Zwei Herzen In Ungarn - Barbara Cartland - E-Book

Zwei Herzen In Ungarn E-Book

Barbara Cartland

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Beschreibung

In der Hoffnung, die Pferdenärrin Kaiserin Elisabeth von Österreich im Laufe ihres Besuches auf seinem Landsitz zu überraschen und zu beeindrucken, entschließt sich der Duke von Buclington dazu, in die besten ungarischen Pferde zu investieren. Er hatte eigentlich geplant, sein schöne Tochter Aletha mit nach Ungarn zu nehmen, aber als Königin Viktoria einen eiligen Dänemark-Besuch für ihn arrangiert, muss er stattdessen seinen Stewart Mr Heywood alleine dorthin schicken. Zutiefst enttäuscht macht Aletha heimliche Pläne, mit Mr Heywood mitzufahren – mit Folgen. Die österreichisch-ungarische Monarchie und das alte Wien mit seiner wechselvollen Geschichte bilden den Hintergrund für eine romantische Geschichte aus der Feder von Barbara Cartland.

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Seitenzahl: 212

Veröffentlichungsjahr: 2021

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1. Kapitel ~ 1878

Lady Aletha Ling lief ins Haus, durchquerte eilig die Halle und stürmte ins Frühstückszimmer.

Sie wußte, sie war spät, aber es war ein so wundervoller Morgen gewesen.

Aus diesem Grund war sie länger ausgeritten, als sie beabsichtigt hatte.

Als sie den Raum betrat, blickte ihr Vater, der Duke von Buclington, langsam und ein wenig geistesabwesend, wie ihr schien, von dem Brief auf, in dem er gelesen hatte, und Aletha sagte hastig: »Tut mir leid, Papa, daß ich mich verspätet habe. Bitte vergib mir, aber es war so herrlich in der Sonne, daß ich darüber einfach die Zeit vergessen habe.«

Ihr Vater lächelte, und Aletha stellte erleichtert fest, daß er nicht verärgert war.

Im Gegenteil wirkte er sehr aufgeschlossen, und Aletha fragte sich, was der Grund dafür sein mochte.

Sie bediente sich vom Beistelltisch, auf dem eine Anzahl Platten und Schüsseln standen.

Sie enthielten Fisch, Wurst, gebratene Nieren, Eier und frische Pilze.

Dann nahm sie am Tisch Platz, und ihr Vater sagte: »Ich habe heute morgen einige sehr gute Nachrichten erhalten.«

»Gute Nachrichten, Papa? Von wem?«

»Mal wieder von der österreichischen Kaiserin!«

Aletha legte die Gabel nieder und rief: »Willst du sagen, sie hat deine Einladung angenommen?«

»Ja«, sagte der Duke nicht ohne Genugtuung in seiner sonoren Stimme. »Ihre Majestät wird eine Woche lang unser Gast sein, bevor sie nach Cottesbrook Park in Northamptonshire weiterreist.«

Aletha stieß einen Entzückensschrei aus, ehe sie sagte: »Sie hat also vor, mit Pytchley auf die Jagd zu gehen.«

»Richtig«, erwiderte der Duke, »und zweifellos wird Earl Spencer sehr erfreut darüber sein.«

Aletha erinnerte sich, daß Kaiserin Elisabeth von Österreich bei ihrem Englandbesuch vor zwei Jahren Easton Neston in Towcester gemietet hatte.

Sie hatte unbedingt mit dem berühmten Bicester und der Hundemeute des Duke von Grafton jagen wollen.

Was in der Welt des englischen und europäischen Adels allerhand Aufsehen erregte, gelinde ausgedrückt.

Die Engländer hatten die Geschichten über ihre Reitkunst bis dahin nicht geglaubt, dachten, eine Frau, die so schön wäre wie die Kaiserin, könnte nur eine Sonntagsreiterin sein.

In der Tat wurde getuschelt, die beiden Gentlemen, die zu ihren Begleitern bestimmt worden waren, Colonel Hunt und Captain Bay Middleton, hätten keinerlei Begeisterung über ihren Auftrag gezeigt.

