Zum ersten Mal wir - Sanne Hipp - E-Book
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Sanne Hipp

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Beschreibung

Die exzentrische Urologin Ulli und ihre medizinische Fachangestellte Nathalie sind seit Kurzem ein Paar. Gemeinsam mit Nathalies pubertierendem Sohn planen sie zum ersten Mal als Familie einen Urlaub nach Griechenland. Weil Timmy ein Einzelkind ist, darf er einen Freund einladen. Doch kurz vor Urlaubsantritt verliebt Timmy sich und möchte statt eines Freundes gerne seine Freundin mitnehmen. So beginnt der Urlaub mit gewissen Startschwierigkeiten. Als dann noch Nathalie den Urlaubsauftakt vermasselt, ist Ulli frustriert. Wird sie es bereuen, diesen »Familienurlaub« initiiert zu haben?

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Zum ersten Mal wir

Sanne Hipp

Inhalt

Zu diesem Buch

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Nachwort der Autorin

Über Sanne Hipp

Dies ist ein fiktiver Roman. Auch wenn die genannten Orte tatsächlich existieren, sind Handlung und Beschreibung frei erfunden.

»Zum ersten Mal wir« ist der Fortsetzungsroman von »Und dann noch du!«. Beide Bücher sind aber auch separat zu lesen.

Kapitel 1

»Maaa!«, rief Timmy, als er nach Hause kam. Er klang verdächtig fröhlich.

Nathalie stand in der Küche und bereitete das Abendessen vor. Skeptisch kniff sie ein Auge zu. Die schwankenden Gemütszustände ihres pubertierenden Sohnes kannte sie zu Genüge. Sie wusste, dass man ihnen auch in noch so positiven Fällen nicht trauen durfte. Also wappnete sie sich innerlich für alles, was nun folgen würde.

Für gewöhnlich landete nach einem langen Schultag, an dem ihr Sohn erst um halb fünf nach Hause kam, die Schultasche im Flur auf dem Boden, bevor er in die Küche stürzte und maulte, er sei am Verhungern. Dabei kam es in letzter Zeit vor, dass er in seinem Unwillen über den langen Schultag das Nahrungsangebot des Kühlschranks als jämmerlich, bestenfalls als unzureichend bezeichnete. Bisher hatte sie seine Bemerkungen wohlwollend überhört, weil sie sich einredete, er habe einen anstrengenden Tag hinter sich oder sei einfach nur unausgeglichen. Heute würde sie ihm in aller Deutlichkeit vorschlagen, sich am wöchentlichen Großeinkauf aktiv zu beteiligen. Sie hatte sich die Worte bereits zurechtgelegt. Sicher würde er Ausflüchte suchen: Er hätte schließlich noch keinen Führerschein, keine Zeit oder etwas Ähnliches. Aber sie würde sich nicht bequatschen lassen. Niemand hatte das Recht, zu meckern, wenn er selbst nicht den Hintern zum Wohle der Allgemeinheit hochbekam. Heute gäbe es beim kleinsten Pieps eine klare Ansage.

Ihre Arbeit in der urologischen Praxis hatte von ihr heute nur einen kurzen Dienst eingefordert, und der war um 16:00 Uhr zu Ende gewesen. Nathalie war also vor ihrem Sohn zu Hause gewesen, hatte Zeit genug gefunden, um sich innerlich für eine handfeste Auseinandersetzung zu rüsten.

Timmy kam in die Küche, strahlte sie an und ruinierte damit ihren gesamten Plan.

»Hey, Ma! Ich muss dich mal was fragen.«

Nathalie lächelte, heuchelte freundliches Interesse, wo sie doch schon auf Angriff eingestellt war.

»Meinst du, es könnte noch klappen, dass ich anstelle von Conne Simra mit nach Griechenland nehme?«

»Wer ist Simra?«, fragte Nathalie. Vielleicht wollte sie auch nur Zeit gewinnen. Sie ahnte Schlimmes. Weil es Timmys erster Urlaub mit seiner Mutter und ihrer neuen Partnerin sein würde, hatten Nathalie und Ulrike ihm angeboten, jemanden mitzunehmen. Conne, Timmys bester Freund, und natürlich seine Eltern hatten vor vier Wochen zugestimmt. Seitdem freute Conne sich auf die Reise nach Griechenland. Und Timmy eigentlich auch. Zumindest hatte sie das angenommen – bis gerade eben. Es stand überhaupt nicht zur Debatte, seinen besten Freund gegen eine Simra einzutauschen.

