Zuhause ist, wo Geister sind - AJ Sherwood - E-Book

Zuhause ist, wo Geister sind E-Book

AJ Sherwood

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Beschreibung

Mack schwebt im siebten Himmel: Er ist mit Brandon zusammen – und hat endlich seine Ausbildung beendet. Mit der offiziellen Genehmigung des FBI können sie nun mit der Geisterjagd beginnen. Dass ihr erster Einsatzort ausgerechnet seine Heimatstadt Opelousas in Louisiana ist, findet Mack allerdings weniger toll. Aber ein Kind wird terrorisiert, noch dazu das seiner Lieblingscousine, und Mack ist entschlossen, dem so schnell wie möglich ein Ende zu setzen. Das Geisterproblem seiner Cousine bleibt jedoch nicht Macks und Brandons einziger Fall. In der nahe gelegenen Universität gibt es ebenfalls einen bösartigen Geist, der ziemlich über die Stränge schlägt. Studenten werden gekratzt, die Treppen hinuntergestoßen und in Angst und Schrecken versetzt. Trotz Brandons unerschütterlicher Unterstützung gerät Mack an seine Grenzen. Als der Geist beweist, dass er sämtliche Fenster in einem dreistöckigen Gebäude zerbrechen kann, weiß Mack definitiv, dass er Hilfe braucht. Und von da an wird der Besuch in seiner Heimatstadt erst so richtig schön aufregend …

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Seitenzahl: 350

Veröffentlichungsjahr: 2023

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AJ SHERWOOD

ZUHAUSE IST, WO GEISTER SIND

MACKS GEISTERHAFTE ERSCHEINUNGEN 2

Aus dem Amerikanischen von Johanna Hofer von Lobenstein

Über das Buch

Mack schwebt im siebten Himmel: Er ist mit Brandon zusammen – und hat endlich seine Ausbildung beendet. Mit der offiziellen Genehmigung des FBI können sie nun mit der Geisterjagd beginnen.

Dass ihr erster Einsatzort ausgerechnet seine Heimatstadt Opelousas in Louisiana ist, findet Mack allerdings weniger toll. Aber ein Kind wird terrorisiert, noch dazu das seiner Lieblingscousine, und Mack ist entschlossen, dem so schnell wie möglich ein Ende zu setzen.

Das Geisterproblem seiner Cousine bleibt jedoch nicht Macks und Brandons einziger Fall. In der nahe gelegenen Universität gibt es ebenfalls einen bösartigen Geist, der ziemlich über die Stränge schlägt. Studenten werden gekratzt, die Treppen hinuntergestoßen und in Angst und Schrecken versetzt. Trotz Brandons unerschütterlicher Unterstützung gerät Mack an seine Grenzen. Als der Geist beweist, dass er sämtliche Fenster in einem dreistöckigen Gebäude zerbrechen kann, weiß Mack definitiv, dass er Hilfe braucht.

Und von da an wird der Besuch in seiner Heimatstadt erst so richtig schön aufregend …

Über die Autorin

AJ steckt voller Ideen. Deshalb arbeitet sie meist an mehreren Projekten und Büchern gleichzeitig. Unter einem weiteren Pseudonym verfasst sie Fantasy-Romane, doch sie wollte unbedingt auch für die LGBTQ+-Gemeinde schreiben. Glücklicherweise war ihre Lektorin sofort damit einverstanden.

In ihrer Freizeit verschlingt AJ Bücher, isst viel zu viel Schokolade und verreist gern. Ihre erste größere Reise führte sie nach Japan, und das hat ihr so gut gefallen, dass sie sich fest vorgenommen hat, so bald wie möglich noch viel mehr von der Welt zu sehen. Bis dahin recherchiert sie weiterhin via Google Earth und schreibt über die Welten in ihrem Kopf.

Die englische Ausgabe erschien 2020 unter dem Titel »Mack’s Perfectly Ghastly Homecoming«.

 

Deutsche Erstausgabe 2022

 

© der Originalausgabe 2020: AJ Sherwood

© Verlagsrechte für die deutschsprachige Ausgabe 2022:

Second Chances Verlag, Inh. Jeannette Bauroth

Hammergasse 7-9, 98587 Steinbach-Hallenberg

 

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch auszugsweise –

nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

 

Umschlaggestaltung: Frauke Spanuth, Croco Designs

unter Verwendung von Motiven von Tiago Fernandez,

sakkmesterke, alle stock.adobe.com

Lektorat: Judith Zimmer

Korrektorat: Julia Funcke

Satz & Layout: Second Chances Verlag

 

 

ISBN 978-3-948457-95-2

 

www.second-chances-verlag.de

 

Hashtags

 

Böse Geister • Brandon kann es kaum erwarten, auf etwas zu schießen • Ziemlich viele erste Male in dieser Geschichte • Die FBI-Abteilung für paranormale Erscheinungen macht gern Sachen kaputt • Das macht Brandon sehr glücklich • Mack ist noch nicht ganz erwachsen, und er weiß es • Fliegen macht Spaß

 

Im Anhang befindet sich ein Glossar mit Wörtern und Sätzen auf Kreolisch und Tongaisch.

Inhaltsverzeichnis

Titel

Über die Autorin

Impressum

Hashtags

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Epilog

Glossar

Weitere Bücher von AJ Sherwood

KAPITEL 1

MACK

Abends von der Chefin angerufen zu werden, war nie ein gutes Zeichen – jedenfalls nicht nach meiner Erfahrung. Misstrauisch beäugte ich mein Handy, bevor ich den Anruf mit sehr gemischten Gefühlen annahm. »Hallo?«

»Mack«, begann Sylvia ohne Umschweife. »Ich habe zwei Anfragen für dich. Und du musst morgen Abend an einem neuen Einsatzort sein.«

»Gleich zwei? Oje, wo denn? Und worum geht es?« Ich sah mich um, in der Absicht, meinem Partner Zeichen zu machen, aber Brandon war irgendwo anders im Haus. Jon bekam meinen suchenden Blick mit und zeigte nach oben. Ich nickte ihm dankend zu und machte mich auf den Weg in den ersten Stock, während ich das Handy noch am Ohr hatte.

»Das ist das Lustige daran: Einer der Fälle ist in deiner Heimatstadt Opelousas.«

Ich stolperte auf der Treppe. »Wa… wieso denn dort?«

In Rekordgeschwindigkeit stand Brandon auf dem Treppenabsatz, einen besorgten Ausdruck im Gesicht. Er hatte, warum auch immer, seinen Pulli ausgezogen und trug jetzt ein eng anliegendes T-Shirt, das seine muskulösen Arme und Schultern liebevoll umschmeichelte. Er musste gerade erst in das Shirt geschlüpft sein, denn seine kurz geschnittenen schwarzen Haare standen in interessanten Winkeln von seinem Kopf ab. Ach ja, er hatte doch duschen wollen. Ob er mich tatsächlich sogar im Bad gehört hatte? Ich schwöre, der Mann hatte ein eingebautes Radar. Ein Warnsystem. Irgendetwas, das ein Geräusch machte, sobald ich mal danebentrat. Er war einfach erschreckend gut darin, sofort an meiner Seite aufzutauchen, wenn ich mal stolperte.

