Beast Catcher - Felizitas Montforts - E-Book

Beast Catcher E-Book

Felizitas Montforts

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Beschreibung

Ein geheimnisvoller neuer Nachbar, ein durchweichtes Päckchen und drei neugierige Teenager – perfekt ist das Chaos. Aus Versehen starten sie den noch absolut geheimen Prototypen eines vollkommen neuartigen Games: Beast Catcher. Was danach in ihrer kleinen Stadt passiert, lässt sie in das vermutlich größte Abenteuer ihres Lebens stolpern. Monster, Fabelwesen und freche Mäuse mischen die drei Freunde gehörig auf. Die zerstörerischen Auswirkungen auf ihre Heimatstadt drängen sie dazu, endlich zu handeln und den Kampf gegen die Zeit aufzunehmen. Doch was geschieht, wenn sie das Spiel nicht bis zum Ende des Countdowns gewinnen können?

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Jessica Strang

Neuenhofstr. 105

32479 Hille

www.tagtraeumer-verlag.de

E-Mail: [email protected]

Text: © Felizitas Montforts

Buchsatz: Andre Ferreira

Lektorat/ Korrektorat: Teja Ciolczyk

www.gwynnys-lesezauber.de

Umschlaggestaltung: Juliane Buser Grafikdesign

https://jb-grafikdesign.de/

Bildmaterial/ Illustrationen: © Angela Coutsidis, An-Cou.art

ISBN: 978-3-98658-004-9

Alle Rechte vorbehalten

© Tagträumer Verlag 2021

1. Auflage

Felizitas Montforts

Der Alte

GAME OVER!

„Verdammt!“, rief Lukas und riss sich die VR-Brille vom Kopf. Frustriert fuhr er sich durch das strubbelige, leicht verschwitzte Haar. Er war so knapp davor gewesen, zu gewinnen. Dieser Endboss hatte es aber auch in sich. Kurz vor dem Sieg schossen jedes Mal Flammen aus dem gegnerischen Breitschwert. Das Letzte, was er dann sah, bevor der Bildschirm dunkel wurde, war die glühende Klinge, die unaufhaltsam auf ihn zu sauste. Schon seit zwei Tagen biss er sich die Zähne an diesem Gegner aus. Dabei musste dieser Kampf doch irgendwie zu schaffen sein – er würde sich niemals einem Spiel geschlagen geben.

Es war bereits Samstag. Der Samstag, bevor das neue Schuljahr begann. Lukas konnte es kaum erwarten ... wer’s glaubte. Sein Ziel war es, dieses Spiel vor Schulstart zu bezwingen!

TUT, TUT, TUT.

Lautes Hupen riss Lukas aus seinen Gedanken. Wer machte hier einen solchen Krach? Neugierig legte er die Brille beiseite, die eher einem Helm aus einem Science-Fiction-Film ähnelte, und trat ans Fenster. Ein großer Transporter parkte auf der Straße. Der rote Schriftzug verkündete jedem, der das Fahrzeug sah, dass es sich hier um ein Umzugsunternehmen handelte. Rund um die Uhr, an sieben Tagen die Woche, lautete die Werbung. Sollte wirklich jemand das baufällige Haus neben ihnen gekauft haben? Wer war denn bitteschön so bescheuert?

Seit bestimmt einem Jahr wettete er mit Mo, der eigentlich Moritz hieß und sein bester Freund war, ob dieses Haus eher abgerissen oder verkauft werden würde. Anscheinend hatte er die Wette verloren. Verdammt! Von seinem Taschengeld war eh kaum noch etwas übrig. Das Meiste war für das neue Spiel draufgegangen. Jetzt schuldete er Moritz auch noch einen Fünfer.

Nie wieder Wetten!, notierte er sich in Gedanken.

„Lukas, Katha, Mittagessen!“

„Och nö“, murmelte er leise.

Warum ausgerechnet jetzt? Seine Mutter hatte wirklich ein Talent für das perfekte Timing.

Den Blick noch aus dem Fenster zu dem Umzugswagen gewand, beobachtete Lukas in diesem Moment, wie ein älterer, sehr dürrer Mann mit unordentlichen grauen Haaren aus dem Haus trat und den Mitarbeitern des Umzugsunternehmens Anweisungen gab. Ob das der neue Nachbar war? Warum musste das so ein alter Knacker sein? Der machte bestimmt sofort Stress, wenn er mal die Musik lauter aufdrehte. Stöhnend ließ Lukas den Kopf gegen die Fensterscheibe sinken. Das war heute wirklich nicht sein Tag.

Der Alte musste die Bewegung am Fenster bemerkt haben und schaute just zu Lukas hinauf.

Ihre Blicke schienen sich für einen Augenblick zu verhaken und Lukas überkam ein ganz seltsames Gefühl. Ein Schauer, den er sonst nur bei Filmen verspürte, die er eigentlich noch gar nicht schauen durfte. Schnell wich er einen Schritt zurück und war froh, als ihn der Vorhang vor dem Blick des neuen Nachbarn verbarg.

„Na, konntest du dich von deiner Kiste lösen?“, begrüßte ihn seine Mutter, die bereits gemeinsam mit seiner Schwester am gedeckten Esstisch saß.

