Arrangieren - Werner Lindner - E-Book

Arrangieren E-Book

Werner Lindner

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  • Herausgeber: Kohlhammer
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2014
Beschreibung

Es ist kaum eine pädagogische Situation vorstellbar, in der das Arrangieren nicht zum Tragen kommt (etwa Gestaltung von Lernumwelten, Lernarrangements, Settings, Inszenieren, Einrichten produktiver Lernfelder usw.). Arrangieren ist beschreibbar als Versuch, eine Lernsituation herzustellen, die geprägt ist von einer gewissen Offenheit der Lernprozesse. Angesichts gesteigerter und gewandelter Lern-, Bildungs- und Qualifikationszumutungen, bei denen es immer mehr um Selbstbildung und Selbstorganisation (bei eher schwach strukturierten Lernumgebungen) geht, erfährt das Arrangieren eine wachsende Bedeutung. Der Band wird, indem er den Begriff auf die verschiedenen Arbeitsbereiche und Institutionen bezieht, ein weites Spektrum differentieller Praktiken aus den Bereichen der Früh- bis zur Freizeitpädagogik beschreiben, die sich alle als Ausformungen des Arrangierens verstehen lassen.

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Seitenzahl: 174

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Pädagogische Praktiken

 

Herausgegeben von

 

Birte Egloff

Werner Helsper

Jochen Kade

Christian Lüders

Frank-Olaf Radtke

Werner Thole

Werner Lindner

Arrangieren

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

1. Auflage 2014

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-022469-8

E-Book-Formate:

pdf:     978-3-17-023921-0

epub:   978-3-17-025619-4

mobi:   978-3-17-025620-0

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Vorwort der Herausgeber

 

Das Spektrum pädagogischer Felder hat sich in den letzten Jahren erheblich ausdifferenziert. Es reicht von der Familie über den Kindergarten und die Schule bis zur Sozialpädagogik, Erwachsenenbildung, betrieblichen Weiterbildung und Altenbildung und umfasst inzwischen auch den eher informellen Bereich von Lehr- und Lernprozessen in den Massenmedien und im Internet. So vielfältig wie die Arbeitsfelder sind die pädagogischen Praktiken. Trotzdem lassen sich diese auf eine begrenzte Zahl von Grundformen pädagogischen Handelns zurückführen (die so etwas wie die operative pädagogische Matrix bilden).

Die Reihe »Pädagogische Praktiken« hat dieses Spektrum pädagogischer Handlungsformen zum Gegenstand. Die einzelnen Bände informieren vor dem Hintergrund des relevanten erziehungswissenschaftlichen Wissens jeweils kompetent über eine dieser grundlegenden pädagogischen Praktiken und liefern dazu das institutionell und professionell differenzierte Erfahrungs- und Hintergrundwissen, das in der pädagogischen Praxis zum Einsatz kommt.

Die kompakten Einführungsbände sind so geschrieben, dass sie Studierenden eine Erweiterung und theoretische Fundierung ihres Erfahrungshorizontes ermöglichen. Die Reihe wendet sich gleichzeitig auch an Praktiker, die hier zur Reflexion, Differenzierung und Erweiterung ihres Handlungsrepertoires angeleitet werden.

 

Die Herausgeber

 

Dr. Birte Egloff (Universität Frankfurt)

Prof. Dr. Werner Helsper (Universität Halle-Wittenberg)

Prof. Dr. Jochen Kade (Universität Frankfurt)

Dr. Christian Lüders (Deutsches Jugendinstitut, München)

Prof. Dr. Frank-Olaf Radtke (Universität Frankfurt)

Prof. Dr. Werner Thole (Universität Kassel)