Sylvia sprach noch, und ich stellte das Handy auf Lautsprecher, sodass Brandon mithören konnte, und bedeutete ihm, herunterzukommen. »… weißt, dass die Anfragen von Familienangehörigen beim FBI Vorrang haben?«

»Äh, das habe ich nicht gewusst, nein.« Ich drehte mich so, dass Brandon sich mir gegenüber an die Wand am Treppenabsatz lehnen konnte und wir uns ansahen. Bei der indirekten Beleuchtung glänzte seine Haut kupferfarben. Es fiel mir schwer, ihn nicht begehrlich anzustarren und mich auf das Gespräch zu konzentrieren.

»Das ist ein kleines Entgegenkommen von der Agency. Normalerweise würde man dich nicht zu deinen eigenen Verwandten schicken, wegen möglicher Interessenkonflikte und so weiter. Aber wir haben da ein bisschen Spielraum, weil wir nur so wenige sind. Wenn wir nicht genug Leute haben oder wenn es eilt, dann können wir es auch rechtfertigen, dich zu schicken. Das ist jetzt so ein Fall, denn alle anderen sind anderweitig beschäftigt. Deine Cousine Edmée DeVilliers hat dringend um einen Geisterseher gebeten. Nach der Zusammenfassung, die ich gelesen habe, hat sie etwas im Haus, das ihre Tochter nachts nicht schlafen lässt.«

Ich spürte einen Krampf im Magen. »Cali ist erst vier.«

»Du kennst also diese Cousine?«

»Ja. Sie ist eine der wenigen Verwandten, die ich mag. Verdammt. Ich habe doch ihr Haus untersucht, bevor ich gefahren bin, damit sie beruhigt ist. Es war für alle nicht so einfach nach Calis Geburt. Ist Edmée inzwischen noch mal umgezogen?«

»Vor zwei Monaten.«

Keine Ahnung, warum sie das getan hatte, aber das konnte ich Edmée auch selbst fragen. Ich würde sie gleich anrufen. Ich sah Brandon an und wusste schon, warum sie mich nicht direkt angerufen hatte. Meine Cousine hatte zweifellos von meiner Mutter gehört, dass mein Partner noch in der Ausbildung steckte. Das war jedenfalls bis Freitag der Fall gewesen. Aber er hatte alle Tests bestanden. »Brandon, ich muss da hin.«

»Wir beide«, stimmte er nickend zu, als ob das auf der Hand läge. »Sylvia, schick mir doch bitte die neue Adresse. Wir packen sofort, damit wir morgen früh gleich starten können.«

»Das ist aber nicht das einzige Problem. Ich habe noch eine Anfrage.«

»War ja klar.« Brandons Lächeln war viel zu freudig. Aber er war einfach leicht zu begeistern, wenn es um das Übernatürliche ging. »In der gleichen Gegend?«

»In der gleichen Gegend. Ich schicke euch beiden eine E-Mail mit der Akte. Ihr könnt sie unterwegs lesen. Nur zu meiner Information – fahrt ihr, oder fliegt ihr?«

»Wir fahren. Dauert zwar etwas länger, aber ich will nicht alles in zwei Koffer und eine Reisetasche quetschen müssen.«

»Verstanden. In Ordnung. Habt ihr den Dienstwagen schon abgeholt?«

»Äh, nein.«

»Holt ihn jetzt gleich. Ich schicke jemanden zum Autohändler. Brandon, wenn deine Beine nicht in dieses Fahrzeug passen, sag Bescheid. Dann veranlasse ich, dass ihr dort etwas Passendes bekommt.«

»Was hast du denn jetzt für uns vorgesehen?«, fragte Brandon mit schief gelegtem Kopf.

»Chevy Tahoe.«

»Oooh. Keine Sorge, da passe ich gut rein.«

»Gut. Ich hasse Zeitverschwendung. Macht euch auf den Weg, Leute. Oh, und Mack? Ich möchte nicht, dass du das Gefühl hast, das alles alleine machen zu müssen. Der zweite Fall, den ich euch gebe, ist … na ja. Er hat das Potenzial, ein bisschen aus dem Ruder zu laufen. Wenn ihr glaubt, dass ihr Unterstützung braucht, nutze bitte den gesunden Menschenverstand, den der liebe Gott dir gegeben hat, und ruf mich an.«

Diese Anweisung beunruhigte mich. Was war das nur für ein Fall? »Jawohl, Ma’am.«

»Ich erwarte, auf dem Laufenden gehalten zu werden, meine Herren. Gute Reise.« Das Telefon klickte, als sie das Gespräch beendete.

Ich war darauf gefasst, dass Brandon aufgeregt sein würde, und das war er auch, wie man am Strahlen in seinen wunderschönen goldbraunen Augen erkennen konnte. Aber darunter lag vor allem Besorgnis. Er sagte ruhig: »Du siehst nicht begeistert aus bei der Aussicht, nach Hause zu fahren. Probleme?«

»Ich erklär’s dir auf dem Weg zum Autohändler.«

»Okay. Ich hole schnell Don.«

Ich verdrehte die Augen. »Ich kann fahren.«

Er beugte sich zu mir herunter und gab mir einen sanften Kuss. »Du kannst alles. Aber bitte fahr trotzdem nicht. Es macht mir eine Scheißangst.«

»Wenn du es so ausdrückst, muss ich ja klein beigeben.«

Er küsste mich noch mal, kurz und brav, dann lief er nach oben und rief nach seinem Bruder. Ich ging wieder runter, da meine Schuhe an der Hintertür standen, und stieß fast mit Jon zusammen, als ich um die Ecke bog.

Jons Reflexe waren besser als meine, und er fing uns beide auf, bevor wir uns überschlagen konnten. »Sorry.«

Er winkte ab und fragte beunruhigt: »Ist es ein schlechtes Zeichen, wenn sie gleich dich anfordern?«

»Ein gutes ist es jedenfalls nicht gerade«, stimmte ich zu. »Das FBI schickt einen Geisterseher, wenn eins von drei Kriterien zutrifft: wenn ein Kind betroffen ist, wenn jemand körperlich zu Schaden gekommen ist oder wenn an einem Gebäude Schäden angerichtet wurden. Ich hoffe wirklich, dass wir nur gerufen wurden, weil ein Kleinkind betroffen ist. Aber ich kenne meine Cousine. Sie ist nicht so leicht zu erschüttern.«

»Also muss es mehr sein als nächtliche Geräusche, wenn sie offiziell um Hilfe gebeten hat.« Jon nickte und kniff die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. »Darum bist du auch so besorgt.«

Nach mehreren Wochen unter seinem Dach war ich daran gewöhnt, dass er meine Emotionen lesen konnte. Ich widersprach nicht. »Ja. Ich rufe sie gleich an und frage sie selbst, was Sache ist.«

»Wie kann ich helfen?«

»Kannst du uns Sandwiches und Snacks für die Fahrt einpacken?«, erkundigte ich mich hoffnungsvoll. Jon war ein guter Koch, und um der Wahrheit die Ehre zu geben, war Fast Food mein Tod. Das meiste war mit Milchprodukten zubereitet oder enthielt Mais. Manchmal auch beides. Jedenfalls war es für meine Wenigkeit einfach nicht gut.

