nicht in ihrem Leben.

Stampfenden Schrittes, der einer Prinzessin absolut unwürdig war, kehrte sie zu Elias zurück und feuerte die Gummibärchentüte in den nächsten Mülleimer. Gut, sie war ohnehin beinahe leer gewesen. Aber der symbolische Akt hatte gutgetan.

Als Elias sie erblickte, grinste er. »Na? Wie war’s?«

Charlotte schnaubte abfällig. »Warum müssen gut aussehende Männer immer Arschlöcher sein?«

Er neigte den Kopf ein wenig. »Das, Liebes, ist der Punkt, warum ich keine Beziehung führe. Sexy fickt gut.«

»Der Spruch heißt: Dumm fickt gut«, verbesserte Charlotte ihn wohl etwas zu laut, was sie erst bemerkte, als umstehende Eltern ihren Kindern entsetzt die Ohren zuhielten und die Köpfe schüttelten.

O Gott, wie peinlich! »Entschuldigung, ich leide unter Tourette«, stieß Charlotte in Richtung der Eltern hervor und wusste doch, dass ihr diese Lüge niemand abnehmen würde. Innerlich gelobte sie Besserung, aber es bewies ihr nur aufs Neue, dass sie in diesem Job gänzlich falsch war.

»Kann sein, dass es so heißt, aber es stimmt nicht, Charly-Häschen. Sexy f…«

Sie hob eine Hand, um ihn zu unterbrechen, und zog ihn mit sich fort. »Sch! Ich habe es auch beim ersten Mal schon verstanden. Und jetzt lass uns Mittag machen. Ich kann nicht mehr. Ich schwitze wie eine Irre und … ich habe mir jetzt echt eine Pause verdient.«

»Jetzt schon …?« Als er in ihr zu einer Grimasse verzogenes Gesicht schaute, stockte er. »Gut. Dein Wunsch ist mir Befehl, Prinzessin.«

Es war kurz nach einundzwanzig Uhr, als Charlotte in Hamburg aus ihrem klapprigen Renault Twingo stieg, der nur noch von Rost zusammengehalten wurde. Gott sei Dank hatte sie die Schminke schon im Park notdürftig mit Kosmetiktüchern entfernt und das Kostüm in den Reinigungssack geworfen. Für norddeutsche Verhältnisse war es noch ziemlich warm an diesem merkwürdigen Maitag. Nachdem sie den Wagen abgeschlossen hatte, schleppte sie sich zur Haustür. In der kleinen Drei-Zimmer-Wohnung im vierten Stock wurde sie von ihrem bestem Freund Felix begrüßt. Er saß auf dem Sofa und guckte eine Folge Prince Charming, seine absolute Lieblings-Dating-Show. Dabei knabberte er Möhrensticks mit Kräuter-Quark.

»Hallo, mein liebster Mitbewohner! Was sagt unser schwuler Bachelor?«

»Keine Ahnung, die Rosen sind noch nicht verteilt. Wie war dein Tag?«

Charlotte gab ihm ein Küsschen auf die Wange. »Frag lieber nicht.« Sie zog die Süßigkeitenschublade unter dem Fernseher auf und holte eine Packung ihrer Lieblingsgummibärchen, saure Fruchtsaft-Mandarinen, heraus und schmiss sich mit Notizblock und Stift neben Felix aufs Sofa. Während sie futterte, kritzelte sie ein Bild von ihrem Chef aufs Papier und malte ihm eine Zielscheibe auf den Kopf.

»O Gott, du zeichnest schon wieder! Hat dich dein Chef heute genervt?«

Sie schnaubte abfällig. »Und wie! Nicht nur der.« Sie dachte an das Arschloch im silbernen Anzug zurück, aber Marius war es nicht mal wert, gezeichnet zu werden. Sie drückte den Bleistift so fest auf, dass er sicher bis auf der Hälfte der Seiten durchgedrückt wurde. »Ich will ihn ja nicht wirklich umbringen, na ja, nur ein bisschen.« Sie knuffte Felix lachend in die Seite.

»Ich weiß vor allem, dass du einen verdammt schrägen Humor hast. Pass bloß auf, dass dein Chef deine Kunstwerke nicht in die Finger bekommt. Auf jeden Fall solltest du aufhören, seinen Namen über deine netten Porträts zu schreiben.«

»Außer dir wird niemand jemals davon erfahren.« Sie beugte sich in seine Richtung und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.