Inhalt

Einleitung

1     Grundsätze des Arrangierens

1.1 Didaktik

1.2 Subjektorientierung und Aneignung

1.3 Arrangieren als Ermöglichung

1.4 Pädagogisches Handeln im Modus des Arrangierens

2     Konkretisierungen und Praxisbeispiele

2.1 Jean-Jacques Rousseau und sein »Emile«

2.2 München – eine Stadt für Kinder

3     Arrangieren in der Frühpädagogik nach Maria Montessori

3.1 Beobachtung der Lernenden

3.2 Die vorbereitete Lernumgebung

3.3 Pädagogische Gestaltung

3.4 Geduld, Zurückhaltung, pädagogischer Takt

4     (Ganztags-)Schule als pädagogisches Arrangement

4.1 Zeitliches Arrangement: Rhythmisierung

4.2 Räumliches Arrangement

4.3 Individuelles und gruppenbezogenes Lernen im Arrangement der »Tischgruppe«

5     Arrangements in der Sozialpädagogischen Familienhilfe

5.1 Räumliche Arrangements

5.2 Zeitliche Arrangements

5.3 Pädagogische Arrangements

5.4 SPFH bei psychischen Erkrankungen der Eltern

5.5 Arrangieren von Netzwerken

6     Arrangements in der Erwachsenenbildung

6.1 Pädagogische Aktivitäten im Arrangieren

6.2 Fokus Arbeitsweltbezug/Kompetenzen

6.3 Planspiel

7     Fazit

Literatur

Einleitung

In den Praxisfeldern des Erziehungs- und Bildungswesens existieren verschiedene Grundformen pädagogischen Handelns (z. B. Zeigen, Unterrichten, Beraten, Informieren), von denen nachfolgend die Handlungsform Arrangieren bzw. das pädagogische Arrangement im Mittelpunkt steht. In der neueren erziehungswissenschaftlichen Diskussion ist eine ausführlichere Auseinandersetzung mit dem Arrangieren als pädagogischer Handlungsform lediglich in den Arbeiten von Hermann Giesecke (1992) sowie Klaus Prange und Gabriele Strobel-Eisele (2006) zu finden. Gleichwohl sind in der pädagogischen Fachliteratur zahlreiche Beschreibungen und Annäherungen zu Varianten und Mischformen vorzufinden, die sich der Strukturlogik des Arrangierens annähern oder diese mehr oder minder einschließen. So verbindet sich mit dem Terminus »Arrangieren« ein ganzer Schwarm wiederkehrender und korrespondierender Assoziationen, die von unterschiedlichen Autoren in den verschiedenen Handlungsfeldern in je eigenen Sinn-Kontexten benutzt werden. Dabei ist häufig offen, ob diese Verwendungen auf einer hinreichenden pädagogischen Reflexion beruhen oder ob lediglich ein diffuser Formulierungsbedarf seine Etikettierung gefunden hat. Aber auch in der erziehungswissenschaftlichen Literatur zeigen sich zahlreiche Termini, deren Sinngehalte implizite bis explizite Entsprechungen und Verflechtungen mit dem Begriff des Arrangierens aufweisen. Hierzu zählen etwa die indirekte Erziehung, die negative Erziehung, die Gestaltung von Lernumgebungen bzw. Lernumwelten, das Lernarrangement, das Setting, die vorbereitete Lernumgebung, das eigenverantwortliche Lernen, das situierte Lernen, Blended Learning, selbstgesteuertes Lernen, interessengeleitetes Lernen, lebensweltorientiertes, lebensproblemzentriertes und mehrperspektivisches Lernen oder Lernen im strukturierten Klassenzimmer. Weitere Familienähnlichkeiten ergeben sich über Begriffe wie Inszenieren, Einrichten pädagogisch produktiver Felder, Ermöglichung, Animieren, über pädagogische Zurückhaltung und pädagogischen Takt. Leutner/Leopold (2003) machen allein für den in diesem Kontext gleichfalls zu berücksichtigenden Begriff des »selbstregulierten Lernens« im englischen wie im deutschen Sprachraum eine Vielfalt an weiteren Umschreibungen aus und führen auf: autodidaktisches Lernen, eigenständiges Lernen, selbstbestimmtes Lernen, selbstreguliertes Lernen, Self-regulated Learning, Self-directed Learning und Learner Control. Diese vielfältigen Bezeichnungen verlaufen ineinander und verweisen wiederum auf »ein komplexes Konstrukt, das auf vielfältige psychologische Konzepte – wie z. B. Motivation, Volition, Metakognition, Emotion, Attribution, Selbstkonzept, Lernstrategie – zurückgreift« (ebd., S. 44). Bei Giesecke selbst ist zudem auch der Terminus »Situation« erwähnt, welcher »die Konstellation derjenigen Bedingungen (bezeichnet), die im Augenblick des pädagogischen Handelns gegeben bzw. wirksam sind« (Giesecke 1996, S. 47); Prange/Strobel-Eisele (2006, S. 105) verwenden zusätzlich auch die Umschreibung der »Gelegenheitserziehung«.