Lukas’ Vater musste, wie so oft, auch am Wochenende arbeiten. Als gefragter Rechtsanwalt würde er sogar bei einem 48-Stunden-Tag noch Überstunden machen.

„Habt ihr schon den neuen Nachbarn gesehen?“, antwortete Lukas mit einer Gegenfrage und freute sich über die verwirrten Gesichter am Tisch.

„Welcher neue Nachbar?“, fragte Katha und schaute vom Teller auf.

„Habt ihr denn das Hupen nicht gehört? Draußen steht ein großer Umzugswagen.“

„Doch, haben wir, es ist aber unhöflich, aus dem Fenster zu starren. Wir gehen nachher gemeinsam rüber und stellen uns vor.“

Lukas verdrehte die Augen. Was Höflichkeit anging, übertrieb es seine Mutter oft etwas. Wofür hatte man bitteschön Fenster, wenn man nicht hinausschauen durfte?

„Jetzt sag schon. Wer zieht ein? Eine Familie? Haben sie einen Sohn? Was hast du gesehen?“

„Nur einen alten Mann“, gab er Katha zur Antwort.

War ja klar, dass sie sofort wissen wollte, ob ein neuer Junge in die Nachbarschaft zog. Vor einem Jahr hatte sie noch gemeinsam mit ihm an seinen Lego-Star-Wars-Modellen gebaut oder sie waren gemeinsam mit Moritz per Bleistift und Würfel nach Aventurien gereist. Sie waren durch dick und dünn gegangen, wie das bei Zwillingen eben so war. Jeder war die Hälfte eines Ganzen. Jetzt schien ein Körperfresser seine Schwester übernommen zu haben.

Seit ein paar Monaten drehte sich alles nur noch um die neuesten Produkte im kleinen Drogeriemarkt um die Ecke, um Jungs, was sie am ersten Schultag für Klamotten tragen würde und welche Youtuber gerade besonders angesagt waren. Wenn sie denn mal was spielte, dann war das Mutter, Vater, Kind mit irgendeiner komischen Lebenssimulation auf ihrem PC. Ihn behandelte sie oft wie ein kleines Kind, was ihn unglaublich nervte. Er wollte seine alte Schwester zurück. Das würde er aber niemals offen zugeben.

„Na super!“ Enttäuscht widmete sich Katharina wieder ihrem Essen.

Es gab Spaghetti mit Tomatensoße und Fleischbällchen, eins von Lukas’ absoluten Lieblingsgerichten. Begeistert lud er sich den Teller voll. Vorerst war der Nachbar vergessen.

DING, DONG! Hallte es durch das deutlich heruntergekommene Haus. Die weiße Farbe der Fassade hatte in den letzten Jahren eher den Grauton von Asphalt angenommen und die Hausnummer hob sich in einem kräftigen Rostbraun ab, das sich dank Regen in Schlieren auch auf die Hauswand übertragen hatte. Die Fenster mussten dringend mal wieder mit Putzmittel in Berührung kommen, übernahmen aber in ihrem derzeitigen Zustand die Aufgabe eines natürlichen Sichtschutzes.

Wie es wohl im Inneren aussah? Bestimmt ähnlich, da war sich Lukas sicher. Erneut fragte er sich, wie jemand dieses Haus hatte kaufen können.

Aufgereiht standen sie zu dritt vor der Haustür, mit ihrer Mutter in der Mitte. Ein Tag war seit dem überraschenden Einzug vergangen und Susanne Kreuzmann war nun der Meinung, dass es an der Zeit wäre, sich ihrem neuen Nachbarn vorzustellen. Aus dem Nichts hatte sie Brot und Salz gezaubert, das sie nun als Willkommensgeschenk überreichen wollte.

Sie würde es zwar nie zugeben, aber Lukas merkte seiner Mutter an, wie aufgeregt sie war. Erneut strich sie sich eine Haarsträhne ihrer schulterlangen brünetten Locken hinter das Ohr und fuhr dann prüfend über ihren glatten Rock. Nicht oft gab es ein neues Gesicht in ihrer Straße und jeder Zugezogene war eine regelrechte Sensation.

„Vielleicht hat er ja einen Enkel, der ihn besuchen kommt“, mutmaßte Katharina leise und knetete dabei ihre Hände.

„Sah er nicht nach aus“, meinte Lukas.

„Ach was weißt du denn schon!“

„Katha, Lukas. Hört auf, zu streiten. Was soll er denn von uns denken? Schlimm genug, dass du ausgerechnet heute dieses furchtbare T-Shirt tragen musst.“

Mit er meinte seine Mutter natürlich den Nachbarn und das T-Shirt war natürlich seines und zeigte eine große Dämonenfratze, die aus einem seiner liebsten Games stammte. Was natürlich absolut unangebracht war für den ersten Besuch bei ihrem Nachbarn, den er möglichst schnell hinter sich bringen wollte. Ganz vielleicht war die Wahl seines T-Shirts heute nicht zufällig gewesen.

Suchend ließ Lukas den Blick über den Hauseingang wandern. Es gab einen Klingelknopf, aber kein Namensschild. Doch der Mann war ja auch gerade erst eingezogen.