»Was kümmert es mich schon, daß sie eine Kaiserin ist?« hatte Captain Middleton den Duke abfällig gefragt. Und dann hatte er mißgelaunt hinzugefügt: »Na schön, ich werde tun, was man von mir verlangt, aber lieber wäre mir, man ließe mich in Ruhe mit derlei Dingen.«

Er hatte seine Worte in dem Augenblick zurückgenommen, da er die Kaiserin kennenlernte.

Selbst einer der besten Reiter Englands, erkannte er ihr brillantes Können als Reiterin genauso wie ihre unvergleichliche Schönheit als Frau.

Und nicht nur das!

Er verliebte sich unsterblich in sie!

Obwohl Aletha zu dieser Zeit noch sehr jung gewesen war, hatte sie dennoch das Gefühl gehabt, daß auch ihr Vater sein Herz an die unwiderstehliche Kaiserin verloren hätte.

Und sie glaubte es immer noch.

Auch der Duke galt als hervorragender Reiter.

Nachdem die Kaiserin nach Österreich zurückgekehrt war, hatte sie ihn für längere Zeit zu sich eingeladen.

Bei seiner Heimkehr war seine Bewunderung für sie noch gewachsen, und diese Bewunderung, die beinahe an Anbetung grenzte, war schon während ihres Aufenthalts in England kaum noch steigerungsfähig gewesen.

Aletha vermutete, daß er gleichsam wie auf heißen Kohlen gesessen hatte, bis er endlich die Nachricht erhielt, daß ihre Majestät seine Einladung nach Ling Park huldvoll angenommen habe.

Die Spannung des Wartens zerrte deutlich an seinen Nerven und hatte ihn vor allem in den letzten drei Wochen sehr unleidlich und gereizt gemacht.

Aber nun war zum Glück die Antwort, die positive Antwort eingetroffen.

»Ich freue mich ja so für dich, Papa«, sagte Aletha, »und ich bin schon ganz aufgeregt, die Kaiserin kennenzulernen.«

Zwei Jahre zuvor war Aletha erst sechzehn gewesen.

Und deshalb war sie zu keiner einzigen Gesellschaft eingeladen worden, die man zu Ehren der Kaiserin veranstaltet hatte.

Auch hatte sie mit ihrem Vater nicht auf die Jagd gehen können.

Im Gegenteil: während Elisabeth in England weilte, hatte Aletha die Schulbank drücken müssen.

Und als sie zu Weihnachten nach Ling in die Ferien kam, kannten alle dort - den Duke eingeschlossen - nur ein einziges Thema: die österreichische Kaiserin, von der jedermann ganz hingerissen war.

Aletha konnte verstehen, daß Elisabeth zu seiner Idealfrau geworden war.

Ihr Vater war nach dem Tod der Mutter nämlich sehr einsam gewesen.

Aletha nahm an, daß es eine ganze Reihe von Frauen gab, die nur zu bereit waren, ihn glücklich zu machen.

Doch der Duke zeigte sich verschlossen, abweisend. Er vergrub sich in die Trauer um seine geliebte Frau und versuchte sich versuchte sich anderweitig abzulenken. Mit Hingabe widmete er sich seinem Gut, seinen Pferden und natürlich seiner Tochter.

Es bestand kein Zweifel, daß er Aletha liebte, und der Gedanke, von ihr getrennt zu sein, war ihm aufs Äußerste zuwider.

Und auf ein Mädchenpensionat schickte er sie nur, weil es einfach das Beste für Aletha war.

Erst jetzt, da sie sich auf ihr Debüt vorbereitete, das in der diesjährigen Saison stattfinden sollte, konnte sie mit ihm zusammen sein - Tag um Tag, wie sie es sich beide wünschten.

Der Duke besaß seine eigene Hundemeute.

Während Aletha ihr Frühstück aß, dachte sie, daß ihr Vater überlegte, wie er seinen illustren Gästen den Aufenthalt auf Ling so angenehm wie möglich machen könnte.

Dann legte der Duke den Brief, den er immer noch in der Hand gehalten hatte, neben sich auf den Tisch und sagte: »Ja, jetzt weiß ich, was ich tun muß! Seltsam, weshalb ich nicht schon vorher darauf gekommen bin!«

»Und was ist es, Papa?« fragte Aletha neugierig.

