Beyond Words & Beyond Love - Abby Brooks - E-Book

Beyond Words & Beyond Love E-Book

Abby Brooks

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Beschreibung

Zwei hinreißende Romance Bücher in einem E-Book Bundle!


Beyond Words

Ich habe mein Tagebuch verloren. Als ich es wiederfinde, hatte es schon jemand gelesen, kommentiert und mir seine Emailadresse hinterlassen. Als würde ich den Menschen kontaktieren wollen, der meine innersten Gedanken und Gefühle gelesen hat! Nach ein paar Gläsern Tequila mache ich jedoch genau das. Und seine Antwortmails sind humorvoll, freundlich und tiefgründig. Ich kenne noch nicht einmal seinen Namen und doch geht er mir nicht mehr aus dem Kopf.

Als wäre das nicht schon genug Chaos, ist da auch noch Lucas Hutton, der wortkarge Marinesoldat mit seinen Narben an Körper, Herz und Seele. Die Chemie zwischen uns ist irgendwie perfekt, auch wenn er mir nicht zeigt, was in ihm vorgeht. Was soll ich tun? Wie soll ich mich nur zwischen diesen beiden Männern entscheiden?


Beyond Love

Wyatt Huttons blaue Augen rauben mir den Atem - sie schauen direkt in mein Herz. Aber es darf nicht sein, denn uns trennt nicht nur der Altersunterschied. Uns trennt auch die Vergangenheit. Sein Vater war ein Trinker und Betrüger. Und meine Mutter? Dessen Geliebte.

Doch das Leben scheint andere Pläne mit uns zu haben, denn er ist der Einzige, an den ich mich wenden kann, als ich nicht mehr weiter weiß. Wir kämpfen gegen unsere Gefühle. Wir kämpfen gegen unsere Familien. Aber wie lange halten wir das noch durch?

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Über das Buch

Beyond Words

Ich habe mein Tagebuch verloren. Als ich es wiederfinde, hatte es schon jemand gelesen, kommentiert und mir seine Emailadresse hinterlassen. Als würde ich den Menschen kontaktieren wollen, der meine innersten Gedanken und Gefühle gelesen hat! Nach ein paar Gläsern Tequila mache ich jedoch genau das. Und seine Antwortmails sind humorvoll, freundlich und tiefgründig. Ich kenne noch nicht einmal seinen Namen und doch geht er mir nicht mehr aus dem Kopf.

Als wäre das nicht schon genug Chaos, ist da auch noch Lucas Hutton, der verschlossene Marinesoldat mit seinen Narben an Körper, Herz und Seele. Die Chemie zwischen uns ist irgendwie perfekt, auch wenn er mir nicht zeigt, was in ihm vorgeht. Was soll ich tun? Wie soll ich mich nur zwischen diesen beiden Männern entscheiden?

Beyond Love

Wyatt Huttons blaue Augen rauben mir den Atem - sie schauen direkt in mein Herz. Aber es darf nicht sein, denn uns trennt nicht nur der Altersunterschied. Uns trennt auch die Vergangenheit. Sein Vater war ein Trinker und Betrüger. Und meine Mutter? Dessen Geliebte.

Doch das Leben scheint andere Pläne mit uns zu haben, denn er ist der Einzige, an den ich mich wenden kann, als ich nicht mehr weiter weiß. Wir kämpfen gegen unsere Gefühle. Wir kämpfen gegen unsere Familien. Aber wie lange halten wir das noch durch?

Über Abby Brooks

Abby Brooks ist amerikanische Romance Autorin und lebt mit der Liebe ihres Lebens und ihren drei Kindern in einer Kleinstadt in Ohio. Sie liebt es, in der Küche zu tanzen, zu lachen und bis spät in die Nacht zu lesen.

Über Nina Restemeier

Nina Restemeier begann zunächst, Literaturwissenschaft zu studieren, stellte aber schnell fest, dass sie lieber mit Literatur statt über Literatur arbeitet. Seit sie in Düsseldorf den Diplomstudiengang Literaturübersetzen für die Sprachen Englisch und Italienisch abschloss, ist sie als freie Übersetzerin und Lektorin tätig.

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Abby Brooks

Beyond Words & Beyond Love

Zwei hinreißende Romance Bücher in einem E-Book Bundle!

Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Nina Restemeier

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

Informationen zur Autorin

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Beyond Words

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Epilog

Beyond Love

Teil Eins: Damals

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Teil Zwei: Heute

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Epilog

Impressum

Abby Brooks

Beyond Words

Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Nina Restemeier

Kapitel 1

Cat

Liebstes Tagebuch,

Tag 431 … und die Suche geht weiter.

WO UM ALLES IN DER WELT SIND MEINE ORGASMEN GEBLIEBEN? Du weißt so gut wie niemand sonst, dass ich schon überall gesucht habe. Unterm Bett. Im Kühlschrank. Ich habe sogar (nur zur Sicherheit) den Kofferraum meines Autos ausgeräumt. Nash findet seine völlig problemlos. Also warum um Himmels willen sind meine verschollen?

Langsam frage ich mich, ob es vielleicht meine Schuld ist. Habe ich was Falsches gesagt? Wenn ihr einfach zurückkommen würdet, könnten wir darüber reden. Das weiß ich. Bitte, kommt zurück! Bitte, bitte.

Wenn ich nicht gerade an einem öffentlichen Ort säße, würde ich lachen.

Aber wenn ich so darüber nachdenke, wäre Weinen vielleicht angemessener.

Nein, ich bleibe lieber beim Lachen. Es gibt schon viel zu viel Unglück auf der Welt, um das hier als etwas anderes als einen Witz zu betrachten.

Theoretisch passen Nash und ich gut zusammen. Das war schon immer so und wird auch weiterhin so sein. Bis ans Ende unserer Tage. Unser gemeinsamer Weg ist gerade bloß ein bisschen holprig. Er ist überarbeitet, und ich bin … Tja, was bin ich eigentlich?

Gelangweilt?

Uninspiriert?

Das sind hochtrabende Worte für jemanden wie mich, auch wenn ich sie selbst gerade hingeschrieben habe. Eigentlich habe ich es doch so gut, dass ich es manchmal selbst kaum fassen kann.

Und doch …

Ich vermisse es, mich zu verlieren. Das wohlig warme Gefühl, das ganz tief im Inneren beginnt. Das Kribbeln. Das Pochen. Das sich den Weg durch meinen Körper bahnt, und ehe ich michs versehe, keuche und schreie ich und versinke in Glückseligkeit und …

… und ich weiß nicht, was noch.

Es will etwas heißen, dass mir sogar die Worte fehlen, um es richtig zu beschreiben. Es ist schon so lange her, ich weiß nicht einmal mehr, wie es sich anfühlt.

Ich vermisse es, mich schön zu fühlen.

Ich vermisse es, Leidenschaft zu fühlen.

Ich vermisse es, überhaupt etwas zu fühlen.

Ich möchte wieder eine Frau voller Feuer und Energie und Möglichkeiten sein. Nicht dieser hohle Körper, gefüllt mit grauer Asche und Langeweile. Ich vermisse den Adrenalinstoß, der mir früher durch den Magen schoss, wenn Nash mich ansah. Ein Tornado der Liebe, der meine Nervenenden in Brand steckte.

Genau genommen vermisse ich es, dass Nash mich überhaupt ansieht, aber das ist noch einmal eine ganz andere Geschichte. Er hat viel zu tun, und ich habe Respekt davor, dass er unsere Zukunft aufbaut – aber in unserer Gegenwart bin ich nun einmal verdammt gelangweilt.

Ich verstehe ja, dass er erschöpft ist, aber ein Klaps auf den Po, und schon soll ich bereit sein? Er steigt auf. Schaut mir nicht mal in die Augen. Kein Küssen. Kein Streicheln. Keine Verbundenheit. Keinerlei Vorspiel. Es ist einfach – ich weiß auch nicht – mechanisch. Ein Mittel zum Zweck.

Mein Körper dient als Werkzeug für seine Befriedigung, und zwar nur für seine. Und manchmal frage ich mich ehrlich gesagt, ob er überhaupt irgendetwas daran findet. Gut, er bringt die Sache zu Ende, das schon.

Aber Sex ist doch mehr als bloß der körperliche Aspekt, oder? Klar, Männer und Frauen sind verschieden, aber es muss doch mehr sein als Muskelkontraktionen und ein paar Körperflüssigkeiten. Oder? Oder? Alles auf der Welt dreht sich um Sex.

Kriege werden angezettelt …

Königreiche gehen unter …

Freunden und Verwandten werden Dolche in den Rücken gestoßen …

Wenn es wirklich nicht mehr ist als ein sekundenlanges Schwanzniesen, dann schäme ich mich für die Menschheit als solche. Es muss doch um Verbundenheit gehen. Darum, mit einem Menschen, den man liebt und schätzt und anbetet, etwas Intimes zu teilen. Es muss doch etwas Spirituelles daran sein. Das muss es einfach.

*Seufz*

Ich glaube schon seit einiger Zeit, dass Nash in mir nur noch ein Ärgernis und eine Verpflichtung sieht. Wobei … das ist ungerecht. Ich werde schon wieder melodramatisch. Er arbeitet hart. Ich weiß, dass er mich liebt. Es ist ganz normal, dass die große Leidenschaft vom Anfang irgendwann ein wenig abflaut.

