Auf die Väter kommt es an - Lieselotte Ahnert - E-Book

Auf die Väter kommt es an E-Book

Lieselotte Ahnert

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Beschreibung

Was macht einen guten Vater aus? Welche Rolle spielt er bei der Entwicklung seines Kindes? Eine ganz besondere, hat Professor Lieselotte Ahnert herausgefunden. In ihrem Buch enthüllt die Psychologin erstmals wesentliche Erkenntnisse aus ihrer eigenen und der internationalen Väterforschung. Lieselotte Ahnert gibt Antworten auf zentrale Fragen der Vater-Kind-Beziehung: Was machen Väter anders als Mütter? Was können nur sie leisten und welchen Effekt hat das auf die Kinder? Ahnert weist nach, dass Väter viele Facetten der kindlichen Entwicklung bereichern. So haben sie großen Einfluss darauf, wie gut Kinder mit Stress umgehen und wie sich ihre Neugier entwickelt. Ihr Fazit: Väter sind keinesfalls wichtiger als Mütter, aber ihre Wirkung auf die Kinder ist von unschätzbarem Wert.

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Auf die Väter kommt es an

Die Autorin

PROF. DR. LIESELOTTE AHNERT, geboren 1951, ist emeritierte Professorin für Entwicklungspsychologie des Instituts für Psychologie der Universität Wien und Gastprofessorin an der Freien Universität Berlin. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Mutter- und Vater-Kind-Bindung, Beziehungsvielfalt bei Kindern, Stress in der Kindheit, Frühe Bildung und die Entwicklung von Kleinkindern in familiärer und außerfamiliärer Betreuung.

Das Buch

Die renommierte Entwicklungspsychologin Lieselotte Ahnert gibt Antworten auf zentrale Fragen der Vater-Kind-Beziehung: Was machen Väter anders als Mütter? Was können nur sie leisten und welchen Effekt hat das auf die Kinder? Ahnert weist nach, dass Väter viele Facetten der kindlichen Entwicklung bereichern. Vor allem das aktive Sprechen und die Kommunikationsfähigkeit der Kinder werden durch Väter gefördert. Sie helfen den Kindern, ihre Gefühle zu regulieren, und das wiederum trägt dazu bei, ihre Konfliktfähigkeit zu schulen. Da das Spielen mit dem Vater oft sehr körperbetont ist, können die Kinder sich austoben, dabei ihre Körperlichkeit kennenlernen und ihre Grenzen ausloten. Zahlreiche Studien belegen, dass sich Väter und Mütter in ihrer Unterschiedlichkeit ergänzen. Lieselotte Ahnerts Fazit: Auf die Väter kommt es an!

Lieselotte Ahnert

Auf die Väter kommt es an

Wie ihr Denken, Fühlen und Handeln unsere Kinder von Anfang an prägen

Deutschen von

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein.de

© 2023 Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinAlle Rechte vorbehaltenRedaktionelle Mitarbeit: Sarah Heidi EngelLektorat: Dr. Ludger IkasFoto der Autorin: © Christian ThielUmschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenUmschlagmotiv: © Eloisa Ramos / Stocksy E-Book Konvertierung powered by pepyrusISBN: 978-3-8437-2895-9

