Body Reading - Marco Gerhards - E-Book

Body Reading E-Book

Marco Gerhards

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Beschreibung

Körperanalyse mit Body ReadingDie Signale des eigenen und des fremden Körpers zu lesen, zu verstehen und zu deuten, war früher (über)lebensnotwendig! Als unbewusste Persönlichkeitsanalyse ist sie erhalten geblieben, als bewusste Methode der Körpertherapie kann sie direkt beim Menschen in der therapeutischen und pädagogischen Arbeit eingesetzt werden.Das Fachbuch zum Body Reading stellt ein vollständiges Instrumentarium bereit zur Analyse und Diagnose der auditiven, visuellen und kinästhetischen Signale des Körpers und befähigt damit die Therapeut_innen, die Problematiken ihrer Klient_innen zu entschlüsseln.Der Autor ist einer der führenden Experten für Body Reading. Er beschreibt diese Methode vor dem Hintergrund seiner Qualifikationen als biologischer Anthropologe und seiner praktischen Arbeit als Bewegungs- und Körperpädagoge. So verknüpft er die theoretischen Grundlagen mit seiner praktischen Analyse und unterlegt seine Erkenntnisse anschaulich mit zahlreichen Fotografien.Struktur und InhaltKörperliche Grundlagen (Wahrnehmung, Nervensystem, Selbstbild)Methoden und Hintergründe des Body Readings (Technik des Spiegelns; Auditives, Visuelles und Kinästhetisches Body Reading)Körperanalyse (Füße, Knie, Beine, Becken, Rumpf, Brust, Schultern, Arme, Hals, Kopf, Gesicht, Kiefer, Gesamtüberblick)Anhänge: Muskeln und ihre Bedeutung im Body Reading, spezielle Methoden.

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Marco Gerhards

Body Reading

Körpersprache deuten

Body Reading

Marco Gerhards

Programmbereich Gesundheitsberufe

Wissenschaftlicher Beirat Programmbereich Gesundheitsberufe

Sophie Karoline Brandt, Bern; Jutta Berding, Osnabrück; Heidi Höppner, Berlin; Heike Kubat, Feldbach; Christiane Mentrup, Zürich; Sascha Sommer, Bochum; Birgit Stubner, Erlangen-Nürnberg; Markus Wirz, Zürich; Ursula Walkenhorst, Osnabrück

Marco Gerhards, Magister in biologischer Anthropologie, Sport- und Gymnastiklehrer, wissenschaftlicher Autor, Dozent in der Aus- und Fortbildung, Bewegungs- und Körperpädagoge, selbstständiger Körpertherapeut

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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Hogrefe AG

Lektorat Gesundheitsberufe

z.Hd.: Barbara Müller

Länggass-Strasse 76

3012 Bern

Schweiz

Tel: +41 31 300 45 00

[email protected]

www.hogrefe.ch

Lektorat: Barbara Müller

Herstellung: Daniel Berger

Umschlagabbildung: © Atenna, Getty Images

Umschlag: Claude Borer, Riehen

Satz: Claudia Wild, Konstanz

Format: EPUB

1. Auflage 2021

© 2021 Hogrefe Verlag, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-96112-5)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-76112-1)

ISBN 978-3-456-86112-8

https://doi.org/10.1024/86112-000

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Einführung

1.1 Was ist Body Reading?

1.2 Bewegungsökonomie und Ausdrucksharmonie

1.3 Fähigkeiten beim Body Reading

1.4 Was ist Ihr Ziel?

1.5 Inhalt

2 Körperliche Grundlagen

2.1 Wahrnehmungsfelder

2.2 Das Bild meines Körpers (Übung)

2.3 Becken

2.3.1 „Beckenrolle“ (Übung)