Wir befinden uns jetzt in der Komfortzone. Mit Betonung auf Komfort.

Das ist genauso gut. Wenn nicht sogar besser. Ich kenne ihn, er kennt mich, und wir brauchen kein Feuerwerk, um uns daran zu erinnern, wie wichtig wir einander sind.

Auch wenn ich das Feuerwerk vermisse.

Und weißt du, was das Schlimmste ist? Ich kriege es nicht einmal mehr allein hin. Glaub mir, ich habe es versucht …

Und versucht …

Und versucht …

Ich spüre einfach nichts.

Als wäre ich taub.

Tot.

Als wären alle Empfindungen aus meinem Körper gesaugt worden und als wäre ich nur noch eine leere Hülle.

Verstehst du? Nichts daran ist Nashs Schuld, richtig? Wenn ich mir nicht einmal selbst Vergnügen bereiten kann, dann liegt es an mir, nicht an unserer Beziehung. Aber ehrlich gesagt finde ich mich zu jung, um für den Rest meines Lebens Sex über mich ergehen lassen zu müssen, ohne etwas davon zu haben. Es ist unschön. Unangenehm. Manchmal tut es sogar weh.

Bitte sag mir, dass das nicht alles ist, was ich noch zu erwarten habe.

Bitte sag mir, dass das Leben und die Liebe mehr zu bieten haben als Enttäuschungen.

Ich möchte nicht für den Rest meines Lebens von Menschen umgeben sein und mich dennoch einsam fühlen.

Kapitel 2

Lucas

Das Licht der frühen Morgensonne glitzerte auf dem Meer, während meine Füße auf den Sand donnerten. Schweiß rann mir über Brust und Rücken, und ich kämpfte gegen das Hinken in meinem linken Bein an, solange ich konnte. Noch ein paar Schritte, dann hielt ich inne, lockerte meinen Oberschenkel und sog die Luft tief in meine Lunge. Die Ärzte nannten es ein Wunder, dass ich überhaupt laufen konnte, aber ich ärgerte mich, dass mein Körper mich wieder und wieder im Stich ließ. Ich hätte noch mehrere Kilometer weit laufen können, aber mein blödes Bein wollte nicht mehr.

Ich fuhr mir mit der Hand durch die Haare und starrte gedankenverloren aufs Wasser hinaus. Mein Leben hätte nicht so sein sollen. Ich hätte nicht hier sein sollen, so nutzlos und ohne Ziel. Ich hätte nicht nachts keuchend und schweißgebadet aufwachen sollen, zitternd vor Angst, bis mir wieder einfiel, wo ich mich befand. Ich hätte die Welt retten sollen, anstatt meine Zeit zu vertrödeln und Platz wegzunehmen und zum Aufgeben gezwungen zu sein, bevor ich überhaupt richtig angefangen hatte.

Alles, was ich war oder hätte sein können, war in Afghanistan gestorben. Meine Hoffnungen. Meine Träume. All meine Pläne für die Zukunft. Früher hatte mein Leben einen Sinn gehabt. Doch seit dem Vorfall existierte ich nur noch. Das Leben war nichts weiter als eine Abfolge von Tagen, die ich zu überstehen hatte. Nicht mehr. Nicht weniger. Mit einem letzten Blick auf die Wellen, die an den Strand schwappten, drehte ich mich um und machte mich auf den Weg zurück zum Auto. Ich akzeptierte meine Einschränkung, ging langsam, damit ich nicht hinkte.

Die Ärzte hatten mir versichert, dass ich meinem Körper keinen weiteren Schaden zufügte, solange ich nur auf die Alarmsignale achtete. Wenn ich jedoch den Schmerz ignorierte und weiterlief – das hatte ich im letzten Jahr gelernt –, wären die nächsten Tage eine einzige Qual.

Also stellte ich mich wieder und wieder dem Schmerz entgegen, starrte ihm ins Gesicht, bevor ich mich umdrehte und mich selbst nach Hause schickte. An manchen Tagen lief es besser, an manchen schlechter. Aber im Großen und Ganzen hielt ich zunehmend länger durch, und das betrachtete ich als Fortschritt.

Als ich mich meinem Auto näherte, vibrierte das Handy in meiner Tasche. Ich zog es hervor und nahm den Anruf meines jüngeren Bruders entgegen, während vor mir ein paar Möwen herumstolzierten, in sicherem Abstand, doch mit aufmerksamem Blick, für den Fall, dass ich ihnen Futter hinwerfen würde.

»Ich hoffe, du hast gute Neuigkeiten, Wy-guy.« Ich riss die Autotür auf und holte ein Handtuch hervor, mit dem ich mir übers Gesicht wischte.

»Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Welche willst du zuerst hören?«

Ich rieb mir mit dem Handtuch durch die Haare und schloss die Augen. »Bringen wir zuerst die schlechte hinter uns.«

»Also gut. Zuerst die schlechte.« Wyatt machte eine Pause. »Dad ist letzte Nacht gestorben.«

Das war’s dann also.

Seit Jahren hatte ich auf diese Worte gewartet. Eigentlich mein ganzes Erwachsenenleben. Ich wusste mit Sicherheit, dass wir fünf Hutton-Kinder uns alle mehr als einmal gewünscht hatten, unser Vater würde einfach tot umfallen. Egal, wie es nach außen wirkte, egal, was die Gemeinde über seine Wohltätigkeit dachte, egal, was für ein guter Vater er gewesen war, solange wir klein gewesen waren – es hatte sich herausgestellt, dass er kein netter Mensch war.

»Und die gute Nachricht?«, fragte ich meinen Bruder.

Am anderen Ende der Leitung schnaubte Wyatt. »Dad ist letzte Nacht gestorben.«

Ich nickte zustimmend … verständnisvoll … hinnehmend. Das Arschloch hatte sowieso viel zu lange durchgehalten. »Wie geht es Mom?«

»Du kennst sie doch. Sie trägt es mit Würde. Sie trauert um den Mann, in den sie sich einst verliebt hat, und ist erleichtert, dass sie den Mann los ist, mit dem sie es am Ende aushalten musste.«

Ich hatte nie verstanden, warum sie trotz allem bei ihm geblieben war. Sie sagte, sie habe es für uns Kinder getan, aber das ergab keinen Sinn. Mom war intelligent genug, um zu verstehen, welche Auswirkungen Dads Alkoholsucht auf uns hatte. Sobald wir konnten, hatten wir uns in alle Himmelsrichtungen zerstreut, wir alle, außer Wyatt, der behauptete, er bliebe, um im Geschäft zu helfen. Was er nicht aussprach, aber was wir alle wussten: Er blieb, um Mom zu beschützen.

Die Zerschlagung des Hutton-Clans war so gründlich, dass meine Schwester es nicht einmal über sich brachte, mich zu besuchen, nachdem ich verwundet worden war. Wyatt, Caleb und Eli standen mit gesenktem Kopf in eisigem Schweigen neben Mom und Dad an meinem Krankenbett, aber Harlow schickte nur einen Obstkorb und eine Nachricht und beließ es dabei.

Wyatt redete über die Vorbereitungen für die Trauerfeier, die angesichts der öffentlichen Trauer riesig ausfallen würde. Niemand verstand, warum die meisten Hutton-Kinder weggezogen waren. Man nannte uns undankbar. Selbstsüchtig. Verzogen.

Wenn die nur wüssten.

»Mom fährt die ganz schweren Geschütze auf, also müssen wir zusammenhalten«, riss Wyatt mich aus meinen Gedanken.

»Das habe ich befürchtet.«

Es folgte eine Pause, dann sagte er: »Ich bin mir nicht sicher, ob ich es gut oder schlecht finden soll, dass wir alle wieder zusammen sein werden.«

»Wahrscheinlich ein bisschen von beidem«, sagte ich, obwohl mich die Vorstellung, meine Familie ohne Dad wiederzusehen, zum Lächeln brachte. Meine Geschwister und ich hatten uns nahegestanden, bevor wir uns angewöhnten, in Dads Gegenwart eine Schutzhaltung einzunehmen. Wann waren wir zum letzten Mal alle zur selben Zeit am selben Ort gewesen? Als ich im Krankenhaus lag – zumindest, wenn Harlow dabei gewesen wäre. Soweit ich mich erinnerte, waren wir das letzte Mal alle fünf zusammen gewesen, direkt nachdem ich mich bei den Marines verpflichtet hatte. »Kommen alle?«

»Ich denke schon.« Wyatt hustete, und das leise Rascheln von Papier drang an mein Ohr. »Flüge werden geplant. Rüstungen angelegt. Fronten abgesteckt.«

»Das hört sich an, als zögen wir in den Krieg.«

»Ist das nicht immer so, wenn wir alle nach Hause kommen?«

Ich schloss die Augen und lehnte mich ans Auto. Das Leben mit Dad hatte einem Schlachtfeld geglichen. Nun, da er fort war, hoffte ich, unsere Familie würde gesunden. Das sagte ich auch zu Wyatt, der schnaubte, aber zustimmte. Da er als Einziger zu Hause geblieben war, wusste er besser als alle anderen, wozu Dad fähig gewesen war.