Versuche der Zuordnung des Arrangierens zu einzelnen Handlungsfeldern bleiben dabei ohne eindeutiges Resultat. Weil die pädagogische Handlungsform Arrangieren bzw. das pädagogische Arrangement als Versuch, eine Lernsituation herzustellen, charakterisiert ist durch eine gewisse Offenheit von Lernprozessen, wird sie – in idealtypischer Abgrenzung zum »Unterrichten« – von Prange/Strobel-Eisele (2006, S. 31) vornehmlich der Sozialpädagogik zugeordnet, von Giesecke hingegen auch für die Schulpädagogik beansprucht. Zum einen aber sind die verschiedenen pädagogischen Handlungsformen kaum in voneinander vollständig isolierten Prototypen vorzufinden, sondern stets miteinander verbunden; und auch das Arrangieren ist stets mit anderen pädagogischen Praxen verknüpft, wie beispielsweise dem Zeigen. Zum anderen ist jegliches pädagogische Handeln, als absichtsvolles Herstellen bzw. Anbahnen von Situationen des Lernens, mit irgendeiner Form des Arrangierens verbunden. Da Lernen nicht in einem Vakuum stattfindet, sondern immer in bestimmten Kontexten oder Konstellationen, ist es per se »situiert«. Weil mithin kaum eine pädagogische Situation denkbar ist, die nicht mit irgendeiner Form des Arrangierens in Verbindung steht, lässt sich in Anlehnung an das bekannte Watzlawick- Wort nachgerade formulieren: Man kann in der Pädagogik nicht nicht arrangieren. So wird nachvollziehbar, dass die Handlungsform Arrangieren keineswegs auf die Sozialpädagogik allein zu reduzieren ist. Dies gilt allemal dort, wo sich etwa die Arbeitsfelder der Schul- und der Sozialpädagogik im Zuge der neueren Entwicklung zu Ganztagsschulen und Kommunalen Bildungslandschaften wechselseitig durchdringen. Auf der anderen Seite eröffnet bereits der Blick allein auf die Institution Schule ein weites Feld verschiedenster schulpädagogischer bzw. schuldidaktischer Praktiken, die jenseits von Frontal- und Gruppenunterricht allesamt mit je unterschiedlichen Arrangements verbunden sind. Hier existieren verschiedene Modelle der Schul- und Leistungsdifferenzierung (Bönsch 2011), unterschiedliche Modellierungen von Lernwelten bzw. Lernkulturen (Kösel 1993; 2007) und offenen Unterrichtsformen (Niggli 2000). Die Vielfalt allein innerhalb der schulpädagogischen Arrangements nimmt noch zu, sofern in die Betrachtung historisch wie theoretisch unterschiedlich gefasste (schul-)pädagogische Ansätze wie die Reformpädagogik, Freinet-Pädagogik, Arbeits- und Produktionsschule, Jenaplan- oder auch die Montessori-Schule einbezogen werden, die wiederum je ausdifferenzierten Gestaltungsmustern folgen.

Unterschiedliche Varianten des pädagogischen Arrangierens erstrecken sich mithin quer durch die verschiedenen Handlungsfelder und fordern dazu auf, sich in jedem Feld mit Grundfragen der Didaktik (als Vermittlung durch Pädagoge, Lerngegenstand/Thema und Adressat) auseinanderzusetzen, über die jeweiligen didaktischen Vorannahmen und Ziele Auskunft zu geben und darüber aufzuklären, warum sich das Arrangieren in seinen typischen Besonderheiten für bestimmte Lernziele besser eignet als andere pädagogische Handlungsformen.