Sag mal, gehts noch?, hätte sie ihm am liebsten laut an den Kopf geworfen, unterließ es aber. »Deine Freundin?«, fragte sie stattdessen.

»Ja, das ist sie, und zwar schon länger«, antwortete Timmy schnippisch. Er klang, als müsste das seiner Mutter längst bekannt sein. »Und es wäre doch super, wenn …«

Oh, nein! »Denk nicht mal dran, Timmy! Du hast Conne zuerst gefragt, wenn ich dich daran erinnern darf. Und er hat zu-ge-sagt!« Nathalie betonte jede Silbe in der Hoffnung, ihr Sohn würde den menschlichen Aspekt hinter seiner Absicht dadurch besser begreifen.

»Ja, aber wenn ich mit ihm reden würde, der hätte bestimmt nichts dagegen. Conne ist mein bester Freund.«

»Eben deshalb. Ende der Diskussion. Ich weiß nicht, wie du überhaupt auf so einen Gedanken kommen kannst. Denkst du vielleicht auch mal daran, dass dein Freund sich bereits darauf freut und …«

»Du kapierst doch gar nicht, worum es geht! Ich hätte es zumindest einmal versuchen können. Er hätte es sicher verstanden.« Die gute Laune war dahin. Timmy verschwand in sein Zimmer und schlug die Tür zu.

Nathalie setzte ihm ein paar Schritte nach. »Was verstanden? Deinen Egotrip? Dass deine neue Freundin dir plötzlich wichtiger ist als er? Conne ist dein bester Freund, und so einen Umgang hat er nicht verdient. Du hast ihn zuerst gefragt, und er hat zugesagt. Und damit basta!«, rief Nathalie laut genug, dass er es durch die geschlossene Tür hören konnte.

Sie schüttelte den Kopf, war enttäuscht von ihrem Sohn. Hoffentlich war das nur ein kurzfristiges Gefühlschaos. Wahrscheinlich hatten er und seine Freundin heute eine schöne Zeit miteinander verbracht. Simra. Nathalie versuchte, sich diesen Namen zu merken. Mein Sohn hat eine Freundin!

Einen kurzen Moment war sie versucht, Ulli anzurufen. Es war Ullis Vorschlag gewesen, Conne mitzunehmen, damit Timmy sich mit ihnen beiden nicht langweilte. Er war von der Idee begeistert gewesen. Und jetzt? War das der Dank für Ullis Großzügigkeit?

Sie rief Ulli nicht an. Die hatte jetzt anderes zu tun. Außerdem würde es wahrscheinlich nur unnötig Staub aufwirbeln. Vielleicht war der Stand der Dinge in einer halben Stunde schon wieder ein ganz anderer. Entschlossen machte Nathalie sich an die Hausarbeit. Ulli würde heute nicht ins Studio gehen, sondern nach der Arbeit nach Hause kommen.

Nach Hause? Nathalie lächelte vor sich hin. Ulli wohnte im Prinzip bei ihr, wenn sie nicht gerade in der Praxis oder im Krankenhaus war, im Studio trainierte oder Abendtermine wahrnahm – zum Beispiel die Sitzungen des Krankenhausausschusses, Fortbildungen der Kassenärztlichen Vereinigung oder Ähnliches.

»Macht es dir nichts aus, mit jemandem zusammen zu sein, die so wenig Zeit für dich hat?«, hatte Ulli sie gestern Abend gefragt, als sie erst gegen halb zehn zu ihr gekommen war.