»Mom hält übrigens Zimmer im Hotel frei. Du brauchst bloß deinen bionischen Arsch hier runterzuschwingen, und es wird wie in den guten alten Zeiten.«

»Meinen bionischen Arsch?«

»Du hast so viel Metall im Körper, du könntest Robocop sein.«

Ich schüttelte den Kopf. Nur Wyatt konnte darüber scherzen, dass sein Bruder in Afghanistan verwundet worden war. Bei ihm klang es, als hätte ich mein Bein verloren und nicht Bauch, Hüfte und Oberschenkel voller Schrauben, Platten und Granatsplitter. Das sagte ich ihm auch, aber wie immer lachte er nur und meinte, seine Sicht auf die Dinge wäre viel lustiger. Wir legten auf, und ich steckte mein Handy in den Getränkehalter im Auto. Ein Windstoß fegte über mich hinweg, als ich mir das T-Shirt über den Kopf zog, und ich atmete die salzige Luft ein.

Dad war tot.

Nach all den Jahren, nach allem, was wir durchgemacht hatten und wovor wir weggelaufen waren, kam mir die Nachricht beinahe unwirklich vor. Die Sonne schien immer noch. Das Meer rauschte immer noch. Die Möwen flogen und kreischten immer noch.

Für den Rest der Welt ging das Leben einfach weiter, unsere Tragödie betraf sie nicht. Als ich in einem Krankenhausbett in Deutschland um mein Leben kämpfte, hatten die Pats den Super Bowl gewonnen. Fans hatten gejubelt. Babys waren gezeugt worden. Niemand außer einer Handvoll Menschen wusste von oder scherte sich um meinen Überlebenskampf.

Seit letzter Nacht lag das Leben meiner Mutter in Trümmern. Meine Geschwister und ich ließen alles stehen und liegen, um mit ihr gemeinsam zu überlegen, wie es weitergehen sollte. Während wir uns abmühten, ging für den Rest der Welt das Leben einfach weiter. Diese Erkenntnis war ernüchternd, befreite mich jedoch auch von einer tonnenschweren Last. Selbst die einschneidendsten Ereignisse im Leben waren nicht mehr als Echozeichen auf einem Radar. So schlimm die Dinge auch schienen, während wir sie durchlebten, wir würden darüber hinwegkommen und bessere Zeiten erleben. Wir alle hatten Narben. Wir mussten bloß lernen, nicht mehr zu hinken.

Die Vorstellung, nach Hause zu kommen, faszinierte mich. Einige meiner schönsten und meiner schlimmsten Erinnerungen wohnten auf den Keys, sie waren gefangen in den Wänden des alten Hauses. Sosehr ich mich auch darauf freute, Mom, Eli, Caleb, Wyatt und Harlow wiederzusehen, fragte ich mich doch, welche Wirkung es auf mich haben würde. Auf uns alle, um genau zu sein.

Kann man einen Krieg überleben und ohne Folgen an den Ort der blutigsten Schlachten zurückkehren? Ich dachte an die Explosionen. Den Rauch. An die Körper meiner Kameraden, die durch die Luft geschleudert worden waren. An den Schmerz, der sich wie Eis und Feuer in meiner Seite, meinem Bein und meiner Hüfte ausbreitete. Ich schob die Erinnerungen beiseite und erschauerte, obwohl sich ein neuerlicher Schweißfilm auf meiner Stirn bildete.

Neben mir hielt ein Auto. Die Türen flogen auf, und lärmende, lachende Teenager in Badesachen und mit sonnengebleichten Haaren strömten heraus. Sie hatten noch so viel vor sich. So viel zu lernen. Ich schickte ein stilles Gebet an wen auch immer, dass sie mehr Gutes als Schlechtes erleben würden.

Als sie über den Sand davonmarschierten, landete eine Möwe ein paar Schritte von mir entfernt. Nach all den Jahren, die man sie mit Resten gefüttert hatte, war sie beinahe zahm. Sie stolzierte herum und musterte mich mit ihren glänzenden schwarzen Augen. Ich durchwühlte meine Tasche und fand ein paar alte Chips, die ich ihr zuwarf, dann entsperrte ich mein Handy und suchte nach Flügen nach Florida.

Kapitel 3

Cat

In dem überfüllten Café vibrierte mein Handy auf dem Tisch und riss mich aus meiner Tagebuchtirade über die verschwundenen Orgasmen. Ich zuckte zusammen und hätte beinahe meinen Eiskaffee umgeworfen. Zum Glück bekam ich das Glas zu fassen, ehe es fiel, und gratulierte mir im Stillen zu meinen hervorragenden Reflexen. Das musste ein Zeichen sein. Nach einer Serie von nicht so guten Tagen würde heute sicher ein guter werden.

Kondenswasser überzog meine Hand, und ich wischte sie mir an der Shorts ab, ehe ich das Tagebuch zuklappte, um den Anruf entgegenzunehmen. Meine Laune hob sich, als ich den Namen des Anrufers las. Christopher Magic – eindeutig nicht sein echter Name, obwohl er das behauptete –, der Bodybuilder mit den lila Haaren, der sich vor zwei Jahren geoutet hatte und sich seinen Traum erfüllt hatte, als Massagetherapeut zu arbeiten.

»Was gibt’s, Magic Man?«, fragte ich ins Telefon. Sein Name amüsierte mich, also benutzte ich ihn, sooft ich konnte. Es war mir egal, ob er ihn sich ausgedacht hatte, er war lustig, und die Welt konnte eindeutig mehr Spaß vertragen.

»Hey, Kitty Cat«, schnurrte er auf eine Weise, die nur bedeuten konnte, dass er für das, was er mir sagen wollte, meine ungeteilte Aufmerksamkeit benötigte. Vielleicht würde es doch kein so guter Tag werden. Das Einzige, was Christopher Magic mehr liebte als Drama, war es, höchstpersönlich die Bombe platzen zu lassen. Wenn er schnurrte, steckte ich in Schwierigkeiten.

Ich warf einen Blick auf die Uhr. »Es ist gerade mal elf. Meinen ersten Termin habe ich um zwölf, richtig?«

»Ach, Süße. Ich glaube nicht, dass du heute irgendwelche Termine haben wirst. Oder überhaupt in nächster Zeit, um genau zu sein.« Sein Tonfall verriet mir, dass er mir gleich etwas Unangenehmes mitteilen würde.

Schockiert hörte ich zu, wie Chris mir erzählte, was er heute vorgefunden hatte, als er beim Utopia angekommen war, dem Wellness- und Beautysalon, in dem wir beide arbeiteten. Oder vielmehr gearbeitet hatten.

»Geschlossen?«, fragte ich, als er ausgeredet hatte. »Du meinst, für immer?«

»Ja. Für immer. Da ist nichts mehr drin. Die Tür ist zu. Das Licht ist aus. Der Laden ist leer. L-E-E-R. Darla und ich stehen hier wie bestellt und nicht abgeholt und starren auf ein verlassenes Gebäude.«

Ich konnte mir vorstellen, wie die beiden auf dem Parkplatz auf und ab flanierten und so taten, als wären sie entsetzt, dabei waren sie in Wirklichkeit begeistert, die nächsten anderthalb Monate über etwas so Enormes jammern zu können.

Chris senkte die Stimme. »Glaubst du, sie hatten Verbindungen zur Mafia?«

Das bezweifelte ich stark, aber ich hielt den Mund. Chris liebte Tratsch und hatte eine blühende Phantasie. Ich hatte da eher unspektakulärere Vermutungen über Steuerflucht oder … Okay. Ich hatte keine unspektakuläreren Vermutungen. Es gab keinen vernünftigen Grund, warum sich ein kompletter Salon über Nacht in Luft auflösen sollte.

»Tja, Scheiße.« Ich sammelte meine Sachen zusammen, legte mein Tagebuch neben mir auf die Sitzbank, schob meinen Stift in die Handtasche und trank den Eiskaffee aus.

Das Utopia war zwar nicht der beste aller Arbeitsplätze, aber auch nicht der schlechteste. Immerhin bescherte es mir ein regelmäßiges Einkommen, obwohl ich Nash zufolge eigentlich gar kein eigenes Einkommen brauchte, ob nun regelmäßig oder nicht. Er verdiente mehr als genug für uns beide, aber mir war es wichtig, dass auch ich etwas zu unserem Lebensunterhalt beitrug.

Nash stammte aus einer wohlhabenden Familie und würde meine Einstellung niemals verstehen, so wie er auch meine Freundschaft zu Magic Man nicht verstand. Sooft ich ihm auch erklärte, dass Chris lustig war, die Dinge auf seine Weise tat und sich selbst dafür liebte, Nash verdrehte nur die Augen und wechselte das Thema.

Ich hatte den Job im Utopia angenommen, weil ich das Leben als Masseurin kennenlernen wollte, bevor ich mich der Herausforderung stellen und mich selbstständig machen würde, denn das war mein ultimatives Ziel: eine eigene Gesundheits- und Massagepraxis. Nash behauptete, ich würde den Schritt bloß hinauszögern, weil ich wüsste, dass man von Massagen nur schlecht leben könne.

Wie sehr er sich doch irrte.