Angesichts dieser Vielfalt an Relationen und Zuordnungen ergibt sich nicht zuletzt die Aufgabe einer begründeten Auswahl von pädagogischen Handlungsfeldern (vgl. Krüger/Rauschenbach 2000) für diesen Band. Daher orientiert sich die hier getroffene Auswahl der Arbeitsbereiche Kindertagesstätte, Ganztagsschule, Sozialpädagogische Familienhilfe und Erwachsenenbildung zum einen an der ungefähren Abfolge der Lebensalter und zum anderen an nicht nur aktuellen, sondern längerfristigen empirischen sowie gesellschaftsund bildungspolitischen Relevanzen.

1

Grundsätze des Arrangierens

Das Wort »Arrangieren« wird alltagssprachlich in zahlreichen Kontexten gebraucht (z. B. ein Musikstück arrangieren, etwas organisieren, etwas in die Wege leiten, sich mit den gegebenen Umständen abfinden), aber auch in pädagogischen Werken zur Beschreibung vielfältiger Gestaltungsmerkmale und methodischer Vorgehensweisen verwendet. Insbesondere in der Darstellung sozialer, erzieherischer oder bildnerischer Situationen und Praktiken scheint es sich um einen »Container«-Begriff für das pädagogisch Ungefähre zu handeln, bei dem zu hinterfragen bleibt, ob er als signifikante und genuine pädagogische Handlungsform mit all ihren Implikationen stets bewusst ist. Eine ausführlichere Auseinandersetzung mit dem Begriff des Arrangierens im pädagogischen Feld findet sich bislang lediglich in den Arbeiten von Giesecke (1992) und Prange/Strobel-Eisele (2006), welche auch in der übrigen Fachliteratur wiederholt als einzige Bezugsquellen genannt werden (vgl. Koring 1992, S. 63 f.; Stimmer 2006, S. 119; Brade 2010, S. 162). In diesen beiden, zentralen Referenzwerken wird mit dem Begriff »Arrangieren« übereinstimmend eine intentional »hergestellte« Lernsituation beschrieben, die sich vorrangig durch die Abwesenheit dezidierter Lerninstruktionen auszeichnet. Dieses zentrale Charakteristikum einer kalkulierten Offenheit beinhaltet bestimmte Freiheitsspielräume der Adressaten, verbunden mit der Erwartung, sich produktiv gemäß den eher indirekt vermittelten erzieherischen Absichten zu verhalten. Es beinhaltet aber auch das Risiko, dass die Lernenden gemäß ihrer eigenen Auffassungen und Motive von diesen Erwartungen abweichen oder diese im Extremfall völlig unterlaufen – und gerade damit ein eigentlich nicht vorgesehenes, nachdrücklicheres Eingreifen forcieren. In dem solchermaßen austarierten (und bewusst auszugestaltenden) Verhältnis von Freiheit und ihren Rahmungen liegen alle Chancen und spezifischen Vorzüge des Arrangierens gegenüber anders ausgestalteten Lernoperationen, aber auch alle Gefährdungen. Weil die Möglichkeiten der direkten Steuerung des Lernens konstitutionell eher gering sind bzw. dem pädagogischen Anspruch nach sein sollen, erweist die Praxis des Arrangierens eine besondere Nähe zu offenem, lernerprobendem und experimentellem Handeln. Diese Besonderheit hat Giesecke dazu veranlasst, das Arrangieren als zweifellos »heikelste pädagogische Handlungsform« (Giesecke 1992, S. 98) zu bezeichnen. Denn die durch Lernen mobilisierte Anstrengung und Veränderungsenergie in der Auseinandersetzung mit einem erst noch zu erschließenden Lerngegenstand wird dem Lernenden in höherem Maße selbst abverlangt und seiner eigenen Entscheidung unterworfen. Die konstitutionell kritischen Aspekte des Arrangierens bestehen in der verminderten Steuerungsmacht des Lernprozesses wie der Lernergebnisse, »weil sie das pädagogische Handeln auf die Herstellung von Bedingungen und Möglichkeiten konzentrieren kann, so dass den Partnern überlassen wird, ob und was sie lernen wollen, oder ob sie sich lediglich unterhalten (lassen) wollen.« (ebd., S. 102).

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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