»Na klar. Sonst noch etwas?«

»Irgendwelche von meinen Spezial-Lebensmitteln, bitte. Also, etwas davon, was nicht leicht verdirbt. Es ist eine zehnstündige Fahrt da runter.«

»Ah. Ja, das ist zu lang für Verderbliches.« Er klopfte mir auf die Schulter und versprach: »Ich achte darauf. Wie sieht es mit Wäsche aus?«

»Verdammt.« Das hatte ich glatt vergessen – meine Wäsche lief gerade. »Die muss ich noch rausholen, bevor wir fahren.«

Don und Brandon gesellten sich zu uns, beide schon in ihren Jacken. Es war jetzt Ende März, aber hin und wieder war es trotzdem noch bitterkalt.

Für mich war natürlich alles unter zehn Grad bitterkalt, danke auch.

»Ich fahre die beiden zum Autohändler«, informierte Donovan seinen Freund. »Bin gleich wieder da.«

»Könntest du auch noch bei der Bank vorbeifahren? Wir haben ein paar Rechnungen zu bezahlen.«

»Ja, sicher.«

Brandon hielt mir die Jacke, und ich schlüpfte hinein, aber auf dem Weg zum Auto suchte ich trotzdem die Nähe meines persönlichen Heizkörpers. Da hinter Jons Haus nicht viel Platz war, stand mein Accord bei Brandons Eltern. Brandon und Don fuhren beide Pick-up-Trucks, und Jons Wagen war ein Humvee. Wir mussten uns also alle etwas dünn machen, um in Dons Wagen einsteigen zu können.

Erst als wir unterwegs waren, kam ich dazu, Brandon zu sagen: »Ich rufe gleich Edmée an und lasse mir die Lage schildern. Was die anderen Probleme betrifft, weiß ich gar nicht so recht, wie ich das erklären soll. Oder wo ich anfangen soll.«

»Wie ist deine Heimatstadt denn so?« Brandon spielte den hilfreichen Stichwortgeber.

»Opelousas ist nicht gerade eine blühende Stadt. Es ist der Sitz des Parish, und ich glaube, die Einwohnerzahl liegt bei zwanzigtausend auf einer Fläche von knapp zwanzig Quadratkilometern.«

»Wow, das nenne ich eine hohe Bevölkerungsdichte«, bemerkte Don mit einem Blick in den Rückspiegel. »Wie ist denn die Atmosphäre?«

»Sehr katholisch, und die Leute sind arm.« Ich musste an meine Kindheit denken und zog eine Grimasse. »Meine Mutter hat nie mehr als 25.000 Dollar im Jahr verdient – und sie zählt zu den Wohlhabenderen in meiner Familie.«

Beide pfiffen leise vor sich hin und schüttelten die Köpfe.

Brandon, der mehr von meiner Geschichte wusste als Don, drehte sich auf dem Beifahrersitz um, um mich ungläubig anzustarren. »Und damit hat sie acht Kinder großgezogen?«

»Ein bisschen knapp war es immer. Wir hatten einen Gemüsegarten hinter dem Haus, das hat geholfen. Tja, und ansonsten sind da alle ziemlich abergläubisch. Edmée ist aber nicht gerade schreckhaft, das ist es, was mir Sorgen macht. Dass sie umgezogen ist, macht mir auch Sorgen, denn es gibt nicht viele gute Wohnungen dort.«

Mein Partner warf mir einen wissenden Seitenblick zu. »Gibt es in Opelousas viele Geister?«

»Etwa so viele wie in Eureka Springs.« Das war der Ort, an dem wir uns kennengelernt und das erste Mal zusammengearbeitet hatten.

Don, der noch nie viel für Spuk übriggehabt hatte, stöhnte entsetzt auf. »Das klingt ja grauenhaft.«

Als Kind war es das für mich tatsächlich gewesen. Ich war noch dazu ein sensibles Kind gewesen, das keinen Zufluchtsort gehabt hatte. Auch heute, wo ich ausgebildeter Geisterseher war, überlief mich insgeheim ein Schauder bei dem Gedanken, dorthin zurückkehren zu müssen. Wenn es nicht meine Familie wäre, die Hilfe brauchte, hätte ich den Fall sicher abgetreten.

Ich spürte, wie Brandon mit seinen warmen Fingern nach meiner Hand tastete und sie sanft und beruhigend drückte. Als ich hochschaute, begegnete ich seinem liebevollen Blick. Brandon war etwa so empfänglich für das Übernatürliche wie ein Baumstumpf, und trotzdem tröstete er mich. Seine unablässige Unterstützung während der dreizehn Wochen, die hinter uns lagen, war ein echtes Aha-Erlebnis für mich gewesen. Wenn er zu mir sagte, dass wir einen Berg versetzen würden, würde ich daran glauben, einfach, weil er es sagte.

Trotzdem – ich wollte nicht dorthin. Aber wenn ich ihn so ansah, konnte ich mir vorstellen, dass es okay sein würde, und das änderte alles.

Ich atmete also einmal tief durch, drückte seine Hand und lächelte ihn an. »Ich bin wirklich froh, dass du jetzt eine Waffe hast, cher.«

»Und ich erst«, antwortete er fröhlich.

Andererseits beunruhigte es mich, dass er eine Waffe trug, aus anderen Gründen. Die meisten meiner Verwandten machten mir Schwierigkeiten, wenn ich mit ihnen zusammentraf. Ich war also schon darauf gefasst, dass es Stress geben würde, während ich dort war – auf die eine oder andere Art.

Das hatte er mir natürlich angesehen.

»Heißt das, dass ich auf deine Verwandtschaft schießen darf?«

»Cher, bitte benimm dich.« Mein Grinsen wurde breiter, denn mir war klar, dass er Spaß machte. Mehr oder weniger.

»Mach ich. Wenn die sich auch benehmen«, gab er mit raubtierhaftem Lächeln zurück.

