ALIEN COVENANT: ORIGINS - Alan Dean Foster - E-Book

ALIEN COVENANT: ORIGINS E-Book

Alan Dean Foster

3,0

Beschreibung

Die Covenant Mission – das bislang ehrgeizigste Unterfangen in der Geschichte des Weyland-Yutani Konzerns. Ein Kolonisierungsraumschiff, das über zweitausend Kolonisten weit über die Grenzen des bislang bekannten Universums hinaus bin nach Origae-6 bringen soll. Ein entscheidender Schritt – für die Firma als auch die Zukunft der gesamten Menschheit. Und doch gibt es Kräfte, welche die Mission verhindern wollen. Während die Covenant bereits im Orbit der Erde kreist und Captain Jacob Branson und seine Frau Daniels die letzten Vorbereitungen an Bord treffen, deuten mehrere Terroranschläge auf eine tödliche Verschwörung hin, deren Ziel es ist, den Start des Schiffes zu sabotieren. Zusammen mit Sicherheitschef Daniel Lopé, der auf der Erde noch das letzte fehlende Mitglied seines Teams rekrutiert, versuchen sie alles, die Urheber der Anschläge ausfindig zu machen, bevor diese das Schiff und seine Passagiere zerstören können. Alan Dean Foster, gefeierter Autor der bahnbrechenden ALIEN-Romanversion, präsentiert mit ORIGINS einen eigenständigen Roman, der die Vorgeschichte der Ereignisse des Films ALIEN: COVENANT erzählt. Darüber hinaus lässt uns ALIEN: ORIGINS einen Einblick in jene Welt werfen, welche die Kolonisten für immer hinter sich lassen werden. © 2017 Twentieth Century Fox

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DAS OFFIZIELLE PREQUEL ZUM FILM

ALIEN

COVENANT

ORIGINS

EIN ORIGINALROMAN VON

ALAN DEAN FOSTER

ALIEN: COVENANT ORIGINS

ISBN (gebundene Ausgabe): 978-3-95835-271-1eISBN (E-Book-Version): 978-3-95835-272-8

Published by Titan BooksA division of Titan Publishing Group Ltd

144 Southwark Street, London SE1 0UP

This is a work of fiction. Names, characters, places, and incidents either are used fictitiously, and any resemblance to actual persons, living or dead, business establishments, events, or locales is entirely coincidental.

™ & © 2017 Twentieth Century Fox Film Corporation.

All rights reserved.

No part of this publication may be reproduced, stored in a retrieval system, or transmitted, in any form or by any means without the prior written permission of the publisher, nor be otherwise circulated in any form of binding or cover other than that in which it is published and without a similar condition being imposed on the subsequent purchaser.

Deutsche Erstausgabe

Printed in Germany

Übersetzung: Peter Mehler

Lektorat: Johannes Laumann

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2017) lektoriert.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Frank und Barbie

In Dankbarkeit und Freundschaft

Inhalt

PROLOG

Kapitel I

Kapitel II

Kapitel III

Kapitel IV

Kapitel V

Kapitel VI

Kapitel VII

Kapitel VIII

Kapitel IX

Kapitel X

Kapitel XI

Kapitel XII

Kapitel XIII

Kapitel XIV

Kapitel XV

Kapitel XVI

Kapitel XVII

Kapitel XVIII

Kapitel XIX

Kapitel XX

Kapitel XXI

Kapitel XXII

Kapitel XXIII

Kapitel XXIV

Kapitel XXV

Kapitel XXVI

Kapitel XXVII

Kapitel XXVIII

PROLOG

Sie alle starben, und es gab nichts, was sie dagegen tun konnten.

Im Schlaf zu sterben wäre an sich nicht so schlimm gewesen. An Alter, an der Unfähigkeit, sich fortzupflanzen, oder sogar einer Krankheit zu sterben wäre vielleicht zu tolerieren gewesen. Das All aber war ein kalter, unbarmherziger Ort, und es kümmerte sich nicht darum, was wünschenswerter gewesen wäre. Zu diesem Zeitpunkt, in diesem Moment, war es noch kälter als je zuvor.

Körper explodierten, wurden auseinandergerissen, verstümmelt, bis sich die zerstückelten Skelette an den Seiten der Gebäude aufhäuften wie die weiße Gischt auf einer Welle. Ein Tsunami aus Blut floss erst die eine, dann die nächste Straße hinab. Die Bewohner der Stadt versuchten, sich zu wehren, und je mehr sie sich wehrten, umso schneller starben sie. Diese Gestalten – jene Wesen, die unter ihnen wüteten – waren getrieben von dem unerbittlichen Drang zu töten.

Und das taten sie, effizient und mit einer seelenlosen Entschlossenheit, der jede Befriedigung fremd war. Die Verursacher dieses endlosen Gemetzels würden nie satt werden. Sie töteten und würden immer weiter töten, bis nichts mehr übrig bleiben würde, was einem Opfer gleichkam.

Der Prophet schlief unterdessen – und schrie – während eine ausgewählte Gruppe von Gefolgsleuten seine Visionen teilte und erschauderte. Sie teilte, und von ihnen nur noch mehr in dem Wissen bestärkt wurde, was zu tun war. Das Schicksal, die Visionen, die der Prophet unter ihnen entfesselte, durften unter keinen Umständen die Erde erreichen.

Und wenn es ihren Tod bedeuten würde, um dies zu verhindern, würden sie keinen Moment zögern. Und genauso wenig würden sie zögern, für das Wohl aller sogar selbst zu töten.

I

Auf der Erde wäre das Schiff nie imstande gewesen auch nur abzuheben. Im Erdorbit hingegen, in dem das Schiff wie ein schlafender Wal in einem endlosen dunklen Ozean trieb, war seine Masse kein Hindernis.

Sein Antriebssystem war unerreicht, die Technik hochmodern, sein Lebenserhaltungssystem wurde von Back-ups unterstützt, und seine Bestimmung … seine Bestimmung war edelmütig. Es sollte eine Kolonie gründen. Den Samen der Menschheit über den kleinen blau-weißen Planeten hinaustragen, auf dem sich diese Rasse entwickelt hatte. Außerdem würde es jenen ermöglichen, die für die Reise in eine neue Welt auserkoren worden waren, der Korruption, der Ausbeutung, der Übernutzung und dem schieren Dreck zu entfliehen, welche ihre geradezu kriminell gleichgültigen Vorfahren achtlos hinterlassen hatten.

Jacob Brandon, der angeschnallt auf seinem Sitz in dem Shuttle saß, bestaunte die Formen der Covenant, während er aus dem Fenster neben sich sah. Er war ihr Kapitän, sie war sein Schiff. Seine Zukunft. Als Assistent von Mutter, der außergewöhnlichen, alles-sehenden, alles-hörenden künstlichen Intelligenz des Schiffes, würde er wenig mehr zu tun haben, als im Kälteschlaf zu verweilen, bis sie die weit entfernte Welt von Origae-6 erreichen würden.

Auf ihrer Route würden sie einige Male aus der Überlichtgeschwindigkeit heraustreten, um das Schiff neu aufzuladen, doch diese Intervalle waren vorausgeplant worden und gehörten zur Routine. Er freute sich auf ein Kommando, das, sofern alles nach Plan verlief, so gut wie ohne sein Eingreifen oder das seiner Crew auskommen würde.

Er wusste, dass Indri Mithun ihn beobachtete. Der spindeldürre dunkelhäutige Mann ihm gegenüber tat immer wieder so, als würde er an der computerisierten Linse an seinem linken Auge herumspielen. Doch in Wirklichkeit beobachtete er den Captain. Die ständige Kontrolle, die in der Abflughalle begonnen hatte, beim Start unterbrochen worden war und während des darauffolgenden Fluges fortgesetzt wurde, begann Jacob mürbe zu machen.

»Hören Sie, Mithun, wenn Sie etwas loswerden wollen, wenn Ihnen etwas auf der Seele brennt, dann raus damit. Aber ich will Sie nicht drängen.«

Durch das Fenster hinter dem Repräsentanten von Weyland-Yutani, war die gebogene Form einer leuchtenden Erde zu sehen, die sich im Gleichklang mit dem kompakten kleinen Schiff drehte, welches sich auf das Andockmanöver vorbereite. Während der Mann herumzappelte, versuchte er, möglichst autoritär auszusehen und zu klingen, doch seine Verlegenheit war offensichtlich.