»Wenig?« Nathalie lachte darüber. »Ich war vorher mit einem Mann verheiratet, der sich drei- bis viermal im Jahr hat blicken lassen. So gesehen überschüttest du uns geradezu mit Zuwendung und Aufmerksamkeit.«

Nathalie amüsierte sich jetzt noch darüber. Sie bügelte und lächelte vor sich hin. Ulli bemühte sich rührend um sie. Ich weiß, dass ich nicht einfach bin. Ein Satz, den Ulli schon des Öfteren von sich gegeben hatte. Seitdem überlegte Nathalie, ob das überhaupt zutraf. Sie liebte Ulli so, wie sie war. Sicher hatte sie nicht so viel Zeit wie andere Menschen – dafür arbeitete sie einfach zu viel. Aber, die Zeit, die sie zu zweit oder zu dritt verbrachten, war einfach wunderbar. Ausreichend Schlaf war zu einem Luxusgut geworden. Trotzdem fühlte sie sich so lebendig wie ein Fisch im Wasser.

Vor ein paar Monaten noch hätte sie es für unmöglich gehalten, sich in eine Frau zu verlieben. Aber sie hatte es getan. Unsterblich! Und Timmy mochte Ulli richtig gern. Wenn sie jetzt darüber nachdachte, hatten die beiden überraschend schnell zueinandergefunden. Wenn Ulli am Abend zu ihnen kam, nahm Timmy sie oft als Erstes in Beschlag. Ihnen als Paar blieb wenig Zeit: meist nur die in Nathalies Schlafzimmer.

Wenn es nach Ulli ginge, hätten sie jedes Mal miteinander geschlafen, sobald sie allein waren. Ulli hatte merkwürdigerweise immer Lust auf Sex. Bei ihr schien es weder prämenstruelle Verstimmungen noch eine Lustlosigkeit während der Tage zu geben. Was Nathalie aber noch mehr verblüffte, war die Tatsache, dass Sex für sie selbst auf einmal einen so großen Stellenwert einnahm. Nie zuvor hatte sie in so kurzer Zeit so oft mit jemandem geschlafen. Sie war experimentierfreudig geworden, war in ihrem ganzen Wesen hingebungsvoller und … sie traute sich nicht, es irgendjemandem zu sagen, aber es konnte geschehen, dass sie mitten am Tage daran dachte, wie schön es sich jetzt anfühlen würde, wenn Ullis Finger in ihr wären, sie ihren Körper spüren könnte. Ullis Bewegungen auf ihr … Oh, Gott! Wie lange würde dieser Zustand anhalten?

Sie schob den Auflauf in den Ofen, bügelte einen Korb voll Wäsche, bereitete Salat zu. Es roch nach Essen, und Timmy erschien auf der Bildfläche. »Kommt Ulli heute?«, vergewisserte er sich.

»Ja.«

»Du sagst ihr doch nichts.« Es klang nicht wie eine Frage.

»Wovon redest du?«

»Na, dass ich überlegt habe, Conne zu fragen, ob …«

»Du hast es dir nicht überlegt, es war nicht dein Ernst«, entschied seine Mutter.

Timmy wandte den Blick ab, widersprach nicht. Der Anfall von Pubertät schien vorbei zu sein. Nathalie war erleichtert.

»Deckst du den Tisch?«, fragte sie.

Inmitten des Klapperns von Tellern und Besteck hörte Nathalie, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte. Ulli kam durch die Wohnungstür.

»Hallooo!«

Die Tür zur Gästetoilette wurde geöffnet. Ulli wusch sich zuerst die Hände – erst dann würde sie sie begrüßen. Etwas später lugte ein blond gefärbter Schopf in die Küche.

»Hey, Euli. Ich habe Hunger!« Ulli schlang die starken Arme um Nathalie, schmiegte sich an sie. Ihre Lippen fanden zu einer weichen Stelle irgendwo in ihrer Halskuhle, die sie küsste, bevor ihre Lippen zu ihrem Mund fanden und dort lange Zeit blieben. So lange, wie sie es den ganzen Tag über nicht durften, weil immer jemand in der Nähe war. Doch hier war es mittlerweile kaum anders. Timmy stand bereits erwartungsvoll im Türrahmen.

»Hi!«

»Hallo, Timmy!« Ulli ließ sie los, wandte sich Nathalies Sohn zu, grinste. »Wie war dein Versuch, die vierzig Kilo zu ziehen? Wie oft hast du es heute geschafft?« Das gemeinsame Hobby Bodybuilding war immer wieder Gegenstand ausgiebiger Fachsimpelei.