»Als die Kaiserin in Easton Neston weilte, hatte sie ihren gesamten Reitstall aus Ungarn mitgebracht!«

»So, das wußte ich ja gar nicht, Papa.«

»Wir brauchen mehr Pferde!« sagte der Duke. »Natürlich, wir brauchen mehr Pferde. Und ich werde nach Ungarn fahren und sie dort einkaufen!«

In Alethas Augen blitzte es auf.

»Richtig, Papa!« rief sie begeistert. »Ich habe mir schon immer gewünscht, daß du das tust. Außerdem liebt die Kaiserin Ungarn mehr als jedes andere Land auf der Welt, und die Pferde, die sie reitet, sind alle von dort.«

»Sie mag sie reiten«, erklärte der Duke beinahe feierlich, »aber wir werden hinfahren und sie jagen, und ich bin entschlossen, mir nur die Besten einzufangen!«

»Aber natürlich!« stimmte Aletha ihm begeistert zu.

Sie wußte, die Ställe ihres Vaters waren voll von den herrlichsten Pferden, und sein Rennstall war in ganz England berühmt.

Gleichzeitig jedoch war darin durchaus noch Platz für einige weitere Tiere.

Und was sie selbst betraf, hatte Aletha schon immer davon geträumt, eins dieser feurigen und schnellen ungarischen Pferde zu reiten, von denen man überall in Europa so fasziniert war.

»Und wenn du nach Ungarn fährst, Papa, nimmst du mich natürlich mit, nicht wahr?« sagte Aletha.

Der Duke seufzte.

»Ich wünschte, das wäre möglich«, sagte er dann, »aber du weißt ja, daß ich nächste Woche nach Dänemark muß.«

Aletha stieß einen Entsetzensschrei aus.

»Oh, das hatte ich ganz vergessen, Papa! Aber muß das denn unbedingt sein?«

»Unbedingt«, erwiderte der Duke. »Ich reise im Auftrag Ihrer Majestät, der Königin, wie du weißt, und vor zwei Tagen hat sie noch ausführlich mit mir über meine Mission gesprochen.«

»Ein Besuch in Ungarn wäre aber viel interessanter, finde ich.«

»Da stimme ich dir zu«, antwortete ihr Vater. »Doch es ist unmöglich, ich kann die Königin nicht enttäuschen. Also wird Heywood für mich reisen müssen.«

James Heywood war der Verwalter des Duke.

Allerdings standen die beiden Männer in einer anderen Beziehung zueinander, als dies normalerweise für Männer in ihrer Position der Fall war.

Zunächst einmal war Heywood ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle.

Zweitens war er ein außergewöhnlich brillanter Amateurreiter, der früher einmal auf seinen eigenen Pferden eine große Anzahl von Rennen gewonnen hatte.

Unglücklicherweise hatte er eines Tages sein ganzes Geld bei verfehlten Börsenspekulationen verloren.

Aus diesem Grund war er gezwungen, zu arbeiten, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, anstatt sich seinen Hobbys und darunter vor allem dem Reitsport zu widmen.

Es war der Vater des Duke gewesen, der Heywoods Fähigkeiten erkannt und ihn als Verwalter bei sich eingestellt hatte - was inzwischen schon zwanzig Jahre her war.

James Heywood wurde langsam älter, doch sein Bück für die Qualitäten eines Pferdes war immer noch so scharf und sicher wie eh und je.

Der Duke, der stets äußerst beschäftigt war, setzte ein solches Vertrauen in ihn, daß er ihm den Kauf fast sämtlicher Pferde, die er besaß, überlassen hatte.

»Ja, es wird nicht anders gehen, daß Heywood an meiner Stelle reist«, sagte er in einem Tonfall, als dächte er nur laut nach. »Und ich denke, wir dürften noch etwa acht oder zehn hervorragende Pferde benötigen - außer denen, die wir bereits besitzen.«

»Und ich bin sicher, daß die Zeit reichen wird, um sie bis zum Herbst an das Klima hier bei uns auf dem Land zu gewöhnen«, meinte Aletha sachverständig.

Ihr Vater lächelte.

»Ich würde sagen, daß wir in jedem Fall unser Bestes tun werden«, erwiderte er. »Und ich freue mich schon auf die Reaktion der Kaiserin, wenn sie sieht, welche Überraschung wir für sie haben.«

Aletha entging der Ausdruck in den Augen des Vaters nicht, als er von der Kaiserin sprach.