»Ich habe nicht darum gebeten, den Auftrag zu bekommen, Sie zu beaufsichtigen.«

Jacob schürzte die Lippen und nickte verständnisvoll. »Und ich habe nicht darum gebeten, einen Beobachter zugeteilt zu bekommen, also haben wir etwas gemeinsam.«

Als Mithun darauf nicht reagierte, bohrte Jacob gereizt nach: »Also, sprach der Beobachtete zu dem Beobachter … Wenn Sie mir die Frage erlauben … Weshalb genau beaufsichtigen Sie mich?«

Der Repräsentant der Firma schluckte, und da er genug an seinem Okular herumgespielt hatte, ging er dazu über, den Hemdkragen unter seinem Jackett zu richten. Er schien nicht zu wissen, wohin er mit seinen Händen sollte. Der finstere Blick, den Jacob ihm von der anderen Seite des Ganges zuwarf, lies seine Hände nur noch nervöser werden. Draußen, hinter dem Fenster, schwang der Blick auf den faszinierenden Kosmos wie die Aussicht auf einem Karussell vorbei.

»Sie müssen eines verstehen, Captain. So erfahren unsere Leute und Maschinen auch im Bewerten von Rahmenbedingungen sein mögen – die Auswahl einer Crew für ein Unterfangen dieser Größenordnung bleibt dabei unweigerlich ein Vorgang, der von Zweifel und Kritik überschattet ist.«

Jacob lächelte freundlich. »Ich wünschte, Sie würden nicht Worte wie Unterfangen benutzen, wenn Sie über die Mission sprechen.«

Dieses Mal gab es einen Grund dafür, dass Mithun sein Okular richtete. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, als er verstand. Jacob war enttäuscht. Er hatte auf eine Reaktion in Form eines Kicherns gehofft, oder wenigstens auf ein Lächeln. Doch nun musste er einsehen, dass der Vertreter der Firma nicht leicht zu erheitern war.

»Ich verstehe, ein Witz«, antwortete Mithun, ohne es tatsächlich zu verstehen. »Ich schätze, ich hätte einen anderen Begriff wählen sollen, um …«

»Kommen Sie einfach zum Punkt, Mithun.« Vor dem Shuttle, und gut durch die vorderen Fenster zu erkennen, näherte sich der außergewöhnliche Rumpf der Covenant. Der Repräsentant nickte, erleichtert darüber, dass er nicht länger an Höflichkeitsfloskeln gebunden war.

»Um es ganz offen zu sagen, gibt es einige, die nicht sicher sind, ob die Firma das richtige Paar für die Leitung dieser Mission ausgewählt hat.«

Ohne zu blinzeln, erwiderte Jacob den nun unverwandten Blick des anderen Mannes. »Mutter leitet die Mission. Ich bin nur der menschliche Captain, und meine Frau ist die Ladungsexpertin. Oram ist die Nummer Zwei, nicht sie.«

»Wir machen uns weniger um Daniels Sorgen als um Sie«, antwortete der Repräsentant nachdrücklich.

»Ich verstehe. Und was an mir ist es genau, dass Ihren nicht näher identifizierten Wir Sorgen macht?«

Nun lächelte Mithun, wenn auch nur leicht. »Es gibt einige, die Sie für zu unstet halten. Nicht ernsthaft genug, um das Kommando eines derart enormen und schwierigen Unternehmens übertragen zu bekommen.«

Das Shuttle wurde langsamer und näherte sich den Hauptlandeschleusen. Ein leichtes Rütteln fuhr durch Jacobs Körper, als die sehr viel kleinere Fähre in das künstliche Schwerefeld der Covenant eintauchte. »Und auf welcher Basis gelangte man zu der höchst wissenschaftlichen Feststellung, ich sei unstet?«

»Es gibt da gewisse Korrespondenzen.« Wiederum peinlich berührt wendete Mithun sich ab. »Zwischen Ihnen und anderen. Korrespondenzen, die ein Übermaß an Begeisterung für nicht mit dem Projekt in Verbindung stehende Angelegenheiten widerspiegeln. Es gibt da gewisse Leute in der Firma, die das Gefühl haben, dass Sie beispielsweise Ihr Enthusiasmus für partizipative Sportarten von Ihren Pflichten ablenken könnte.«

»Sport.« Jacob beugte sich derart schnell zu dem Repräsentant hinüber, dass dieser zusammenzuckte. »Hören Sie, einer der Gründe, warum man mir das Kommando über die Covenant übertragen hat, war mein unter Beweis gestelltes Einfühlungsvermögen für die Interessen der Kolonisten. Wenn wir erst einmal auf Origae-6 angekommen sind, werde ich die Gründung der Kolonie überwachen müssen. Dafür braucht es gänzlich andere Fähigkeiten als jene, die man braucht, um Captain eines Raumschiffes zu sein.« Er ließ sich in seinen Sitz zurückfallen. »Die Firma wollte jemanden, der beide Erfahrungswerte in sich vereint. Deshalb hat man mich ausgewählt. Ihre gewissen Leute in der Firma können mir gestohlen bleiben.«

Ein sanfter Ruck ging durch das Shuttle, als es in der Landebucht aufsetzte. Jacob war dankbar, dass die Schwerkraft vollends wiederhergestellt war. Es war nicht leicht, jemanden in der Schwerelosigkeit in den Hintern zu treten, aber der Drang, genau das bei dem Repräsentanten der Firma zu tun, wurde immer größer.

Nimm ‘s nicht so schwer, dachte er bei sich. Mithun mag vielleicht mehr Geld in der Woche verdienen als du in einem Jahr, aber dafür ist er nichts weiter als ein besserer Laufbursche. Du hingegen – du bist der Captain. Über so etwas musst du darüberstehen können. Du weißt, was du zu leisten imstande bist, und was vor dir liegt. Glaube an dich, an deine Fähigkeiten und Fertigkeiten. Und daran, dass es für Weyland-Yutani beinahe zu spät sein dürfte, um die Stelle noch mit jemand anderes zu besetzen.

»Es gab eben ein paar Unstimmigkeiten im Gremium.« Mithun redete einfach weiter, auch dann noch, als sie bereits von Bord gingen. »Der größte Teil des Vorstands ist mit Ihrer Wahl einverstanden. Das gilt auch für Hideo Yutani selbst, aber es gibt einige in der Weyland-Gruppe, die immer noch das Gefühl haben, sich durchsetzen zu müssen.«

»Sie machen wohl Witze?«, sagte Jacob. »Das Ganze ist doch schon seit einiger Zeit ein einziges Unternehmen. Weyland-Yutani.« Er betrat als erster einen großen Hauptkorridor. »Ich dachte, diesen Unsinn hätten sie hinter sich gelassen.«

»Firmenübernahmen sind nie einfach«, erklärte Mithun. »Die meisten Leute, die nach solchen Zusammenschlüssen noch dabei sind, schaffen es recht schnell, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Aber für manche bleibt ein übler Nachgeschmack.«

Jacob, dem sein Begleiter mittlerweile ein wenig leidtat, versuchte nun, etwas weniger schroff zu klingen. »Und diese wenigen Stimmen im Vorstand stellen jetzt also meine Kompetenzen als Captain infrage?«

Mithruns Antwort klang niedergeschlagen. »Sie stellen alles infrage.«

»Und deshalb hat man Sie hergeschickt, damit Sie mir folgen und beobachten können, ob ich unter dem Druck kurz vor unserem Abflug zusammenbreche.«

»Im Großen und Ganzen trifft es das.« Zum ersten Mal, seit das Shuttle abgehoben hatte, schlich sich ein ehrliches Lächeln in das schmale Gesicht des Firmenrepräsentanten. Im selben Moment waren sie gezwungen, sich aufgrund einer selbstfahrenden Palette mit Versorgungsgütern, die von zwei Dockarbeitern eskortiert wurde, flach an die Seite des Korridors zu pressen. Dann setzten sie ihren Weg fort. Die Beleuchtung auf der Covenant war hell und gleichzeitig sanft, angenehm fürs Auge, ohne jedoch irgendetwas im Dunkeln zu lassen.