Jetzt fuhr Nathalie dazwischen, ehe Timmy antworten konnte. »Holst du noch was zu trinken aus dem Keller?«

»Schon wieder? Ich hab‘ doch erst gestern was geholt.«

»Was heißt das? Dass du auch nur jeden zweiten Tag etwas trinkst?«

Der Junge verschwand maulend in den Keller.

»Die einzige Chance, dich noch eine Minute für mich zu haben.« Nathalie floh zurück in Ullis Arme. »Ich habe mich nach dir gesehnt, falls es dich interessiert.«

»Wirklich?« Ulli sah ihr direkt in die Augen. »Ich hatte schon die Befürchtung, ich käme viel zu oft. Falls das der Fall ist, brauchst du es mir nur zu sagen.«

»Wie kommst du darauf?«

»Weil du gestern Abend gesagt hast, ich überschütte euch mit Aufmerksamkeit.«

»Im Vergleich zu meinem Ex. Das war ein Witz, Ulli, keine Kritik. Ich genieße jede Minute, die du bei uns bist, weil ich und Timmy es gar nicht gewohnt sind, dass jemand am Abend zu uns zurückkehrt. War das jetzt deutlich genug?«

Ullis Miene entspannte sich.

»Seit wann bist du so eine Mimose?«, fragte Nathalie.

»Seit mir bewusst geworden ist, wie wichtig du mir bist, vielleicht? Ich möchte nichts falsch machen.« Ihr schräges Grinsen sollte den Ernst ihrer Worte schmälern, doch Nathalie ließ sich nicht täuschen.

Timmy kam laut schnaufend zurück. Er klang erschöpfter als nach zwei Stunden Training.

»Danke«, sagte Nathalie, um seinen Beitrag für das Allgemeinwohl zu honorieren.

Sie stellte den Hackfleischkartoffelauflauf auf den Tisch, dazu noch die Schüssel Salat, setzte sich, sah die beiden auffordernd an. »Guten Appetit.« Ihr Blick blieb an Ulli hängen, deren schnüffelnde Nase sich bereits der Auflaufform näherte. »Mhm!«

Es hatte bereits etwas Selbstverständliches, dass sie gemeinsam aßen, wann immer es ging. Und jedes Mal war es ein regelrechter Event. Sie plauderten über die Schule, die Praxis, Kollegen, Patienten und Mitschüler. Nathalie wunderte sich immer noch, wie selbstverständlich ihr Sohn ihre Gesellschaft teilte. Als sie noch allein mit ihm gewohnt hatte, war er viel rascher in sein Zimmer verschwunden. Jetzt blieb er sitzen, auch noch, nachdem Ulli eine große Tasse Kaffee getrunken hatte, wie sie es nach jedem Essen zu tun pflegte, egal zu welcher Tageszeit.

Es war spät geworden, als Timmy meinte: »Ich muss noch meine Sachen für morgen zusammenpacken.«

Unauffällig sah Nathalie auf die Küchenuhr. Jetzt hatte sie Ulli noch eine, vielleicht zwei Stunden für sich. »Möchtest du dich schon rüber setzen, ins Wohnzimmer? Ich mach hier noch klar Schiff.«

»Soll ich dir helfen?«

»Quatsch, du hast Feierabend!«

Ulli stand auf, verzog sich. Nathalie hörte etwas später den Fernseher laufen.

Sie räumte den Tisch ab, stellte die Spülmaschine an, wischte alle Flächen ab. Als die Küche wieder tipptopp war und sie ins Wohnzimmer kam, saß Ulli in sich zusammengesackt auf dem Sofa. Beim Näherkommen sah Nathalie, dass sie eingeschlafen war. Ullis Augen waren fest verschlossen, ihr Atem ging regelmäßig.

Das hatte es bisher noch nicht gegeben. Eine völlig überarbeitete Ärztin, die innerhalb von Minuten in festen Schlaf gefallen war. Nathalie setzte sich eine Weile zu ihr, betrachtete sie. Als sie keine Anstalten machte, wieder aufzuwachen – auch nicht, als Nathalie sie am Arm berührte –, hob sie kurzerhand ihre Beine an, brachte ihre Liebste in eine liegende Position und deckte sie mit der Schafwolldecke zu, die auf dem Sofa lag. Ulli brummte irgendwas, zog sich aber die Decke bis über die Schultern und gab ein leises Seufzen von sich.