Wieder wünschte sie, wie schon so oft zuvor, daß er endlich einen Menschen finden würde, der bei ihm die Stelle ihrer Mutter einnehmen könnte.

Sie wußte, daß sie selbst ganz schrecklich eifersüchtig auf diese Frau sein würde, denn sie wollte ihren Vater für sich haben, dennoch konnte sie es nicht mit ansehen, wie unglücklich er manchmal war.

Der Duke war immer noch ein gutaussehender und attraktiver Mann.

Er hatte sehr jung geheiratet, und sein Sohn, der jetzt dreiundzwanzig war, kam ein Jahr nach der Hochzeit auf die Welt.

Weil seine Frau sehr schwächlich war, entstand eine Lücke von fünf Jahren, bevor Aletha geboren wurde.

Da er ausgesprochen athletisch war, besaß er die Figur eines jungen Mannes, obwohl sich an den Schläfen die ersten grauen Haare zeigten.

Es wird wunderbar sein für Papa, die Kaiserin hier zu haben, dachte Aletha selbstlos.

Dennoch fand sie es sehr bedauerlich, daß sie und ihr Vater nicht zusammen nach Ungarn fahren konnten.

Es wäre bestimmt ein richtiges Abenteuer geworden und eins, das sie rundherum genossen hätte.

Doch sie verstand natürlich, daß er unmöglich den Auftrag ablehnen konnte, mit dem ihn die Königin betraut hatte.

Und danach würde die Saison in vollem Gang sein.

Tausende von Partys und gesellschaftlichen Veranstaltungen würden die Teilnahme des Duke erfordern.

Und da Aletha zu den diesjährigen Debütantinnen gehörte, würde sie in London einen Ball geben und an der Vorstellung im Buckingham-Palast teilnehmen müssen.

»Ich muß mich gleich mit Heywood in Verbindung setzen«, sagte der Duke. »Ist er hier oder in Newmarket?«

Aletha dachte kurz nach.

»Ich bin fast sicher, daß er hier ist, Papa«, erwiderte sie dann. »Ich sah ihn noch vor zwei Tagen, und ich weiß mit Bestimmtheit, daß er erst nächste Woche nach Newmarket fahren wird.«

»Dann werde ich ihn rufen lassen - und zwar unverzüglich«, entschied sich der Duke. »Worauf warten wir also noch!«

Energisch betätigte er die goldene Tischglocke, die neben ihm stand.

Die Tür wurde geöffnet.

Es war üblich, daß sich die Diener während des Frühstücks nicht im Raum aufhielten.

Bellew, der Butler, erschien fast augenblicklich, und der Duke sagte: »Schicken Sie so schnell wie möglich einen Reitknecht zu Mister Heywood!«

»Sehr wohl, Euer Gnaden.«

Er reagierte auf die Ungeduld in der Stimme des Duke, indem er den Raum schneller als gewöhnlich verließ.

Als er gegangen war, sagte der Duke: »Ich überlege gerade, ob wir die Queen’s Suite noch einmal restaurieren sollen?«

»Ich halte das nicht für notwendig, Papa«, erwiderte Aletha. »Du hast sie erst vor zwei Jahren für Prinzessin Alexandra neu herrichten lassen, zusammen mit den Zimmern, die der Prinz von Wales bewohnte. Und sie sind seitdem eigentlich kaum mehr benutzt worden.«

»Ja, da hast du recht!« Der Duke nickte. »Und zudem wissen wir beide, daß die Kaiserin sich im Grunde nur für unsere Ställe und weniger für unser Prunkräume interessiert, nicht wahr?«

In seiner Stimme war der Klang von Zufriedenheit.

Sie wußten beide, daß die Ställe auf Ling sich in vieler Beziehung in einem hervorragenden Zustand befanden und daß jeder Grundbesitzer in der Grafschaft sie darum beneidete.