Mein eigenes kleines Unternehmen zu führen, das klang nach Friede, Freude, Eierkuchen, nach der Freiheit, meiner Leidenschaft nachzugehen, auch wenn ich ahnte, dass noch eine ganze Reihe von ungeahnten Schwierigkeiten auf mich wartete. Ich arbeitete im Utopia, um die Herausforderungen medizinischer Massage zu verstehen, ohne zur gleichen Zeit auch noch mein Business aufbauen zu müssen. Ein ziemlich praktischer und vernünftiger Plan, meine Selbstständigkeit voranzutreiben, wie ich fand.

»Ich komme sofort«, sagte ich zu Chris, klemmte mir das Handy zwischen Ohr und Schulter, schnappte meine Tasche und lief zur Tür.

»Schätzchen«, gurrte er in fast ebenso süßem Tonfall. »Das brauchst du nicht. Sie sind weg. Puff. Verschwunden.« Er senkte die Stimme zu einem theatralischen Flüstern. »Wieso haben die sich überhaupt mit der Mafia eingelassen? Das geht nie gut aus.«

Ich verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. »Genau. Wie auch immer. Ich will es mit eigenen Augen sehen.« Und ich wollte ein Foto machen, damit ich Nash beweisen konnte, dass ich mir die ganze Geschichte nicht ausgedacht hatte. Es lag zwar nicht in meiner Natur, einfach willkürlich meinen Job zu kündigen. Und Nash war auch nicht der Typ, der mir unterstellen würde, dass ich Lügengeschichten über meine Arbeitsstätte erzählte. Aber, na ja, nur zur Sicherheit.

Ich eilte aus dem Café, winkte im Vorbeigehen dem Barista hinter dem Tresen zu und stieg in meinen Jeep. Das Dach und die Türen waren abmontiert, denn mal im Ernst, wer würde nicht all die Sonne und frische Luft tanken wollen, die Galveston, Texas, zu bieten hatte?

Die Sonne brannte mir auf Nacken und Schultern, und die Hitze raubte mir den Atem. Aber kaum war ich losgefahren, pustete der Wind all meine Verwirrung darüber, auf einmal arbeitslos zu sein, davon. Beim Utopia angekommen, war ich beinahe berauscht vom Gedanken an einen Neuanfang.

Vielleicht war das der Schubs, den ich gebraucht hatte.

Vielleicht hatte Nash recht.

Vielleicht hatte ich den letzten Schritt wirklich unnötig vor mir hergeschoben.

Vielleicht war das auch dem Universum aufgefallen, und es hatte beschlossen, mich aus dem Nest zu werfen.

Zeit, flügge zu werden, Kleine. Breite die Flügel aus und flieg.

Ich lächelte und steckte mir ein paar lose Haarsträhnen zurück in den Pferdeschwanz. Also dann, Universum, dachte ich. Herausforderung angenommen.

Wenn es an der Zeit war, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen, dann würde ich nicht so dumm sein, die Zeichen zu ignorieren. Es war Zeit für eine Veränderung. Für Selbstermächtigung. Zeit, dass Catherine Wallace aus dem Schatten trat und glänzte.

Als ich aus dem Jeep sprang, schlenderte Chris mir entgegen. Seine lila Haare wirbelten und flatterten um seinen Kopf herum, und seine Muskeln wölbten sich unter einem gelben Tank Top. Weiße Skinny Jeans schmiegten sich an seine massigen Oberschenkel. Doch trotz all der Farben war seine Persönlichkeit das Schillerndste an ihm.

»Siehst du«, sagte er und deutete auf das leer stehende Gebäude. »Puff.« Mit den Händen ahmte er eine Explosion nach und stieß die Luft aus. »Und nun?«

Neben ihm erschien Darla, das genaue Gegenteil von unserem Magic Man. Wo er leuchtend bunt war, was sie nichts als schwarz, schwarz und noch mal schwarz. Glänzende schwarze Haare fielen ihr bis auf den Rücken. Schwarzer Eyeliner umrahmte ihre Augen. Schwarzes Shirt. Schwarze Hose. Schwarze Schuhe. »Ja«, sagte sie seufzend. »Was nun?«

Mit meinen Shorts, T-Shirt und Pferdeschwanz kam ich mir neben den beiden total gewöhnlich vor. »Das ist eine exzellente Frage.«

»Natürlich ist sie exzellent.« Chris legte einen Arm um Darla. »Alles, was ich tue, ist exzellent.«

Ich machte ein Foto von dem leeren Schaufenster, dann richtete ich mein Handy auf meine Freunde. Darla schmollte, während Chris strahlte. Als ich ihnen das Bild zeigte, lächelten beide. Wir standen noch eine Weile da und redeten über das Wie, Was und Warum, bevor wir in einem Zustand ernsthafter Verwirrung wieder in unsere jeweiligen Fahrzeuge stiegen.

Als ich nach meiner Handtasche griff, merkte ich sofort, dass irgendetwas nicht stimmte. Sie war zu leicht. Ich zog den Reißverschluss auf und spähte hinein. Es war viel zu viel Platz darin. Ich starrte in die gähnende Leere, während mein hämmerndes Herz bereits erkannt hatte, was mein Hirn sich noch zu verstehen weigerte.

Heilige.

Scheiße.

Mein Tagebuch. Das Letzte, woran ich mich erinnerte, war, dass ich es im Café neben mir auf die Bank gelegt hatte. Wenn es nicht in meiner Tasche steckte, musste es dort immer noch liegen.

Mir brach der Schweiß aus, und ich ließ den Kopf aufs Lenkrad sinken. Ich musste lachen, sonst würde ich anfangen zu weinen. Von allen Dingen, die ich an einem öffentlichen Ort vergessen konnte, musste es ausgerechnet das ledergebundene Notizbuch sein, in dem ich alle meine Gedanken festhielt, ohne mich selbst zu zensieren. Der einzige Ort, an dem ich hundertprozentig ehrlich war, selbst wenn es keine schönen Gedanken waren. Oder höfliche. Oder auch nur im Entferntesten gesellschaftsfähige.

Jahre meines Selbst steckten in diesen Seiten, und zwar nicht die aufgehübschte Version, die ich der Welt präsentierte. Auf diesen Seiten weinte und jubelte ich, hier urteilte ich und verlieh meinen innersten Gedanken Ausdruck. Dieses Buch war mein Herz und meine Seele.

Ich fuhr mir mit der Hand übers Gesicht, als ich an den letzten Eintrag dachte.

Bitte, oh, bitte, flehte ich, lass es niemanden gefunden haben.

Und wenn es jemand gefunden hat, lass es ihn nicht gelesen haben.

Und wenn es jemand gelesen hat, lass ihn nicht mehr da sein, wenn ich wiederkomme.

Ich winkte Chris und Darla zum Abschied, fuhr vom Parkplatz und direkt in einen Stau hinein. Von dem Tagebuchdebakel lenkte ich mich mit Träumereien über eine einzigartige Nacht mit Nash ab, nun, da ich nicht mehr arbeiten musste. Sein Ring funkelte an meinem Finger, und ich drehte ihn langsam mit dem Daumen herum, während ich mich durch den dichten Verkehr quälte. Vielleicht, so überlegte ich, könnten wir die Gelegenheit nutzen, um das erloschene Feuer zwischen uns neu zu entfachen? Vielleicht brauchten wir einfach mehr Zeit miteinander. Vielleicht war meine plötzliche Arbeitslosigkeit in Wirklichkeit ein Segen.

Nash war alles, worauf mein Vater Wert legte. Vermögend. Höflich. So wohlerzogen, dass ihm jeder sofort anmerkte, dass er aus guten Verhältnissen stammte.

War er auch, worauf meine Mutter Wert legte? Eher nicht.

Aber da sie in jeder Hinsicht das genaue Gegenteil von meinem Vater war, verwunderte das nicht. Als sie sich damals, kurz nachdem ich in den Kindergarten gekommen war, scheiden ließen, hatte es außer mir niemanden überrascht.

Und worauf legte ich Wert? Wie viele meiner Kriterien erfüllte Nash?

Tja, das ist das Problem, wenn man von zwei Menschen aufgezogen wird, die die Welt auf vollkommen unterschiedliche Weise sehen. Nash erfüllte alle meine Kriterien und ließ sie zugleich irgendwie unerfüllt. Ich sehnte mich nach der Sicherheit, die er zu bieten hatte, doch häufig langweilte ich mich in unserem normalen, perfekten Leben. Aber da Dad in einem gemütlichen Haus mit marmornen Arbeitsplatten wohnte, und Mom, soweit ich wusste, in einem Wohnmobil irgendwo in Florida, hatte ich schon vor längerer Zeit beschlossen, mehr auf den Teil von mir zu hören, der mit meinem Vater übereinstimmte.

Als ich wieder bei dem Café ankam, waren zwei Stunden seit meinem Aufbruch vergangen. Die Chancen standen schlecht, dass das Tagebuch noch immer dort lag, wo ich es zurückgelassen hatte. Ich stürmte zur Tür hinein und marschierte geradewegs auf meinen Tisch zu. Für ein paar entsetzliche Sekunden, die mir wie ein Jahr vorkamen, durchzuckte mich Panik, bis mein Blick auf ein Stück abgewetztes Leder fiel, das zwischen der Wand und den weichen Kissen auf der Sitzbank hervorlugte. Ein Engelschor sang. Licht schien vom Himmel.