Vielleicht war es falsch von mir, dass ich mich auf den Moment freute, in dem ich meinen gigantischen neuen Freund meiner Familie vorstellen würde. Manche von ihnen würden das gar nicht gut finden. Wie streitlustige Hähne auf dem Hühnerhof – der Kampf war vorprogrammiert. Aber dass sie ihn gewinnen würden, war sehr unwahrscheinlich.

Donovan hielt an einer roten Ampel und warf seinem Bruder einen misstrauischen Blick zu. »Waffe? Was hast du denn für eine Waffe bekommen, Brandon?«

»Ich habe ein umgerüstetes Gewehr und eine Glock mit Steinsalzpatronen«, berichtete er, immer noch im siebten Himmel wegen des neuen Spielzeugs, das man ihm ausgehändigt hatte, nachdem er seine Prüfungen bestanden hatte. »Außerdem eine Hochleistungs-Wasserpistole für Weihwasser. Und natürlich die ganz normale Glock für Nicht-Geister.«

Donovan wirkte beeindruckt, aber auch skeptisch. »Wie sollst du denn auf etwas zielen, was du nicht sehen kannst?«

»Ich habe auch ein Thermosichtgerät bekommen. Damit kann ich wenigstens die Umrisse erkennen.«

Nur über meine Leiche würde ich zugeben, dass er mit dem Sichtgerät, dem Gewehr in der Hand und der Einsatzweste mit all den anderen Waffen umgeschnallt an einen Helden aus einem Steampunk-Roman erinnerte.

Während sie sich weiter über Feuerwaffen unterhielten, rief ich meine Cousine an. Edmée und ich telefonierten höchstens zweimal im Jahr, an ihrem und meinem Geburtstag, aber sie stand mir mit am nächsten von all meinen Cousins und Cousinen. Sie war immer lieb zu mir gewesen, und ich würde für sie Himmel und Hölle in Bewegung setzen, wenn sie mich um etwas bat.

Es klingelte zweimal, dann erklang ihre raue Altstimme. »So ein Zufall, Mack. Ich habe gerade mit deiner Maman gesprochen.«

»Wirklich?« Das erleichterte mich sehr. Meine Mutter beherrschte die grundlegenden Techniken dafür, Geister auf Abstand zu halten. »Wie geht’s deiner Grandmaman und den anderen?«

»Es geht uns gut. Ich weiß nicht, ob du es schon gehört hast – ich bin gerade umgezogen.« Jetzt schwang leichte Angst in ihrer Stimme mit.

»Hab ich gehört, ja. Edmée, ich bin der Geisterseher vom FBI, den sie dir zu Hilfe schicken.«

Sie atmete scharf und rasselnd ein. »Wirklich?«

»Mein Partner ist seit Freitag voll für Einsätze zugelassen. Dein Fall hat Priorität, weil du ein Kind hast und meine Verwandte bist. Meine Chefin hat ihn mir angeboten, und ich habe zugesagt. Wir sind morgen Abend in Opelousas.«

Edmée gab ein ersticktes Schluchzen von sich, das sie schnell unterdrückte. »Oh Gott, oh Gott, Mack, du hast ja keine Ahnung, wie mich das beruhigt.«

»Du solltest dich schämen – warum hast du nicht schon längst angerufen?«, fragte ich vorwurfsvoll. »Du weißt doch, dass ich gekommen wäre.«

»Ich wollte dich in der Ausbildung nicht stören. Deine Maman hat auch gesagt, dass ich es machen soll, aber ich wollte dir deine tolle Chance nicht kaputtmachen.«

»Pffft, hier macht gar niemand was kaputt. So, und jetzt erzähl mal, was los ist.«

»Mack, ich weiß nicht mehr, was ich tun soll, ich weiß es wirklich nicht. Cali hat fast jede Nacht Kratzer. Sie wacht schreiend auf und sagt, da ist ein böser Mann, der versucht, sie aus ihrem Bett zu zerren. Ich hab Salz um ihr Zimmer gestreut und auf die Fensterbretter und so, aber es hilft nicht. Ich hab’s auch um mein Zimmer gestreut, und jetzt schläft sie bei mir, und das hat geholfen. Was auch immer es ist, es scheint bei mir nicht reinzukönnen.«

Das war interessant. »Denk mal nach. Gibt es irgendwelche Antiquitäten in ihrem Zimmer?«

Edmée schwieg eine Weile. »Nein. Nein, da fällt mir nichts ein. Das meiste ist neu, oder jedenfalls neu genug. Wir mussten ihr ein paar Sachen im Trödelladen kaufen, als ich umgezogen bin, aber die sind alle nicht älter als zwanzig Jahre, glaub ich jedenfalls.«

»Okay. Manchmal hängen sich Geister an Gegenstände. Wenn es nichts nützt, ihr Zimmer zu verbarrikadieren, dann sitzt die Ursache wahrscheinlich dort.«

»Ach, verdammt. Verdammt, Mack, daran hab ich gar nicht gedacht. Ich dachte einfach, ich hab’s nicht richtig gemacht.«

»Kann natürlich auch sein, aber wenn du es bei dir richtig gemacht hast und es bei dir im Zimmer funktioniert … Hast du beide Räume gleich behandelt?«

Sie machte ein zustimmendes Geräusch.

»Ja, dann ist wahrscheinlich etwas mit schlechtem Juju im Kinderzimmer. Wir kriegen das raus, wenn ich da bin. Wir bereiten schon unsere Abfahrt vor.«

Ein weiteres ersticktes Schluchzen, und daran erkannte ich, dass sie Angst hatte wie noch nie. Die Edmée, die ich kannte, weinte nicht so schnell. Ich wollte etwas sagen, um ihr zu helfen, ich wusste nur nicht, was ich noch hinzufügen sollte. »Atme mal tief durch, Cousinchen. Brandon und ich kriegen das hin.«

»Ich mache euch ein Jambalaya. Wenn ihr ankommt, ist es fertig.«

Ich war froh, dass sie sich wieder fing. »Oooh, woher wusstest du, dass ich darauf Appetit habe? Mach aber genug, ja? Brandon kann essen wie ein Bär nach dem Winterschlaf.«

Sie musste lachen. Es klang noch etwas zittrig, aber die Belustigung war deutlich zu erkennen. »Hab schon von ihm gehört. Wir sind schon ganz gespannt auf ihn. Viel Platz habe ich hier nicht, aber ich kann euch einen Schlafplatz im Wohnzimmer zurechtmachen.«

»Wir bringen Schlafsäcke mit, das kriegen wir hin«, versprach ich. »Mach dir darum keine Gedanken. Wir sind bald da. Und wenn vorher etwas passiert, egal wann, ruf mich an. Ich erkläre dir, was du machen musst.«

»Okay. Dem Himmel sei Dank für dich und deinen Kerl, Mack. Ich war schon ganz irre vor Sorge. Gute Fahrt, und schreibt mir, bevor ihr ankommt.«

»Machen wir. Und du streu noch mal Salz aus, bevor ihr schlafen geht, okay?«

»Mach ich. Bis bald dann.«

Ich legte auf und fluchte laut vor mich hin. Am liebsten hätte ich mit der Faust auf etwas draufgeschlagen.

