Zwanzig Albträume - Sebastian Schierlinger - E-Book

Zwanzig Albträume E-Book

Sebastian Schierlinger

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Beschreibung

Hexen, Dämonen und Kannibalen, hier begegnen Sie unseren schlimmsten Albträumen, die Sie nicht mehr loslassen werden. Wenn Sie sich trauen, folgen Sie uns in unsere Welt und durchleben Sie zwanzig schonungslose Kurzgeschichten für Hartgesottene.

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Seitenzahl: 227

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Ähnliche


Die Autoren

Sebastian Schierlinger alias BelletristikBasti

Musiker, Erzieher, Youtuber, Leseratte, Künstler und jetzt auch noch Autor. In jedem Fall ein Mann mit vielen Talenten und Interessen, der es schafft, in unterschiedlichen Welten zu leben und seine Interessen miteinander zu verbinden.

T. U. Zwolle

Am Tage Angestellter im öffentlichen Dienst, in der Nacht Autor der Zauberjäger. Mit der vorliegenden Sammlung an Kurzgeschichten hat er einen Ausflug ins Horrorgenre gewagt.

Inhaltsverzeichnis

Vorworte

Die Albträume

Der Ranger

Der Regulator

Der Stall

Doch das Fallen nimmt kein Ende

Ende

Hexentanz

Hunger

Wiederbelebung

Der beste Tag

Todestag

Das Waldhotel

Der Priester

Frohe Weihnachten

Der Kamerad

Der Bauer

Der Zahnarzt

Der Trommler

Dates

Painland

Kühlschrank

Nachwort

Vorworte

Mir kam zu Ohren, ein Kurzgeschichtenband solle entstehen. Mir kam zu Ohren, es handle sich dabei um Horrorgeschichten. Mir kam zu Ohren, ich dürfe das Vorwort schreiben. Wie könnte ich da nur Nein sagen?

Edgar Allen Poe machte den Anfang und Tausende folgten seinem Pfad der Horrorliteratur. Ich eingeschlossen. Nachdem ich Stephen Kings Geheimes Fenster, geheimer Garten gelesen hatte, packte es mich und ich schrieb drauf los. Zu Anfang noch mit deutlichen Defiziten (die heute hoffentlich weniger sind), aber das machte nichts. Denn ich hatte Elan. Lust. Und jede Menge Fantasie.

Bis heute ist mir die Kunstform der Kurzgeschichte nicht langweilig geworden. Wenn ich mal einen dumpfen Tag und keine Lust auf einen ganzen Roman habe, hole ich mir eine Anthologie aus meinem Regal und fange an, in die finstere Welt der Horrorliteratur abzutauchen, wo Monster und Ungeheuer hinter jeder Ecke lauern und nur darauf warten, zuzubeißen oder ihr Gift zu versprühen. Und warum? Ganz einfach. Weil ich es liebe, wenn ich eine Gänsehaut bekomme oder sich mir alle Nackenhaare sträuben. Mir kann dabei ja nichts zustoßen. Ich sitze mit meinem Hintern fest in meinem Lesesessel oder auf der Couch und weiß, mir wird nichts geschehen.

Aber ist das tatsächlich so? Sind es nicht schon vor Urzeiten Geschichten gewesen, die unser Denken und Fühlen beeinflusst haben? Waren es nicht die schon vor

Jahrhunderten niedergeschriebenen Worte, die die Welt ins Chaos stürzten, wo tausende und abertausende Menschen real starben? Was sagen Sie, lieber Leser? Wagen Sie es, dieses Risiko einzugehen, Ihren Verstand dem Horror zweier junger, engagierter Schreiberlinge auszusetzen? Trauen Sie sich, die Tür zu dieser Finsternis zu öffnen, ohne zu wissen, ob sie heil zurückkehren werden? Ja? Dann kommen Sie. Geben Sie mir Ihre Hand. Ich führe Sie. Vertrauen Sie mir. Vielleicht wird es gar nicht so schlimm.

Vielleicht.

Mike Chick

Ich bin der festen Überzeugung, dass die düstersten Verzweigungen, die uns Innewohnen, die unseres Gehirns sind. Ein gnadenloses Labyrinth aus brodelnden Emotionen und Gedankengängen, mit denen wir in der Lage sind, uns selbst eines Tages zu zerstören.