»Und wie mache ich mich bislang so, wenn die Frage gestattet ist?«, wollte Jacob wissen, als sie weiterliefen.

»Ich freue mich, sagen zu können, dass Sie Ihre Aufgabe bis auf eine gewisse Neigung für das Sarkastische sehr gut machen«, erklärte Mithun.

»Gut. Ich würde es furchtbar finden, so kurz vor unserem Abflug noch entlassen zu werden. Wenn ich erst einmal in den Hyperschlaf versetzt wurde, spielt es keine Rolle mehr, denn es verstößt gegen das Gesetz, Crewmitglieder oder Kolonisten vor ihrer Ankunft an ihrem Bestimmungsort aufzuwecken, es sei denn, es gibt einen Notfall.« Er warf dem Vertreter ein Lächeln zu. »Und ich glaube nicht, dass die Firma eine solche Vollmacht rechtzeitig erteilt bekommt.«

Dieses Mal lächelte Mithun nicht. »Ich kann Sie im Prinzip gut leiden, Captain«, sagte er, »deshalb will ich Ihnen etwas verraten. Wenn Weyland-Yutani der Ansicht ist, dass ihre Investitionen in ein Projekt – ob groß oder klein – gefährdet sind, dann gibt es nichts, was sie nicht tun können, um diese zu schützen.«

Jacob blieb unvermittelt stehen und sah den kleineren Mann stirnrunzelnd an. »Wollen Sie damit sagen, dass man mich sogar noch aus dem Hyperschlaf reißen und ersetzen würde?«

Mithun richtete seine fünfundsechzig Kilo zu voller Größe auf. »Was ich sagen will, ist, dass Sie gut daran täten, Ihre Funktion als Captain der Covenant fehlerfrei auszuüben, und nichts tun sollten, was Zweifel an Ihrer Kompetenz aufkommen lassen könnte, zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem dieses Schiff den Orbit um Neptun passiert hat.«

»Danke.« Jacob lächelte schwach. »Ich werde versuchen, mich strikt an die Regeln zu halten, bis wir unterwegs sind.«

»Ich würde das zu schätzen wissen«, entgegnete Mithun, »denn das wäre nicht nur für Sie besser, sondern würde auch meine Berichte wesentlich vereinfachen.«

»Wessen Berichte?«

Beide Männer drehten sich zu Daniels um. Obwohl sie von den letzten Vorbereitungen für den Abflug beinahe ein wenig überfordert war, stellte Jacobs Ehefrau und Ladungs- sowie Terraforming-Expertin der Covenant den gleichen ruhigen, aber auch eindringlichen Gesichtsausdruck zur Schau, mit dem sie das Personal von Weyland-Yutani überzeugt hatte. Trotz des Umstands, dass sie kleiner als die beiden Männer war, schaffte sie es, tatsächlich größer zu wirken. Sie umgab eine Aura der Kompetenz, der man sich nicht entziehen konnte, und die, zumindest nach Ansicht von Mithun, selbst die ihres Ehemannes übertraf.

Während Jacob sich die Position des Captains durch eine Vielzahl harter Prüfungen erkämpfen musste, hatte sie die nötigen Anforderungen sehr viel müheloser bestanden. Doch das hatte ihn nie gestört, denn da Paare als Crew des Kolonisierungsraumschiffes bevorzugt wurden, hätte er den Kapitänsposten vielleicht auch nur aufgrund der unübertroffenen Qualifikationen seiner Frau bekommen. Sie beide waren ausreichend für ihre Aufgaben qualifiziert, das wusste er. Der einzige Unterschied zwischen ihnen bestand wohl nur darin, dass sie … nun, nicht ganz so unstet war wie ihr Mann.

Sie küssten sich nicht im Beisein von Mithun. Intimitäten zwischen Paaren der Crew waren privaten Momenten vorbehalten. Außerdem war dafür keine Zeit.

»Meine Berichte«, sagte der Repräsentant entschuldigend.

Jacob sah schmunzelnd seine Frau an, die dem Stellvertreter zunickte. »Mr. Mithun wurde damit beauftragt, mich für eine Weile zu beschatten, um dafür zu sorgen, dass ich keine Verrücktheiten anstelle, wenn wir uns auf den Weg machen. Oder womöglich sogar etwas Unstetes.«

Daniels musterte den Abgesandten von Weyland-Yutani mit ihren dunklen Augen und zögerte keine Sekunde. »Dann sollten Sie ihn besser gut im Auge behalten«, sagte sie mit ernstem Gesicht und leiser, aber eindringlicher Stimme, für die sie unter der Crew und dem Heer an Arbeitern, die damit beschäftigt waren, das Schiff auf seine Mission vorzubereiten, bereits bekannt war. »Er ist wahnsinnig unstet. Oder auf unstete Art wahnsinnig. Ich muss seit Jahren damit leben.« Bevor Mithun etwas entgegnen konnte, fügte sie hinzu: »Außerdem ist er der bestqualifizierteste Captain für ein Kolonisierungsraumschiff, den Weyland-Yutani je hätte finden können. Das können Sie mir glauben.«

Jacob lächelte seine Frau liebevoll an. »Du bist voreingenommen.«

»Und ob ich das bin. Die Firma kann sich glücklich schätzen, dass sie dich haben. Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich dich habe. Und du kannst dich glücklich schätzen, dass du mich hast.«

»Und ich werde mich glücklich schätzen,« ergänzte Mithun, der sein Bestes tat, lockerer zu werden, »wenn ich in ein paar Tagen wieder festen Boden unter den Füßen habe, weit weg von dieser beklemmenden, wenn auch hell erleuchteten Umgebung, mit der Gewissheit, dass solide Erde unter mir ist, mit einer Atmosphäre, die nicht künstlich gereinigt wurde.«

Jacob nickte verständnisvoll, und entspannte sich ebenfalls ein wenig. »In Ordnung. Dann lassen Sie uns die nötigen Tests durchgehen, mit denen man Sie beauftragt hat. Wenn wir uns beeilen, können wir Sie in das nächstbeste leere Frachtshuttle stecken, das zurück zur Oberfläche geht.«

Dem Vertreter der Firma war die Ungeduld anzumerken. »Ich werde mich mit Freuden als Fracht ausgeben. Wenn nötig, können Sie mich auch in eine Kiste stecken. Ich gebe gern zu, dass ich den Weltraum nicht ausstehen kann. Das ist ein dunkler, todbringender und gänzlich wenig einladender Ort.«

Daniels verzog keine Miene, als sie antwortete: »Sie würden einen lausigen Kolonisten abgeben.«

»Kolonist …«

Allein bei dem Gedanken daran schauderte es Mithun.

II

Als sie ihre improvisierte Inspektion fortführten, schloss sich ihnen Mithuns Kollegin Lykke Kajsa an. Außer der Tatsache, dass es ihr deutlich sichtbar an Melanin mangelte und sie ein paar Zentimeter größer war als er, stellte sie das weibliche Äquivalent des frisch eingetroffenen Firmenrepräsentanten dar. Während Mithuns Aufgabenbereich in der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Crew lag, war sie mit der Inspektion des Schiffes an sich betraut worden.

Jacob und Daniels besprachen im Detail die Fortschritte der Startvorbereitungen und die auftretenden Probleme, und Kajsa ergänzte die Kommentare des Captains und der Ladungsexpertin mit einem unablässigen Strom aus Zahlen, Daten und Interpretationen. Das schlussendliche Resümee, welches alle Beteiligten zufriedenstellte, sah so aus, dass alles mehr oder weniger planmäßig vonstattenging. Daniels war als leitender Offizier für alle Vorräte, Lagerbestände und Versorgungsgüter des Schiffes zuständig, sowohl für den Zeitraum ihres Fluges als auch für die spätere Errichtung der Kolonie auf Origae-6. Im Zusammenhang mit der Crew gab es da ein Versäumnis, das an ihr nagte und das sie gern vor den zwei Abgesandten der Company zur Sprache bringen wollte. Das tat sie schließlich auch, als das Quartett weiter den Korridor entlangging und dabei immer wieder dem unablässigen Strom aus Cargo-Shiftern, Installateuren, Elektrikern, Lotsen und ankommenden Kolonisten auswich.