2.3.2 Beckenorganisation

2.3.3 Beckenbeobachtung

2.3.4 Body Reading des Beckens

3 Grundlagen des Body Readings

3.1 Body Reading als Wissenschaft

3.1.1 Basisprinzipien

3.2 Body Reading ist nicht Body Language

3.2.1 Lernen und Verstehen

3.2.2 Erfahren durch Erleben

3.2.3 Die Energie im Körper (Übung)

3.3 Warum das Erleben so wichtig ist

3.3.1 Die Organisation des Nervensystems

3.4 Spiegeln

3.4.1 Das Gehen spiegeln (Übung)

3.5 Geschichte des Body Readings

3.5.1 Der Verlust

3.5.2 Die Mehrabian-Studie

3.6 Der umfassende Körper

3.6.1 Der Körper folgt Empfindungen, Gefühlen und Gedanken

3.6.2 Der Körper folgt – der Körper führt

3.7 Body-Reading-Methoden

3.7.1 Bilder spiegeln (Übung)

3.7.2 Drei Arten zu lesen

3.7.3 Auditives Body Reading

3.7.4 Visuelles Body Reading

3.7.5 Die drei Ebenen des Körpers (Übung)

3.7.6 Kinästhetisches Body Reading

3.8 Die Intuition beginnt

4 Körperanalyse

4.1 Die Füße (Sprunggelenke)

4.2 Knie

4.3 Beine

4.4 Rumpf

4.5 Beckenboden (Geschlechtsorgane) und Gesäß

4.5.1 Beckenboden

4.5.2 Gesäß

4.6 Brustkorb

4.7 Schultern

4.8 Arme, Hände und Finger

4.9 Hals und Nacken

4.10 Kopf

4.11 Kiefer

4.12 Gesicht

4.13 Gesamtüberblick

5 Die Muskulatur

5.1 Bedeutung der Muskulatur

5.1.1 Rumpfmuskulatur

5.1.2 Muskelreflexe

5.1.3 Muskelblockaden

5.2 Wilhelm Reich

6 Ergänzungen

6.1 Scanning

6.2 Behinderungen

6.3 Die Atemformen

6.4 Therapie

6.5 Fallbeispiel

Anhang

Zeichnungen

Literatur

Über den Autor

Sachwortverzeichnis

|9|Vorwort

Ich bin es gewohnt, direkt anzufangen. So funktioniert auch Body Reading – ungefiltert und im Jetzt. Ein Vorwort zu schreiben ist an dieser Stelle dennoch sinnvoll: um auf die besonderen Voraussetzungen einzugehen, derer das Body Reading bedarf. Denn obwohl es kein Vorspiel, kein langsames Herantasten an die Wahrnehmung des Anderen im eigenen Körper gibt, so braucht es doch zwei gewichtige Vorannahmen: Das Gebot der Demut und das Prinzip der Aufmerksamkeit. Bevor wir in die Interaktion treten, den Körper des Gegenübers leibhaftig in uns wahrnehmen können, sollten wir in der Lage sein, uns gefragt und gezielt dieser Aufgabe zu widmen.

Das Gebot der Demut besagt, dass das eigene Erleben eine subjektive Erfahrung ist, die dem Anderen angeboten, aber nicht auferlegt werden kann. Es besagt darüber hinaus, dass wir nicht willkürlich mit unserer Fähigkeit in anderer Leute Körper eindringen und sie ungefragt lesen; sondern ihnen nur bei Bedarf unsere Unterstützung zuteilwerden lassen.

Die Aufmerksamkeit ist vonnöten, um bewusst in den Prozess der Interaktion einzutauchen. Je tiefer man lesen möchte, umso aufmerksamer wird man sein. Es ist nicht möglich, Body Reading mit allen auf der Straße vorbeigehenden Passanten auszuführen; auf Einzelne können wir unsere Aufmerksamkeit hingegen richten. Dennoch ist dies auf einer Straße mit fremden Menschen selten angebracht. Und wenn doch, hält es uns von unseren Notwendigkeiten ab: dem Gehen, dem Sprechen, dem Tragen, dem Ziehen, dem Schieben, auch dem aufs Handy schauen. Denn: Wir brauchen bewusste Aufmerksamkeit im Body Reading. Eine lustige Situation ergab sich vor einigen Jahren an einer Ausbildungsstätte für Erwachsene, an der ich unterrichtete, und wo es sich über das eigentliche Maß hinaus herumgesprochen hatte, dass ich professionelles Body Reading betreibe. So entstand für eine ganze Weile ein unhörbares Raunen im Pausenraum, wenn ich hinzukam; traf ich Schüler im Vorbeigehen auf dem Flur, erntete ich verängstigte, abwehrende Blicke. Eben genau so, als ob es genügte, irgendwo vorbeizulaufen und all das zu erfahren, was wirklich im Körper spricht. Dies ist tatsächlich möglich; doch dafür braucht es einerseits eine Anfrage und andererseits zielgerichtete Aufmerksamkeit.