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Vorwort

Kapitel 1 Auf den Spuren der Vaterschaft

Sich frühzeitig einbringen

Bereitschaft zur Elternzeit bewerten

Väter besser einbeziehen

Vielfalt der Vaterschaft beachten

Wissen über Väter nutzen

Vaterverhalten genauer betrachten

Komplexität bedenken

Neue Akzente setzen

Kapitel 2 Väter gestern und heute

Vaterschaft neu denken

Evolutionäres Erbe reflektieren

Paarbindungen entwickeln

Alternative Lebensweise begründen

Der Vaterschaft sicher sein

Partnerschaftstreue erhalten

Familiengründung anpacken

Sich nicht verunsichern lassen

Kapitel 3 Männlichkeit und Vaterschaft

Partnerschaftlichkeit umsetzen

Männliche Fürsorge bewerten

Männliche Identitäten betrachten

Testosteron entmystifizieren

Testosteronschwankungen aufklären

Sinkende Testosteronspiegel interpretieren

Väterliche Physiologie komplexer bewerten

Werdende Väter im Blick haben

Kapitel 4 Kompetente Väter werden

Vaterschaft vorausplanen

Geburt erleben

Geburtserleben verarbeiten

Partnerschaftskrisen bewältigen

Vaterglück genießen

Handlungsfähigkeit erwerben

Vaterkompetenzen aufbauen

Familie erweitern

Kapitel 5 Miteinander ins Gespräch kommen

Gesprächsstrukturen aufbauen

Gesprächspartner sein

Unverständliches überspielen und Brücken bauen

Mitteilungsfreude erhalten

Fragen stellen und Wortbedeutungen vertiefen

Dialoge fortentwickeln

Befindlichkeiten in Worte fassen

Kommunikation umfassend boostern

Kapitel 6 Wenn Väter spielen

Kinderspiele ernst nehmen

Emotionen ausleben

Sich körperlich austoben

Verhaltensprobleme abfedern

Kindliche Spielfantasien verstehen

Kulturelles Lernen unterstützen

Denkentwicklung stimulieren

Selbstwirksamkeit und Motivation stärken

Kapitel 7 Wie eine Bindung zum Vater entsteht

Bindungen zum Vater entschlüsseln

Bindungen messbar machen

Vater-Kind-Bindungen bewerten

Emotional verfügbar sein

Zeit einräumen

Sich kümmern

Bindungen eigenständig entwickeln und einsetzen

Stimulieren, aktivieren und Rückendeckung geben

Kapitel 8 Macht und Ohnmacht der Vaterschaft

Vereinbarkeitsdilemma angehen

Familiäres Engagement bestimmen

Stress im Familienalltag bekämpfen

Stressempfindlichkeit nachvollziehen

Kindheitserfahrungen reflektieren

Eigene Stressbewältigung verbessern

Kindliche Stressverarbeitung unterstützen

Vaterschaft aktiv entfalten

Nachwort und Dank

Literaturverzeichnis

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Vorwort

Widmung

Den wichtigsten Männern in meinem Leben:Meinem Großvater und Vater –meinen Brüdern und Neffen –

Vorwort

Seit einiger Zeit ist regelmäßig von den »neuen Vätern« die Rede. Tatsächlich sind sie nicht bloß eine Erfindung von Medien, Politik oder Gesellschaft: Wir sehen sie in den Parks, wie sie den Kinderwagen umherschieben, ihre Babys vor dem Bauch tragen oder ihren Kleinen auf dem Laufrad hinterhersprinten. Wir treffen sie auf Spielplätzen, wo sie ihren Nachwuchs auf der Schaukel in luftige Höhen schubsen oder mit ihm die Rutsche hinuntersausen. Wir nehmen sie auf der Straße wahr, wie sie vor dem Kita-Eingang mit anderen Eltern plaudern.

Ich bin ihnen zuletzt bei meinem Friseur begegnet. Schon seit Längerem lasse ich mir dort immer von Eric die Haare frisieren. Färben, waschen, schneiden, föhnen: ein Termin dauert zwei Stunden, und so haben wir Zeit, miteinander zu plaudern. Über unsere Wahlheimat Berlin, die Politik, den Film, den wir zuletzt im Kino gesehen haben, oder die nächste Urlaubsreise. Bei meinem letzten Besuch gab es jedoch nur ein Thema: die Geburt seines Sohnes. Überglücklich und stolz erzählte er mir von dem Baby, von dessen kleinen Händen, von der langwierigen Geburt und der aufregenden ersten Nacht zu Hause.

Während wir unsere Tour durch den Salon absolvierten, vom Spiegel zum Haarwaschbecken und wieder zurück, konnte man merken, wie seine beiden Kollegen, die ebenfalls mit Schere und Föhn hantierten, immer aufmerksamer wurden. Wie sich bald herausstellte, waren auch sie Väter. Sie konnten sich noch gut an die Zeit erinnern, als ihre Kinder zur Welt gekommen waren. Meine Neugier war sofort geweckt, ich fragte viel, und wir kamen ins Gespräch. So ergab sich eine lebhafte Diskussion darüber, wie sich die Männer als Väter wahrnehmen, wie sie mit ihren Frauen den gemeinsamen Alltag stemmen, was sie sich für die Zukunft vorgenommen haben und, vor allem, wie sie die Entwicklung ihrer Kinder unterstützen wollen.