Auf einmal wurde die Tür geöffnet und Lukas schaute in genau die Augen, die ihm ein solch unangenehmes Frösteln verursacht hatten. Dieses Mal ließ der alte Mann aber nur kurz seinen Blick über den Jungen gleiten, bevor er sich an dessen Mutter wandte.

„Ja?“

Durch die doch sehr unfreundliche Begrüßung sichtlich aus dem Konzept gebracht, fehlte Lukas’ Mutter für einen Moment die Sprache.

„Äh ... Ja, guten Tag. Wir sind ihre Nachbarn von nebenan, Kreuzmann, und wollten sie ganz herzlich in unserer Straße willkommen heißen, auch im Namen meines Mannes. Er musste heute leider arbeiten.“ Erneutes Zurückstreichen der Haare. „Wir haben ein kleines Geschenk zum Einzug für sie.“ Mit einem freundlichen Lächeln hielt sie ihm den Teller hin. „Brot und Salz.“

„Ich habe eine Glutenunverträglichkeit. Entschuldigen sie mich jetzt bitte. Ich habe noch zu tun.“ Damit schloss ihr Nachbar, von dem sie noch immer nicht den Namen kannten, die Tür und ließ sie einfach samt Brot und Salz stehen.

Lukas konnte sich nicht beherrschen. Das verdatterte Gesicht seiner Mutter wäre der Hit im Web. Laut prustete er los.

„Also, das war ja mal krass“, kommentierte Katha den Abgang des Alten und tippte bereits hektisch auf ihrem Smartphone rum.

„Vielleicht haben wir ihn in einem ungünstigen Moment erwischt.“

„Klar, Mama. Beim Kistenheben hat er sich seine Manieren verknackst.“

Jetzt musste auch Katha lachen. Ohne weiteren Kommentar gingen sie zurück nach Hause. Nur Lukas verspürte einen kalten Schauer im Nacken und drehte sich noch einmal um. War da nicht eine Bewegung am Fenster gewesen?

Eine Mission

„Er hat was gesagt?“

„Mensch, Mo, zum dritten Mal. Er meinte, er hat eine Glutenunverträglichkeit und hat uns dann einfach draußen stehen lassen.“

„Das Gesicht deiner Mutter hätte ich gerne gesehen.“

„Ja, das war einmalig. Schade, dass Katha kein Foto gemacht hat. Da schleppt sie schon ständig ihr Smartphone mit sich durch die Gegend und dann tippt sie nur blöd drauf rum. Mädchen!“

„Jo, du sagst es. Du ...“

„Warte mal eben“ unterbrach Lukas seinen Freund am Telefon und schob den Vorhang am Fenster etwas zur Seite.

„Was macht der denn da?“

„Was ist los, Luke?“

„Der Alte schleppt irgendwelche Kisten von seinem Auto ins Haus. Sieht aus, als wären die voller Computerkram.“

„Was genau?“, wollte Moritz wissen. Man hörte ihm seine Neugier deutlich an. Er war versessen auf alle technischen Spielereien. Jedes Gerät, das Lukas von seinen Eltern bekam, wurde erst einmal von Moritz unter die Lupe genommen, ehe er es für seinen Freund zum Laufen brachte. Lukas selbst hatte keine Ahnung von Technik, er wollte nur, dass die Geräte funktionierten und er die neuesten Spiele darauf zocken konnte.

„Was weiß ich“, antwortete er. „Kabel, Bildschirme und allerhand Kram, den ich nicht richtig erkennen kann.“

„Ich komm rüber!“, hörte Lukas seinen Freund sagen, ehe die Verbindung beendet wurde.

Einen Vorteil hatte die Stadt, in der sie lebten: Sie war überschaubar und Moritz wohnte nicht weit weg. Es dauerte kaum fünf Minuten, in denen Lukas den alten Mann und sein Tun keinen Moment aus den Augen ließ, da klingelte es an der Haustür. Kurz darauf erklangen stampfende Schritte auf der Treppe und ein schnaufender Moritz kam ins Zimmer gestürzt.

„Ist ... ist er noch da? Ich hab an der Straße nur eine alte Karre gesehen.“

„Das scheint sein Auto zu sein, auf jeden Fall waren da die Kisten drin. Ich glaube aber, er ist fertig. Seit der letzten Kiste ist er nicht mehr aus dem Haus gekommen.“

„So ein Mist. Ich hätte zu gerne gesehen, was das für Teile waren. Was er wohl damit vorhat?“

„Keine Ahnung. Vielleicht ist er ein Messi und kann einfach nichts wegschmeißen.“

„Puh ... ich bekomme keine Luft mehr“, japsend ließ sich Moritz auf Lukas’ Bett fallen. Sein ausgewaschenes T-Shirt spannte sich bei jedem Atemzug bedrohlich über seinen Bauch.

„Mann Mo, du solltest echt mehr Sport machen.“

„Das sagt der Richtige. Wie weit bist du eigentlich mit dem Spiel?“

„Der Endboss killt mich jedes Mal.“

Auf die Unterarme gestützt richtete sich Moritz etwas auf. „Ich dachte, du wolltest das vor Schulbeginn schaffen.“

„Joa, war auch geplant aber ... Warte mal, da ist er wieder!“

Kaum hatte Lukas das gesagt, stand Moritz neben ihm am Fenster und spähte am Vorhang vorbei.