Brandon wandte sich zu mir um, die Lippen ärgerlich zusammengepresst. »Ich habe Teile mitgehört. Irgendetwas kratzt das kleine Mädchen?«

»Caliste«, antwortete ich. Das war ihr richtiger Name. »Wir nennen sie alle Cali. Ja, Kratzer in der Nacht, und sie schreit vor Angst, weil ein böser Mann versucht, sie aus dem Bett zu zerren, wie sie sagt.«

Donovan erschauderte von Kopf bis Fuß. »Gott, das ist ja schon für einen Erwachsenen entsetzlich – wie muss sich da ein Kind fühlen!«

Ich nickte ernst. »Ja, darüber bin ich nicht besonders glücklich. Edmée meint, ihr eigenes Zimmer lässt sich mit Salz verbarrikadieren, und Cali geht’s gut, wenn sie bei ihr schläft. Sie streuen noch mal Salz aus vor dem Schlafen. Brandon, cher, wir müssen da so schnell wie möglich hin. Wenn dieses Ding stark genug ist, um jemandem in der Nacht Kratzer zuzufügen, dann darf es sich da nicht einnisten.«

Er nickte. Sein Gesichtsausdruck war so ernst wie meiner. »Wir fahren los, so schnell wir können. Lass uns unterwegs bei einem Sportgeschäft halten und Schlafsäcke kaufen.«

»Ihr könnt unsere nehmen«, bot Donovan an. »Bei diesem Wetter werden wir kaum campen, und sie liegen nur im Schrank. Meiner sollte dir passen, Brandon.«

»Ja? Das würde Zeit sparen. Danke, das machen wir.«

Ich musste darüber nachdenken, was es bedeutete, wenn sich Jon auf einem Campingplatz aufhielt. »Jon geht gerne zelten?«

»Sehr sogar. So macht er am liebsten Urlaub.« Donovan lachte leise und ausgiebig. »Wir machen das bei gutem Wetter, um zu entspannen. Ich glaube, Jon würde zum Eremiten werden, wenn er nicht arbeiten und Geld verdienen müsste. Aber im Moment ist es ja viel zu kalt. Ihr könnt sie gerne benutzen.«

Wir hielten beim Chevrolet-Händler, und Don ließ uns aussteigen. Da fiel mir plötzlich ein, was ich vergessen hatte, und ich steckte den Kopf wieder ins Auto. »Don, ich hab noch eine Maschine laufen.«

Er verstand mich. »Ich stecke die Sachen in den Trockner.«

»Merci.« Ich mochte ihn wirklich. Dieser Kerl war so geduldig wie Hiob. Wie hatte er mir je unheimlich sein können?

Es war kurz vor Feierabend, aber Sylvia hatte den ganzen Papierkram schon für uns erledigt. Wir bekamen Schlüssel und Papiere ausgehändigt und fuhren im neuesten Modell vom Hof. Es hatte noch den wunderbaren Geruch nach Neuwagen.

Brandon hatte alles passend für sich eingestellt, und er sah so aus, als hätte er es bequem. Endlich ein Fahrzeug, das groß genug für ihn war, sodass er nicht wie ein Riese wirkte, der sich in einen Mini gequetscht hatte. Die Sitze waren schön weich, was ich gut fand, da wir morgen mindestens zehn Stunden darauf verbringen würden.

»Du hast mir ja schon Geschichten von zu Hause erzählt«, setzte mein Lover mit vorsichtigem Seitenblick an. »Muss ich noch etwas wissen, bevor wir da hinkommen?«

»Ja, ich sollte dich wohl vorwarnen«, antwortete ich mit einer Grimasse. »Der Großteil der Stadt wird wahrscheinlich nicht besonders aufgeschlossen sein, aus einem von drei Gründen. Erstens, wir sind nicht hetero.«

Er schnaubte.

»Zweitens beschäftigen wir uns mit etwas Gottlosem. Die Leute sind mächtig abergläubisch da unten, und alles, was mit Geistern zu tun hat, wird als Voodoo angesehen. Es gibt nicht viele, die es gelassen nehmen werden, dass ich jetzt Geisterseher bin.«

»Langsam versteh ich, warum du nicht nach Hause zurückwillst«, bemerkte er, eine eher rhetorische Feststellung. »Und was ist der dritte Grund?«

»Dazu muss ich etwas ausholen. Außerhalb der Südstaaten erinnert man sich kaum noch daran – aber die Regierung hat eine ganze Weile versucht, die Cajun-Kultur auszulöschen. Von den 1930ern bis in die 1990er haben sie ihr Bestes getan, um sie zu zerstören. Von 1980 bis 1995 wurden Cajun-Kinder von den Behörden aus ihren Familien genommen und in Pflegefamilien gegeben, mit dem Ziel, sie anderweitig adoptieren zu lassen.«

Brandon hatte ein ziemliches Temperament, und ich sah es aufflammen, während seine Hände das Steuerrad umklammerten, so fest, dass das Leder protestierend quietschte. »Ist nicht dein Ernst.«

»Es war keine gute Zeit, cher. Selbst wenn man nur halb Cajun war, wurde man weggegeben. Die Eltern mussten richtig dafür kämpfen, ihre Kinder zurückzubekommen, und manchen ist es nie gelungen. Der Anblick von FBI-Agenten ist bei den Leuten dort unten nicht besonders positiv besetzt.«

»Das ist absolut verständlich. An deren Stelle wäre ich bestimmt auch alles andere als erfreut. Wahnsinn, das ist ja auch kaum mehr als zwanzig Jahre her. War deine Familie betroffen?«

»Ein Familienzweig, ja. Das ist einer der Gründe, warum Maman es … nicht gerade eilig hatte, mich testen zu lassen.«

»Ah. Okay. Ich werde versuchen, das FBI nicht allzu sehr raushängen zu lassen.«

»Wenn wir uns bedeckt halten, wird es schon werden. Es sind nur zwei Jobs, vielleicht schaffen wir es ja schnell rein und wieder raus.«

Brandon warf mir einen entsetzten Blick zu. »Beschrei es bloß nicht!«

Ich kreuzte die Finger, um das Pech abzuwenden. »Die Frage ist nur, ob du es wirst vermeiden können, meine Familie kennenzulernen.«

»Oh, es macht mir nichts aus, sie kennenzulernen«, sagte Brandon mit einem freundlichen Lächeln, das ich ihm keine Sekunde abkaufte. »Ich werde nur mit allen, die fies zu dir sind, ein Wörtchen zu reden haben.«

Inzwischen kannte ich ihn gut genug, um offen zu fragen: »Und werden sie dieses kleine Tête-à-Tête auch überleben?«

»Das kommt einzig und allein auf sie an.«

Ach du lieber Himmel. Was sollte ich nur mit diesem Mann anfangen?