Die Äußerungen der drei vermittelten mir zwei Dinge: zum einen, wie sehr Wunsch und Wirklichkeit manchmal auseinanderklaffen, und zum anderen, dass es derzeit offenbar keine klaren Modelle über das Vatersein gibt und jeder Mann seinen eigenen Weg in die Vaterschaft finden muss.

Für mich als Entwicklungspsychologin haben Momente wie dieser ihren besonderen Reiz. Kann ich doch meine eigene Forschung, die sich mit der Entwicklung von Kindern, deren Eltern und Familien befasst, mit der Lebenswirklichkeit nochmals abgleichen.

In den letzten zehn Jahren habe ich mich intensiv mit den Vätern und dem Vatersein beschäftigt. Welche Erkenntnisse lassen sich hierzu mit den Mitteln der Wissenschaft gewinnen? Inwiefern bestätigen, korrigieren oder widerlegen sie die vorhandenen Vaterbilder ?

Mit Kollegen1 aus Deutschland, Österreich und der Schweiz habe ich deshalb 2013 einen Forschungsverbund zum Thema Vaterschaft gegründet, das Central European Network on Fatherhood (CENOF). In diesem Rahmen haben wir seither zahlreiche Väter gesprochen und sie mit ihren Kindern in vielen Situationen beobachtet, die Aufschluss darüber geben, wie Väter wirklich sind.

Noch ist über Vaterschaft längst nicht so viel bekannt wie über Mutterschaft. Immerhin sind inzwischen wir von CENOF, aber auch etliche weitere Wissenschaftsteams hierzulande und weltweit dabei, diese Lücke zu schließen. So können wir mittlerweile viel genauer beschreiben, wie Väter mit ihren Vorstellungen, ihren Gefühlen und ihrem konkreten Handeln von Anfang an ihre Kinder prägen und was dies für deren Entwicklung, ihr Wohlbefinden und das weitere Leben bedeutet.

Die Ergebnisse dieser Forschung wurden bisher fast nur auf internationalen Konferenzen und in ausgewählten wissenschaftlichen Fachzeitschriften präsentiert. Dabei ist es uns stets wichtig gewesen, die aktuellen Erkenntnisse und Anregungen aus der Väterforschung möglichst all jenen zu vermitteln, die sich schon von Berufs wegen mit Familien und Vätern beschäftigen und ein bewundernswertes Engagement dabei an den Tag legen – seien es Hebammen, Sozialarbeiter*, Erzieher*, Kinderärzte* oder Familientherapeuten*.

Aber ist es nicht allmählich auch an der Zeit, dass Eric und seine Kollegen, dass all die Väter da draußen, ihre Partnerinnen, Familien und Freunde davon erfahren? Unsere Forschungsergebnisse sind nicht nur für einen Kreis von Eingeweihten gedacht – sie betreffen das Leben vieler.

Aus all diesen Überlegungen heraus ist die Idee zu diesem Buch entstanden. Das erarbeitete Wissen über Väter soll dazu beitragen, dass Männer ihre Vaterrolle noch bewusster gestalten und sich mit ihr besser als bisher identifizieren können. Und so ist dieses Buch insbesondere für diejenigen Männer und Familien geschrieben, die eine engagierte Vaterschaft leben oder sie auch in anderen Familien unterstützen wollen. So wie jede Mutterschaft ist auch jede Vaterschaft eine enorme individuelle Herausforderung, und wer sich ihr stellt, verdient Respekt und Unterstützung.

Lieselotte Ahnert

Berlin im April 2023

Kapitel 1 Auf den Spuren der Vaterschaft

»Die Erforschung der Vaterschaft ist untersagt.«

Code Civil Bonaparte (Artikel 340) März 1804

Jeder Mensch hat einen Vater, kennt Väter und hat persönliche Erfahrungen mit ihnen gemacht. Und dennoch wissen wir über das wirkliche Wesen der Vaterschaft kaum etwas. Denn während Mütter und Mutterschaft schon seit mehr als 100 Jahren zu einem relevanten Gegenstand der Forschung geworden sind, hat die wissenschaftliche Annäherung an die Väter und das Vatersein erst vor gut 50 Jahren begonnen.