Doch was wäre, wenn eine ungebändigte Macht der Antrieb für den Verlust der eigenen Kontrolle wäre? Ganz nach dem Motto: Die Opfer derer, deren Gehirn sich früher zersetzt hat, als ihr Herz.

Vielleicht ist der altbekannte Wahnsinn, oder die unsteuerbare Demenz auch nur der Auftakt für das perfide Spiel mit dem Teufel, der mit großer Entzückung dem geworfenen Stöckchen hinterherläuft.

In Sebastian schätze ich einen wunderbaren, talentierten und positiv verrückten Autoren und Künstler, der uns in genau diese Welt entführen wird. Wo beginnt der Wahnsinn? Wann hört er auf? Oder ist vielleicht der Autor selbst das Stöckchen des Teufels?

Eine Ansammlung grandioser und abgedrehter Kurzgeschichten.

Lumiel H. Nox

Der Ranger

Texas, im Sommer 1886

Die Musikanten spielten einen flotten Tanz und niemanden hielt es auf seinem Platz. Die Scheune war mit mehr als fünfzig Hochzeitsgästen gefüllt und jeder von ihnen hatte schon ordentlich von dem alkoholhaltigen Punsch getrunken. Lediglich der Sheriff des Ortes saß mit einer halbvollen Flasche Whiskey auf einem Fass und erfreute sich an den tanzenden Menschen. Seinen Colt Peacemaker hatte er im Büro gelassen, da es sich nicht gehörte, bewaffnet auf einer Hochzeit aufzutauchen.

Der Bräutigam und die Braut drehten ihre Runden in der Mitte der Tanzfläche und strahlten vor Lebensfreude. Der Sheriff, Patrick Donnegan, dachte an seine eigene Hochzeit zurück und lächelte still in sich hinein. Er hatte seine Frau geliebt und dass sie vor zehn Jahren während der Geburt seiner Tochter verstorben war, hatte ihn zum Trinker werden lassen. Er ist jetzt knapp fünfzig und hatte die Stadt fest im Griff. Aber an den einsamen Abenden suchte er Trost bei der Flasche. Sein Gehilfe übernahm immer die Nachtschichten. Nur wenn Gefangene in der Zelle saßen, blieb der Sheriff nüchtern.

Beth, die Braut, war ein Mädchen, um welches sich die Männer gerissen hätten, wenn ihr Vater nicht ein gefürchteter Bandit gewesen wäre. Sie war blond, hatte Sommersprossen, gutmütige Augen und arbeitete in der ortsansässigen Bank von Mr. Carter. Nur ein junger Mann war mutig genug gewesen, ihr den Hof zu machen. Jimmy Ricker. Er war der Sohn von Richard Ricker, der die größte Weizenfarm in der Umgebung besaß. Jimmy hatte das große Los gezogen und Beth würde ein gutes Leben führen.

Dachten sie.

Bis die Bande von Miguel Vargas kam…

Jeff

„Tut mir leid, Jeff. Ich wünschte, ich müsste es Ihnen nicht sagen.“ Der fette Gefängnisdirektor knetete seine Hände. Ihm tat wirklich leid, was er seinem Häftling mitteilen musste.

„Sie sagen, Beth lebt noch?“, hakte Jeff zum dritten Mal nach. Der harte, hagere Mann sah blasser aus als sonst und seine stahlblauen Augen nagelten den Direktor in seinem Stuhl fest.

„Ja. Vargas ist mit seiner Bande nach New Tramp gekommen und hat die Hochzeit Ihrer Tochter überfallen. Die Männer hat er direkt umgebracht. Die jüngeren Frauen hat er mitgenommen und alle Frauen über Vierzig hat er seinen Männern überlassen.“

Jeff hatte nicht gewusst, dass sich seine Tochter nur rund dreißig Meilen von seinem Gefängnis entfernt niedergelassen hatte. Ob es Zufall gewesen war, fragte er sich. „Ich muss hier raus. Ich muss meine Tochter befreien.“

Die feiste Gestalt des Direktors straffte sich. „Ausgeschlossen. Sie sind ein verurteilter Verbrecher, der wegen fünffachen Mordes hier einsitzt. Die werden wieder in ihre Zelle gebracht und müssen darauf hoffen, dass die Polizeibehörden Vargas Bande stellen und die Frauen befreien werden.“

„Und dabei gehen dann die Frauen drauf. Was ist, wenn Vargas mit seinen Leuten den Rio Grande erreicht, bevor die Ranger ihn stellen?“

„Dann werden die Ranger…“, setzte der Direktor an.