Felix rümpfte die Nase. »Hui … da muss aber jemand unter die Dusche.«

»Hab Erbarmen, gib mir nur fünf Minuten. Ich bin echt am Arsch, heute war im Park die Hölle los.«

»So schlimm?«

Nach einem theatralischen Stöhnen schob Charlotte sich gleich drei Gummiteile in den Mund. Boah, sie liebte das Zeug. Damit ging es ihr schon ein wenig besser.

»Schlimmer. Und das, obwohl Elias mit mir Schicht hatte.« Ebenso wie Charlottes Park-Prinz war Felix schwul, das war aber auch die einzige Gemeinsamkeit der beiden. Während Elias nie und nimmer auf die Idee käme, sich fest zu binden, suchte Felix genau das: den Mann fürs Leben. Deshalb hatte sie die beiden auch noch nicht miteinander bekannt gemacht, das würde nur zu Liebeskummer auf Felix’ Seite führen. Damit kannten sich Charlotte und Felix leider sehr gut aus. Sie hatten beide gleichermaßen schlechte Händchen bei der Auswahl ihrer Partner oder eben Nicht-Partner. Sie dachte noch einmal an das Arschloch im silbernen Anzug zurück, es war typisch, dass sie zuerst auf ihn reingefallen war.

»Charlotte, ich muss dir eine Sache sagen …«, unterbrach Felix ihre Gedanken.

»Wasch ischt?«, erwiderte Charlotte mit vollem Mund. »Ich hatte heute einen echt schlechten Tag, erst nölt mich der Boss an und dann habe ich auch noch Ärger mit so einem dämlichen Besucher. Jetzt überbring du mir bitte keine schlechten Neuigkeiten, Felix, das halte ich nicht aus.«

Felix hob beide Hände. »Vielleicht warte ich wirklich, bis du besser drauf bist.«

Sie erstarrte und setzte sich kerzengerade hin. »Du willst nicht ausziehen, oder? Bitte, tu mir das nicht an. Ich sterbe sonst einsam und verlassen. Stell dir mal vor, niemand würde mich suchen, ich würde hier drin verrotten, bis es im Flur stinkt. Vielleicht findet man mich erst nach Jahren …«

Felix verdrehte die Augen. »Also Drama kannst du wirklich besser als ich. Nein, ich will nicht ausziehen. Und deine Eltern wohnen ja auch nur ein paar Straßen weiter …«

»Du willst nicht ausziehen?«

»Nein.«

»Gott sei Dank. Was ist es dann?« Erleichtert atmete sie aus. »Hast du einen Freund?«

»Das wären doch keine schlechten Neuigkeiten«, wandte er ein.

Sie verzog ihren Mund und dachte nach. »Na ja, für dich vielleicht nicht, aber für mich schon. Mit wem soll ich denn dann meine Samstagabende verbringen? Aber wüsste ich nicht, wenn sich da was angebahnt hätte?«

Felix lachte und schüttelte den Kopf. »Kein neuer Freund und ja, natürlich würdest du Bescheid wissen. Also gut, ich mache es kurz und schmerzlos.«

»Kurz, haha!« Sie schmiss sich noch drei Gummibärchen in den Mund und kaute genüsslich.

Felix guckte auf ihre Gummibärchentüte und dann wieder in ihre Augen. »Es geht um die sauren Mandarinen.«

Felix arbeitete in der Produktentwicklung des Süßigkeitenherstellers Juroma und brachte ihr das Zeug kiloweise mit. Die Marke war aus den Gründernamen Julius und Roman Hartmann zusammengesetzt worden, das wusste Charlotte als größter Fan der sauren Mandarinen natürlich.

»Die sind so lecker! Ohne meine Seelentröster wäre ich schon lange in der Klapse gelandet, die retten mich regelmäßig. Was ist damit?«

Felix verzog seine Lippen und räusperte sich.

Ein mulmiges Gefühl machte sich in Charlottes Bauch breit, während sie begriff, dass es mit den Gummibärchen zu tun haben musste. »Neiiiin!«, kreischte sie plötzlich. »Du hast doch nicht etwa gekündigt und einen neuen Job in Aussicht? Wie soll ich dann so günstig an meinen Großvorrat rankommen?«

Ihr Mitbewohner seufzte leise. »Manchmal habe ich das Gefühl, du liebst den Süßkram mehr als mich. Du benutzt mich«, scherzte er.