Nathalie sah auf die Uhr. Noch nicht einmal zehn! Nun gut, dann würde sie heute früher zu Bett gehen. Sie schaltete den Fernseher ab, verließ leise den Raum, knipste das Licht aus – nicht ohne zuvor die Schlafende zu küssen. Das Gefühl, sie beschützen zu müssen, überkam Nathalie.

Für Ulli wurde es höchste Zeit für einen Urlaub.

Kapitel 2

»Pssst. Leise«, zischte Nathalie am nächsten Morgen aus der Küche, als Timmy die Badezimmertür öffnete.

»Was ist denn?«, fragte er, als er in die Küche kam.

»Ulli schläft noch.«

»Na und?«

»Im Wohnzimmer, auf der Coach«, beendete Nathalie den Satz.

»Oh.« Timmy sah betroffen aus. »Hattet ihr Zoff gestern Abend?«

»Nein.« Seine Mutter verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Sie ist einfach nur auf dem Sofa eingepennt und bis jetzt nicht wieder zu sich gekommen.«

Dann sagte Timmy dasselbe, was auch sie sich dachte. »Wird Zeit, dass sie in den Urlaub kommt, was?« Er füllte Quark, Leinsamen und Haferflocken in eine Glasbox, verschloss sie sorgfältig, schnitt zwei Möhren und einen Apfel klein, die er in einer kleineren Vesperbox verschwinden ließ. Seit er ins Sportstudio ging und sich regelmäßig mit Ulli austauschte, hatte sich seine Ernährung sehr zum Positiven verändert. Nathalie konnte nur staunen. Das machte Timmy nun schon seit zwei Wochen, obwohl er dafür zehn Minuten früher aufstehen musste. Ehrlich gesagt, hatte sie nicht daran geglaubt, dass er das länger als zwei Tage durchhalten würde. Aber seine Disziplin zeigte Wirkung, und wahrscheinlich war ihm das Ansporn genug. Er meinte, seine Muskeln seien bereits deutlich sichtbarer geworden, seine Ausdauer habe zugenommen. In erster Linie hatte es sein Selbstbewusstsein gestärkt, und vielleicht war das der Grund dafür, dass die Mädchen ihn nun endlich zur Kenntnis nahmen.

Simra, fiel Nathalie wieder ein. Auf keinen Fall durfte sie diesen Namen vergessen!

»Seht ihr euch heute, Simra und du?«, fragte sie so selbstverständlich wie möglich.

»Ja, klar. Kann also sein, dass es später wird. Sag mal, kannst du mir ein bisschen Geld leihen?«

»Schon wieder? Ich krieg noch zehn Euro von dir. Wie wär’s mit einem Job?«

»Hey, Mann …«

»Wochenblatt austragen oder so, oder Werbeblättchen.«

»Was? Weißt du, wie wenig man dafür bekommt? Da lauf ich mir die Hacken ab für sieben Euro die Stunde. Gehts noch?«

»Wäre mal ein Anfang. Geld verdient sich nicht von allein.«

Timmy machte eine unwirsche Bewegung. »Dann lass es eben. Ess’ ich eben nichts zu Mittag.«

»Du hast keine Nachmittagsschule. Komm hierher und koch dir was. Pellkartoffeln wirst du ja noch hinkriegen.«

»Pfff«, war der ganze Kommentar ihres Sohnes. Er schnappte sich seine Vesperboxen und verließ die Küche. Wenig später fiel die Wohnungstür ins Schloss. »Tschüss!«, hörte sie gerade noch.

Nathalie setzte frischen Kaffee auf und schmierte auch für sich zwei Brote. Als sie zur Tür schaute, stand da plötzlich Ulli im Rahmen. Was für ein wunderbarer Anblick! Wenn sie so frisch aus dem Bett kam, waren ihre Haare nicht akkurat gestylt, sondern standen in alle Richtungen ab, und die noch nicht ganz wachen Augen sahen unglaublich verführerisch aus. Schade, dass sie nicht aus dem Bett kam, sondern von der Wohnzimmercouch, was ihr einen leichten Stich versetzte.