KAPITEL 2

BRANDON

Um knapp fünf Uhr morgens fuhren wir los, aus mehreren Gründen. Erstens musste man rechtzeitig aus Nashville raus, um dem morgendlichen Berufsverkehr zu entgehen. Nach sechs Uhr nahm der Wahnsinn seinen Lauf. Zweitens wollte Mack so schnell wie möglich vor Ort sein. Er hatte es so eilig, dass er wahrscheinlich ohne mich aufgebrochen wäre, wenn ich nicht die Autoschlüssel versteckt hätte.

Man lernt immer viel über andere auf solchen langen Strecken. Die Fahrt von Eureka Springs nach Nashville war sehr unterhaltsam gewesen; wir hatten uns gegenseitig Geschichten erzählt, und ich hatte einiges über ihn erfahren. Ich rechnete nicht damit, dass es dieses Mal auch so sein würde, denn er war ernsthaft gestresst. Und das aus gutem Grund.

Die letzten dreizehn Wochen Zusammenleben waren für mich sehr aufschlussreich gewesen. Ich wusste jetzt, dass er lieber las, als fernzusehen. Videospiele faszinierten ihn, obwohl er sie vorher noch nie ausprobiert hatte, und wir hatten so oft gespielt, wie wir Zeit dazu fanden. Mir waren aber auch andere Dinge aufgefallen, die mir zu denken gaben. Mack war extrem vorsichtig mit allem, was wir besaßen. Alles hatte seinen Platz, und alles wurde so behandelt, dass es auch ja lange halten würde. Selbst als mir ein altes Hemd riss, war sein erster Impuls gewesen, es zu flicken – während ich keinen Moment gezögert hatte, es wegzuwerfen.

Nach so vielen Jahren bei der Polizei waren die Anzeichen für eine entbehrungsreiche Kindheit offensichtlich für mich. Der achtsame Umgang mit Essen zum Beispiel. Alles aufzuessen, was man vorgesetzt bekam, und herunterfallende Krümel aufzufangen. Ich musste auf Mack aufpassen, denn er hatte die Tendenz, auch Lebensmittel zu essen, die er nicht vertrug, wenn jemand sie ihm in die Hand drückte. Teils aufgrund guter Erziehung, hauptsächlich wohl aus Gewohnheit. Die Kindheit meines süßen Kreolen war in vielerlei Hinsicht nicht einfach gewesen.

Angesichts dessen begann ich zu überlegen, was da wohl auf mich zukam. Ich wollte seiner Familie keine Umstände machen – und das würden wir, wenn sie vorhatten, uns zu verpflegen. Außerdem brauchte Mack spezielle Lebensmittel, die es nicht überall zu kaufen gab. Als wir an Murfreesboro vorbeifuhren, fragte ich: »Sollen wir unterwegs Lebensmittel einkaufen?«

»Keine schlechte Idee, cher. Wir fahren ja durch Baton Rouge. Da gibt es eine Whole-Foods-Filiale. Lafayette ist zwar näher, aber das hieße, dass wir ein Stück in die falsche Richtung müssten.«

»Wie weit ist es von Baton Rouge bis Opelousas?«

»Eine gute Stunde.«

»Dann können wir da auch frische Sachen mitnehmen, wenn wir sie in Thermotüten packen.« Ich nickte, denn das gab für mich den Ausschlag. »Wir halten da.«

Er sah mich von der Seite an und sagte: »Ich würde gerne mehr mitnehmen als das, was wir brauchen.«

»Ist okay. Wir haben ja Platz im Auto.« Das hatte ich schon erwartet. Mack hatte einmal nebenbei erwähnt, wie froh er war, dass das FBI so gut zahlte, denn so konnte er seiner Mutter unter die Arme greifen. Das Einstiegsgehalt für Geisterseher lag bei sechzigtausend Dollar im Jahr. Als sein Anker bekam ich das Gleiche. Ich wusste, dass ein Teil seines ersten Gehalts an seine Mutter gegangen war, kannte aber die Details nicht.

Als ich weder widersprach noch nachfragte, entspannte sich Mack. »Das hast du dir schon gedacht.«

»Ich weiß doch, dass du dir um deine Mom Sorgen machst. Und alles, was du mir erzählt hast, verrät mir, dass sie es nicht leicht hat. Also rechne ich damit, dass du ihr so viel wie möglich abnimmst, solange wir in der Stadt sind.«

Er lehnte sich über die Mittelkonsole und legte die Stirn an meine Schulter. »Du bist ein Geschenk des Himmels, Brandon Havili.«

»Du kannst nicht solche Sachen sagen, wenn ich am Steuer sitze«, protestierte ich, hauptsächlich im Spaß. »Sonst habe ich den Impuls, über dich herzufallen.«

Da musste er lachen, hob endlich den Kopf wieder und strahlte mich an. Mack hatte das ansteckendste Lächeln, das ich kannte. Ich schwankte immer zwischen dem Wunsch, ihn zu küssen, und dem, einfach zurückzulächeln.

Fahren. Ich fahre. Das geht jetzt beides nicht. Verdammt.

Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße und versuchte, ans Praktische zu denken. »Hast du allen geschrieben, dass wir auf dem Weg sind?«

»Ah, das mach ich am besten jetzt.« Er zog das Handy heraus und fing an zu tippen.

»Willst du noch etwas anderes in Baton Rouge erledigen?«

Er überlegte einen Moment. »Nein, da fällt mir nichts ein. Ich wollte, ich könnte meiner Maman einen neuen Boiler für das Haus besorgen. Sie meint, ihrer hat Aussetzer und erhitzt das Wasser nicht immer richtig.«

»Autsch, kalte Duschen? Klar, das können wir doch machen.«

Mack blinzelte mich an, als hätte ich etwas Seltsames von mir gegeben. »Ja? Aber ich weiß nicht, wie man so was installiert.«

»Kein Problem, ich schon. In Opelousas gibt es doch sicher Baumärkte, oder? Boiler auszutauschen, ist nicht besonders schwierig. Solange es wirklich der Boiler ist und nichts anderes.«

»Diese beiläufigen Kommentare sind ja sehr vielsagend. Wie gut kannst du eigentlich mit Werkzeug umgehen?«

»Ziemlich gut, denke ich. Bei Don und mir ist eine ganze Menge zu Bruch gegangen, als wir jünger waren. Wir konnten unsere eigene Kraft noch nicht einschätzen, und wir haben Ringkämpfe ausgetragen, wo wir es besser nicht getan hätten. Tja, und alles, was dabei kaputtging, mussten wir dann wieder reparieren. Dad hat früher Renovierungsobjekte günstig gekauft und selbst hergerichtet. Er hat uns das alles beigebracht. Don hat dir doch erzählt, dass er das Haus unserer Großmutter renoviert hat, oder? Das habe ich mit meiner Wohnung in Colorado auch gemacht.«