»Gott sei Dank, verfickt noch mal«, stieß ich hervor und zog mit meinem Fluch die Aufmerksamkeit von zwei Latte-Macchiato-Müttern auf mich, die die Augen aufrissen und sich freuten, sich über irgendetwas echauffieren zu können. Ich griff nach dem Tagebuch, presste es mir an die Brust und verschwand zur Tür hinaus, überquerte den Parkplatz und stieg zurück in meinen Jeep.

Was für ein Segen, dass es niemand mitgenommen hatte. Zusätzlich zu meinem Gejammer über die leidenschaftslosen Zusammenkünfte mit meinem Verlobten hatte ich mich seitenweise über den Sinn des Lebens ausgelassen, absurde Gedichte verfasst und meine Tagträumereien hineingekritzelt. Es gab keine umfassendere Einführung in Cat Wallace’ intimste Gedanken als dieses Tagebuch. Ich strich mit der Hand über den verkratzten Ledereinband und ließ die Seiten unter meinem Daumen hervorspringen, schüttelte den Kopf über meine Achtlosigkeit, während Jahre um Jahre meiner geschwungenen Schrift vor meinen Augen verschwammen.

Bis ich zur letzten Seite kam.

Statt meiner geschwungenen Schreibschrift sah ich schmale, ordentliche Druckbuchstaben …

Statt blauer Tinte sah ich Bleistift …

Ich blätterte zurück zu der Seite, und das Herz rutschte mir in den Magen. Das war nicht meine Handschrift. Es hatte doch jemand mein Tagebuch gefunden. Und schlimmer noch, dieser jemand hatte es gelesen und sich bemüßigt gefühlt zu antworten.

Kapitel 4

Mister Xs Tagebucheintrag

Ich hätte dein Tagebuch nicht lesen sollen. Das ist mir klar. Als ich es gefunden habe, dachte ich, ich würde vielleicht deinen Namen darin entdecken und könnte es beim Barista abgeben, der dich vielleicht kennt und es für dich aufbewahrt, bis du das nächste Mal da bist. Ich dachte, ich könnte verhindern, dass jemand in deine Privatsphäre eindringt.

Aber deine Worte haben mich fasziniert, und ehe ich michs versah, war ich der Eindringling. Ich hätte aufhören sollen, aber ich konnte nicht. Deine Gedanken, deine Sicht auf die Welt … Immer wieder sagte ich mir, ich würde nur noch eine weitere Seite lesen, nur um dann doch umzublättern und etwas noch Schöneres zu entdecken. Oder Herzzerreißenderes. Oder eine so tiefgründige Frage, dass ich mich zurücklehnen und über die Antwort nachsinnen musste.

Deine Worte haben mich gefesselt. Sie haben mich nicht mehr losgelassen und meine Phantasie angeregt.

Ich sollte mich dafür entschuldigen, in deine Privatsphäre eingedrungen zu sein, aber das kann ich nicht. Es ist, als hättest du mir ein Geschenk gemacht. Eine Erinnerung daran, dass es auf der Welt noch immer Menschen gibt, die es wert sind, sie kennenzulernen. Deine Freundlichkeit. Deine Intelligenz. Dein Weitblick.

Ich wünschte, ich wüsste, wer du bist. Ich wünschte, wir könnten zusammensitzen und reden, damit ich mehr davon erfahre, was in deinem erstaunlichen Kopf vor sich geht, bevor ich mich daranmache, dein körperliches Problem zu lösen.

Und glaub mir, ich würde es lösen.

Jede Frau hat es verdient, dass man ihrem Körper huldigt, und wenn dein »Nash« … Tut mir leid, aber was ist das überhaupt für ein Name? Egal, woher der Name kommt, wenn er dir das nicht geben kann, dann hat er diese Frau, die ich in den Seiten dieses Buches gefunden habe, nicht verdient.

Ich verspreche dir, Sex ist mehr als nur ein sekundenlanges Schwanzniesen.

Mit der richtigen Person ist er es wert, einen Krieg anzuzetteln.

Wert, dass Königreiche untergehen.

Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob irgendetwas es wert ist, Freunden und Verwandten einen Dolch in den Rücken zu stoßen.

Wenn ich nur eine Nacht mit dir verbringen dürfte, würde ich meine Finger über deinen Körper wandern und dich erschauern lassen. Ich würde dich kosten und necken, deine Hüfte umfassen, während du den Rücken wölbst und seufzt. Ich würde mit den Händen über deine Schenkel fahren, den Kopf hinabsenken und lecken und saugen, bis du meinen Namen schreist. In deiner Verzückung würdest du die Welt vergessen, und ich würde dich lieben, während du kommst und kommst und kommst.

Ich würde dich für alle anderen Männer verderben, aber dir würden nie wieder die Worte fehlen, um deine Gefühle zu beschreiben. Dein Leben würde nicht mehr aus grauer Asche und Langeweile bestehen, sondern aus einer so flirrenden Hitze, dass die Welt Feuer fängt. Dein Körper wäre mein Heiligtum, und ich wäre dein Retter, und du würdest nie wieder das Gefühl haben, nur eine Verpflichtung zu sein.

Ein Mann, der nimmt, ohne zu geben, ist ein Idiot.

Es tut mir leid, aber ich glaube, dein Nash ist ein Idiot.

Ich dagegen bin keiner.

Melde dich. Bitte.

[email protected]

Kapitel 5

Cat

Oh, und wie ich erschauerte, aber vermutlich nicht auf die Art, die Mister X im Sinn hatte. Wie konnte er es wagen? Er hatte nicht nur mein Tagebuch gelesen, er besaß auch noch die Dreistigkeit, zu antworten und zu glauben, er könne »mein Problem lösen«.

Von allen großspurigen, selbstverliebten Ärschen da draußen war er bestimmt der großspurigste. Der arschigste. Der … der … der Schlimmste!

Melde dich. Bitte.

Ich verdrehte die Augen. Glaubte er wirklich, das würde funktionieren? Dass ich seine blöde Nachricht lesen und so dumm sein würde, Kontakt aufzunehmen? Dass ich mit großen, unschuldigen Augen einem Fremden erlauben würde, mich zu berühren, damit ich »in meiner Verzückung die Welt vergesse«? Nein, danke, Mister X. Ich weiß schon, dass man zu Fremden, die einem Süßigkeiten versprechen, nicht ins Auto steigen darf.

Ich ließ mein besudeltes Tagebuch auf den Beifahrersitz fallen, steckte den Schlüssel ins Zündschloss und machte mich auf den Heimweg. In ein paar Stunden würde Nash von der Arbeit kommen, und ich nahm mir vor, ihn in meiner verführerischsten Reizwäsche und meinen höchsten High Heels zu begrüßen, in jeder Hand ein Glas Wein.

Egal, was Mister X sagte, Nash nahm nicht, ohne zu geben, und das würde ich heute Nacht beweisen. Und überhaupt. Wir hatten Grund zu feiern. Dank eines kleinen Arschtrittes durch die nicht-besonders-professionellen-und-vermutlich-mit-der-Mafia-im-Bunde-stehenden Eigentümer von Utopia würde ich endlich meinen eigenen Massagesalon eröffnen.

Beim Fahren lenkten mich die Bilder ab, die Mister Xs Worte heraufbeschworen hatten, und ich verspürte ein süßes Ziehen zwischen den Schenkeln. Ich versuchte, die Gedanken abzuschütteln, aber ich konnte an nichts anderes denken als an Hände, die über meinen Körper strichen. Die Hände eines gesichtslosen Fremden, die eine Gänsehaut zurückließen. Seine Lippen, Zunge und Zähne, die meiner Kehle ein Stöhnen entlockten. Zum ersten Mal seit Langem spürte ich, wie mir glühend heiße Lust durch die Adern schoss.

Schuldbewusst beschloss ich, mir an der Stelle des äußerst dreisten und unverschämten Fremden Nash vorzustellen. Aber das erstickte bloß das Feuer, und in meinem Bauch formte sich ein Klumpen Enttäuschung, also schaltete ich das Radio ein und sang den Rest des Heimweges laut – und schlecht – zu Taylor Swift mit.

Als ich in unsere Straße einbog, sah ich zu meiner Verwunderung Nashs schicken schwarzen Lexus in der Einfahrt stehen.

Nash ließ nie die Arbeit ausfallen.

Selbst wenn es ihm hundeelend ging, zog er seinen Anzug an und fuhr von Galveston, wo wir wohnten, in sein Büro in Houston. Einmal war er vierzehn Stunden mit einer schlimmen Magen-Darm-Grippe, mit der sich jeder andere freiwillig ins Krankenhaus begeben hätte, im Büro geblieben.

Aber nicht Nash.

Das war einer der Gründe, warum mein Dad ihn so liebte. Auf Nash Addington war Verlass, komme, was da wolle.