»Guten Morgen«, sagte Ulli. So, wie sie lächelte, musste sie wunderbar geschlafen haben.

»Guten Morgen.« Nathalie überwand die wenigen Schritte zu ihr und küsste sie.

Ulli erwiderte den Kuss nicht, zierte sich etwas. Nathalie wusste: Sie mochte nicht geküsst werden, bevor sie sich die Zähne geputzt hatte. Ulli hatte Prinzipien!

»Hey, ich habe meine Zähne geputzt. Das reicht für uns beide.« Sie versuchte, Ulli festzuhalten, doch sie entwand sich ihren Händen, drängte sich rasch an ihr vorbei.

»Komme gleich. Muss auch noch woanders hin.«

Wenig später war sie wieder da, fuhr mit der Hand durch ihr Haar. »Wann bin ich denn eingeschlafen? Haben wir noch ferngesehen?«

»Nein, ich schätze, du warst in dem Moment weg, in dem du dich hingesetzt hast.« Nathalie grinste.

»Ah. Danke fürs Zudecken.« Ulli küsste sie auf eine Art und Weise, dass es in Nathalies Bauch flatterte. Und je länger er dauerte, umso mehr schöne Dinge fielen ihr ein, die man jetzt anstellen konnte.

Ulli schien Ähnliches zu denken, denn sie sagte: »Weißt du, dass ich mich unheimlich auf unseren Urlaub freue? Da könnte man frisch ausgeruht am Morgen schon Dinge tun, für die wir sonst erst nach einem langen Arbeitstag Zeit haben.« Ulli drückte sich an sie, und plötzlich befanden sie sich in einer sehr ähnlichen Position wie damals, als sie zum ersten Mal … ausgerechnet hier in der Küche, bei der Kaffeemaschine.

»Ich habe dich in meinem Bett vermisst letzte Nacht«, gestand Nathalie.

»Warum hast du mich nicht geweckt?«

»Du warst fix und fertig. Ich habe es nicht übers Herz gebracht.«

»Jetzt bin ich fit. So was von ausgeruht, und weißt du eigentlich, dass ich morgens immer ganz besonders scharf auf dich bin?« Ulli lachte leise. Ihr Becken drängte sich an sie.

Obwohl es nur Spaß war, zeigte es bei Nathalie Wirkung.

Ulli bemerkte es. »Komm«, sagte sie. Nach einem kurzen Blick auf die Küchenuhr schob sie Nathalie ins Schlafzimmer.

»Bist du verrückt?«

»Nein. Das wäre doch ein schöner Auftakt für einen harten Arbeitstag.«

»Ulli, wir müssen …«

Doch da lag Ullis fester Körper schon auf ihrem. Und obwohl sich das sehr gut anfühlte, hatte Nathalie immer noch Einwände.

»Du wirst zu spät kommen.« Sie versuchte, Ulli von sich herunterzuschütteln, was ihr nicht gelang.

Ulli lachte nur. Ihre Lippen küssten Nathalies Dekolleté, wanderten tiefer.

Nathalies Widerstand schmolz. »Heute ist wenigstens kein OP-Tag«, überlegte sie laut.

Ulli gab nur ein undifferenziertes Raunen von sich. Dann sorgte ihre Hand auch schon dafür, dass Nathalie ein nüchternes Abwägen von Vor- und Nachteilen ihres Zuspätkommens nicht mehr in den Sinn kam. Sie wurde feucht. Es war phänomenal, wie rasch ihr Körper auf Ulli reagierte. In den ganzen langen Jahren ihrer Ehe war ihr so eine Reaktion ihres eigenen Körpers fremd geblieben. Die für sie ungewöhnlich rasche Bereitschaft zu mehr, diese körperliche Vorfreude auf das, was kommen würde! Sex mit Ulli war so positiv besetzt wie mit keinem anderen Menschen zuvor. Dabei war ihr Mann beileibe nicht die erste Erfahrung für sie gewesen. Nathalie hatte mit einigen Männern geschlafen, unterschiedliche Typen ausprobiert, um zu dem Schluss zukommen, dass sie sich nicht allzu viel aus Sex machte. Mit manchen war es ganz schön gewesen, mit anderen nicht sonderlich erregend oder gar schmerzhaft. Geheiratet hatte sie einen Mann, mit dem der Akt zärtlich, wenn auch leidenschaftslos war. Dass Sex eine absolut scharfe Sache sein konnte, hatte ihr erst Ulli gezeigt.