Mack schüttelte verblüfft den Kopf und bemerkte schmunzelnd: »Du hast ja viele verborgene Talente.« Dann stockte er und fügte hinzu: »Aber du bist nicht dafür verantwortlich, das in Ordnung zu bringen.«

Dass er sich sträuben würde, hatte ich schon erwartet – und bäm, da war es also. Das war auch etwas, das ich inzwischen über ihn wusste: Mack war es sehr unangenehm, um Hilfe zu bitten. Ihm war eingebläut worden, dass er eine Last war und dass er keine Umstände bereiten sollte. Heute hatte er Mühe, dieses Bild von sich abzulegen. Dass er früher geglaubt hatte, er würde nie einen Anker finden, hing auch damit zusammen. Ich vermutete, dass er es schwerer damit gehabt hätte, mich zu akzeptieren, wenn er mich nicht so attraktiv gefunden hätte.

Und meine Hilfe nahm er auch nur an, weil wir zusammen waren. Glauben Sie mir, ich war sehr dankbar, dass er es überhaupt zuließ. Und ich war immer noch sauer auf alle, die diesem tollen Mann zu verstehen gegeben hatten, dass er zu viel Umstände machte und dass ihn deswegen niemand wollen würde. Wenn ich diese Leute je treffen sollte, würde ich ihnen den Kiefer brechen, damit sie keinen solchen Schwachsinn mehr erzählen konnten.

Meine Mutter hatte mir zu Geduld geraten. Sie sagte, es würde Zeit und viel Liebe brauchen, bis Mack begriff, dass er alle Umstände der Welt wert war. Und dass mir nichts, was er tat, zu viel Mühe machte.

Bevor ich antwortete, holte ich einmal tief Luft und legte mir die Worte im Kopf zurecht. »Süßer, es macht mir wirklich überhaupt nichts aus.«

»Aber es ist viel Arbeit, oder?«

Geduld, Geduld, Geduld. »Ja, weißt du, ich mag deine Mom schon, obwohl ich ihr noch nie begegnet bin. Mir gefällt die Vorstellung nicht, dass sie regelmäßig kalt duschen muss. Ich schwöre, es dauert nur ein paar Stunden, wenn man das Ding nur austauschen muss. Und es ist mir lieber, es selbst anzuschließen. Dann weiß ich wenigstens, dass es ordentlich gemacht ist. Okay?«

Dieser Logik konnte er anscheinend folgen. Mehr als alles andere, was ich hätte sagen können, überzeugte ihn, dass ich es mochte, wenn etwas richtig gemacht wurde. Seine Anspannung ließ nach, und er schenkte mir sein süßes Lächeln. »Also gut. Wenn wir Zeit haben, schlage ich es Maman vor.«

»Gut.« Ich hatte es nicht nur angeboten, um ihn zu beruhigen, sondern in der Hoffnung, dass es mir bei Mama Lafayette Pluspunkte bringen würde. Bisher hatte es immer so geklungen, als sei sie froh, dass Mack einen verlässlichen Partner und Freund gefunden hatte. Aber manchmal war es auch einfacher, solche Dinge auf die Distanz gut zu finden. Was, wenn sie ihre Meinung änderte, sobald ich vor ihr stand?

Er musste mir meine Bedenken angesehen haben, denn er versicherte mir: »Sie wird dich mögen.«

»Du klingst sehr überzeugt.«

»Sie mag dich doch jetzt schon.« Er klang amüsiert. »Du passt auf ihren kostbaren Sohn auf, bist am Telefon höflich zu ihr und schickst ihr Fotos von mir. All das hat schon dazu beigetragen, dass du einen Stein im Brett hast.«

Mir ihre Telefonnummer geben zu lassen, war eine echt geniale Idee gewesen.

»Mit dem Rest der Familie wird es schwieriger sein, die meisten mögen mich nämlich nicht, also …« Er brach ab und zuckte die Achseln. »Ist schon okay. Man muss aber immer ein bisschen aufpassen, was man zu meiner Mutter sagt und was nicht. Sie hat einen Hang dazu, etwas in Aussagen hineinzulesen, was man nie so gemeint hat.«

»Mir ist schon aufgefallen, dass sie das bei dir so macht.«

Mack seufzte, als hätte er schon lange aufgegeben. »Keine Ahnung, ob sie einfach nur das hört, was sie hören will, weil sie gar nicht anders kann. Man muss schon sehr deutlich werden, damit es da keinen Spielraum für Missverständnisse gibt. Aber ich glaube nicht, dass wir große Probleme bekommen werden. Wir bleiben ja nicht lange. Höchstens ein paar Tage.«

»Das behauptest du, obwohl wir uns den anderen Fall noch gar nicht angesehen haben.«

»Ah. Das stimmt.« Er zog sein Handy wieder aus der Tasche, lud die Akte herunter und überflog sie mit einem angesäuerten Schnauben. »Da könnte ich falschgelegen haben.«

»Hm, das klingt ja nicht so toll. Wie schlimm auf einer Skala von eins bis zehn?«

»Vermutlich eine Sechs. Ich verstehe jetzt, warum Sylvia uns Verstärkung angeboten hat. Die Universität von Louisiana hat ein Problem mit einem Geist in einem der Wohnheime für Studierende. Anfangs war er wohl ganz freundlich, hat nur Hallo gesagt oder harmlose Streiche gespielt. Aber jetzt ist es anscheinend ernster geworden – eine Studentin wurde die Treppe runtergestoßen.«

»Oha! Ist sie schwer verletzt?«

»Zum Glück nicht. Verstauchtes Handgelenk, ein paar Prellungen und eine leichte Gehirnerschütterung. Doch es hätte schlimm ausgehen können.«

Ich brummte zustimmend und dachte nach. »Kommt das oft vor? Dass Geister ihr Verhalten von Schabernack zu Bosheit ändern?«

»Nein, das ist ungewöhnlich«, antwortete er, während er weiterlas. »Wenn das passiert, bedeutet es, dass der Geist etwas gegen jemanden persönlich hat. Oder irgendetwas hat sich radikal verändert. Aber es ist wirklich selten. Die meisten Geister bleiben, wie sie sind.«

»Was ist also deine Theorie?«

»Dass etwas anderes dort Einzug gehalten hat.«

»Klingt unheilvoll.«

»Ja, das stimmt. Es bedeutet nichts Gutes, so viel steht fest. Ich vermute, dass es schwierig werden wird, und zwar aus zwei Gründen: Erstens haben wir es vermutlich nicht nur mit einem Geist zu tun, sondern mit zweien oder mehr. Und zweitens hat das Wohnheim drei Stockwerke, und es ist ein großes Gebäude.«