»Wie Sie sehen können, liegen wir im Zeitplan«, sagte sie. »Die Kolonisten werden für die Reise in den Hyperschlaf versetzt, und mit Ausnahme des Sicherheitsteams ist die Crew vollzählig.« Sie machte eine kurze Pause, dann fügte sie hinzu: »Bis auf einen.« Sie blieb in der Haupthalle der Mannschaft neben den beiden leeren Schlafkapseln stehen, die sie und Jacob einnehmen würden, und ließ ihre Hand über den Rand der offenen, durchsichtigen gewölbten Abdeckung gleiten.

»Die Covenant verfügt über keine große Mannschaft«, fuhr sie fort. »Da Mutter während des Fluges den Großteil der Funktionen überwachen wird, benötigen wir eigentlich keinen. Wir haben uns alle mittlerweile schon recht gut kennenlernen können, aber eine Schlüsselperson fehlt noch.«

Kajsa sah auf sie herab und nickte verständnisvoll. »Ihr Androide wird derzeit noch vorbereitet.«

Jacob winkte ab. »Das hat man uns auch schon gesagt. Mehrfach. Er – ich gehe davon aus, dass die David-Serie hauptsächlich männlich sein dürfte – hätte bereits seit mehreren Wochen an Bord sein sollen, um sich mit dem Rest von uns vertraut zu machen.«

Die beiden Repräsentanten tauschten stumme Blicke aus. Mithun war das Thema sichtbar unangenehm.

»An Ihrer Einheit wird derzeit noch – gefeilt. Seitdem die Prometheus als verschollen gilt, werden große Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass die Mission der Covenant mit den neuesten technischen Vorteilen und Entwicklungen ausgestattet wird.« Er deutete auf die hell erleuchtete, aber gleichzeitig sterile Umgebung der Schlafquartiere. »Dieses Bestreben aufseiten der Company erstreckt sich auf alle Systeme dieses Schiffes – einschließlich des Ihnen zugeteilten Androiden.«

»Da sich die Firma nicht mehr auf das Genie von Peter Weyland stützen kann, und da Androiden nicht zu den Fachgebieten von Yutani gehörten, hat man beschlossen, sich die dafür nötige Zeit zu nehmen«, fuhr Mithun fort. »Wir wollen absolut sicher sein, dass Ihr Android der beste ist. Und das ist unserer Ansicht nach die kleine Verzögerung wert, ihn an Bord zu bringen.«

Er sah seine Kollegin an, in der Hoffnung, dass sie ihm beipflichten würde.

Obwohl ebenso oberflächlich, war Kajsas Lächeln gewinnender als das ihres Kollegen. »Bei Weyland-Yutani ist sich jeder des Abflugdatums bewusst. Ich kann Ihnen versichern, dass die Covenant nicht starten wird, bevor nicht alle Anforderungen erfüllt und jede Komponente gründlich überprüft wurde. Wir wissen, wie wichtig es ist, ein vertrauensvolles Arbeitsklima zwischen Androiden und der Crew zu schaffen, auch wenn er für die meiste Zeit der Reise bei Bewusstsein sein wird, während der Rest von Ihnen sich im Hyperschlaf befindet. Bis Sie an Ihrem Zielort eintreffen, werden Sie nicht mit ihm interagieren müssen, abgesehen von den planmäßigen Ladezyklen und den regelmäßigen Wartungs-Wachphasen. Sie können aber darauf vertrauen, dass Sie vor dem Abflug noch die Möglichkeit haben werden, Ihren Androiden zu treffen und sich mit ihm auszutauschen.«

»Ich habe nicht vor, Poker mit ihm zu spielen«, warf Daniels ein. »Es ist nur einfach so, dass er einen entscheidenden Teil unserer Ausrüstung darstellt. Ich habe ein sehr umfangreiches Ladeverzeichnis durchzugehen, und er steht ganz oben auf der Liste. Ich würde gern einen Haken bei ihm machen können.«

Jacob, der bemerkte, wie sich gewisse Spannungen aufbauten, ergriff das Wort. »Wir haben nicht vor, die Company zur Eile zu treiben.« Er lächelte breit. »Meine Frau ist hin und wieder etwas pedantisch, wenn es um Details geht. Sie wird nicht eher ruhig schlafen können, bis nicht jedes Teil unserer Ausrüstung an Bord gebracht und aufgelistet wurde, sei es nun unser Android oder ein halbes Päckchen vakuumverpackter Erbsen. Die Company hat sie wegen ihrer Gründlichkeit angeheuert …« Er warf seiner Frau einen Blick zu. »Und nicht, weil sie besonders taktvoll ist.«

»He!« Ihre Augen sprühten Funken. »Ich kann taktvoll sein. Wenn es sein muss, kann ich auch taktvoll ein paar Ohrfeigen verteilen.«

Sie näherten sich einem Durchgang und Mithun bedeutete ihnen, weiterzugehen. »Ich denke, wir können fortfahren.« Er justierte den AC-Rekorder an seinem rechten Zeigefinger. »Ich bekomme alles, was ich für meinen Bericht benötige, Kajsa wird alles für ihren Bericht bekommen, und Sie bekommen alles, was Sie brauchen, um Ihre Ladeliste zu vervollständigen, bevor die Covenant den Erdorbit verlassen wird. Das versichere ich Ihnen.«

Daniels schien nur zur Hälfte besänftigt zu sein. »Wir werden später sowieso genug Zeit haben, um uns auszuruhen, aber je eher unser Android an Bord kommt und wir ihn kennenlernen können, umso eher werde ich mich entspannen.«

Jacob sah seine Frau schief an. »Du wirst dich nicht eher entspannen, bis wir in unserem Haus auf Origae-6 wohnen und die Covenant langsam am Boden verrostet.«

Sie verpasste ihm einen Schlag in die Rippen. »Wenn ich Sie daran erinnern darf, Captain Unstet-wie-nur-Irgendwas, dass ich …«

»Wir haben ein Problem.«

Das plötzliche Erscheinen von Sergeant Hallet unterbrach Daniels. Sein Vorgesetzter, Sergeant Lopé, befand sich immer noch auf der Erde, wo er damit beschäftigt war, die letzten Positionen für das Sicherheitsteam des Schiffes zu besetzen, und deshalb war Hallet aktuell der leitende Sicherheitsoffizier an Bord. Seine umfangreiche Einsatzerfahrung sah man ihm nicht an. Mit seinem hellfarbenen Bart und seinen feinen Gesichtszügen entsprach er so gar nicht dem Bild der großen, muskelbepackten Männer aus der Rekrutierungswerbung.

Anstatt wie jemand zu wirken, der sie vor fleischfressenden außerirdischen Lebensformen oder skrupellosen Weltraumpiraten beschützen könnte, sah er eher wie jemand aus, mit dem man sich nach einem Essen gut unterhalten konnte.

Daniels aber, die seine Befragungen und seine Trainingsvideos gesehen hatte, wusste es besser. Trotz seines zurückhaltenden Auftretens war er schnell, überaus ausdauernd und wusste, wie man sich in Erwartung des Unbekannten verhielt. Sein schlanker Körperbau war sogar von Vorteil, denn auf diese Weise brauchte er nicht die nötigen Nahrungsreserven, um große Muskelmassen zu versorgen.

Außerdem konnte Hallet diskret sein. Mit seinem trügerisch gelassenen Verhalten zog er keine unnötige Aufmerksamkeit in dem sie umgebenden Gewimmel an Arbeitern auf sich, als er die Unterhaltung des Captains, der Ladungsexpertin und der beiden Firmenrepräsentanten unterbrach. Das Ehepaar war von seiner Störung ein wenig überrascht. Die beiden Angestellten von Weyland-Yutani eher irritiert und verwirrt.

Mit einem schnellen, prüfenden Blick musterte Hallet die beiden Repräsentanten. Er hätte es vorgezogen, die Nachricht Jacob und Daniels lieber allein zu überbringen, aber das schien nun nicht möglich. Und angesichts der Dringlichkeit duldete es auch keinen Aufschub.