„…über den Fluss reiten und sie verfolgen, bis wir sie gestellt haben“, ertönte eine Stimme hinter Jeff. Er drehte sich um und sah einen breitbeinig dastehenden Mann mit zwei Revolvern an den Hüften.

„Wer sind Sie und was wollen Sie in meinem Büro?“, herrschte der Direktor den Mann an.

„Verzeihung, Ihre Leute haben gesagt, ich soll durchgehen und ich kam nicht umhin, Ihr Gespräch ein wenig zu belauschen.“ Der Mann nahm seinen Stetson ab und warf ihn auf den freien Stuhl neben Jeff. Blonde Haare kamen zum Vorschein und eine Narbe über der rechten Augenbraue. Der Mann war um die dreißig und trug den Stern der Texasranger auf der Brust. „Ich muss mich noch vorstellen. Mein Name ist Cord Wyatt. Sergeant bei den Rangern. Ich komme mit einer Sonderbefugnis.“ Er griff in seine Jacke und holte einen zerknitterten Brief hervor, den er dem Gefängnisdirektor überreichte.

Der Direktor öffnete den Umschlag und setzte dann eine schmale Brille auf. Seine Augen flogen über die eng geschriebenen Zeilen. Schließlich legte er das Schreiben vor sich auf den Tisch. „Alright.“ Er gab einem Wächter, der in der Ecke stand, ein Zeichen. „Nehmen Sie Mr. Tucker die Ketten ab und geben Sie ihm seine Sachen. Warten Sie dann mit ihm am Tor. Mr. Wyatt wird gleich nachkommen.“ Der Wärter runzelte die Stirn, befolgte dann aber die Anweisungen des Direktors und führte Jeff Tucker hinaus. Nachdem sich die Türe hinter ihnen geschlossen hatte, stand der Direktor auf und deutete auf den freien Stuhl. „Mr. Wyatt, setzen Sie sich doch.“

Der Ranger zog sich den Stuhl heran und machte es sich so bequem wie möglich und wartete gespannt auf den Direktor, der eine Flasche Whiskey aus dem Schreibtisch hervorholte. Er schenkte zwei Gläser ein und schob eines davon Cord zu. „Mr. Wyatt, ich hoffe, dass Sie sich darüber im Klaren sind, worauf Sie sich einlassen.“

Cord grinste den Direktor an. „Ich war in New Camp und habe das Massaker gesehen, was Vargas mit seinen Leuten angerichtet hat. Die Männer waren allesamt verstümmelt und dem Sheriff haben sie die Eier abgeschnitten und in den Mund gestopft. Er wird währenddessen noch am Leben gewesen sein. Vargas ist kein Mensch, sondern ein wildgewordenes Tier, das zur Strecke gebracht werden muss. Ich muss mit Jeff Tucker so schnell wie möglich hinter der Bande her und die Frauen befreien. Wenn sie Mexiko erreichen, werden sie an die Höchstbietenden versteigert und im ganzen Land an die Bordelle verteilt. Sie dann dort zu finden ist unmöglich.“

„Warum Jeff Tucker? Er ist nicht besser als Vargas.“

„Er will seine Tochter wiederhaben, kennt die Gegend und kann mir helfen die Bande aufzuspüren. Er kennt im Grenzland jeden Unterschlupf, jedes Schlangennest und jeden Bandenführer. Ich brauche ihn.“

„Er wird Sie bei der erstbesten Gelegenheit umbringen.“

„Nein, das wird er nicht. Er braucht mich genauso, da er weiß, dass seine Chancen ohne mich geringer sind. Außerdem bin ich nicht so leicht umzubringen.“ Cord stand auf und kippte sich den Schnaps in den Rachen. „Danke für Ihre Kooperation. Ich werde Tucker wiederbringen, sobald ich den Auftrag erledigt habe.“ Er nahm seinen Stetson und setzte ihn wieder auf. Locker tippte er an die Hutkrempe und verließ mit klirrenden Sporen das Büro.

Der Direktor schaute ihm nach und bewunderte den Mann für seinen Mut. Seufzend schenkte er sich noch einen Whiskey ein und verstaute die Flasche wieder im Schreibtisch.