»Autsch. Das ist eine große Fläche, wenn man nur zu zweit ist. Hält der Geist sich in einem bestimmten Bereich auf?«

»Leider nicht. Ich suche gerade, aber die Zeugen berichten von Erscheinungen im gesamten Gebäude.«

»Ja, nee. Dann kann ich dir jetzt schon sagen, dass das nicht funktionieren wird. Wir sollten am besten gleich bei Sylvia Verstärkung anfordern. Insbesondere, da Gefahr im Verzug ist. Wir sollten vorbereitet sein.«

Mack biss sich unsicher auf die Lippe. »Meinst du echt?«

»Süßer, sie hat doch gesagt, dass wir uns sofort melden sollen, wenn wir Unterstützung brauchen. Du willst die Studierenden doch nicht noch mehr gefährden, indem wir versuchen, das alleine zu regeln? Lass uns den gesunden Menschenverstand, den wir laut Sylvia haben, nutzen und jetzt schon jemanden anfordern, der uns hilft.«

»Wenn du es so ausdrückst … okay.« Er atmete tief durch und fragte noch mal nach: »Und du denkst wirklich nicht, dass es ihr etwas ausmachen wird?«

»Nein, ganz bestimmt nicht«, bestätigte ich geduldig. »Das ist unser allererster Fall. Niemand wird es uns vorwerfen, wenn wir vorsichtig rangehen. Aber ich glaube ganz ehrlich einfach nicht, dass man zu zweit mit einem dreistöckigen Gebäude fertigwerden kann.«

»Ja. Nein, du hast recht. Ich rufe Sylvia an.«

Ich hatte am Vorabend noch unsere beiden Handys an die Autolautsprecher gekoppelt, also war das Klingeln deutlich zu hören. Sie nahm quasi sofort ab.

»Ich habe buchstäblich noch eine Minute Zeit bis zum nächsten Meeting. Ihr müsst euch bitte kurzfassen.«

»Wir haben die Akte über die Erscheinung auf dem Unicampus durchgelesen«, sagte ich, bemüht, mich so knapp wie möglich auszudrücken. »Wir sind beide der Meinung, dass es keine gute Idee wäre, uns zu zweit ein dreistöckiges Gebäude vorzunehmen.«

»Da hatte ich auch Bedenken. Ich hätte euch erst mal machen lassen, wenn ihr darauf bestanden hättet, aber es sollten wohl besser mindestens noch zwei weitere Agenten vor Ort sein.«

»Genau, es ist einfach zu viel für zwei Personen. Kannst du Verstärkung anfordern?«

»Das mache ich. Ich weiß aber noch nicht, wen ich kurzfristig hinschicken kann. Kümmert euch erst um die Familiensache. Ich lasse euch wissen, wen ich bekommen kann.«

»Okay, danke.«

»Haltet mich auf dem Laufenden.« Klick.

Mack atmete tief durch. »Du hast recht gehabt. Sie hat damit gerechnet.«

»Die Chefin hat eben auch gesunden Menschenverstand. Zum Glück.«

Das Handy klingelte wieder, und Mack sah das Gerät mit einem resignierten Lächeln an. »War ja klar. Hi, Maman.«

»Mack!« Mama Lafayette klang hocherfreut. »Du kommst! Du unartiger Junge. Warum hast du mir nicht Bescheid gesagt?«

»Wir sind doch erst gestern Abend angerufen worden. Wir hatten so viel damit zu tun, uns reisefertig zu machen, dass ich noch gar keine Zeit dazu hatte. Ich vermute mal, Edmée hat es dir erzählt?«

»Ja, sie hat mir gerade geschrieben. Wohnt ihr bei mir?«

»Nein, wahrscheinlich nicht«, antwortete Mack sanft. »Ich muss bei Edmée sein, bis ich weiß, wo der böse Geist herkommt. Und danach müssen wir uns um einen weiteren Fall kümmern, auf dem Unicampus in Lafayette. Aber das werden hauptsächlich Nachtschichten sein, also können wir tagsüber vorbeischauen.«

»Das ist okay. Natürlich musst du erst Edmée und Cali helfen. Und Brandon ist auch dabei?«

»Natürlich«, bestätigte ich, froh über die gute Gelegenheit, mich einzumischen. »Ich freue mich schon, Sie endlich persönlich kennenzulernen.«

»Oh, Brandon, ich wusste gar nicht, dass Sie mithören. Sehr schön, dass Sie auch kommen. Dann können wir uns mal hinsetzen und in Ruhe reden.«

»Ja, Ma’am. Ich freue mich darauf.«

Mack räusperte sich. »Maman, geh nicht extra wegen mir einkaufen. Ich halte unterwegs bei Whole Foods. Wenn du noch etwas brauchst, schreib es mir, und ich bringe es dir mit, wenn ich sowieso da bin.«

»Ach, mon ange,du bist so lieb. Ich brauche tatsächlich ein paar Sachen und hatte noch keine Zeit, hinzufahren. Fährst du nach Baton Rouge oder nach Lafayette?«

»Baton Rouge.«

»Oh, gut. Ich schreibe dir eine Liste. Aber bring mir auf jeden Fall diese Gummibären mit, die liebe ich. Und die leckere Spaghettisoße.«

»Mach ich.«

Im Hintergrund war eine entfernte Stimme zu hören. »Oh, meine Pause ist zu Ende. Ich muss weitermachen. Und du kommst bitte wenigstens vorbei und drückst deine Maman, ja?«

»Ich würde mich gar nicht trauen, das nicht zu machen«, gab Mack schmunzelnd zurück. »Bye, Maman.«

»Eine gute Fahrt noch, ihr beiden.« Sie schickte uns einen Schmatz durch die Leitung, dann legte sie auf.

Einen Teil des Gesprächs hatte ich nicht ganz verstanden. »Gibt es Unterschiede zwischen den beiden Läden?«

»Der in Baton Rouge ist größer, und es gibt Sachen da, die der andere Whole Foods nicht hat. Wenn wir genug Zeit haben, fahren wir immer nach Baton Rouge.«

»Verstehe. Ich vermute, du bist früher regelmäßig mit ihr einkaufen gegangen?«

»Ja. Ich weiß also mehr oder weniger, was sie braucht, auch wenn sie mir keine Liste schickt.«

»Haben die Zucker und Salz in größeren Abpackungen? Ich bin ziemlich sicher, dass wir eine Menge davon brauchen werden.«

»Das nicht, aber ich habe auch nicht die Absicht, diesem Wesen einfach den Weg zu versperren«, teilte mir Mack knapp mit. »Den werde ich ausschalten.«

»Der Plan gefällt mir. Kann ich ihn abschießen?«

Er lächelte kalt. »Nicht, wenn ich ihn vor dir erwische, cher.«

KAPITEL 3

MACK