Ich sprang aus dem Jeep, Aufregung kribbelte in meinem Bauch. Wenn Nash nicht krank war, und natürlich war er nicht krank, dann konnte er nur aus einem Grund zu Hause sein: Er plante irgendeine Überraschung für mich. Seit einem Jahr schoben wir unsere Hochzeit nun schon vor uns her. Der Zeitpunkt hatte einfach nie gepasst, so viel wie Nash immer zu tun hatte. Und weil sich drei von vier Elternteilen (die einzige Ausnahme war natürlich meine Mutter) eine große und protzige Hochzeitsfeier, ein wahres Spektakel für die feine Gesellschaft wünschten, verschoben wir es einfach immer wieder.

Manchmal, wenn wir zusammen im Bett lagen – ich mit einem Buch, Nash fleißig mit seiner Brille und dem Laptop –, träumte ich davon, einfach heimlich irgendwo zu heiraten. Nash war nicht sehr begeistert von der Idee. Oder zumindest behauptete er das. Vielleicht hatte er seine Meinung geändert. Vielleicht hatte er nur so getan. Vielleicht hatte er die ganze Zeit hinter meinem Rücken irgendetwas geplant, und heute war offiziell der erste Tag vom Rest unseres Lebens.

Ich lief zum Haus, stürmte zur Tür hinein, ließ den Schlüsselbund auf das Tischchen fallen und meine Tasche direkt neben … eine andere. Ich starrte das Teil an und weigerte mich, darüber nachzudenken, was das bedeutete. Leise Stimmen und Gelächter drangen aus dem Inneren des Hauses zu mir, und ich folgte ihnen den Flur entlang, während ich mich ein ums andere Mal hinunterbeugte, um einzelne Kleidungsstücke, die offensichtlich einer Frau gehörten, vom Boden aufzuheben, bis ich ein komplettes Outfit samt Unterwäsche in Händen hielt.

Ich wusste, was mich hinter der Schlafzimmertür erwarten würde. Wie auch nicht, angesichts dessen, was ich in der Hand hielt? Und doch war ich nicht auf den Anblick vorbereitet, der sich mir bot, als ich das Zimmer betrat. Mein Nash, auf meinem Bett, mit einer anderen Frau. Er küsste ihren Nacken. Umfasste ihre Brüste. Murmelte etwas an ihrer Haut, so wie er es getan hatte, als wir frisch verliebt gewesen waren. Er streichelte sie. Ergötzte sich an ihr. Und bemerkte überhaupt nicht, dass ich dort stand, mit hämmerndem Herzen, seinem Ring am Finger und heruntergeklappter Kinnlade.

»Was. Zum. Teufel.«

Beim Klang meiner Stimme sprang Nash aus dem Bett, nackt, mit abschlaffender Erektion, während die Frau kreischte und sich mein Betttuch bis zum Hals hochzog. Als hätte ich nicht schon längst alles gesehen, was sie zu bieten hatte. Und ich musste ihr zugestehen, dass das, was sie zu bieten hatte, spektakulär war.

»Cat …« Nash bedeckte sein Gemächt, und ich schnaubte. Als ob es einen Unterschied machte, ob ich ihn nackt sah oder nicht. In den letzten sieben Jahren hatte ich ihn jeden Abend nackt gesehen. Genau genommen war er der einzige Mann, den ich jemals live und in Farbe nackt gesehen hatte. Ich war mit dem, was er da zu verbergen versuchte, so vertraut, dass ich nicht aufhören konnte zu lachen.

»Echt jetzt?« Ich deutete auf seine Hände. »Ist das wirklich nötig?«

Er blinzelte, ließ aber nicht los, umklammerte seine Kronjuwelen, als hätte er Angst, ich könnte sie ihm abreißen. Ich dachte kurz darüber nach, kam aber zu dem Schluss, dass der Aufwand und die daraus resultierende Sauerei nichts dazu beitragen würden, dass ich mich besser fühlte. Er schwafelte los, brachte eine Ausrede nach der anderen vor, erzählte, wie unschuldig er und Camille sich kennengelernt hätten und dass er nie gewollt habe, dass so etwas passiert. Und die ganze Zeit kreischte sie, als hätte ich eine Pistole auf ihren Kopf gerichtet und nicht die Spitze ihres tausend Dollar teuren Schuhs.

Am liebsten hätte ich ihn Nash an den Kopf geschleudert. Erst den einen, dann den anderen und danach jedes einzelne Kleidungsstück, in der Reihenfolge, wie ich sie aufgeklaubt hatte. Aber das tat ich nicht. Es verlieh mir eine gewisse Macht, ihre Kleider in der Hand zu halten. Ich stampfte im Schlafzimmer herum, spie Obszönitäten aus und fuchtelte mit den Schuhen vor seinem Gesicht herum, bis meine Wut drohte, in Tränen umzuschlagen. Egal, was passierte, ich würde nicht vor ihm weinen. Sobald ich Schwäche zeigte, würde er zum Todesstoß ansetzen. Er sollte mich für einen Vulkan halten, der Zorn und Feuer spuckte, und nicht für ein verletztes kleines Mädchen, das verstoßen in der Ecke sitzt und weint.

»Cat …« Nash trat vor und streckte für einen kurzen Moment die Hand aus, bis er einen besseren Blick auf mein Gesicht erhaschte. Schnell bedeckte er wieder seine Eier und das Würstchen.

»Spar dir das, Nash. Egal, was du sagen möchtest, ich will es nicht hören. Ich habe alles gesehen, was ich sehen muss.«

Und das hatte ich. Von einem Paar spektakulärer Möpse bis hin zu der schwindenden Erektion meines Verlobten, von der Zärtlichkeit, mit der er sie bedachte, bis hin zu der Verachtung in seinem Blick, als ich hereinkam.

Es war eine Sache, wenn es in letzter Zeit im Schlafzimmer nicht mehr besonders knisternd zugegangen war. Das trat in jeder Beziehung irgendwann ein. Aber dass eine fremde Frau in meinem Bett weltbewegenden Sex hatte, war etwas völlig anderes. Mit meinem »superzuverlässigen« Verlobten, der sich nie einen Tag bei der Arbeit freinahm. Außer für eine heimliche Affäre mit einer Frau, die immer noch nicht aufgehört hatte zu kreischen.

»Halt endlich die Klappe«, knurrte ich Camille an, während ich mir noch immer ihre Klamotten gegen die Brust presste.

So ruhig ich konnte – denn obwohl ich heute alles verloren hatte, weigerte ich mich, mir auch noch meine Würde nehmen zu lassen – zog ich mir seinen Ring vom Finger und legte ihn auf die Ecke seiner Kommode. Ohne ein weiteres Wort drehte ich mich auf dem Absatz um und verließ das Schlafzimmer, marschierte direkt durch den Flur und zur Haustür. Ich blieb gerade lange genug stehen, um mir meine Tasche und die Schlüssel zu schnappen, dann stieg ich in meinen Jeep und warf die Klamotten der Frau auf den Beifahrersitz. Ein paar Kilometer die Straße hinunter fing ich an zu lachen. Noch ein paar Kilometer später brach ich in Tränen aus.

Kapitel 6

Mister X

Manchmal geschieht in unserem Leben etwas Entscheidendes, und wir merken es erst im Nachhinein, wenn wir daran zurückdenken. Späte Einsicht und so. Heute war kein solcher Tag. Alle meine Instinkte hatten meine Aufmerksamkeit verlangt. Ein Kribbeln in der Magengrube. Aufgerichtete Nackenhaare. Ein lautes Flüstern in meinem Kopf. Hey, Arschloch! Pass auf, du erlebst gerade einen dieser Momente, an die du dich dein Lebtag erinnern wirst. Von heute an würde mein Leben einen anderen Verlauf nehmen. Ich wusste nicht, wie. Ich wusste nicht, wieso. Ich wusste es einfach.

Als ich mich auf meinen Lieblingsplatz in meinem zweitliebsten Café in Galveston fallen ließ und direkt auf einem abgegriffenen Ledertagebuch landete, hätte ich das Ding einfach beim Barista abgeben sollen. Die Seiten durchblättern? Die Worte lesen? Das war Verletzung der Privatsphäre, und die Privatsphäre war zu respektieren. Ich jedenfalls hätte niemandem verziehen, der in meine allerintimsten Gedanken eingedrungen wäre, und in meinem Leben gab es keinen Platz für Scheinheiligkeit.

Aber ich konnte dem Buch einfach nicht widerstehen. Wie schwer es in meiner Hand lag. Der Geruch von Leder und Papier. Dem verschrammten Einband und den angestoßenen Ecken nach zu urteilen, hatte dieses Buch eine beträchtliche Zeit in den Händen von jemandem verbracht. Ich fuhr mit dem Daumen über das Papier, dann spähte ich hinein, in der Hoffnung, den Namen des Besitzers zu entdecken.

Das war der erste Fehler. Ein paar Wörter fielen mir ins Auge, und das führte zum zweiten Fehler. Ich schlug das Buch auf und fing an zu lesen …

… und darin fand ich das faszinierendste Wesen, dem ich jemals begegnet war.

Tiefgründige Gedanken stiegen aus den Seiten empor. Poetisches. Manchmal Nachdenkliches, aber in den überwiegenden Fällen Freude und Staunen. Unter dem verkratzten Ledereinband versteckte sich eine Frau, die in jedem Tag ein Geschenk sah, das man auspacken und genießen sollte. Eine Frau, die gab und gab und gab, einem selbstsüchtigen Bastard, der sich keine Mühe machte, etwas zurückzugeben, und dann wunderte sie sich, warum sie keine Erfüllung fand.