So untersucht die Väterforschung erst seit den 1970er-Jahren als empirische Wissenschaft, sprich: mit umfangreichen Befragungen, sorgfältigen Beobachtungen oder ausführlichen Interviews, das Leben von Vätern. Sie fragt, welchen Einflüssen Väter ausgesetzt sind, aber auch, wie sie auf ihr Umfeld einwirken, auf ihre Familie und ihre Kinder. Das Ziel dieser Forschung besteht nicht darin, herauszufinden, wie Väter sein sollten, sondern darin, wie sie wirklich sind.

Aus heutiger Sicht ist es kaum zu verstehen, warum die Vaterschaft so lange in Wissenschaft wie Gesellschaft keine Rolle spielte. Im Frankreich Napoleon Bonapartes war bereits eine Recherche nach dem biologischen Vater gänzlich untersagt – gewiss ein Extremfall, aber einer, der durchaus ins Bild passt: Vätern genauer auf die Spur zu kommen, wurde als unwichtig angesehen.

Und wenn es um Babys und Kleinkinder und ihre allerersten Entwicklungsschritte ging, meinte man dafür umso genauer zu wissen, welche Rolle allein den Müttern zukommt, was Mütter ausmachen und wie sie sich zu verhalten haben – und noch vor wenigen Jahren war man der festen Überzeugung, ein Kleinkind sei schon von Natur aus besser bei der Mutter aufgehoben2.

Sich frühzeitig einbringen

In den ersten Lebensjahren kommt es sehr wohl auch auf die Väter an. Die Zeit von der Geburt bis zur Einschulung ist die intensivste Entwicklungszeit im Leben eines Menschen. Man kann es nur mit äußerstem Nachdruck sagen: Väter werden gerade auch in dieser Zeit gebraucht.

Und dafür gibt es einige gute Gründe: Bekanntermaßen kommen menschliche Babys zu einem extrem frühen Zeitpunkt ihres Lebens auf die Welt – sehr viel früher und entsprechend unreifer als die Nachkommen anderer Säugetiere. Die meisten Tierbabys sind schon nach der Geburt in kürzester Zeit vollumfänglich lebenstüchtig, laufen ihren Müttern nach und nehmen recht eigenständig am Leben in der Wildnis teil.

Bei unseren Babys reifen dagegen alle Köperfunktionen erst nachgeburtlich und außerhalb des Mutterleibes aus. Nehmen wir nur die Hirnentwicklung: Ein menschliches Hirn wiegt zum Zeitpunkt der Geburt etwa 400 Gramm und nach nur zwei Jahren bereits erstaunliche 900 Gramm. Das entspricht immerhin schon zwei Dritteln des Hirngewichts eines Erwachsenen. Wichtig ist jedoch dabei festzustellen, dass sich selbst diese Ausreifung größtenteils erfahrungsabhängig vollzieht – Umwelterfahrungen, die unsere Babys schon nach der Geburt machen, haben damit einen nachhaltigen Einfluss darauf, wie ihr Gehirn später funktioniert3.

Um nun diese so wichtigen Umwelterfahrungen überhaupt machen zu können, kommt ein Menschenkind bereits mit herausragenden sozialen Fähigkeiten zur Welt: Es nimmt menschliche Gesichter mit größerer Aufmerksamkeit als andere Umgebungsreize wahr und kann schon innerhalb weniger Tage einzelne Gesichter unterscheiden. Es reagiert höchst empfindlich auf menschliche Stimmen und lernt sehr schnell, sie aus den Umgebungsgeräuschen herauszufiltern. Auch kann es Bewegungen und Handlungsmuster gut erfassen und wiederkehrende Vorgänge schnell identifizieren. All das erlaubt es dem Baby, die vielen Eindrücke während der Interaktion mit seinen Eltern zu sortieren und einzuordnen.