***

„Glaub ja nicht, dass ich dir jetzt dankbar bin und dir den Arsch lecken werde, Ranger.“ Tucker saß auf einem Schimmel und blinzelte in die Sonne. Er hatte, bis auf seinen Revolvergurt alle seine Sachen bekommen und sah wieder aus wie jemand, den es zu fürchten galt. „Wann bekomme ich meine Waffe?“, fragte er Cord und schielte auf seinen Waffengurt, der am Sattelhorn des Rangers hing.

„Wenn ich es für richtig halte. Du brauchst keine Angst zu haben, ich bin ja bei dir und beschütze dich.“ Cord schickte ein kaltes Lächeln zu dem Verbrecher hinüber. „Damit du Bescheid weißt, ich will Vargas, egal wie und egal wo. Wenn du mitziehst, werde ich beim Gouverneur versuchen eine Milderung deiner Strafe durchzusetzen.

Wenn du nicht spurst, bekommst du eine Kugel zwischen die Rippen.“

„Ranger, versprich nichts, was du nicht halten kannst. Ohne mich kommst du in Mexiko keine drei Meilen.“ Jeff tastete nach seinem Tabaksbeutel in seiner Hemdtasche und zog ihn hervor. Der Tabak war zwar nach der Zeit im Knast trocken, aber es war besser als nichts. „Was ist dein Plan?“, fragte er, nachdem er ein paar Züge von seiner Zigarette genommen hatte.

„Die erste vernünftige Frage. Hör zu, wir werden direkt zur mexikanischen Grenze reiten und dort die Spur von Vargas aufnehmen. Ich vermute, dass er mit seinen Leuten zum Todescanyon reiten wird und dort dem alten Pfad folgen wird, damit er von dort aus nach Merida gelangen kann, wo er die Frauen verkaufen kann.“

Jeff kratzte sich am Kopf und schob den Hut dafür ein Stück zurück. „Das hast du dir gut ausgeknobelt. Ich will Beth befreien.“

„Dann arbeite mit mir zusammen, wir werden es bestimmt schaffen.“

„Alright, Ranger. Wir sind Partner, bis Beth in Sicherheit ist.“

„Das wollte ich hören. Hier.“ Cord nahm den Waffengurt von seinem Sattelhorn und warf ihn Jeff herüber, der ihn ungeschickt fing. „Bis Beth in Sicherheit ist.“

***

Sie trafen am nächsten Morgen auf die Spur von Vargas und seiner Bande. Den Spuren nach zu urteilen war die Bande rund dreißig Mann stark. Weiterhin waren die Spuren von fünf Wagen zu sehen, in denen die Frauen sitzen mussten.

Sie saßen ab und schauten sich die Spuren auf dem sandigen Boden genauer an.

„Verdammt starke Bande“, sagte Jeff und hockte sich auf seine Stiefelabsätze.

„Yeah.“ Cord hakte seine Daumen hinter seinen Gürtel. „Wir rasten eine Stunde und schlafen dann. Die Tiere benötigen Ruhe und wir ebenfalls.“

Cord bereitete eine Mahlzeit aus Bohnen, Speck und Trockenfleisch zu, die sie mit Wasser herunterspülten.

„Wofür haben sie dich eingesperrt?“, fragte Cord, während sie sich die Zigaretten anzündeten und entspannt zurücklehnten.

„Du wirst wissen, wofür ich verurteilt worden bin. Fünffacher Mord.“

„Ich kenne die offizielle Geschichte. Aber ich will deine Version hören.“

Jeff nahm einen Zug und inhalierte tief. „Wir pokerten und es gab Streit, weil einer aus der Runde falsch spielte. Ein Wort gab das andere und schließlich griff der Falschspieler zum Revolver. Ich war schneller und dachte, dass die Angelegenheit damit erledigt sei. Leider war der Tote der Sheriff und als ich mir den Weg freischießen wollte, waren einige unvernünftig genug, mich aufhalten zu wollen. Einer von ihnen trug keine Waffe, trotzdem erwischte es ihn.“

„Und davor? Die Banküberfälle, die du begangen hast?“ Cord schenkte sich Kaffee nach und drehte sich eine neue Zigarette.

„Ich habe das weiter gemacht, was ich im Krieg gelernt hatte. Wir hatten die Goldtransporte der Yankees überfallen und das Geld genommen. Nach dem Krieg machten wir auf eigene Rechnung weiter. Es waren die gleichen Männer, die wir überfielen und wir waren auch die gleichen Männer. Nur die Zeiten waren nicht mehr die gleichen.“

Cord riss sich ein Zündholz an und hielt es an seine Zigarette.