»Da werden sich bestimmt unseres Jagdreitens freuen«, fuhr der Duke fort »Sie waren damals ziemlich niedergeschlagen, als Bicester ihnen den Rang ablief, und sie sind gewiß tödlich gekränkt gewesen, weil sich die Kaiserin in diesem Jahr für Pytchley entschieden hat.«

»Jedenfalls wird der Besuch Ihrer Österreichischen Majestät ein hervorragender Anstoß für sie sein, sich mal wieder herauszuputzen und auf Hochglanz zu bringen«, sagte Aletha. Nach einer Pause setzte sie bedeutungsvoll hinzu: »Und ich werde wohl einen neuen Reitdreß benötigen.«

»Vermutlich von Busvine, dem teuersten Schneider in London.«

Der Duke lächelte.

»Natürlich.«

Aletha lächelte zurück. Dann fuhr sie fort: »Und du wirst ein Paar neue Stiefel von Maxwell brauchen.«

»Ich hasse neue Stiefel!« klagte der Duke. »Meine alten sind äußerst bequem!«

»Aber sie sind nicht schick genug!« beharrte Aletha auf ihrer Meinung.

Sie erhob sich vom Tisch, ging zu ihrem Vater und küßte ihn auf die Wange.

»Ich freue mich ja so für dich, Papa, daß die Kaiserin herkommt. Ich weiß, ihr Besuch wird dich glücklich machen, und alle die eleganten Gentlemen, die sie abblitzen ließ, werden grün werden vor Neid.«

Der Duke lachte.

»Du schmeichelst mir. Du weißt so gut wie ich, Liebes, daß die Kaiserin nur herkommt wegen der Pferde und nicht wegen mir.«

»Nun übertreibst du deine Bescheidenheit aber, Papa!« neckte ihn Aletha. »Schließlich wissen alle, daß die Kaiserin gutaussehende Männer mag. Ein kleiner Vogel hat mir gezwitschert, daß sie während deines Wienbesuchs jeden Abend mit dir getanzt hat - und zwar öfter als mit jedem anderen der anwesenden Männer.«

»Ich begreife nicht, woher du all diesen ausgemachten Blödsinn hast!« entrüstete sich der Duke.

Gleichzeitig wirkte er sehr selbstzufrieden und lächelte verschmitzt.

Aletha dachte, daß es keine Frau geben könnte, die ihn nicht ungewöhnlich attraktiv finden müßte.

Später berichtete der Duke Aletha welche Anweisungen er Mr. Heywood gegeben hatte.

Während sie zuhörte, bedauerte sie noch mehr, daß es ihrem Vater nicht möglich war, selbst nach Ungarn zu reisen und sie mitzunehmen.

Sie hatte gelesen, wie unvergeßlich schön Budapest war und welchen Zauber die Steppe besaß, die die Heimat der riesigen Pferdeherden war.

Sie hatte auch Besucher von den herrlichen Schlössern erzählen hören, die sich die ungarischen Edelleute errichtet hatten.

Sie hatte erfahren, daß die Adligen des Landes als die hübschesten und charmantesten Männer in ganz Europa galten.

Wenn das stimmte, konnte sie verstehen, weshalb die Kaiserin die Ungarn den ziemlich prosaischen, hölzernen und schwerfälligen Österreichern vorzog.

In der Tat war es allseits bekannt, daß sie in Österreich nicht sehr glücklich war und sich nur frei und ungebunden fühlte, wenn sie in Ungarn weilte. Das Land übte eine geheimnisvolle Anziehung auf sie aus.

Aber es gab auch Geschichten von gutaussehenden, schneidigen und verwegenen Reitersleuten.

Und diese Männer bekannten ihr in freimütigen Worten, die so poetisch und so wundervoll waren wie das Land, aus dem sie stammten, wie sehr sie die Kaiserin verehrten und liebten.

Aletha war sehr unschuldig.

Sie wußte nichts von den affaires de coeur, die in London für die Marlborough-House-Gesellschaft im Gefolge des Prinzen von Wales selbstverständlich waren.

Bis dahin hatte sie sich nur für die Kaiserin von Österreich und deren geradezu überwältigende Schönheit interessiert.

Und das meiste, was sie über diese Frau wußte, kannte sie von den Gästen ihres Vaters, deren Erzählungen sie stets aufmerksam zuhörte.

Natürlich redeten auch die Diener unablässig über die Kaiserin, nachdem sie England besucht hatte.

Der Klatsch in der Gesindestube war etwas, was Alethas Mutter, wäre sie noch am Leben gewesen, in Grund und Boden verdammt hätte. Vor allem würde sie nie geduldet haben, daß er ihrer Tochter zu Ohren gekommen wäre.