Wer glaubt, dass die vielen Eindrücke – die unterschiedlichen Gesichtszüge der Eltern, ihre mimischen Reaktionen und wie sie das Baby halten, es ansprechen, schmusen und kuscheln – das Baby verunsicherten, der irrt gewaltig4. Babys sind keineswegs überfordert, wenn sich das Elternverhalten immer wieder von einer anderen Seite zeigt. Die Vielfalt bringt seine Entwicklung erst so richtig auf Trab. Anregend sind eben nicht nur bunte Spielmaterialien, weiche Stofftiere und harmonische Klänge aus der Spieluhr.

Es ist vor allem das Zusammensein mit den Menschen, die sich um das Kind kümmern. Und deshalb kann die Väterforschung von ihren ersten Erkenntnissen an bestätigen, dass Väter unbedingt dazugehören sollten. Zudem kann sie deutlicher denn je aufzeigen, wie heutige Väter weitaus selbstverständlicher als ihre eigenen Väter den Wunsch und das Bedürfnis haben, sich aktiv und liebevoll um ihre Familien und ihre Kinder zu kümmern.

Bereitschaft zur Elternzeit bewerten

Ohne Frage haben Familien in den zurückliegenden Jahrzehnten enorme Veränderungen erlebt, und sie befinden sich auch weiterhin im Wandel. Das zeigt sich in der Abkehr von traditionellen Rollenmustern und den Veränderungen im Selbstverständnis junger Männer, die sich von den Vorstellungen wegbewegen, die ihre eigenen Väter über ihre familiäre Rolle noch hatten.

Es sind epochale Prozesse, die die Geschlechterordnung unserer Zeit hinterfragen und neu ordnen. Viele der Veränderungen brechen vor allem über die Väter herein. Dass diese Veränderungen mit Schwierigkeiten und Herausforderungen verbunden sind, zeigt sich schon in der Bereitschaft zur Elternzeit.

In vielen europäischen Ländern haben inzwischen auch Väter ganz selbstverständlich Anspruch auf Elternzeit. Sie soll es ihnen ermöglichen, von Anfang an eine gute Beziehung zu ihren Kindern entwickeln zu können. Obwohl die Zahl derer, die dieses Angebot annehmen, in den vergangenen Jahren zugenommen hat, liegt ihr Anteil in Deutschland (2021) gerade mal bei 25,3 Prozent. Dabei kümmern sich die Mütter im Durchschnitt 14,6 Monate, die Väter dagegen nur 3,7 Monate um die Betreuung des Kindes5.

Für dieses Ungleichgewicht gibt es viele Gründe: Verdienen Väter mehr als ihre Partnerinnen, nehmen sie hierzulande kaum Elternzeit. Je größer diese Einkommensdifferenz ist, desto unwahrscheinlicher wird die Elternzeit für den Vater. Umgekehrt steigt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Väter Elternzeit nehmen, wenn die ökonomischen Einbußen überschaubar sind, wenn der Arbeitgeber familienfreundlich ist und wenn die Väter keine Nachteile bei zukünftigen Personalscheidungen – also keinen Karriereknick – und auch sonst keine Diskriminierungen befürchten müssen6.

Schwierig kann die Elternzeit jedoch für Väter werden, die in anspruchsvollen oder leitenden Positionen arbeiten. Ein Forschungsteam um Bettina Wiese, die an der Universität Aachen über Personal- und Organisationspsychologie forscht, hat in Deutschland und der Schweiz Väter dazu befragt, die Leitungspositionen innehatten7. Es zeigte sich, dass die Elternzeit kürzer oder überhaupt nicht genommen wurde, je mehr Personen diesen Vätern unterstellt waren. Und noch ein anderer Zusammenhang ließ sich nachweisen: Je größer die Sorge dieser Väter war, durch längere Abwesenheit den Anschluss an fachliche Entwicklungen zu verlieren, desto kürzer war die Elternzeit oder wurde gar nicht in Anspruch genommen. Letztendlich hatten 15 Prozent der Väter dieser Studie überhaupt keine Elternzeit genommen, 39 Prozent zwei Wochen, 33 Prozent zwei Monate, und nur 15 Prozent der Väter verlängerten die Elternzeit über die zwei Monate hinaus.