Je mehr ich las, desto zorniger wurde ich. Wer auch immer diese Frau war, sie hatte es verdient, sich mit Menschen zu umgeben, die erkannten, was für ein Wunder sie war. Aber dieser Nash? Der wusste sie nicht zu schätzen. Der sorgte nicht für sie.

Bestimmt betrog er sie, und sie war eine zu gute Seele, um die Anzeichen zu erkennen. Ich wollte ihr sagen, dass er sie nur ausnutzte. Ich wollte sie beschützen. Denn das macht man doch, wenn man etwas Kostbares gefunden hat, oder? Man hält es fest und hält es von allem fern, was es zerstören könnte.

Und so war es mein Beschützerinstinkt, der mich zu meinem dritten Fehler verleitete. Anstatt das verdammte Buch einfach zuzuklappen und dem Barista anzuvertrauen, holte ich einen Bleistift hervor und schrieb der geheimnisvollen Frau eine Nachricht. Ich kritzelte meine Gedanken hin, eine konfuse Mischung aus Bewunderung, Lust und dem Verlangen, sie vor ihrem Arschloch-Verlobten zu beschützen. Von ihrer Warte aus, das verstand ich, war ich das Arschloch. Der Mann, der ihre intimsten Gedanken gelesen hatte und dann auch noch so dreist war, sie zu kommentieren.

Mein Wunsch, mehr über sie zu erfahren, drängte mich dazu, ihr irgendeine Kontaktmöglichkeit zu geben. Also tat ich, was jeder vollkommen rationale anonyme Stalker tun würde. Ich holte mein Handy hervor und legte mir hastig eine neue E-Mail-Adresse zu, die ich dann in das Tagebuch kritzelte. Ich starrte auf meine Worte, anfangs noch aufgeregt, doch dann nahm die Sorge überhand.

Je länger ich darüber nachdachte, wie diese Verletzung ihrer Privatsphäre auf sie wirken musste, desto mehr kam ich mir vor wie ein Dieb. Wie ein Verräter. Dabei wollte ich doch nichts anderes, als mich mit dieser wunderschönen Seele zu verbinden. Wahrscheinlich war ich nicht besser als der Mann, mit dem sie schon jetzt ihre Zeit verschwendete. Ein Mann, der nahm, aber nichts zurückgab. Ein Mann, der auf ihren Bedürfnissen herumtrampelte, um seine zu erfüllen.

Und so machte ich den vierten Fehler. Anstatt darauf zu warten, dass sie wiederkäme, sodass ich ihr in die Augen sehen und ihr erklären konnte, was passiert war, schob ich das Tagebuch zwischen die Wand und das Sitzkissen – in der Hoffnung, dass es von niemandem als der geheimnisvollen Frau selbst gefunden würde – und ging.

Kapitel 7

Von: JournalGirl <[email protected]>

An: Mister X <[email protected]>

Gesendet: 20. Juli 2018 um 1:17 Uhr

Betreff: Danke, Arschloch

Ich komme direkt zur Sache: Welcher Perverse liest anderer Leute Tagebuch? Ganz im Ernst. Was hast du dir dabei gedacht? Was ich in dieses Buch schreibe, geht niemanden etwas an. Niemanden. Nicht meinen Verlobten. Nicht meine Freunde. Nicht meine Eltern. Diese Worte waren privat. Manche waren unreif und egozentrisch. Manche waren nichts als reine Emotionen, hingekritzelt in der Hitze des Augenblicks, damit ich nicht die Dummheit begehe, sie laut auszusprechen. Manche waren sinnlose Tagträume, meine idealistische Sicht auf die Welt.

Aber die Sache ist die: NICHTS davon war für dich.

Jetzt kann ich nicht mehr behaupten, dass es Dinge sind, die niemand über mich weiß, denn du weißt sie jetzt. Ein völlig Fremder. Ein egoistischer Penner. Ein dreistes Arschloch.

Und dann erlaubst du dir auch noch, sie zu kommentieren?

Du würdest mit den Fingern über meinen Körper wandern? Geht’s noch? Woher nimmst du dir das Recht, zu jemandem, den du überhaupt nicht kennst, so etwas zu sagen? Bist du wirklich so aufgeblasen, dass du glaubst, ich würde mich winden und deinen Namen schreien? Du behauptest, du wärst kein Idiot, aber hallo! Ich würde sagen, was du getan hast, fällt definitiv in die Kategorie Idiot, meinst du nicht?

Tja, und trotzdem schreibe ich dir jetzt diese E-Mail, wie du verlangt hast. Also vielleicht sollte ich nicht so vorschnell urteilen.

Vielleicht hast du mehr verstanden, als ich zugeben möchte …

Du hattest übrigens recht. Nash ist tatsächlich ein Idiot. Ein totales und absolutes Arschgesicht, und nur seinetwegen bin ich gerade betrunken, und nur deswegen schreibe ich dir überhaupt diese Mail … Wahrscheinlich musste ich mir erst Mut antrinken. Und falls du es nicht gemerkt hast: Das ist eine funkelnagelneue Mail-Adresse – was hast du denn gedacht? Welche vernünftige Frau würde einem Fremden von ihrer richtigen Adresse schreiben?

Und falls du die Absenderzeile nicht gelesen hast, da steht: NIMM DICH NICHT SO WICHTIG.

Das Letzte, was ich heute gebraucht habe, warst du. Also wirklich das absolut Allerletzte.

Jetzt bist du in meinem Kopf, und ich weiß nicht so recht, was du da willst. Mein ganzes Leben wurde heute auf den Kopf gestellt, und ich habe keine Ahnung, was ich jetzt machen soll, aber sobald ich die Augen schließe, sehe ich dich. Dabei weiß ich nicht einmal, wie du aussiehst. Also sehe ich eigentlich nur deine Worte, und das ist irgendwie noch schlimmer, weil sie mir etwas bedeutet haben.

Vielen Dank auch.

Ich muss diese Gedanken aus dem Kopf bekommen, bevor sie mich in den Wahnsinn treiben, aber mein Tagebuch kann ich auch nicht aufschlagen, denn da bist du auch drin! An dem einzigen Ort, wo ich alles sagen konnte, was niemand hören durfte. Der einzige Ort, wo ich Dampf ablassen und den Lärm aus meinem Kopf bekommen konnte – und glaub mir, heute hätte ich das echt nötig. Aber jetzt ist es kontaminiert, denn wenn ich zur ersten leeren Seite blättere, dann bist DU da. Woher nimmst du dir das Recht, solche Sachen über mich zu sagen?

Du siehst es nicht, aber ich zeige dir gerade den Stinkefinger. Und schenke mir noch ein Glas ein. So, ich hoffe, du bist jetzt glücklich. Denn ich bin es verdammt noch mal nicht.

Von: Mister X <[email protected]>

An: JournalGirl <[email protected]>

Gesendet: 20. Juli 2018 um 1:30 Uhr

Betreff: Re: Danke, Arschloch

Ob ich glücklich bin? Ja.

Nicht, weil du unglücklich bist. Nicht, weil dein Leben auf den Kopf gestellt wurde. Nicht, weil Nash ein Idiot ist – auch wenn ich bei meiner Meinung über ihn bleibe.

Nein, ich bin glücklich, weil du mir geschrieben hast.

Damit habe ich nicht gerechnet.

Ich konnte nicht aufhören, an dich zu denken.

Ich weiß, es war falsch, dass ich dein Tagebuch gelesen habe. Das sehe ich ein, aber bitte sei nicht so streng mit mir. Wenn du das Buch aufgeschlagen und dich darin gefunden hättest, dann hättest du auch weitergelesen. Das hätte jeder. Du bist faszinierend. Wer würde von dir kosten und keinen Nachschlag wollen?

Ich bin auch nur ein Mensch. Ein Sterblicher. Nur ein Übermensch hätte dich zwischen den Seiten entdecken und das Buch wieder zuschlagen können.

Am meisten bereue ich, dass ich mir nicht die Zeit genommen habe, jedes einzelne Wort so zu würdigen, wie es das verdient hätte. Ich habe geblättert, die Seiten überflogen, denn je mehr ich las, umso mehr wollte ich, und so habe ich deine Worte verschlungen wie ein gieriger kleiner Junge.

Wenn ich noch einmal von vorne anfangen könnte, würde ich jede Seite genießen.

Ich würde sie wieder und wieder lesen, bis ich dich in- und auswendig kenne.

Und wenn du zurück in das Café kämst, dann würde ich immer noch dort sitzen und warten …

Auf dich.

Cat

Als ich seine Worte las, zitterte ich. Ich wollte wütend auf ihn sein, aber das Feuer war beinahe verloschen. Er wirkte so ehrlich. So freundlich. Und so unverschämt die Verletzung meiner Privatsphäre auch gewesen war, fiel es mir schwer, sauer auf jemanden zu sein, der mich vollkommen unzensiert gesehen hatte und trotzdem mehr wollte.