Statt noch mehr Kisten ins Haus zu schleppen, stieg der Nachbar aber nur in den alten klapprigen und ehemals vermutlich dunkelblauen VW. Das von Rostspuren und Beulen nur so strotzende Vehikel fuhr mit lautem Motorengetöse davon.

„Perfekt!“

„Was meinst du?“, fragte Lukas seinen Kumpel verwirrt.

„Jetzt können wir nachschauen, welche Teile das waren.“

„Du willst bei ihm einbrechen?“ Ungläubig schaute Lukas seinen Freund an.

„Nein, aber durchs Fenster gucken. Jetzt komm schon, oder bist du eine Memme?“

„Mo, ich weiß nicht. Wenn der uns erwischt, gibt es bestimmt Ärger. Der ist echt arg übel drauf.“

„Die alte Rostmöhre, die der Kerl fährt, hören wir doch kilometerweit. Jetzt hab dich nicht so. Lass mich nicht hängen. Ich muss einfach wissen, was in den Kisten ist.“ Schon war Moritz aus dem Zimmer gestürmt und lief die Treppe hinunter. Lukas folgte ihm mit einem unguten Gefühl im Bauch nach draußen vor das Haus.

„Wir können nicht einfach rübergehen und durch die Fenster schauen. Da sieht man uns!“, gab Lukas zu bedenken.

Vor den neugierigen Augen der Nachbarschaft war niemand sicher und die Tratschtante, Frau Gerstenberg von gegenüber, würde seiner Mutter garantiert sofort erzählen, was er trieb.

„Dann versuchen wir es eben vom Garten aus.“ Schon ging Moritz Richtung Gartentor, das sich neben der Garage befand. Das Holz war verwittert und die einmal auffallend grüne Farbe blätterte ab. Jedes Jahr nahm sich Lukas’ Vater vor, das Holz zu streichen, und dann war der Sommer vorbei und die Gartentür wieder vergessen.

„Das ist Hausfriedensbruch! Außerdem, wie willst du über den Sichtschutz kommen?“ Doch Lukas bekam keine Antwort und ihm blieb nichts anderes übrig, als seinem Freund zu folgen.

Schon standen sie im deutlich vernachlässigten Garten. Das ungemähte Gras verteilte Samen, die Blätter vom letzten Herbst sammelten sich in den Ecken und das Unkraut überwucherte den Weg. Klar könnten sich seine Eltern locker einen Gärtner leisten, nur dafür musste man erst einmal einen einstellen, und wie bei so vielen Sachen, fehlte auch dafür einfach die Zeit.

„Mo, was machst du da?“, fragte Lukas nervös.

„Eine Ausrede für uns erfinden“. Grinsend nahm Moritz einen alten, schon etwas platten Fußball und schmiss ihn kurzerhand hinüber aufs Nachbargrundstück.Der Sichtschutz war höher, als die normalweise erlaubten 1,20 Meter, aber bisher hatten sie sich nie darum geschert, es hatte ja ohnehin niemand dort gewohnt. Es interessierte nicht einmal seinen Vater – und das als Rechtsanwalt. Dessen einziger Kommentar zu dem Thema war gewesen, dass er keine Lust hatte, auf dieses heruntergekommene Grundstück zu starren, und damit war die Angelegenheit erledigt und der zwei Meter hohe Sichtschutz war aufgestellt worden.

„So, sollte uns nun jemand erwischen, sagen wir einfach, dass wir nur den Ball holen wollten. Da wird schon niemand sauer.“ Zufrieden rieb sich Moritz die Hände und grinste seinen Freund an.

Lukas konnte diese Zuversicht nicht teilen.

„Los, jetzt heb mich hoch.“

„Bitte was?“ Ungläubig starrte Lukas seinen Freund an. Das konnte er nicht ernst meinen.

„Jetzt mach schon eine Räuberleiter, sonst kommt der Alte noch zurück, bevor wir etwas gesehen haben.“

„Mensch Moritz, ich knall dir eine, wenn in den Kisten nicht irgendwas Sensationelles ist“ drohte Lukas. Sich seinem Schicksal ergebend, machte er eine Räuberleiter, in die Moritz seinen Fuß stellte. Lukas wusste nicht, wann sie sowas das letzte Mal gemacht hatten. Hatten sie sowas überhaupt schon einmal gemacht? In Filmen sah das immer so einfach aus. Einmal mit Schwung hochstemmen und schon sollte Moritz drüben sein. Denkste!

Der erste Versuch verfrachtete Moritz unsanft auf sein Hinterteil. Unglücklich zog er einen zermatschten Schokoriegel aus seiner Gesäßtasche. Aufgeben kam aber nicht infrage. Um sein Gleichgewicht besser halten zu können, versuchte er sich nun mit einer Hand bei Lukas und mit der anderen an der Wand abzustützen. Das Ergebnis war eine wackelige Angelegenheit, die jedem Dick und Doof-Film Ehre gemacht hätte.

„Jetzt echt mal, Mann, du musst abspecken.“

„Quatsch, das ist nur zusätzlicher Raum für mein Hirn“, erwiderte Moritz atemlos.