„Hallo, ihr da am Feuer, darf ich mich nähern?“ Jeffs Hand fuhr zum Revolver.

„Sicher, Amigo, komm ruhig heran, aber lass die Hände dort, wo wir sie sehen können.“ Cord stand auf und zeigte sich mit seinen beiden Revolvern. Lässig hing eine Hand hinter dem linken Revolverkolben.

Jeff sah ihn an und blieb sitzen. Er war erstaunt, welche Selbstsicherheit der jüngere Mann zu haben schien.

„Danke, meine Freunde.“ Ein älterer Mann, an die sechzig, kam näher und er zog einen Esel hinter sich her. „Mein Billy und ich sind seit ein paar Tagen keiner Menschenseele mehr begegnet und froh darüber, wenn man sich mal mit etwas anderem als Klapperschlangen und Kakteen unterhalten kann. Wer seid ihr?“

„Wir hatten Vieh getrieben und sind jetzt auf dem Heimweg“, übernahm der Ranger die Antwort. Seinen Stern hatte er gestern bereits abgenommen.

„Cowboys.“ Der Alte spuckte einen Priem Kautabak aus und schnupperte. „Hättet ihr noch einen Kaffee für mich?“

„Bedien dich“, sagte Jeff und deutete auf die Kanne, die im Feuer stand.

„Danke, danke.“ Der Alte holte aus einem Beutel einen Zinnbecher hervor, den er sich randvoll mit Kaffee füllte. „Ah, das tut gut“, sagte er nach dem ersten Schluck und verdrehte die Augen vor Freude.

„Und du hast seit Tagen niemanden gesehen?“, fragte Cord und hockte sich wieder auf den Boden. Der Alte war keine Bedrohung, aber eine Informationsquelle, die es auszuhorchen galt.

„Nein, nur Spuren habe ich gesehen. Eine größere Gruppe mit Wagen. Einen halben Tagesritt von hier war das. Die Armen wissen nicht, was ihnen droht.“ Er schlürfte an seinem Kaffee.

Jeff runzelte die Stirn. „Was steht ihnen denn bevor?“

Der Alte kicherte albern. „Sie reiten in den Todescanyon.

Ihr seid wohl nicht von hier?“

„Wie gesagt…“

„Ja, ihr seid Cowboys.“ Der Alte schaute Jeff an und dann Cord. „Cowboys, die blass sind wie aus dem Zuchthaus und die Revolver tragen wie Gunmen.“

Der Ranger warf Jeff einen Blick zu. Der Alte war zwar harmlos, aber nicht halb so senil, wie er gedacht hatte.

„Naja, mich gehen eure Angelegenheiten nichts an.“

„Du sprachst von einer Bedrohung im Todescanyon.“

„Ich? Ach ja…“ Er nahm noch einen Schluck Kaffee und zündete sich eine Pfeife an, die er aus seiner Hosentasche zog. „Es gibt eine alte Legende, die den Todescanyon betrifft. Ein Fluch liegt auf ihm und niemand wird ihn lebend verlassen, wenn er ihn bei Vollmond betritt.“

„Abergläubisches Geschwätz“, schnaufte Cord.

„Junge. Ich kenne die Gegend wie meine Westentasche. Und ich kenne niemanden, der bei Vollmond in den Canyon geritten ist und ihn lebend verlassen hat.“

„Was soll das denn für ein Fluch sein?“, versuchte Jeff den Alten weiter auszuhorchen.

„Damals, als die Spanier in dieses Land kamen, haben sie hier einen Indianerstamm ausgerottet. Die Schwarzfedern. Es war in einer hellen Vollmondnacht, ungefähr so jene, die uns jetzt bevorsteht. Die Spanier ritten in ihren glänzenden Rüstungen in den Canyon und wollten das Gold der Schwarzfedern haben. Sie brachten Decken, Perlen und allerlei unnützes Zeug mit, was sie gegen das gelbe Metall eintauschen wollten. Großer Bär, ihr Medizinmann, durchschaute ihr Spiel und riet seinem Häuptling, die Eindringlinge zu töten. Der Häuptling hörte nicht auf den Medizinmann. Die Spanier fielen mit ihren neumodischen Waffen über sie her und massakrierten die Schwarzfedern. Nur der Medizinmann entkam dem Gemetzel und versteckte sich vor den Spaniern. Als sie einschliefen, nahm Großer Bär in Trance Kontakt zu Manitou auf und erbat die Macht, seinen Stamm wiederzubeleben und so den Fehler des Häuptlings wiedergutzumachen. Manitou gewährte ihm diese Gunst, versah aber das Werk des Medizinmannes mit einem Fluch. Die toten Indianer erstanden wieder auf und metzelten die Spanier nieder. Seitdem kehren die Schwarzfedern bei Vollmond wieder und töten jeden, der sich in ihrem Canyon aufhält. Und in der nächsten Nacht steht es wieder bevor.“