Aber die Duchess lebte nicht mehr, und so hatte es sich einfach ergeben, daß sich Aletha im Leben der österreichischen Elisabeth eigentlich recht gut auskannte.

Im Jahre 1874 hatte die Kaiserin den Duke von Rutland auf Belvoir Castle besucht und zum ersten Mal an einer Jagd auf englischem Boden teilgenommen.

Eins der Hausmädchen auf Belvoir Castle war nun auf Ling angestellt

Emely, so hieß das Mädchen, erzählte von nichts anderem als von der Schönheit der Kaiserin, und sie war Alethas größte Informationsquelle.

An zweiter Stelle stand, was die Informationen über die Kaiserin betrafen, ihr Vater, obwohl ihm dies natürlich nicht bewußt war.

»Die Königin suchte sie in Begleitung von John Brown in Ventnor auf, wo die Kaiserin während ihres Aufenthalts in England ein Haus gemietet hatte«, hörte sie den Duke zu seinen Gästen sagen.

»Ich hörte davon«, erwiderte der Earl. »Ihre Tochter war krank, und es hieß, daß die Ärzte ihr frische Seeluft verschrieben hätten.«

»Das ist richtig«, bestätigte der Duke. »Und wie man sich erzählt, soll vor allem John Brown von der Schönheit der Kaiserin ganz hingerissen gewesen sein.«

Die Bemerkung erntete schallendes Gelächter.

Aletha wußte: Es war wegen John Brown, der ein ziemlich griesgrämiger Schotte war und als Kammerdiener der Queen über großen Einfluß bei Hof verfügte.

Er besaß das unbegrenzte Vertrauen Ihrer Majestät und benahm sich den Höflingen und Politikern gegenüber oft äußerst rüde, was ihm nicht gerade die Sympathien dieser Leute einbrachte.

Als das Lachen verklang, sagte der Gast des Duke: »John Brown mag der Anblick der Kaiserin umgehauen haben, aber Klein-Valerie muß von der Queen entsetzt gewesen sein. Sie soll doch tatsächlich geäußert haben, daß sie noch nie eine so fette Lady gesehen hätte! Was sagen Sie dazu?«

Erneutes Gelächter war zu hören, doch Aletha, die bei der Unterhaltung gewesen war, interessierte sich nur für das, was über die schöne Kaiserin gesagt wurde.

Der Klatsch wuchs lawinenartig an, als Elisabeth zwei Jahre später erneut nach England kam.

Überflüssig zu sagen, daß die Leute vor allem über ihre Beziehung zu Captain Bay Middleton redeten und über die Tatsache, daß die Kaiserin stets bestens aufgelegt war und eine unermüdliche Betriebsamkeit an den Tag legte.

Sie nahm an jedem Hindernisrennen in der Nachbarschaft teil und gewann einmal sogar einen Silver Cup.

Aletha hatte Captain Middleton einmal bei ihrem Vater kennengelernt.

Deshalb konnte sie verstehen, daß die Kaiserin eine Schwäche für ihn hatte.

Er war dreißig, hochgewachsen und ungemein gut aussehend mit seinem rotbraunen Haar und seiner dunklen Haut.

Bay wurde er genannt wegen des Pferdes gleichen Namens, das das Derby von 1836 gewonnen hatte.

Bay Middleton war zur Jagd nach Gödöllő eingeladen worden und ebenfalls Alethas Vater.

Damals hatte Aletha den Himmel bestürmt, daß sie ihn eines Tages begleiten und die Kaiserin einmal aus der Nähe sehen dürfe.

Nun kam sie tatsächlich nach Ling.

Sie wußte: Nichts konnte aufregender sein für ihren Vater, für sie selbst und für alle im Haus und auf dem Gut.

Kein Zweifel, daß Mr. Heywood begeistert war, als er die Neuigkeit erfuhr.