„Dein Hirn ist ganz schön schwer.“

„Tja, das kann man von deinem nicht behaupten.“„Noch so ein Spruch und ich lass dich fallen. Jetzt zieh dich endlich hoch!“

Lukas Arme und Beine zitterten unter der Anstrengung, Mos Gewicht zu heben. Sie hassten beide Sport, aber ihm sah man das wenigstens nicht an. Er fühlte sich sogar zu dünn. Moritz dagegen trug deutlich zu viel um die Mitte mit sich herum, ließ aber jeden diesbezüglichen Kommentar einfach von sich abprallen. Irgendwie war er ja auch froh, dass sich Moritz nicht so schnell unsicher machen ließ. Schließlich hatte seine Körperfülle so gar nichts mit seinem Charakter oder seinem Können zu tun.

Endlich ließ das Gewicht nach, dafür erklang ein erschrockenes „Ahhh!“ und darauf ein dumpfes „Ufff!“.

„Alles okay, Mo?“, erkundigte sich Lukas besorgt.

„Alles bestens. Hier ist so viel Unkraut, da fällst du weich wie auf eine Bettdecke.“

„Und wie komm ich jetzt rüber?“

„Oh ... Gute Frage. Habt ihr eine Leiter?“

Sich die flache Hand an die Stirn klatschend, schüttelte Lukas den Kopf. Nein, sie hatten keine Leiter. Hätten sie eine, wäre ihm der Kraftakt mit Moritz erspart geblieben.

„Nein, haben wir nicht“, rief er genervt hinüber.

„Dann warte da und ich schau mich eben um.“

Lukas hörte, wie sich Moritz entfernte, begleitet von Rascheln und Ästeknacken. Er hatte sich noch nicht getraut, zu fragen, wie Mo ohne Hilfe wieder über die Wand zurückkommen wollte. Aber vielleicht hatte ja sein ausgelagertes Gehirn eine Idee.

„Was machst du denn da?“

Erschrocken zuckte Lukas zusammen. Hinter ihm stand Katharina und sah ihn neugierig an.

„Äh, das geht dich gar nichts an. Was machst du denn hier?“

„Ich wollte mich etwas Sonnen.“

Skeptisch schaute Lukas in den dichtbewölkten Himmel hinauf. „Ja, ist klar. Was willst du wirklich hier?“

„Wenn ich ehrlich bin, eine Nahaufnahme von Moritz dickem Hintern machen, wenn er erneut über die Wand klettert. Das Video wird garantiert ein Internet-Hit.“

„Was? Du hast uns gefilmt?“ Ungläubig starrte er seine Schwester an.

In den kurzen Jeansshorts und der geknoteten Karobluse sah sie mit ihren brav zu einem Pferdeschwanz zusammengefassten Haaren aus wie das liebe Mädchen von nebenan, doch dieser Körper beherbergte ein Monster.

„Das darfst du nicht. Lösch das sofort!“

„Und wenn nicht?“ Grinsend sah Katha ihn an.

„Dann sage ich es Mama!“

„Hilfe, der kleine Junge will zu Mami rennen. Mach du nur. Dann sage ich ihr, dass ihr in den Nachbargarten eingebrochen seid.“

„Sind wir nicht! Wir wollen nur unseren Ball holen.“

Mit hochgezogener und natürlich perfekt gezupfter Augenbraue mustert seine Schwester ihn. Sie brauchte gar nicht zu sagen, wie lahm diese Ausrede war. Wahrscheinlich hatte er in der Grundschule das letzte Mal freiwillig Fußball gespielt, seitdem nur noch auf der Konsole.

„Okay, was muss ich tun, damit du das Video löschst?“

„Och, das weiß ich noch nicht. Ich hebe es mir für die passende Gelegenheit auf.“ Selbstgefällig lächelnd schmiss sie ihren dunklen, langen Zopf nach hinten über die Schulter und stolzierte durch den Garten davon.

Lukas blieb sprachlos zurück. Seine Schwester war zu einem Ungeheuer mutiert. Irgendwie mussten er und Moritz an dieses Video kommen.

„Mo, wo steckst du?“

Keine Antwort.

„Mo?“

Erschrocken lauschte Lukas. Kam da nicht ein Auto? Schnell lief er zum Gartentor.

„O nein!“, entschlüpfte es ihm, als er den alten VW an der Straße parken sah. Der Alte war zurück. Moritz musste da raus. Sofort!

Schnell eilte Lukas zurück in Garten und an die Holzwand. Gerade wollte er erneut nach seinem Freund rufen, als der schlaffe Ball neben ihm landete. Kurz darauf erschienen erst eine Hand und dann eine zweite über ihm, danach Moritz’ krebsroter Kopf. Schweißnass klebten ihm die zu langen Haare an Stirn und Nacken. Schnaufend wuchtete er ein Bein hinüber. Da erklang eine aufgebrachte Stimme:

„Hey, du! Was treibst du in meinem Garten? Wenn ich dich erwische, kannst du was erleben!“

Aus dem Erwischen wurde zum Glück nichts. Schon landete Mo wie ein Mehlsack neben Lukas auf dem Boden.