„Das war eine schöne Geschichte, um Kinder zu erschrecken“, sagte Cord und schnippte seine Zigarette weg.

„Ich danke euch für den Kaffee.“ Der Alte stand auf und klopfte sich den Sand von der Hose. „Billy und ich machen, dass wir von hier wegkommen. Ich möchte möglichst viel Abstand zwischen mich und den Todescanyon bringen, bevor es Vollmond wird.“ Mit diesen Worten nahm er die Zügel seines Esels und ging in Richtung Norden.

Sie sahen ihm hinterher.

„Glaubst du daran, was er gesagt hat?“ Aufs Jeffs Gesicht zeigten sich Sorgenfalten.

„Unfug. Seit wann glaubst du an Kindermärchen?“ Cord schaute zum Eingang des Canyons. Und streichelte die Griffe seiner Revolver.

Beth

Beth war in ihrem Hochzeitskleid, was jetzt aber nicht mehr weiß war, sondern schmutzig und zerrissen. Ihre Füße waren nackt, da sie ihre Schuhe längst verloren hatte. An den Tagen setzte ihr die Hitze zu und in der Nacht die Albträume. Ihr Verlobter, der blutend neben ihr zusammengebrochen war und dessen tote Augen sie angestarrt hatten, während die Bande sie weggeschleppt hatte.

Die Bande war unbarmherzig. Seit sie sie von ihrer Hochzeit entführt hatten, trieben sie die Frauen zur Eile an. Es war kaum Zeit, ihre Notdurft zu erledigen. Sie wusste, was die Bande mit ihren Männern gemacht hatte. Niemand hatte überlebt und sie waren nur nicht vergewaltigt worden, weil sie noch einen Wert in Mexiko darstellten, den Vargas einstreichen wollte. Der Bandenführer war ein brutaler Mann und drohte jedem an ihn zu erschießen, falls er die Frauen anrührte. Natürlich hatte dies keinen menschenfreundlichen Hintergrund. Lediglich die Angst, dass die Frauen nach einer Vergewaltigung weniger wert waren, veranlassten den Bandenführer, den Befehl durchzusetzen. Gerne hätte er sich auch die eine oder andere Stute aus der Herde gegönnt.

Nachdem sie in den Canyon geritten waren, hatten die Männer sich häufiger umgeschaut und die Revolver in den Holstern gelockert. Sie hatte einen der Entführer gefragt, warum die Männer so nervös waren, aber sie hatte nur ein paar Beschimpfungen geerntet. Eine der Frauen im Wagen, Mrs. Andalez hatte ihr erzählt, dass sich Legenden um den Todescanyon rankten.

Als die Nacht hereinbrach, waren die Feuer größer als sonst und die Männer ruhiger. Schlimm wurde es erst, als der Vollmond aufging und die Schreie begannen…

Jeff

Bei Einbruch der Nacht hatten sie den Eingang des Canyons erreicht, der wie das dunkle Maul einer Bestie auf sie wartete und sie verschlucken wollte. Hinter ihnen ging der Vollmond auf und Jeff musste an die Worte des Alten denken.

„Den Spuren nach zu urteilen sind wir zwei Stunden hinter der Bande“, stellte Cord fest. Er kniete am Boden und knetete in einem Pferdeapfel herum.

„Dann los, ich will nicht zu spät kommen.“

„Die Grenze ist noch weit entfernt“, sagte der Ranger, der sich müde in den Sattel seines Pferdes zog.

„Das schon, aber was ist, wenn an der Geschichte des alten Spinners was dran ist? Ich glaube nicht, dass die Bande ihre Gefangenen schützen wird, wenn ihr Geisterkrieger auf den Pelz rücken.“ Jeff drückte seine Fersen in die Flanken seines Pferdes und trabte los.