Väter besser einbeziehen

Allzu oft wird nur die Bereitschaft zur Elternzeit ins Feld geführt, wenn es darum geht, die Qualität der Vaterschaft zu bewerten. Dadurch gerät eine andere, viel wichtigere Frage in den Hintergrund: Wie sieht es tatsächlich mit der Motivation und dem Engagement der heutigen Väter aus, ihre familiäre Rolle kompetent auszufüllen? Darüber weiß man immer noch erschreckend wenig.

Wer diese Lücke jedoch schließen will, muss die Väter besser als bisher in die Forschung einbeziehen. Insbesondere, wenn Einstellungen und Befindlichkeiten rund ums Vatersein untersucht werden sollen, genügt es nicht, nur über sie zu sprechen, man muss vor allem mit ihnen sprechen und mit ihnen in den Dialog treten. Und das ist nicht selbstverständlich: Als neugierige junge Wissenschaftlerin stieß ich noch in den 1990er-Jahren in Berlin auf große Widerstände, wenn ich im Rahmen unserer Familienforschung versuchte, auch Väter für eine Teilnahme zu gewinnen. In dieser Zeit interessierten uns die familiären Lebensumstände von Babys und Kleinkindern und wie sie sich auf die kindliche Entwicklung auswirkten. Wir bestimmten bei unseren Hausbesuchen den Entwicklungsstand der Kinder, wir beobachteten die Mutter-Kind-Beziehung und sprachen mit den Müttern über den Familienalltag. Sehr gern hätten wir auch die Väter einbezogen, aber leider standen sie uns entweder ablehnend gegenüber, oder sie blieben gleich ganz im Hintergrund. Offenbar konnten sie mit unseren Forschungsbemühungen wenig oder nichts anfangen. Ließen wir Fragebögen für sie zurück, waren sie später fast ausschließlich von den Müttern ausgefüllt worden: gleicher Kugelschreiber, gleicher Schriftzug. An direkte Gespräche mit den Vätern war genauso wenig zu denken wie daran, sie gemeinsam mit ihren Kindern beobachten zu können. Wie hätten wir unter diesen Umständen irgendwelche Aussagen zum Thema Vaterschaft treffen sollen?

Es sollte 20 Jahre dauern, ehe ich an der Universität Wien meine Familienstudien fortsetzen konnte: Diesmal ging es um Familien, bei denen die Kinder auch bei Tageseltern betreut wurden. Etliche studentische Zweierteams besuchten die Kinder dieser Familien in ganz Wien und im umliegenden Niederösterreich. Sie erstellten Entwicklungsprotokolle, machten Videoaufnahmen und ließen Fragebögen ausfüllen. Häufig beteiligten sich neben den Tageseltern jedoch auch hier nur die Mütter. Bei den letzten Besuchsterminen in der Familie brachten unsere Studierenden ihre Materialien und Dokumente mit, um den Eltern die Ergebnisse im Detail erklären zu können.

Dabei passierte etwas, womit wir nicht gerechnet hatten: Immer mehr Väter, die sich zuvor wenig oder gar nicht eingebracht hatten, beschwerten sich darüber, von den Forschungsarbeiten ausgegrenzt worden zu sein. Das traf zwar nicht zu, war aber trotzdem ein deutliches Indiz dafür, dass diese Väter sehr wohl stärker eingebunden und wie ihre Partnerin über die Entwicklung ihres Kindes informiert werden wollten. Vielleicht war die Zeit für eine fundiertere Väterforschung ja doch endlich reif? Jedenfalls nahmen wir uns nach dieser Erfahrung vor, künftig systematischer zu untersuchen, was Väter denken und fühlen, was ihre Fähigkeiten und Wünsche sind und in welcher Weise ihre Kinder von ihnen profitieren.

Vielfalt der Vaterschaft beachten

Vaterschaft wird heute ausgesprochen vielfältig gelebt. Für die Forschung war es deshalb zunächst die Frage, wie man dieser Vielfalt beikommen, sie überschaubar machen und ihr eine übersichtliche Struktur verpassen kann. Hierfür wurden in der Wissenschaftsgeschichte immer mal wieder Typologien benutzt. In den Anfängen der Väterforschung war deshalb auch die Rede von Väter-Typen, die vom traditionellen bis modernen und postmodernen, vom betreuenden bis karriereorientierten Vater reichten und auch noch einige andere Varianten ansprachen8.