Charlotte gab ihm einen weiteren feuchten Schmatzer auf die Wange. »Nur ein bisschen.« Sie setzte sich wieder im Schneidersitz neben ihn und schaute ihn erwartungsvoll an. »Also?«

»Ich habe nicht gekündigt.«

»Meine Güte, dann spuck doch endlich aus, was Sache ist, und spann mich nicht so auf die Folter!«

»Pass auf, Charlotte. Die Mandarinen laufen nicht mehr so gut. Ich habe heute erfahren, dass sie aus dem Sortiment gestrichen werden sollen.«

Unmöglich! Sie hielt mitten in der Kaubewegung inne. »Was? Das geht aber nicht! Das könnt ihr nicht machen.«

Felix zuckte bedauernd mit den Schultern. »Ich fürchte, darauf habe ich keinen Einfluss.«

Ihr war klar, dass sie überreagierte, als sie die Tüte beiseitelegte und sich vor Felix hinkniete, um ihn anzubetteln. Aber so war sie nun mal: ein klein wenig überdreht. Zum Glück kannte Felix sie gut und konnte es einordnen. »Bitte! Du musst das verhindern! Ich sterbe ohne die Mandarinen! Ich brauche sie, um die Arbeitstage in der Märchen-Hölle durchstehen zu können. Ohne sie bin ich verloren!«

»Du wirst nicht sterben, es gibt ungefähr drei Trilliarden andere Sorten.« Felix runzelte die Stirn, als ob er überlegte, ihr lieber doch sofort eine Zwangsjacke zu verpassen. Charlotte wusste selbst, dass sie überreagierte, aber nach diesem grauenvollen Tag war diese Neuigkeit einfach zu viel.

»Warum wird genau die eine Sorte eingestellt, die ich liebe? Die anderen sind nicht so lecker.«

Er seufzte leise. »Bedauerlicherweise bist du quasi die Einzige, die die Dinger mag. Sie liegen wie Blei in den Läden … Hast du schon mal darüber nachgedacht, warum ich sie so günstig im Lagerverkauf bekomme?«

Charlotte ließ sich in die Sofakissen sinken. Auf einmal war sie schrecklich müde. »Dabei dachte ich, dass dieser Tag unmöglich noch beschissener werden könnte. Was kommt als Nächstes? RTL stellt das Dschungelcamp ein?«

»Bist du nicht ein wenig überreizt, Liebes?« Felix zupfte an ihrem Shirt.

»Ja, das bin ich.« Charlotte quälte sich auf die Beine. »Auf den Schreck hin mache ich gleich eine Flasche Wein auf. Bist du dabei?«

»Aber unbedingt, und dann erzählst du mir von der Arbeit, okay? Du solltest wirklich kündigen. Soll ich dir schon mal die Dusche anstellen?«, bot er an, daraufhin musste sie lachen.

»Nein, Schatz. Das kann ich selbst. Bleib mal sitzen, sonst verpasst du noch was.« Sie deutete auf den Fernseher. »Ich bin gleich wieder da …« Sie verschwand aus dem Wohnzimmer und hoffte, dass sie damit die Erlebnisse des Tages fortspülen würde. Während lauwarmes Wasser über ihren Körper rieselte, fasste Charlotte zwei Entschlüsse: Erstens, sie musste sich im Park zusammenreißen, sonst würde sie schneller als ihr lieb war, von Mr. Arschgesicht-Brandtner rausgeschmissen werden, bevor sie sich etwas anderes suchen konnte. Und das konnte sie sich nicht leisten, denn ohne Job waren weder Knöllchen noch Miete zu bezahlen.

Und zweitens, sie musste herausfinden, wieso die Mandarinen aus dem Sortiment genommen werden sollten und alles daransetzen, das zu verhindern. Ohne ihre Lieblingsgummibärchen würde ihr Alltag im Park unerträglich werden. Nein, sie durfte nicht zulassen, dass man die Produktion einstellte. Nur über ihre Leiche!

KapitelZwei

Langsam, aber sicher wurde Marius zu alt für diesen Scheiß. Er schmiss eine Brausetablette in sein Wasserglas und sank auf den vor der Kochinsel stehenden Küchenhocker. Sonnenstrahlen fielen durch die Scheiben und ließen den blanken Marmorboden glänzen. Es war merkwürdig still in der Villa seiner Eltern. Wobei, heute begrüßte er es, dass ihm niemand auf die Nerven ging. Götz’ Junggesellenabschied lag zwei Tage zurück, aber Marius hatte immer noch mit einem monstermäßigen Kater zu kämpfen. Es hatte den ganzen Samstag über deutlich zu viel Alkohol gegeben. Der Freizeitpark war nur der Anfang gewesen, obwohl ihm da ja schon schlecht gewesen war. Marius dachte kurz an die Prinzessin, die ihn glücklicherweise vor diesem Höllengefährt gerettet hatte. Und an den Kuss, den er ihr daraufhin gestohlen hatte.

---ENDE DER LESEPROBE---