»Wir haben ein Problem«, wiederholte er noch einmal. »Im Hauptfrachtraum.«

Das rüttelte Daniels aus ihren Gedanken. Der Frachtraum, der sich langsam mit der Ausrüstung für das Terraforming füllte – von gigantischen Erdaushubmaschinen über Atmosphärenkondensatoren bis hin zu kraftvollen mechanischen Baggern – unterlag ihrer Verantwortung. Alles, was in irgendeiner Form mit der Ladung zu tun hatte, erregte sofort ihre Aufmerksamkeit.

»Probleme bei der volumetrischen Zuordnung?«, fragte sie. Vor einer Woche war das Verladen der Fracht beinahe zum Stillstand gekommen, weil ein paar Arbeiter bei der Frage aneinandergerieten, wo man eine etwa zwei Stockwerke hohe, beinahe vollautomatische Erdbohrmaschine abstellen sollte. Keiner von ihnen wollte sie in seinem Bereich stehen haben. Sie musste dazwischen gehen, um eine Schlägerei zu verhindern. Daniels löste das Problem schließlich, indem sie zuerst einmal jedem der Streithähne einzeln versicherte, dass er im Recht gewesen sei, um im Anschluss daran die Maschine einer gänzlich anderen Reihe außerhalb der Zuständigkeiten der infrage kommenden Arbeiter zuzuteilen.

Hallet begegnete ihrem fragenden Blick. Obwohl er nach außen hin ruhig wirkte, konnte sie sehen, dass er leicht schwitzte. Er warf verstohlen einen weiteren unsicheren Blick auf die beiden Angestellten von Weyland-Yutani, bevor er fortfuhr.

»Wir haben einen rebellischen Techniker, der sich ganz hinten versteckt hält. Zumindest hat man mir gesagt, dass er ein Techniker wäre. Ich hatte noch keine Zeit, mir seine Akte anzusehen, denn ich war zu sehr damit beschäftigt, ihn davon abzuhalten, das Schott im Frachtraum wegzusprengen.«

Jacob blinzelte. »Wie war das, Hallet?«

Der Sergeant nickte energisch und blickte erneut um sich, um sicherzugehen, dass auch wirklich niemand außerhalb ihrer kleinen Gruppe ihr Gespräch mitverfolgen konnte.

»Der Kerl behauptet, er hätte die Angeln vermint, und droht damit, das ganze Schott in die Luft zu jagen, wenn der Abflug des Schiffes nicht abgesagt wird.«

Der völlig perplexe Mithun spuckte das aus, was ohnehin jeder von ihnen wusste: »Niemand an Bord hat die Befugnis, so etwas zu entscheiden, nicht einmal der Captain.« Er dachte kurz über seine Worte nach, dann fügte er mit leiserer Stimme hinzu: »Womit ich keinesfalls Ihre Autorität untergraben wollte.«

»Haben Sie auch nicht«, antwortete der Captain, ohne seinen Blick von Hallet zu wenden. »Sie haben recht. Nur der Vorstand kann die Mission absagen oder verschieben. Dieser Mann weiß das wahrscheinlich ebenfalls.«

Der Sergeant nickte erneut. »Er fordert, dass Sie das Firmenhauptquartier kontaktieren und sie dazu bringen, alle Vorbereitungen sofort einzustellen. Außerdem will er über die Schiffssysteme eine Verbindung zu den Medien. Er sagt, er habe der Welt sein ›Manifest‹ zu verkünden.«

Kajsa wirkte schockiert. »Das können Sie nicht tun! Wer immer dieser Wahnsinnige sein mag, wir dürfen ihm keine öffentliche Plattform bieten, um dort seine wirren Ideen hinauszuposaunen!« Sie bemühte sich, die Fassung wiederzuerlangen, dann fügte sie hinzu: »Auch wenn ich nicht glaube, dass irgendeine Tirade von ihm einen nennenswerten Einfluss auf das Kolonisierungsprogramm hätte. Aber es wäre trotzdem schlechte …«

»… Publicity«, brachte ein ebenso verängstigter Mithun ihren Satz zu Ende. Er starrte Hallet unvermittelt an. »Sie sind für die Sicherheit des Schiffs zuständig. Wie konnte diese Person überhaupt mit Sprengstoff an Bord gelangen?«

Daniels antwortete, bevor Hallet auch nur die Chance bekam, etwas zu entgegnen. »Sprengstoffe für Ausgrabungen und dergleichen gehören zur Standardausrüstung für die Kolonie. Dieser Mann musste nicht erst etwas mitbringen – nicht, wenn er eine Möglichkeit gefunden hat, die Schlösser und die Sicherheit im Frachtraum zu umgehen. Dann hätte er freien Zugriff auf das, was sich ohnehin schon an Bord befand.«

»Wir konnte ihm das gelingen?«, fragte Kajsa.

»Das werde ich ihn ganz sicher fragen, nachdem wir ihn davon abgehalten haben, eine wichtige Sektion des Schiffs in die Luft zu jagen«, lautete Daniels schnippische Antwort. »Wenn er das durchzieht und sich einigermaßen mit Sprengstoffen auskennt, könnte er noch weit mehr anrichten als nur die Schotts vom Frachtraum zu zerstören. Er könnte womöglich sogar jenen Teil der strukturellen Integrität der Covenant beschädigen. Das würde unseren Abflug um Monate verzögern. Ganz abgesehen davon, dass der Unterdruck alles hinaussaugen würde, was nicht verankert oder ordnungsgemäß vertäut wurde. Ein Großteil der Ausrüstung – ganz besonders die speziellen Terraforming-Fahrzeuge – sind keine Serienmodelle. Man hat sie eigens für diese Mission entworfen. Es könnte Jahre dauern, diese zu ersetzen. Und das weiß der Mann sicherlich ebenfalls.« Sie warf Hallet einen Blick zu. »Dann los.«

Mithun trat einen Schritt vor, als wollte er ihr folgen. »Wollen Sie versuchen, mit ihm zu verhandeln?«

Ihre Antwort fiel überaus nüchtern aus. »Sollte Sergeant Hallet kein freies Schussfeld bekommen, ja, dann werde ich mit ihm verhandeln. Zuerst müssen wir sehen, wie er den Sprengstoff platziert hat. Falls die Gefahr besteht, dass die Explosion ausgelöst wird, wenn er stirbt, dann wird es nicht helfen, ihm vorsorglich den Kopf wegzublasen.« Sie drehte sich um und eilte davon, während sie im Laufen Hallets Ohren mit einer Frage nach der anderen zum Glühen brachte.

Nun war es Kajsa, die Daniels nachfolgen wollte. Jacob aber streckte seinen Arm aus und hielt sie sanft, aber mit Nachdruck zurück.

»Wir könnten nichts tun, außer im Weg zu stehen. Überlassen Sie das meiner Frau. Sie kennt den Frachtraum und die Fracht besser als jeder andere an Bord.«

Die hochgewachsene Repräsentantin der Firma fühlte sich sichtlich unwohl und schluckte.

»Ich dachte … ich dachte, wenn Mithun und ich vielleicht anwesend wären, könnten wir versuchen, ihn umzustimmen. Als hochrangige Mitarbeiter der Firma könnten wir ihm ein Angebot unterbreiten, um ihn zum Einlenken zu bewegen. Geld, eine Plattform, auf der er in Zukunft und vor allem ungefährlich seine Ansichten zum Ausdruck bringen kann – alles, was ihn davon abhält, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.«

Jacobs Antwort war freundlich, aber bestimmt. »Wir wissen nicht, mit wem er verhandeln würde oder was ihn sonst noch interessieren könnte, außer diese Mission zum Erliegen zu bringen. Und so lange Weyland-Yutani nicht bereit ist, seine Forderungen zu erfüllen, in einem öffentlichen Forum, hat es nicht den Anschein, als würden Sie viel Erfolg damit haben, ihn umzustimmen.« Da das die Repräsentantin noch nicht zu überzeugen schien, fügte der Captain hinzu: »Außerdem wollen Sie das doch sicher nicht an die große Glocke hängen, oder?«

»Und wie wollen Sie ohne größeres Aufsehen jemanden den Kopf wegschießen?«, murmelte Mithun.