„’Tschuldigung“, rief Lukas zum Nachbarn hinüber. „Wir haben nur unseren Fußball geholt. Kommt nicht wieder vor!“

Lukas packte Moritz am Arm und zog ihn hoch. „Komm, lass uns verschwinden. Ach übrigens: Wir haben ein Problem.“

„Welches denn?“

„Meine Schwester!“

Das Paket

Erschöpft schmiss Lukas den Schulrucksack aufs Bett und sich direkt daneben. Der erste Schultag war geschafft – zum Glück!

Erleichtert hatte er festgestellt, dass er die meisten Fächer gemeinsam mit Moritz hatte. Das machte die langweiligen Stunden um einiges erträglicher. Getrübt wurde diese Freude nur dadurch, dass seine Schwester nun einmal in dieselbe Klasse ging. Einer der Nachteile bei Zwillingen.

Vor zwei Jahren hatten sie noch gemeinsam ihre Eltern angefleht, sie nicht zu trennen. Auch in der Grundschule waren sie in die gleiche Klasse gegangen. Ihre Eltern hatten nachgegeben, doch heute wünschte sich Lukas, er hätte den Mund gehalten. Es hatte sich zwischen ihnen eben einiges geändert und er konnte wirklich darauf verzichten, dauernd ihr ach so erwachsenes Gehabe und die Sticheleien ertragen zu müssen.

Kaum hatte Katharina die Klasse betreten, war sie zu ihren Freundinnen geeilt, um mit ihnen die Köpfe zusammenzustecken. Lautes Gegacker hallte durch den Raum, als sie etwas auf dem Smartphone betrachteten. Ihm wurde jetzt noch abwechselnd heiß und kalt bei der Vorstellung, dass es sich um das Video handeln könnte, das sie von ihnen gemacht hatte. Vor Scham hatte Lukas am liebsten im Boden versinken wollen. Leider war nie ein Lehrer da, wenn man ihn mal brauchte. Handys waren in den Klassenräumen nämlich streng verboten.

Nach diesem Morgen war Lukas froh, endlich wieder zu Hause zu sein, und das Beste obendrauf: Er hatte das gesamte Haus für sich alleine. Seine Eltern waren arbeiten und Katha trieb sich sonst wo mit ihren Freundinnen rum und würde wahrscheinlich, wie gewohnt, erst zum Abendbrot heimkommen.

Was sollte er also mit seiner Freiheit anfangen? Hausaufgaben gab es noch keine zu machen. Der richtige Unterricht würde erst morgen losgehen.

Laut schlug draußen eine Autotür zu. Rein aus Langeweile und vielleicht auch etwas aus Neugier, trat Lukas ans Fenster. Es war der Alte, der mit seiner Klappermaschine auf vier Rädern davonfuhr. Ein Glück, dass er sie nicht bei seinen Eltern verpetzt hatte.

Es regnete inzwischen und der mit dunklen Wolken verhangene Himmel ließ darauf schließen, dass es nicht so bald wieder aufhören würde. Super Sommer ...

„Das perfekte Wetter für einen Kampf!“ Überzeugt davon, dieses Mal das Spiel zu schaffen, startete Lukas den PC, um sich wieder dem Endboss seines VR-Spiels zu stellen.

DING, DONG. Die Türglocke läutete.

„Oh, man!“, fluchte Lukas. Ob das Moritz war? „Ich komme!“, rief er durch das Haus und eilte die Treppe hinab.

Durch die Milchglastür konnte er eine dunkle Silhouette erkennen. Die war zu groß für Moritz und nicht breit genug. Prüfend schaute er durch den Spion. Das war irgendein Paketdienst. Seltsam. Seine Eltern hatten nicht erwähnt, dass sie auf ein Paket warteten.

„Guten Tag!“, begrüßte Lukas den jungen Boten, nachdem er die Tür geöffnet hatte.

„Hi, Kumpel! Ist das hier Gartenstraße 13? Hummelmann?“, fragte dieser mit im Mund herumwanderndem Kaugummi. Bestimmt versuchte er damit, den penetranten Zigarettengestank zu überdecken, der auch an seiner Kleidung haftete. Es gelang ihm nicht.

„Ähm ... Nee, wir sind Nummer 11. Das muss unser neuer Nachbar sein.“

„Okay, danke! Tschüss!“

Schon rannte der Bote durch den Regen zum Nachbargrundstück.

Mist, dachte sich Lukas. Der Alte ist ja weggefahren. Es wird niemand das Päckchen annehmen.

Lukas beschloss, noch einen Moment zu warten, falls der Bote zurückkam, um die Lieferung bei ihm zu lassen. Aber kurz darauf sah er ihn zum Wagen eilen und davonfahren.

War doch jemand da?

Lukas trat ein paar Schritte vor die Tür und spähte zum Nachbarhaus hinüber. Da lag das Päckchen, auf dem Boden, im Regen. Der Kerl hatte es einfach liegen lassen.

„Hey, was machst du denn hier draußen im Regen?“ Eine Kapuze tief ins Gesicht gezogen kam Moritz den kurzen Weg zum Haus entlanggelaufen. „Hast du ein Paket bekommen? Der Transporter hat mir beim Wegfahren fast eine Dusche verpasst. So ein Sauwetter.“

„Nee, der hat ein Päckchen für den neuen Nachbarn gebracht.“

„Und?“, hakte Moritz nach.