„Für einen hartgesottenen Outlaw glaubst du schnell an Kindermärchen“, scherzte Cord und trieb sein Pferd hinter dem Häftling her.

Nach zwei Meilen hing ein Geruch von verbranntem Fleisch und Blut in der Luft. Wer einmal den Geruch von Blut in der Nase hatte, wird nie diesen intensiven Geruch nach Eisen vergessen. Insbesondere dann nicht, wen er mit Toten verbunden ist, die dich massakriert anstarren. „Heiliger Rauch“, flüsterte Cord und lockerte seine Revolver in den Holstern.

Jeff stieg vom Pferd und ging auf die fünf Toten zu, in deren Körper Indianerpfeile steckten. Die mexikanischen Banditen waren schnell gestorben. Nur einer hatte es geschafft, seinen Colt zu ziehen, zum Schuss gekommen war er aber nicht. Er war von einem Speer durchbohrt und an den Boden genagelt worden. Allen Toten wurden die Augen ausgestochen und die Zunge herausgeschnitten. So starrten sie mit leeren Augenhöhlen gen Nachthimmel.

„Es ist schnell gegangen.“, stellte Jeff fest.

„Wir müssen weiter“, drängte Cord, der den Griff einer eiskalten Hand im Nacken bemerkte, als er auf den Boden schaute. Es gab keine Spuren der Indianer…

Beth

Die Schreie hatten die Männer hochgetrieben und dazu veranlasst, das Lager abzubrechen. So schnell sie konnten hatten sie die Wagen angespannt und die Tiere zur Eile angetrieben. Selbst Vargas schien nervös zu sein und suchte die nähere Umgebung nach ungewöhnlichen Bewegungen ab.

Im Wagen drückten sich die Frauen eng aneinander und flüsterten sich gegenseitig Mut zu. Alle wussten mittlerweile, welche Legende sich um die Gegend rankte und nach den furchtbaren Schreien nach zu urteilen, war etwas an den Geschichten dran.

„Wir werden hier sterben“, weinte Anna Newton. Sie war erst sechzehn und schaute Beth mit verweintem Gesicht an.

„Vertrau auf Gott. Wir werden es schaffen hier lebend herauszukommen“, flüsterte Beth ihr zu. Worte, die in ihren Ohren stark klangen, aber von dem Heulen eines Kojoten abgeschwächt wurde. Dann krachten die ersten Schüsse.

Jeff

„Sie werden angegriffen“, sagte Cord und gab seinem Pferd die Sporen, gleichzeitig zog er seine Winchester und lud durch.

Jeff tat es ihm gleich und nebeneinander jagten sie durch den Canyon. Als sie in die Nähe der Schüsse waren, zügelten sie ihre Pferde. Mit einem Blick sahen sie, dass die Banditen von den Indianern eingekreist waren.

Cord lief es kalt den Rücken herunter, als er die Indianer sah. Blutende Wunden zierten die Körper, einigen war der Schädel eingeschlagen worden. Es waren keine frischen Wunden.

„Die Schwarzfedern“, sagte Jeff. „Der Alte hatte doch recht.“

„Verflucht will ich sein“, gab Cord von sich.

„Sei vorsichtig, was du dir wünscht.“ Der Outlaw kontrollierte die Kammern in seinem Revolver. „Ich sehe Beth. Ich reite jetzt da runter und hole sie, anschließend mache ich mich aus dem Staub.“

„He, so haben wir nicht gewettet.“ Cord griff nach den Zügeln von Jeffs Pferd und musste in die Mündung seines Revolvers blicken.

„Ich weiß, dass du alle befreien willst. Ich will nur Beth. Was du mit den anderen machen willst, ist mir egal. Lass meinen Gaul los oder ich leg dich um.“

„Ich komme mit runter. Alleine schafft es keiner von uns. Und du wirst mit deiner Tochter gemeinsam drauf gehen. Außerdem hast du keinen klaren Kopf. Sieh dir an, wie oft Vargas Männer schießen. Es müssten schon einige der Rothäute im Staub liegen.“

„Geister kannst du nicht töten“, raunte der Outlaw. „Was schlägst du vor?“

„Du reitest runter und lenkst die Schwarzfedern ab. Ich reite runter und hole die Frauen. Zwei Wagen dürften ausreichen.“

„Und du willst alle Frauen holen?“

„Alle oder keine.“ Cord sah Jeff in die Augen und atmete leise auf, als der Bandit seinen Revolver im Holster verschwinden ließ. „Gut“, nickte er und warf ihm seine Winchester zu. „Die wirst du benötigen.“

„Und du?“

„Ich bin hiermit besser.“ Cord streichelte seine Revolverkolben und holte zwei weitere Revolver aus seinen Satteltaschen, die er sich in den Hosenbund steckte.