Jacob legte dem kleineren Mann aufmunternd eine Hand auf die Schulter. »Hallet wird das Gebiet sicherlich bereits geräumt haben. Keiner der Arbeiter aus der Frachtsektion hat Zugang zu den Kommunikationssystemen der Covenant zum Boden, also können sie dort niemanden kontaktieren. Wenn das vorbei ist, werden wir alle zusammentrommeln und ihnen erklären, dass die Zukunft dieser Mission und damit auch eine Menge Jobs auf dem Spiel stehen werden, wenn dieser Zwischenfall nicht geheimgehalten wird.« Er machte eine Pause. »Wir brauchen nicht näher ins Detail gehen, welche Jobs genau. Ich denke, wir können die Sache unter Verschluss halten.«

Kajsa musterte ihn zustimmend. »Ich hätte nicht gedacht, dass Öffentlichkeitsarbeit zu den Kernbereichen eines Raumschiffkapitäns gehört.«

Er lächelte leicht. »Dann wissen Sie wohl auch nicht, wie viele sorgfältig abgewogene Antworten ich in den Dutzenden Befragungen der letzten Jahre geben musste.« Er sah an ihr vorbei und seine Miene verfinsterte sich. »Aber natürlich wären die Konsequenzen um einiges leichter zu tragen, wenn meine bessere Hälfte die Sache klären kann, ohne die ganze Sektion des Schiffs in Mitleidenschaft zu ziehen.«

Mithun sah ihn neugierig an. »Sie scheinen nicht besonders besorgt um die Sicherheit Ihrer Frau zu sein.«

»Es ist nicht so, dass ich nicht besorgt wäre«, antwortete Jacob gleichmütig. »Aber ich habe absolutes Vertrauen in ihre Fähigkeiten. Ich weiß, dass sie das deichseln wird. Hallet ist ebenfalls qualifiziert und überaus kompetent, auch wenn der Chef unserer Sicherheit noch auf der Erde ist.«

Er deutete auf einen anderen Korridor. »Gehen wir zur Brücke. Von dort aus können wir alles verfolgen.«

Die beiden Sachverständigen verfielen in nervöses Geplapper, während Jacob vorausging. Es war ihm ernst gewesen. Solange keine Katastrophe eintrat, musste es möglich sein, den Zwischenfall auf das Schiff zu begrenzen. Und wenn nötig, würden ein paar Notlügen ausreichen, um aufkommende Sorgen im Keim zu ersticken. Genau so, wie er auch Mithun angelogen hatte.

Denn obwohl er es sich nicht anmerken ließ, war Jacob krank vor Sorge.

III

Der Plan stand fest, die Entscheidung war einstimmig gefällt worden. Wenn jemand an Bord der Covenant als Resultat das Leben verlieren würde, dann nur, damit Milliarden anderer leben konnten. Jedes notwendige Mittel, mit dem sich der Start des Kolonisierungsraumschiffes aufhalten ließ, war gerechtfertigt. Es musste endlich gehandelt werden. Mit jedem weiteren Tag rückte die extraterrestrische Mission näher. Jede weitere Erdumdrehung bedeutete verpasste Chancen. Jedermann ging seiner Aufgabe nach.

Wenn hin und wieder einer von ihnen Unsicherheit oder ein Zögern an den Tag legte, ließ sich ihre Entschlossenheit schnell wieder herstellen. Die betreffende Person verschwand für kurze Zeit und wurde der vollen sensorischen Wucht der Vision des Propheten ausgesetzt. Danach kehrten die zögerlichen Gefolgsleute mit doppelter Entschlossenheit zurück.

Angst konnte ein mächtiger Motivator sein.

»Geht es Ihnen gut?«, fragte Daniels ihren Begleiter, während sie durch die Korridore des Schiffs eilten. Sie hätte sich sicherer gefühlt, wenn Lopé an Bord gewesen wäre und diese Sache geleitet hätte, doch der Chef der Sicherheit der Covenant befand sich noch auf der Planetenoberfläche und war damit beschäftigt, die letzte verbliebene Position in seinem Team zu besetzen. Nicht, dass Hallet inkompetent wäre – gewiss nicht. So wie der Rest der Crew war auch jedes Mitglied des Sicherheitsteams anhand einer Kombination aus militärischen Fähigkeiten, körperlicher Eignung und innerer Einstellung ausgewählt worden. Letzteres sollte sich spätestens dann als wichtig herausstellen, wenn sie Origae-6 erreicht hatten und man die Schiffssicherheit zur ersten Polizeieinheit der Kolonie umfunktionieren würde.

Anstelle einer Antwort nickte Hallet nur kurz bestätigend.

Die Privates Cole, Ledward und Ankor warteten bereits vor dem Personaleingang der riesigen Frachthalle auf sie. Alle trugen ihre EVA-Anzüge. Während Daniels versuchte, zu Atem zu kommen, befragte Hallet sein Team.

»Irgendwelche Neuigkeiten?«

Ankor, der sein wuchtiges F90-Gewehr vor sich trug, schüttelte den Kopf. Ein kurzer Blick verriet Daniels, dass die Waffe entsichert war. Ob die Feuerkraft der Waffe für den Einsatz innerhalb eines Schiffes eingestellt war, brauchte sie gar nicht erst zu fragen.

»Nichts«, antwortete Ankor. »Er ist immer noch da drin, am Hauptladeschott, irgendwo hinter einem Ding mit sechs Rädern und einer Kabine, die so dick ist, dass sie sogar einem Granatwerfer standhalten würde, den wir innerhalb des Schiffs sowieso nicht benutzen könnten.«

»Ich krieg ihn nicht sauber ins Visier, selbst wenn wir die Erlaubnis zum Feuern bekämen«, sagte Ledward. »Er hält sich die ganze Zeit über hinter seinem menschlichen Schutzschild versteckt und …«

»Moment mal«, unterbrach ihn Daniels. »Er hat eine Geisel?« Als Hallet nickte, warf sie ihm einen zornigen Blick zu. »Das haben Sie vergessen, zu erwähnen. Wieso zur Hölle haben Sie uns das nicht gesagt?«

Der Sergeant bewahrte Haltung. »Sollten die Anzugträger wirklich Wind davon bekommen? Die beiden sahen eh schon so aus, als würden sie jeden Moment eine Herzattacke bekommen.«

Da hatte er nicht unrecht.

»Stimmt. Okay. Also haben wir es mit einer Geisel zu tun. Wie geht es ihm?«

»Ihr«, korrigierte Ankor. »Ziemlich gut, wenn man bedenkt, dass sie sich in den Händen eines Wahnsinnigen befindet, der sie beide jeden Moment ins All jagen könnte.«

Daniels dachte fieberhaft nach. »Gibt es eine Chance, dass sie von ihm wegkommt?«

Ledward schnaubte verächtlich. »Klar. Und dann schießt er ihr in den Hinterkopf. Soweit wir das sagen können, hat er nur eine Pistole bei sich, aber das genügt. Keine schweren Waffen. Braucht er ja aber auch nicht, wenn er das Schott sprengt.«

»Sein eigenes Leben scheint ihm dabei egal zu sein«, warf Hallet ein.

»Ist der Rest der Sektion gesichert?«, hakte Daniels besorgt nach.