„Der Alte ist nicht da und der Bote hat es einfach im Regen liegen lassen.“

Mit der Hand über den Augen starrte Moritz hinüber. „Scheint schon ganz schön nass zu sein.“

„Joa, wenn es so weiter regnet, ist das bald nur noch Matsche.“

„Stand irgendwas drauf? Ich meine, hast du eine Ahnung, was da drin sein könnte?“, wollte Mo wissen.

„Nö, war einfach ein brauner Karton.“

„Nicht, dass da Elektroteile drin sind. Für die ist der Regen wie Gift. Oh, Shit. Wenn der nicht bald kommt, sind die garantiert hinüber.“ Aufgeregt tigerte Moritz durch den Regen und wischte sich mit der Hand durchs Gesicht.

„Ach was, quatsch“, wehrte Lukas ab und wollte zurück ins Haus. Sein T-Shirt war bereits durchnässt.

„Nein, warte.“ Moritz packte ihn am Arm. „Ich hab dir doch erzählt, was ich im Haus gesehen habe. Das war das reinste Labor. Lauter Bildschirme, blinkende Lichter, verschiedene Smartphone- und Tablet-Typen. Vielleicht ist er Wissenschaftler, oder ... oder ... Produkttester. Was weiß ich. Aber in dem Karton könnte etwas richtig Wichtiges sein!“

„Und was glaubst du, sollen wir unternehmen?“

„Nun ja, wir könnten ihn reinholen. Wir retten ihn sozusagen, und wenn dein Nachbar kommt, bringen wir ihm das Päckchen rüber.“

Unschlüssig schaute Lukas zwischen Moritz und dem Karton hin und her. Er war schon neugierig, was das sein könnte, und sie taten dem alten Kerl ja so wirklich einen Gefallen.

„Okay, einverstanden. Lauf rüber und hol es“, forderte Lukas Moritz auf.

„Warum ich? Der ist dein Nachbar!“

„Erstens war es deine Idee und zweitens bist du derjenige, der eine Jacke trägt. Also, mach schon!“

„Na toll, das hat man davon, wenn man anderen helfen will“, grummelte Moritz und eilte durch den Regen davon.

Lukas beobachtete nervös die Straße. Es fehlte noch, dass sein Nachbar gerade jetzt zurückkam, und glaubte, sie würden ihn bestehlen wollen.

„Beeil dich!“, trieb er Mo zur Eile an.

„Bin ... doch ... schon da!“, keuchte dieser und stolperte nach Lukas durch die Tür in den Hausflur.

„Puh, so ein Wetter sollte verboten sein. Nimm mir das mal ab.“ Ohne auf eine Antwort zu warten, drückte er Lukas das triefende Paket in die Hand und schälte sich aus seiner Regenjacke. „Bah, nee – und sowas nennt man Sommer.“

„Hör auf zu meckern. Komm, wir gehen nach oben. Ich brauch ein trockenes T-Shirt.“

„Und ich eine Stärkung nach dieser Rettungsmission.“

Lukas verdrehte die Augen und stieg die Stufen zum ersten Stock hoch.

Kaum waren sie in seinem Zimmer angekommen, machte sich Moritz an der untersten Schreibtischschublade zu schaffen und holte kurz darauf eine angebrochene Tüte Kartoffelchips hervor.

„Wie alt sind die?“ Prüfend roch er an den Chips und steckte einen in den Mund.

„Keine Ahnung“, antwortete Lukas, ohne sich umzudrehen. Er zog sich gerade ein trockenes Shirt über den Kopf.

„Noch essbar. Wie kannst du da bloß eine angefangene Tüte liegen lassen?“

„Nicht jeder hat ein schwarzes Loch als Magen.“ Grinsend ließ sich Lukas neben Mo aufs Bett plumpsen und griff nach dem nassen Päckchen, das er auf dem Boden abgestellt hatte.

„Die Verpackung hat ganz schön gelitten. Das Ding ist pitschenass.“ Angewidert hielt er es hoch, damit nicht auch noch seine Jeans nass wurde.

„Guck mal, da ist schon ein Loch!“, meinte Moritz.

„Wo?“

„Na da!“ Kräftig pikste Moritz mit dem Zeigefinger in die nasse Pappe und prompt hindurch.

„Hey! Du hast es kaputt gemacht!“, rief Lukas und konnte einfach nicht fassen, was er gerade gesehen hatte.

„Ach was, der Karton ist so durchgeweicht, dass der beim Anfassen schon kaputt geht. Jetzt gib mal her.“ Schnell schnappte Moritz es sich aus Lukas’ Händen und versuchte, durch das kleine Loch was zu erkennen.

„Du weißt schon, dass du ziemlich einen an der Waffel hast, oder?“

„Klar, darum magst du mich ja so.“ Grinsend machte Moritz ein paar Knutschgeräusche und kam immer näher.

„Hör bloß auf!“ Freundschaftlich stieß Lukas ihn weg. „Was ist denn nun mit dem Päckchen? Kannst du was durch das Loch erkennen?“

„Nö, nur Styropor. Sollen wir es auspacken?“, fragte Moritz.

„Bitte was? Das können wir nicht machen!“, widersprach Lukas.