Vor ihnen schrie ein Bandit auf, der von den Schwarzfedern überwältigt worden war und dem die Zunge herausgerissen wurde.

Verzweifelt versuchten sich die anderen Männer von Vargas Bande zur Wehr zu setzen, aber keiner von ihnen hielt lange durch.

„Dann los und viel Glück.“ Jeff gab seinem Pferd die Sporen und stieß den Kriegsschrei der Rebellen aus. „Heiho, ihr roten Hurensöhne. Mir ist egal, ob ihr lebt oder nicht.“ Er drückte eine Winchester an die Schulter und feuerte das Magazin leer.

Die Indianer wurden auf ihn aufmerksam und auch einige der Vargasbande wollten auf ihn anlegen.

Er warf die leere Winchester beiseite und hob die zweite an die Schulter. Diesmal feuerte er auf die Banditen. Fünf Mann fielen getroffen und wurden von den Schwarzfedern massakriert.

Cord nutzte die Gelegenheit und gab seinem Pferd die Sporen. Er musste die Ablenkung nutzen, die Jeff bereitete und trieb sein Pferd auf die Wagen zu. Seine 45er feuerte er auf die verbliebenen Banditen ab und sah aus dem Augenwinkel, dass er traf und einem Mann durch seine Kugel der halbe Schädel weggerissen wurde. Sei froh, du hast es hinter dir, fuhr es ihm durch den Kopf. „Ho, Frauen, steigt auf die Wagen und hinter mir her, ich hole euch hier raus.“

Es brauchte einen Augenblick, bis die Frauen ihre Chance begriffen und langsam in Bewegung kamen.

„Schneller, wir haben keine Zeit.“ Ein Indianerpfeil pfiff durch die Luft und flog knapp an seinem Kopf vorbei. Sein Pferd wurde von einem anderen Pfeil gestreift und stieg auf. Mit Mühe gelang es Cord, den Gaul zu bändigen.

Böse heulten die Indianer auf und liefen jetzt auf ihn zu. Cord sah die Gefahr und erschoss zwei weitere Banditen, die getroffen und blutend zu Boden sanken.

Bis jetzt hatte er Glück gehabt, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis er von irgendwas getroffen würde, wenn er weiter hier verharrte.

Die Frauen waren jetzt alle auf die beiden Wagen aufgestiegen. Beth hatte die Zügel eines Wagens in der Hand und stieß ein lautes „Hey“ aus, um die Pferde anzutreiben.

Der zweite Wagen wurde von einer verhärmten Frau übernommen, die sehnige Arme besaß. Cord hatte keinen Zweifel, dass sie mit dem Geschirr und den Pferden umgehen konnte.

Beth

„Wohin sollen wir fahren?“, schrie Beth den Mann an, der wie ein Teufel unter den Banditen wütete. Er hatte jetzt zwei weitere Waffen gezogen und feuerte auf die Banditen, die sich verzweifelt gegen die Indianergeister zur Wehr setzten. Weitere sechs fielen und der Mann schrie Beth zu, dass sie die Pferde antreiben solle. „Raus aus dieser Hölle hier.“ Beth ließ die Peitsche auf die Rücken der Tiere niederfahren und trieb die Pferde an.

Der Mann trieb sein Pferd neben ihren Wagen und lud im Ritt seine Pistolen nach. „Ich bin Texasranger, treiben sie die Gäule an, mit Glück schaffen wir es, den Bastarden zu entkommen, bevor sie mit den Leuten von Vargas fertig sind.“

Hinter ihnen erschallte das Geheul von Kojoten und Beth musste die Pferde gar nicht weiter antreiben. So schnell sie konnten, zogen sie den ratternden Wagen über den sandigen Boden und Beth betete, dass keines der Räder brechen würde.

Jeff

Er sah, wie Cord mit den Frauen aufbrach und dass Beth auf einem der Wagen saß und die Zügel in der Hand hielt.