Nathalie seufzte auf, als Ullis kräftige Finger sie ausfüllten und sich zu bewegen begannen. Wärme breitete sich in ihrem Unterleib aus, sie konnte nicht genug von ihrer Hand spüren. Ulli krümmte leicht den Finger in ihr, stimulierte ganz gezielt Nathalies G-Punkt, den sie längst lokalisiert hatte. Der Funke der Erregung begann zu lodern, ließ sie ungehalten aufstöhnen. Nichts machte Ulli mehr an, als Nathalies Erregung zu fühlen. Sie kam noch vor ihr – so heftig, dass Nathalie erschrak. Kurz darauf kam sie selbst. Etwas Heißes flutete ihren Unterleib. Ihr beider Aufkeuchen vermischte sich.

»Ich möchte endlich mit dir ans Meer«, presste Nathalie hervor, noch außer Atem.

»Ich kann es auch kaum erwarten.«

Sie hielten sich eine kurze Weile in den Armen, kosteten ihre Zweisamkeit noch für einen Moment aus. Dann stand Ulli auf, und ihre Worte holten Nathalie in die Wirklichkeit zurück.

»Ich sag den anderen, dass du später kommst, okay?« Sie eilte ins Bad, während Nathalie sich mit weichen Knien vom Bett aufrappelte. Sie hörte die Dusche rauschen. Kurz darauf warf sich Ulli in ihre Kleider, stürzte den Kaffee hinunter und eilte mit nassen Haaren davon. Zum zweiten Mal an diesem Morgen hörte sie ein ›Tschüss‹ und das Zufallen einer Tür.

Sie kam sich verlassen vor. Das war zu schnell gegangen! Wie gerne läge sie jetzt noch mit Ulli im Bett, gäbe sich ihren Zärtlichkeiten hin, ginge vielleicht in ein, zwei Stunden zum Frühstück, um den Rest des Tages am Strand zu verbringen, im Meer zu schwimmen, in der Sonne zu fläzen mit einem guten Buch in der Hand. Beinahe hätte Nathalie geheult. Nur der Gedanke daran, dass es sich nur noch um wenige Tage handelte, bis ihre Träume Wirklichkeit werden sollten, hielt sie davon ab. Es würde bestimmt ein grandioser Urlaub werden! Sie war fest davon überzeugt.

»Guten Morgen.«

Nathalies erster Blick galt der Uhr an der Wand. Die zeigte gerade mal zehn nach acht. Das war absolut noch im Rahmen.

»Guten Morgen!« Linda war dabei die wartenden Patienten aufzunehmen. Sie schenkte Nathalie ein ganz besonderes Lächeln, als sie durch die Tür trat.

»Hey, der sieht gut aus«, sagte Nathalie, als alle Patienten ins Wartezimmer gegangen waren.

»Wer?«

»Dein Lippenstift.«

»Du hörst dich schon an wie Ulli.« Sie verdrehte wissend die Augen. »War es denn schön?« Sie zwinkerte ihr zu.

Ein Unding, dass das ganze Praxispersonal ihr Intimleben mitbekam. Musste sie darauf antworten? Sie tat es, aber unverbindlich. »Danke der Nachfrage.«

Linda sah sie von der Seite an, wurde noch konkreter. »Ich schätze, Ulli kommt zur Sache im Bett. Auf jeden Fall könnte ich mir das gut bei ihr vorstellen.«

Nathalie verschlug es die Sprache. Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte, konnte sich jedoch eine Reaktion sparen. Ulli hatte sie erspäht und kam auf sie zu.

»Kommst du endlich? Da habe ich schon drei Männer glücklich gemacht, bis du endlich aufschlägst.« Ihr Humor war wie immer von besonderer Sorte.

Mir reicht eine einzige Frau bis zu dieser Tageszeit, hätte Nathalie am liebsten erwidert, beließ es aber bei einem aufgesetzten Lächeln.

»Machst du gleich Kaffee?«, fragte Ulli.