„Ich weiß. Zu schade.“

Unschlüssig starrten beide auf das nasse Päckchen.

„Sollen wir es zurückbringen?“, schlug Lukas vor.

„Ist dein Nachbar denn schon wieder da?“

Lukas stand auf und ging hinüber zum Fenster. „Ich glaub nicht. Sein Auto ist nicht da. Egal. Ich bring das jetzt zurück.“ Schon war er bei Moritz und wollte ihm das Päckchen aus der Hand nehmen.

„Nein, warte doch!“, rief dieser aufgeregt und ließ es nicht los.

Es kam, wie es kommen musste. Vier an ihr herumreißende Hände waren zu viel für die nasse Pappe. Schon hatten die Jungs jeder nur noch ein paar matschig nasse Fetzen in den Händen und der Rest des Kartons samt Inhalt fiel auf den Boden.

„Oh, Mist! Hoffentlich haben wir es nicht kaputt gemacht“, entfuhr es Lukas und er bekam schon Panik bei dem Gedanken, wie er nun den völlig zerstörten Karton erklären sollte. Manchmal fragt er sich schon, was bei seinem Kumpel im Hirn so vor sich ging. Das war ein echter Schlamassel!

Schon knieten beide Jungs am Boden. Moritz hatte recht gehabt. Vor ihnen lag nun eine strahlendweiße Styroporverpackung – und nicht nur das. Vorsichtig zog Lukas die zwei Teile der Verpackung auseinander und im Inneren kam das seltsamste Smartphone zutage, das er bisher gesehen hatte. Befestigt war es mit zwei Metallklammern an einer ebenfalls aus dunklem Metall bestehenden Box.

„Alter! Was ist denn das?“ Moritz starrte mit weit aufgerissenen Augen und offenstehendem Mund auf das Gerät.

Es sah definitiv aus wie ein modernes Smartphone, dann aber auch wieder nicht. Das dunkle Display war mit einer grün schimmernden Schutzfolie überzogen und der Rahmen des Telefons war das genaue Gegenteil des derzeitigen Trends. Anstatt superschmal, war er wie aufgepustet und erinnerte an den dicken Rand einer American Pizza. Beim Anfassen spürte Lukas sofort, dass der Rand aus federndem Gummi bestand, grün und anthrazitfarben, ähnlich einem Camouflage Muster.

„Ist das eine moderne Sturzsicherung? Damit es beim Hinfallen nicht kaputtgeht?“, wollte er von Moritz wissen.

„Keine Ahnung, ich habe so ein Case noch nie gesehen.“

„Nimm es mal hoch“, forderte Lukas seinen Freund auf.

„Warum?“

„Na, bist du der Technikfreak oder ich?“

„Puh, das ist ganz schön schwer. Warte mal, da steht was.“ Moritz drehte das Handy so, dass beide Jungs die metallisch glänzenden und in die Kiste eingestanzten Buchstaben lesen konnten.

PANDORA

„Mhm, was...“, setzte Moritz zu einer Frage an, als er überraschend unterbrochen wurde.

„Hi, Lukas, weißt du wann Mama ... Was ist denn das?“

Erschrocken zuckten die Jungs zusammen, als Katha ohne Vorwarnung in das Zimmer gestürzt kam. Schnell versteckte Moritz die Kiste hinter seinem Rücken, aber es war bereits zu spät.

„Was habt ihr denn da?“, wollte sie prompt wissen.

„Nichts! Was machst du überhaupt hier? Außerdem sollst du klopfen, bevor du in mein Zimmer kommst“. Sauer auf seine Schwester stand Lukas vom Bett auf und wollte Katharina aus dem Zimmer schieben, doch die wich seinen Armen gewandt aus.

„Was hast du da hinter deinem Rücken Moritz? Und was ist das für eine Sauerei auf dem Boden, ist das etwa nasse Pappe?“

„Das geht dich nichts an!“, erwiderte Lukas.

„Ich glaube aber schon, dass es Papa und Mama etwas angeht.“ Triumphierend hob Katharina mit spitzen Fingern ein Stück des kaputten Kartons auf, auf dem deutlich die Adresse ihres Nachbarn zu lesen war.

„Wir können das erklären“, schaltete sich Moritz ein. Auf seinem Gesicht hatten sich vor Nervosität rote Flecken gebildet.

„Da bin ich aber gespannt.“ Angewidert ließ Katha die Pappe wieder fallen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Schieß los.“

„Wir wollten das Paket nur retten. Der Regen hatte es total ...“

„Halt die Klappe, Mo“, unterbrach Lukas den Redefluss seines Freundes.

Doch der hatte die Kiste bereits hinter seinem Rücken hervorgeholt und Katharina nutzte die Chance, um sie sich zu schnappen.

„O mein Gott! O mein Gott! O MEIN GOTT!!!“, rief sie immer schriller aus und vollführte einen albernen Tanz durch das Zimmer.

„Hä?“, entfuhr es den Jungs einstimmig. Verwirrt schauten sie sich an. Seine Schwester konnte man einfach nicht verstehen.

„Gib es wieder her“ forderte Lukas Katharina auf, als diese zwischen ihren aufgeregten Rufen mal Luft holte.