Andererseits konnte sich im Internet jeder als das ausgeben, was er sein wollte. Auch wenn er poetische Worte schrieb, konnte er trotzdem ein egoistisches Arschloch sein, das mich ausnutzen wollte. Vielleicht war er pervers. Vielleicht machte er so was ständig, und wenn irgendeine arme Frau ihm schließlich antwortete, dann schmeichelte er sich in ihr Leben hinein, um sie zu entführen. Zu vergewaltigen. Zu ermorden. Wer weiß, was noch. Die Welt war voller Verrückter, die fremden Menschen Schreckliches antaten. Verdammt, die Welt war sogar voller Verrückter, die ihren Liebsten Schreckliches antaten. Beweise gefällig? Nash.

Wieso war dieser Fremde überhaupt mitten in der Woche um halb zwei morgens wach? Ich hatte einen guten Grund, wach zu sein. Keinen Job mehr. Keinen Verlobten mehr. Keinen Platz im eigenen Bett.

Aber dieser Typ? Mister X? Mit welcher Ausrede schlug er sich die Nacht um die Ohren? Vermutlich aus ähnlichen Gründen wie ich. Kein Job. Keine Verpflichtungen. Bestimmt wohnte er bei seiner Mutter im Keller und wartete auf sein nächstes Opfer.

Aber, o Mann, er hatte mir wirklich genau das gesagt, was ich hören wollte …

»Erde an Kitty Cat.« Chris beugte sich vor und wedelte mit einer Hand vor meinem Gesicht herum. »Bist du da drin? Willst du noch was?« Er hielt sein leeres Margarita-Glas hoch und ließ das Eis darin klimpern.

»Nein, danke. Alles gut. Ich hab noch.« Ich sperrte mein Handy und ließ mich zurück in den Sessel sinken. »Nein, eigentlich nicht alles gut. Ich bin arbeitslos. Obdachlos. Mein Verlobter betrügt mich. Ich habe keine Ahnung, was ich jetzt machen soll.«

»Wem sagst du das«, sagte Chris theatralisch seufzend, dabei hatte er bloß seinen Job verloren und nicht wie ich den Job, den Verlobten, das Zuhause und die Privatsphäre. Wobei, von Mister X und dem Tagebuch wusste er ja gar nichts. Nach allem, was heute passiert war, wollte ich wenigstens dieses Häppchen für mich behalten. Wie hätte ich ihm auch erklären sollen, dass ich seltsam gerührt war und wider besseres Wissen einem Mann geantwortet hatte, der möglicherweise ein Serienkiller war?

Ich schloss die Augen und vergrub das Gesicht in den Händen. »Weißt du was?«, fragte ich, während ich zwischen den Fingern hindurchspähte.

»Was denn, Süße?« Chris schürzte die Lippen, es fehlte nur noch, dass er mit den Wimpern klimperte, dann ließ er sich von der Couch gleiten und schlurfte in die Küche, um sich nachzuschenken.

»Eigentlich geht’s mir gut. Klar, ich habe eine Menge verloren. Und ja, hier weht jetzt eindeutig ein anderer Wind. Aber so toll war der Job nun wirklich nicht. Das Haus kam mir vor wie ein Museum. Und das Arschgesicht?«

Chris schaute um die Ecke. »Du bist froh, dass du ihn los bist?«

»Genau. Das bin ich.« Ich nickte entschieden und kleckerte mir Margarita auf die Jeans. »Das ist meine Chance auf einen Neuanfang. Mich zu häuten. Die ausgetretenen Pfade zu verlassen und etwas Spannendes anzufangen.« Ich lächelte beim Sprechen, und dann verzog ich das Gesicht, als mir klar wurde, dass ich mich anhörte wie meine Mom. Das war eigentlich nichts Schlimmes. Meine Mom war glücklich. Ununterbrochen. Aber ich war mir einfach nicht sicher, ob sie der Elternteil war, dem ich nacheifern wollte, schließlich hatte sie ihr Zuhause und, na ja, mich verlassen, um in einem klapprigen Wohnmobil um die Welt zu reisen.

»Hast du schon was von dem Arschloch gehört?«, fragte Chris.

Keiner von uns hatte seinen Namen ausgesprochen, seit ich vor Chris’ Wohnung aufgetaucht war. Mein arschiger, fremdgehender Ex-Verlobter würde für immer namenlos bleiben.

»Ich glaube, wir haben alles gesagt, was zu sagen war, nachdem ich zurückgefahren bin, um mit ihm zu reden.« Ich verzog das Gesicht, als ich an die Szene dachte, denn irgendwann hatte ich schließlich aufgehört zu weinen und den Jeep gewendet. Nash war vor Wut kochend in einer Schlafanzughose im Haus herummarschiert. Kaum war ich zur Tür hereingekommen, ging er auf mich los. Angeblich sei die ganze Affäre meine Schuld. Ich hätte die ganze Zeit nur auf der Stelle getreten, ohne voranzukommen. Ich sei der Klotz an seinem Bein, der ihn nach unten zog, und diese Frau sein Rettungsanker. Er schäme sich für mich und sei überzeugt davon, dass auch mein Vater sich schäme. Wenn ihn seine Arbeitskollegen gefragt hätten, was ich mache, habe er es nie über sich gebracht, ihnen zu erzählen, ich sei Masseurin. Nash Addington war viel zu vornehm, um mit einer Frau verlobt zu sein, deren Mutter in einem Wohnmobil lebte.

»Tja, echt krass. Was willst du jetzt machen?« Chris streifte beim Hindurchgehen den Türrahmen mit seiner Schulter und stolperte ein paar Schritte, ehe er sich wieder auf sein Sofa mit Zebraprint fallen ließ. »Also, du kannst gern hier übernachten, solange du willst, aber ich bin ein schrecklicher Mitbewohner, und auf dieser Couch sind Rückenschmerzen vorprogrammiert.« Er grinste mir über den Rand seines Glases zu, dann stürzte er mit einem Schluck den halben Drink hinunter. Das war vermutlich einer der Vorteile, wenn man Bodybuilder war. Mehr Körpermasse, mehr Margaritas.

»Tja, wenn du es so sagst …« Ich grinste meinen Freund an, dann seufzte ich. Es war eine gute Frage. Was wollte ich jetzt machen? Noch hatte ich meinem Dad nichts erzählt, aber ich bezweifelte, dass er mich bei sich aufnehmen würde, obwohl er in seinem Haus mehr als genug Platz hatte. Seine gesamte Erziehung basierte auf liebevoller Strenge, und er hatte mir unmissverständlich klargemacht, sobald ich auszöge, wäre es für immer. Bei meiner Mutter dagegen wäre ich bestimmt willkommen, auch wenn ich wirklich nicht wusste, wo in ihrem ramponierten Wohnmobil ich schlafen sollte.

»Ich weiß, was du machst«, sagte Chris. »Du schwingst deinen Arsch in die Küche, holst dir noch eine Margarita und trinkst, bis du nicht mehr geradeaus schauen kannst. Deine anderen Probleme lösen wir morgen früh.«

Bei diesen Worten fiel mir Mister X wieder ein, der mir versprochen hatte, mein körperliches Problem zu lösen, aber den Gedanken verbannte ich rasch in eine dunkle Ecke meines Hinterkopfes. Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte, war noch ein Mann, der mir die Energie raubte, die ich gerade viel dringender für mich selbst brauchte.

»Morgen früh, ja? Einfach so machen wir alles wieder gut?«

»Ach, Kitty Cat.« Chris zwinkerte und warf den Kopf zurück, als hätte er lange, wallende Haare anstatt eines lilafarbenen Bürstenhaarschnitts. »Unterschätze niemals die Macht von zu viel Tequila und zu wenig Schlaf.«

Kapitel 8

Lucas

Das Hutton Hotel war ursprünglich mein Elternhaus gewesen. Wir nannten es The Hut, dabei war es alles andere als eine Hütte, sondern ein weitläufiges Haus im Kolonialstil am Strand, das mehr Zimmer hatte als wir Familienmitglieder. Der ungenutzte Platz bereitete unserer Mom Unbehagen. Ihr Herz war so groß, dass sie die ganze Welt darin einschließen konnte, und ihr Verstand so scharf, dass sie eine Geschäftsgelegenheit erkannte, wenn sie eine sah. Sie verwandelte die freien Zimmer in ein Bed and Breakfast, und die fünf blonden, von der Sonne Floridas gebräunten Kinder, so höflich und wohlerzogen, wurden zu den Lieblingen der wiederkehrenden Gäste.

Schon bald gab es eine monatelange Warteliste für die Zimmer, und auf Moms stilles Drängen kaufte Dad ein paar Morgen Land neben unserem Grundstück und baute eine Reihe von Bungalows, um mehr Gäste beherbergen zu können. Wir packten alle mit an, oder zumindest ließ er uns in dem Glauben, wir wären ihm eine Hilfe, wenn wir ihm Hammer und Nägel reichten. Wir fünf standen herum und betrachteten mit in die Hüfte gestemmten Händen die Pläne. Wir waren noch zu klein, um die Arbeit unseres Vaters würdigen zu können. Die Bungalows waren der Hit, und als wir erneut expandierten, engagierte Dad eine Baufirma. Die Gebäude wurden größer, die Mitarbeiter zahlreicher, und die Hutton-Kids wuchsen heran.