Typologien müssen heute jedoch wegen ihrer wissenschaftlichen Fragwürdigkeit sehr genau überprüft und begründet werden. Schließlich besteht bei jeder Kategorisierung die Gefahr, dass undifferenzierte Klischees entstehen, etwa indem Väter in eine begrenzte Anzahl von Schubladen einsortiert werden, die einen Typus repräsentieren – wie etwa der betreuende oder der karriereorientierte Vater. Da die Typen auf der Grundlage von nur wenigen Eigenschaften gebildet werden, wird in Kauf genommen, dass es ansonsten kaum andere nennenswerte Unterschiede zwischen ihnen gibt. Kein Wunder, dass auf diese Weise die Väter-Typen der Vergangenheit klobig ausfielen und der Realität keineswegs gerecht wurden.

Es sind vor allem die Lebensumstände, die mit ihrer enormen Vielfalt beachtet werden müssen, wenn Väter charakterisiert werden sollen. Sie haben eine ungeheuerliche Wirkung auf das Vatersein. Oder anders gesagt: Die Vaterschaft muss an die Lebensbedingungen der Väter geknüpft werden. Immer stärker hat sich in den letzten Jahren eine Erkenntnis aus der Väterforschung gefestigt, die besagt, dass die Vaterschaft von der Lebenswirklichkeit eines Mannes viel intensiver und grundlegender beeinflusst wird als die Mutterschaft von der Lebenswirklichkeit einer Frau. So kann man auch sagen, dass Männer in ihrer Rolle als Väter sehr viel empfindlicher auf missliche Lebensumstände reagieren als Frauen in ihrer Rolle als Mütter.

Eine schwierige Familiensituation und Konflikte in der Partnerschaft stehen hierbei an erster Stelle. Sie verletzen die Vater-Kind-Beziehung viel nachhaltiger als die Mutter-Kind-Beziehung. Dadurch entstehen auch Vaterschaften, die sich nicht entwickeln wollen. So klagte neulich eine meiner Freundinnen, die ihre Enkelsöhne jetzt öfter betreut, ihr Sohn habe keinerlei Bindung zu seinen Kindern – es gebe kein gegenseitiges Interesse und keine Verbundenheit. Ihr sei dies jetzt erst nach der Scheidung ihres Sohnes aufgefallen. Sie könne nicht verstehen, wie trotz zehnjähriger Ehe und einem gemeinsamen Familienleben die Vaterschaft bei ihm offensichtlich nicht angekommen war.

Ein harmonisches Familienklima und eine gute Partnerschaftsqualität sind dagegen ein echter Garant für eine aktive Vaterschaft und eine gute Beziehung eines Vaters zu seinen Kindern. Die Väterforschung hat diesen Zusammenhang bisher hauptsächlich bei Vätern beobachtet, die mit den Müttern ihrer Kinder zusammenleben. Aber auch unter anderen Lebensumständen, in denen Väter ihre Kinder großziehen – entweder allein oder gemeinsam mit gleichgeschlechtlichen Partnern, Großeltern oder Stiefeltern –, zeigt sich: Ist das Familienklima weitgehend konfliktfrei und harmonisch, sind die Väter engagiert – und auch ihre Beziehungen zu den Kindern sind gut. Ist das Familienklima dagegen schlecht, sind auch die Väter in der Regel wenig engagiert und die Beziehungen zu ihren Kindern ausbaufähig9.

Weil die Familiensituation und andere Lebensumstände eines Mannes so zentral für die Vaterschaft sind, kommt man nicht umhin, die alten Väter-Typologien endgültig beiseitezulegen und neue Wege in der Väterforschung zu gehen.

Und eine weitere Erkenntnis hat die Väterforschung der letzten Jahre geprägt – Vaterschaft muss auch im Zusammenhang mit ihren biologischen Grundlagen betrachtet werden. Denn unsere Gedanken, Emotionen und Reaktionen haben einen Einfluss auf unseren Körper und umgekehrt. Körper und Psyche gehen ein dynamisches Wechselspiel ein. Immerhin ist bereits vor 30 Jahren bekannt geworden, dass Vaterschaft ohne das Wissen um die Wirkungen der Geschlechts- und Stresshormone Testosteron und Cortisol nicht wirklich zu verstehen ist10.