Der Sergeant nickte. »Laut den Monitoren ist jeder Teil der Ausrüstung unbemannt und die Zugangswege dazwischen sind frei. Da drin befindet sich niemand mehr außer unserem Verrückten und seiner Geisel. Wer immer das ist, er arbeitet allein.« Er schwieg für einen Moment, bevor er fortfuhr. »Als Situation, die die Sicherheit gefährdet, fällt das in meinen Zuständigkeitsbereich – aber ich weiß, dass Sie Repräsentanten der Firma an Bord haben. Außerdem …«, er deutete in Richtung der riesigen Ladehalle auf der anderen Seite der Tür, »… ist mir bewusst, dass Sie für jedes einzelne Teil der Ladung bis zur letzten Stellschraube verantwortlich sind. Daher würde ich nichts ohne Ihre ausdrückliche Zustimmung anordnen. Irgendeine Idee, wie wir verfahren wollen?«

Sie dachte darüber nach. »Sie sagten, er habe behauptet, Sprengsätze an dem Schott angebracht zu haben. Wissen wir, welche Art von Sprengstoff?«

Hallet warf seinen Teamkollegen einen fragenden Blick zu, bevor er sich wieder an Daniels wandte. »Keine Ahnung. Er ist nicht ins Detail gegangen. Er sagte nur, dass er an verschiedenen Stellen Ladungen angebracht hätte.«

Sie nickte und grübelte angestrengt. »Das müsste er auch. Es braucht einiges, um das Hauptschott zu sprengen. Also verschiedene Ladungen an verschiedenen Stellen. Um wenigstens eine Beule in die Tür zu bekommen, muss er alle Sprengsätze oder zumindest die meisten davon gleichzeitig zünden. Man kann also davon ausgehen, dass er über eine Art von Fernzünder verfügt.«

Der Leiter des Sicherheitsteams musterte sie. »Ganz sicher, dass Sie noch nie bei der Sicherheit gearbeitet haben?«, fragte Hallet.

Sie schüttelte gedankenverloren den Kopf. »Wenn meine Sektion betroffen ist, meine Fracht, mein Verantwortungsbereich, dann versuche ich, alles gründlich zu durchdenken.« Sie sah zu dem Sergeant auf. »Ein Fernzünder muss eine bestimmte Art von Signal übertragen. Infrarot würde voraussetzen, dass er freie Sicht auf die Sprengladungen hat. Eine Kurzwellenfrequenz wäre besser geeignet.« Sie sah jedem aus dem Team in die Augen. »Wenn wir ihn schon nicht aufhalten können, vielleicht können wir sein Gerät stören.«

»Und wir sollen wir das anstellen?« Dem jugendlichen Ledward zuckte der Finger am Abzug. Ihm wäre ein sauberer Schuss auf den Saboteur am liebsten, doch die Monitore zeigten an, dass sich das Ziel gut verschanzt hatte. Was immer den Mann auch antreiben mochte – er war ganz sicher wahnsinnig, aber nicht dumm. Daniels zog ihr Funkgerät aus dem Gürtel.

»Tennessee, bist du da?«

Sofort kam die Antwort von der Brücke. »Genau da, wo ich hingehöre, Schätzchen«, antwortete der Pilot. »Wie ich hörte, gibt es einen … ahm, Vorfall im Frachtraum?«

»Irgendein Spinner hat das Hauptschott mit Sprengstoff versehen und eine Geisel genommen. Den Monitoren nach hat er den Kopf eingezogen, damit die Sicherheit ihn nicht einfach unschädlich machen kann.« Dann zog sie ihre Multiunit hervor und überprüfte die Anzeigen. »Die Scans zeigen an, dass er eine Art von ausgefallener Elektronik im Handschuh seiner rechten Hand installiert hat, die mit Kabeln mit einer Batterie in seinem rechten Stiefel verbunden ist.«

»Sag mir, was ich tun soll.« Von der Brücke aus konnten Tennessee oder seine Frau und Kopilotin Faris alle Systeme der Covenant entweder allein oder zusammen mit Mutter bedienen.

»Die Instrumente des Schiffs sind darauf ausgelegt, die Programmierung jeder einzelnen Terraforming-Einheit beim Entladen auf Origae-6 zu verändern oder anzupassen«, sagte Daniels. »Die gleichen Systeme sollten auch jetzt funktionieren. Ich möchte, dass du den gesamten Laderaum mit elektromagnetischen Impulsen flutest. Decke das ganze Areal mit einer Bandbreite von gebündelten Störsignalen ein. Das sollte alle Frequenzen stören, die unser freudloser Besucher in seinem Handschuh oder seinem Stiefel installiert hat. Das wird zwar die Sprengladungen nicht entschärfen, aber wenn der Zünder entweder in seinem Handschuh oder in seinem Schuh steckt, wird er sie nicht auslösen können.«

»Willst du das wirklich?« Tennessee hörte sich mehr als nur unsicher an. »Ein voller Beschuss wird jedes ungeschützte Instrument in jedem Teil der Ausrüstung stören. Jedes Gerät, das möglicherweise gerade aktiv ist, wird danach neu programmiert werden müssen.«

Sie lächelte leicht. »Als wenn dafür nicht genügend Zeit wäre. Außerdem – was die Programmierung angeht, kann Mutter das meiste davon übernehmen. In der Zwischenzeit übernehme ich die volle Verantwortung für diese Anordnung.« Sie bemerkte, dass Hallet sie aufmerksam betrachtete.

»Was passiert, wenn es nicht klappt?«, fragte der Sergeant.

Sie zuckte mit den Achseln. »Dann schulde ich Weyland-Yutani ein neues Schott – und Jacob und ich werden uns wahrscheinlich eine andere Karriereleiter suchen müssen.« Sie ließ den Blick über den Rest der Gruppe wandern. »Alle bereitmachen. Sobald wir drin sind, schnallen wir uns an. Sollte unser Plan nicht aufgehen und er das Schott sprengen, fliegen wir wenigstens nicht mit der restlichen Fracht hinaus ins All.« Dann wandte sie sich nochmals an ihr Funkgerät. »In fünf Minuten, Tennessee.«

Sie drehte sich zu dem wartenden Sicherheitsteam um. »Dann vorwärts, und vergessen Sie nicht, sich anzuschnallen. Ich werde nicht in der Lage sein, jeden aufzufangen, der an mir vorbei fliegt. In fünf Minuten und zwei Sekunden gehen wir rein … und zwar leise.«

Hallet nickte. »Der Kerl wird uns noch nicht einmal bemerken, aber wir können ihn auf unseren Monitoren im Anzug sehen.« Als ihm ihr Blick auffiel, fügte er hinzu: »Wir werden nichts tun, was die Geisel gefährden könnte.«

»Darauf zähle ich«, sagte sie. »Ich komme mit Ihnen.« Sie zog einen EVA-Anzug aus dem Regal neben der Tür, stieg hinein, und ließ sich von dem stämmigen Private Cole beim Aufsetzen des Helms helfen. »Die Verbindung im Anzug wird ebenfalls gestört sein, wir können also nicht mit Mutter kommunizieren. Wir werden die Helmlautsprecher benutzen müssen, um uns zu unterhalten. Wenn wir Kontakt mit dem Verrückten haben, werde ich versuchen, mit ihm zu verhandeln.«

»Das haben wir auch schon«, erklärte Cole leise durch seinen dichten Bart hindurch. »Wie Sie wissen, hat es verdammt wenig gebracht.«

»Vielleicht bin ich überzeugender.« Sie überprüfte die Signalstärke an ihrer Kommunikationseinheit. »Zumindest können Sie sich in Position bringen, während ich ihn ablenke.«

»Sofern er nicht auf die Idee kommt, zuerst die Geisel zu töten«, murmelte Ledward.

»Wenn er das tut, verliert er sein Schutzschild«, gab Ankor zu bedenken und checkte sein Gewehr.

»Er hat gedroht, das Schott zu sprengen, während er direkt daneben stand. Ich habe nicht den Eindruck, dass ihm etwas an seinem Leben liegt«, erinnerte Daniels den Private. »Ihm ist nur wichtig, seine Mission zu erfüllen, und das ist, die der Covenant zu vereiteln und die Propaganda zu verkünden, die er sich zurechtgebastelt hat. Aber keines von beidem wird passieren.« Sie wandte sich Hallet zu. »Die Zeit ist um.«

Er nickte, umklammerte sein Gewehr und positionierte sich neben der Tür, die zur Frachthalle führte. Wie Daniels bereits vermutet hatte, war die Schussgeschwindigkeit der Munition der F90 auf eine sichere Verwendung innerhalb der Schiffshüllen heruntergeregelt worden.