Als sie sich wenig später mit zwei Tassen in den Händen gegenüberstanden und für einen Augenblick allein waren, sagte Ulli: »Weißt du eigentlich, dass wir in vier Tagen am Strand von Zakynthos spazieren gehen?«

»Ja. Weiß ich.«

Über den Tassenrand lächelten sie sich an. Es war ein Versprechen, alles nachzuholen, was bisher zu kurz gekommen war.

Kapitel 3

Je näher der Tag der Abreise rückte, desto weniger hielt Nathalie es zu Hause aus. Jetzt schien es geradezu unerträglich, auch nur einen einzigen Tag in dem stickigen Stuttgart zu verbringen, dem nicht enden wollenden Verkehr, dem ständigen Lärm, dem Gestank nach Abgasen.

Sie hatte ihren Koffer längst gepackt, was nicht allzu viel Zeit in Anspruch genommen hatte. Sie rechnete mit gutem Wetter. Die meisten Shirts, die sie mitnahm, waren kurzärmelig, dazu ein paar kurze und lange Jeans, ein paar leichte Kleider, etwas zum Umhängen für den Abend, zwei Bikinis. Zum Joggen am Strand zwei kurze Shorts mit passendem Trägershirt, zwei Sport-BHs, ein Paar Laufschuhe. Sie sah sich schon mit Ulli am Strand laufen, mittags auf ihrem Badehandtuch liegen und mit duftender Sonnencreme eingeschmiert ein dickes Buch lesen – ein richtiges Buch, kein E-Book.

Ihr Blick schweifte über das üppig bestückte Bücherregal. Welches wollte sie schon längst einmal wieder lesen? Welches hatte sie noch nicht gelesen und es immer wieder verschoben? So ein Urlaub am Strand war genau das Richtige, um lang gehegte Lesevorhaben endlich umzusetzen. Vielleicht würde Timmy ihr einen Drink von der Strandbar holen – oder vielleicht sogar Ulli. Sie lächelte verträumt vor sich hin, ihr Blick verlor sich. Die Bücherrücken im Regal verschwammen vor ihren Augen, wurde zu bunten Flecken. Sie hätte Ulli den ganzen Tag für sich – und die ganze Nacht. Sie überlegte eine Weile, welche Tatsache sie glücklicher machte, kam aber zu keinem Resultat.

Timmy riss sie aus ihren Träumereien. »Brauch ich Socken? Kann ich meinen Laptop mitnehmen?«

»Frage eins: Keine Ahnung, wie verfroren du bist, ich hab nur welche für meine Laufschuhe dabei. Frage zwei: Nein, Handy reicht. Du kannst auch mal ohne Computerspiele auskommen, ihr seid am Strand und am Meer – ihr könnt schwimmen, baden, Sport machen.« Nathalies Schulter machte eine hilflose Bewegung. Was war das bloß für eine Jugend heutzutage?

»Wie viele Badehosen soll ich mitnehmen?«

»Nimm alle mit, die du hast.«

»Fleecejacke?«

Nathalie überlegte. »Wenn du die Nacht am Strand verbringen möchtest, ja.«

»Haha.«

Nathalie grinste. Nichts konnte ihre gute Laune trüben. Bald hätte sie ihre Liebste den ganzen Tag für sich allein, die zwei Jungs wären unterwegs, hätten genug mit sich zu tun, während sie mit Ulli ihre Zeit am Strand und Meer, in Bars und Restaurants verbringen würde. »Du wirst die Jacke brauchen, wenn wir spät abends noch unterwegs sind«, sagte sie dann doch.

In ihrer Fantasie sah sie alle vier gemeinsam in einer idyllischen Taverne sitzen, einen kühlen Weißwein trinken. Oh, Gott, wie herrlich!

Sie wäre nicht auf die Idee gekommen, dass es auch anders kommen konnte.

٭٭٭

Endlich war es so weit: Am Vorabend ihres Abreisetages kam Ulli gegen elf Uhr, zog einen schwarzen Hartschalenkoffer in Nathalies Wohnung, einen kleinen, teuer aussehenden schwarzen Trolley samt aufgesetztem Beautycase.

---ENDE DER LESEPROBE---