»Ich wollte eigentlich mit Euer Gnaden über einige Pferde gesprochen haben, die diese Woche bei Tattersalls zum Verkauf angeboten werden«, sagte er zum Duke. »Doch wenn wir vorhaben, ungarische Vollblutpferde zu kaufen, erübrigt sich das natürlich.«

»Weshalb sollten wir uns nicht auch bei Tattersalls umsehen?« fragte der Duke. »Und wenn Sie zum selben Zeitpunkt nach Ungarn aufbrechen, an dem ich meine Dänemark-Reise antrete, werden wir die Tiere bis zur Ankunft der Kaiserin noch perfekt zureiten können.«

»Sie wissen, daß es nichts gibt, was ich lieber tue, als das Geld Eurer Gnaden auszugeben«, versetzte Mr. Heywood.

Der Duke lachte.

Die Nachricht von dem für den Herbst angekündigten Besuch der Kaiserin verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Haus, auf dem Gut, und auf den Herrensitzen und in den Dörfern der Grafschaft.

Am folgenden Tag riß der Strom der Besucher auf Ling nicht ab.

Die meisten kamen nur, um zu fragen, ob es wirklich stimmte, daß die österreichische Kaiserin wirklich beabsichtige, einige Tage auf Ling zu verbringen.

»Ja, es stimmt wirklich!« antwortete Aletha immer wieder auf die stereotypen Fragen.

Und immer wieder erschien in den Augen der Besucher jener merkwürdige Ausdruck, der eine Mischung aus Fassungslosigkeit, Sensationsgier und Neid war.

Obwohl sie ihrem Vater versichert hatte, daß die Suite, die von der Kaiserin bewohnt werden würde, absolut in Ordnung sei, hatte dieser dennoch den Auftrag zu einer Reihe von Verschönerungsarbeiten gegeben.

Vor allem das Blattgold der Decken und Paneel Leisten sollte aufgefrischt werden.

»Wie lange wirst du in Dänemark bleiben, Papa?« fragte Aletha ihn, als er damit begann, die Vorkehrungen für seine Abreise zu treffen, und Anweisung gab, seine Sachen - wozu in erster Linie seine Orden und Ehrenzeichen gehörten - zurechtzulegen.

»Ich fürchte, daß wir zumindest mit zwei Wochen rechnen müssen«, erwiderte er. »Ich wünschte, ich könnte dich mitnehmen.«

»Das wünschte ich auch«, sagte Aletha. »Es wird hier sehr langweilig sein ohne dich.«

»Deine Cousine Jane wird dir für die Zeit meiner Abwesenheit Gesellschaft leisten«, antwortete der Duke.

Aletha verzog das Gesicht zu einer Grimasse, doch sie sagte kein Wort.

Cousine Jane war über sechzig und halb taub.

Sie wohnte nur einige Meilen von ihnen entfernt und war nur zu bereit, als Anstandsdame nach Ling zu kommen, wann immer man sie brauchte.

Gleichzeitig war sie die Langeweile in Person.

Aletha hatte längst herausgefunden, daß ihr Vater die Gegenwart von Cousine Jane nicht ertrug und alles unternahm, sie von Ling fernzuhalten, wenn er zu Hause war.

Dennoch, einen Trost gab es.

Wenn Aletha es satt hatte, sich Cousine Janes unablässige Klagen über ihren Gesundheitszustand anzuhören, konnte sie sich ohne weiteres davor retten, indem sie sich ein Pferd satteln ließ und ausritt.

Aletha hatte ihrem Vater einmal den Vorschlag gemacht, für die Zeit seiner Abwesenheit eine andere, jüngere Verwandte als Anstandsdame ins Haus zu holen, was sich als Enttäuschung auf der ganzen Linie herausstellte, weil die Person, die er kommen ließ, eine sehr schlechte Reiterin gewesen war.

Sie zeigte sich aufs Höchste gekränkt und verärgert, wenn man sich ihrem langsamen Tempo nicht ständig anpaßte und einmal ein Stück vorausgaloppierte.

Es war jedenfalls kein Vergnügen für Aletha gewesen, vor allem nicht das Vergnügen, das ihr der gemeinsame Ritt mit ihrem Vater bereitete.

Überdies war auf Ling immer etwas los, wenn er zu Hause war.

Und es gab in der Nachbarschaft stets irgendwelche Point-to-Points oder Hindernisrennen, an denen sie teilnehmen konnten.

»Bitte, bleib nicht zu lange fort, Papa!« bat sie ihn.