Nach fünf Minuten aktivierte Ledward die Türkontrollen. Cole ging voran, seine Waffe im Anschlag. Sobald er im Inneren war, schwenkte er nach links aus, um nicht den Zugang zu blockieren. Ankor folgte ihm und schwenkte nach rechts. Wenn es notwendig werden sollte, konnten sie Feuerschutz geben. Schließlich betraten Hallet, Ledward und zum Schluss Daniels den Frachtraum. Nacheinander klinkten sie ihre Anzüge an den herabhängenden Sicherheitsgurten an, die sich hinter ihnen ausrollten. Im Falle einer plötzlichen, explosionsartigen Dekompression würden die Kabel sie daran hindern, ins All gerissen zu werden.

Versiegelte Container, die die nötigen Güter für die Gründung der Kolonie enthielten, türmten sich um sie herum auf. Etwas weiter in dem höhlenartigen Laderaum stand die breite Palette von Maschinen, mit deren Hilfe die Kolonisten imstande sein würden, Bergbau zu betreiben, für Bewässerung zu sorgen, Pflanzen anzusäen und Gebäude zu errichten. Obwohl ein Großteil der Ausrüstung bereits an Bord des Schiffes gebracht worden war, wurden noch einige Lieferungen erwartet. Aus diesem Grund war auch noch nicht jedes Frachtgut für den Raumflug gesichert worden. Wenn das Schott explodierte, würde ein Großteil der kostspieligen Ausrüstung von Weyland-Yutani als nutzloser Schrott im Orbit treiben.

Daniels überprüfte das Funkgerät in ihrem Anzug. Wie sie gehofft hatte, war auf allen Kommunikationsfrequenzen nur statisches Rauschen zu hören. Tennessee hatte seinen Job erledigt, aber in der erdähnlichen Atmosphäre des Frachtraums würden die Lautsprecher an ihrem Helm genügen.

»Wo?«, war alles, was sie Hallet zuflüsterte.

Im Umgang mit Worten erwies sich der Sergeant als noch sparsamer. Er klemmte sich seine F90 unter den linken Arm und deutete er mit seiner rechten Hand voraus, dann gab er seinem Team das Zeichen, vorzurücken. Sich ebenfalls über Gesten verständigend schwärmte die kleine Gruppe in den hinteren Bereich des Frachtraums aus. Sie schafften es, einen beträchtlichen Teil der Entfernung zurückzulegen, bis ihre Anwesenheit bemerkt wurde.

»Das ist weit genug! Bleiben Sie stehen!«

Er war nicht sehr groß, stellte Daniels fest. Für einen Terroristen war sein Auftreten ganz besonders unscheinbar. Kaum größer als sie selbst, mit glatten schwarzen Haaren, die sich an der Stirn bereits lichteten, typisch asiatischen Gesichtszügen und einem schlanken Körperbau. Er trug eine Standard-Uniform der Techniker und in der Hand hielt er eine Pistole. Die Frau mittleren Alters, die er vor sich hielt, war bereits zur Hälfte ergraut. Sie war stämmig, hatte die Augen weit aufgerissen und litt unverkennbar an Todesangst.

Der Anblick von Daniels, die in einigem Abstand von vier Angehörigen der Covenant-Sicherheit flankiert wurde, die zudem riesige Kanonen bei sich trugen, trug nicht dazu bei, sie nennenswert zu beruhigen. Weder sie, noch der Mann hinter ihr trugen Überlebensanzüge.

Hallet beugte sich leicht zu Daniels hinüber. »Die Geisel wurde als Cara Prestowicz identifiziert, eingestellt für die Installation der Schiffssysteme vor dem Abflug. Sie ist Technikerin, Stufe Vier.«

Daniels nickte und lief ein paar Schritte weiter. Während sie das tat, drückte der Saboteur die Mündung seiner Pistole an die Schläfe der Frau. Prestowicz stieß einen halb erstickten Schrei aus und kniff die Augen zusammen. Daniels konnte deutlich sehen, wie sich ihre Lippen zu einem stummen Gebet bewegten.

»Ganz ruhig, mein Freund.« Ihre Stimme drang deutlich vernehmbar aus den Lautsprechern ihres Helmes und übertönte mühelos das leise mechanische Brummen, welches das einzige andere Geräusch in dem Frachtraum war. Angesichts des Ernstes der Lage wirkte die Beleuchtung, welche die Ladebucht und alles darin erhellte, beinahe surreal.

»Ich bin nicht Ihr Freund!« Der Mann leckte sich über die Lippen. Seine Augen huschten in alle Richtungen, auf der Suche nach weiteren potenziellen Angreifern. »Ich werde mich von Ihnen nicht hinhalten lassen. Weyland-Yutani hat das Unternehmen Origae-6 für beendet zu erklären. Wenn eine entsprechende Ankündigung nicht innerhalb der nächsten halben Stunde weltweit ausgestrahlt wird, werde ich einen Kontakt in meinem Stiefel aktivieren und das ganze CT-12 zünden, das ich an kritischen Punkten rund um das Hauptschott verteilt habe.« Er senkte den Kopf. »Sie haben sich alle Anzüge angelegt und gesichert«, fuhr er fort. »Sie werden wahrscheinlich überleben, vielleicht aber auch nicht. Doch selbst wenn, wird die Firma Monate benötigen, das Schott zu reparieren und die verlorene Ausrüstung zu ersetzen. In der Zeit werden meine Mitstreiter dafür sorgen, dass die schweren Sicherheitslücken hier an Bord an die Öffentlichkeit gelangen, was zum Abbruch der Mission führen wird. Die Firma wird so oder so verlieren und kann die Mission vergessen.« Er gab seiner Geisel einen Stoß. Diese schrie ein zweites Mal auf und ihre Lippen begannen, sich noch schneller zu bewegen.

»Ich bin bereit, für meine Sache zu sterben«, sagte er. »Diese Frau hingegen nicht. Die Entscheidung liegt bei Ihnen.«

Daniels schürzte die Lippen. »Die Entscheidung wurde bereits getroffen.«

Jetzt wirkte er das erste Mal unsicher. »Wovon reden Sie da? Die Entscheidung, wie weiter vorgegangen wird, liegt einzig und allein bei mir!«

Hallet hatte genug gehört. »Jetzt nicht mehr, manuke!«

Daniels holte tief Luft. »Wir haben die gesamte Elektronik im Frachtraum gestört. Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass meine Leute und ich uns über unsere Lautsprecher und nicht über die Funkverbindung in unseren Anzügen verständigen.« Sie deutete auf seine Stiefel. »Sie können Ihre Hacken aneinanderschlagen soviel Sie wollen, meinetwegen auch einen irischen Volkstanz aufführen, aber Ihr Zünder wird keine Verbindung herstellen können.«

Die Mimik des Saboteurs spulte rasch eine ganze Reihe unterschiedlicher Emotionen ab, von selbstsicher über unschlüssig, dann panisch, bis es schließlich bei einem Ausdruck der Unsicherheit verharrte.

»Woher wollen Sie wissen, dass es kein manueller Druckauslöser ist?«

Sie wagte ein entwaffnendes Lächeln. »Die internen Schiffssensoren haben Elektronikbauteile in Ihrem Handschuh und Stiefel erkannt. Diese wären nicht nötig, wenn Sie sich auf einen simplen Druckauslöser verlassen würden. Außerdem würde ein Druckauslöser keinen Sinn machen. Das Risiko, ihn aus Versehen zum falschen Zeitpunkt zu betätigen, wäre viel zu groß.« Sie machte eine Pause und ihr Lächeln wurde eine Spur grimmiger. »Da war ich mir nicht einhundertprozentig sicher. Aber jetzt bin ich es. Wenn es ein Druckauslöser gewesen wäre, hätten Sie ihn gar nicht erst erwähnt. Stattdessen würden Sie jetzt nur wie verrückt ihre Fersen aneinanderschlagen.«

Urplötzlich beugte er sich vornüber, um die Ferse an seinem rechten Stiefel zu berühren. Er tippte mit den Fingerspitzen seiner linken Hand dagegen. Daniels erstarrte. Um sie herum legten sich Finger auf Abzüge, aber da Hallet keinen entsprechenden Befehl erteilte, wagte niemand aus dem Team zu feuern. Obwohl jeder von ihnen bereit war, den Terrorist auszuschalten, stand die Sicherheit der Geisel an erster Stelle.