»Keine Minute länger als notwendig!« erwiderte der Duke. »So sehr ich die Dänen auch mag, ich finde die offiziellen Besuche und die endlosen Gespräche, die damit verbunden sind, außergewöhnlich nervtötend und langweilig.«

»Bestimmt wäre es der Queen ein Leichtes gewesen, jemand anderen zu finden, den sie an deiner Stelle hätte schicken können!« erklärte Aletha unwillig.

Der Duke antwortete mit einem Blinzeln.

»Ihre Majestät zieht es eben vor, von jemandem repräsentiert zu werden, der etwas darstellt und mit dem sie sich nicht blamieren muß.«

Aletha lachte.

»Was auf dich ganz sicher zutrifft, Papa. Tatsächlich habe ich den Verdacht, daß du auch nun wieder eine große Zahl gebrochener Herzen zurücklassen wirst, und diesmal werden es eben dänische sein.«

»Ich möchte doch wissen, wie du immer auf derart abwegige Ideen kommst!« erwiderte ihr Vater ernst.

Aber Aletha wußte, daß er das Kompliment genoß und sich zweifellos geschmeichelt fühlte.

Ein Tag vor der Abreise des Duke traf Mr. Heywood ein, um sich letzte Anweisungen bezüglich des Pferdekaufs zu holen, bevor er am nächsten Morgen im Auftrag des Duke nach Ungarn auf brach.

Das Gespräch dauerte den ganzen Nachmittag.

Anschließend blieb Mr. Heywood zum Dinner, nachdem er vorher einen Reitknecht zu sich nach Haus geschickt hatte, damit dieser ihm seinen Abendanzug holte.

Als Aletha in einem ihrer wunderschönen Kleider, die für ihr Debüt in London gekauft worden waren, nach unten kam, sagte er: »Sie werden bestimmt die Schönste auf jedem Ball sein, den sie besuchen, Lady Aletha - genauso wie es vor vielen Jahren Ihre Mutter war, an die ich mich noch so gut erinnere.«

»Ich werde nie so schön sein wie Mama!« antwortete Aletha. »Aber ich werde mir natürlich alle Mühe geben, Papa als seine einzige Tochter keine Schande zu machen.«

»Das werden Sie nie tun«, erwiderte Mr. Heywood.

Er sprach mit einem Ernst, der ihr gefiel.

Aletha wußte, er bewunderte sie, und es hatte etwas außerordentlich Tröstliches für sie.

Insgeheim fürchtete sie nämlich, sie könnte dem Ruf der Lings nicht gerecht werden, die seit Jahrhunderten berühmt für ihre Schönheit waren.

Alle großen Künstler ihrer Zeit hatten die Mitglieder der Ling-Familie gemalt.

Und in der Van-Dyck-Galerie des Schlosses hingen Porträts von Familienmitgliedern, mit denen sie, Aletha, eine auffallend große Ähnlichkeit besaß.

Das gleiche galt auch für die Bildnisse, von Gainsborough, Sir Joshua Reynolds und Romney, die die Salons und das große Treppenhaus schmückten.

In jedem Fall trete ich gegen eine sehr starke Konkurrenz an, dachte Aletha, tröstete sich jedoch gleichzeitig mit dem Gedanken, daß sie gewiß nicht mehr so nervös zu sein brauchte wie noch vor zwei, drei Jahren, wo Mr. Heywood sie so offensichtlich bewunderte.

Damals war sie durch das hindurchgegangen, was sie bei sich ihre »häßliche Phase« genannt hatte.

Sie erinnerte sich noch sehr gut daran, wie einmal ein Freund ihres Vaters bei seinem Besuch auf Ling gesagt hatte: »Oh, das ist Aletha? Ich hatte immer geglaubt, sie würde einmal ihrer Mutter ähnlich sehen, die zu den schönsten Frauen gehörte, die mir jemals begegnet sind.«

Er hatte das nicht unfreundlich gemeint, war aber ohne Zweifel enttäuscht gewesen bei ihrem Anblick.

Es war eine entsetzliche Zeit für Aletha gewesen, und sie hatte Tag und Nacht gebetet, daß sie doch wenigstens etwas schöner werden würde.

Dann, wie durch ein Wunder, schienen ihre Gebete plötzlich erhört worden zu sein.