Was keine große Aufmerksamkeit verlangt, quasi nicht wieder erlernt werden muss, ist das, was ich das urerste Body Reading nenne. Es ist eine Fähigkeit, die jeder Mensch jederzeit anwendet. Der erste Blick, die direkte Begegnung mit dem ande|10|ren Wesen – die in sich selbst reflektierte Erfahrung des körperlichen Gegenübers. Für manche Menschen ist diese Form des Body Readings selbstverständlich. Denn jedes Kleinkind, das noch nicht sprechen kann, nutzt diese Fähigkeit beständig und orientiert sich an den Körpern und dessen Ausdrucksformen in seiner Umgebung. Im Tierreich ist es unüblich, diese in höchstem Maße ausgeprägte Fähigkeit im weiteren Verlauf des Lebens einzuschränken – im Gegenteil. Beim Menschen hingegen ist sie im Erwachsenenalter häufig nur rudimentär ausgeprägt. Deshalb wird nachfolgend eine Form des Body Readings beschrieben, die das Bewusstsein des Körpers, des eigenen wie des anderen, erweitert. Um den Körper und seine Formen, seine Haltungen und Bewegungen zu erleben, sie zu begreifen und in eine klare und einfache Sprache zu übersetzen. Die Wahrung unserer ersten Wahrnehmung, das Verfestigen, Ausbauen oder Wiederlernen der körpersprachlichen Erfahrung. Dabei wünsche ich Ihnen viel Freude.

Freiburg im Juli 2020

|11|1  Einführung

1.1  Was ist Body Reading?

Was ist Body Reading? Wörtlich: Körper lesen. Konkreter: Den menschlichen Körper lesen. Wie ein Buch; aber auch wie einen Film, ein Hörspiel oder ein Gemälde. Nur sind es nicht die Buchstaben, Schauspieler, Stimmen oder Farben, die es zu unterscheiden gilt, sondern die Gelenke und Muskeln, die Impulse und Regungen.

Der Körper als Sprache des Wesens ist so alt wie der Körper selbst. Das gilt für alle Lebewesen, also auch für den Menschen1. Nur verhält sich dieser im Vergleich zu anderen Wesen speziell, da sein Ausdruck störanfällig ist. Qua seines Verstandes hebt er sich über seine instinktive, animalische Organisation. Das kann sinnvoll, aber auch gefährlich sein. Deswegen bezeichnet man in der traditionellen Körpertherapie seit über einhundert Jahren den Körper, um den es hier geht, als Leib. Um zu verdeutlichen, dass das mechanische Bild des Körpers, das in Medizin und Wissenschaften benutzt wird, unbedingt zu erweitern ist: Der Leib ist Sinnbild für den ganzen Menschen. Für Biomechanik und Biochemie, für Gedanken und Gefühle, für Stimmungen und Charakter.

Für das kommende Unternehmen ist es sinnvoll, diesen Ansatz zu integrieren, wiewohl es nicht notwendig sein wird, ihn auch verbal so zu übernehmen. Im weiteren Verlauf bleibt es bei der Bezeichnung Körper, wohl wissend, dass er jederzeit als vollständige Einheit verstanden wird: als das Konglomerat unterschiedlicher Wahrnehmungsfelder, als Wirklichkeit der Empfindungen, Gedanken, Gefühle und Intuitionen. Wer diese Vollständigkeit offen annimmt, ist bereit für eine intensive Form des Body Readings und wird mit Hilfe von Körperwahrnehmung und Empathie die Botschaften des Körpers begreifen.

Heutzutage sind häufig nur die oberflächlichen verbalen oder gestischen Merkmale Teil der körpersprachlichen Diskussionen. Die hier aufgezeigte Art der körpersprachlichen Deutung, das Body Reading, geht weitaus tiefer. Mit Hilfe einer |12|besonderen Technik wird der Körper umfassend empfangen, gelesen, erkannt und verstanden. Man begreift die Botschaften in der Haltung, den Gelenkstellungen, den Muskelspannungen und -verspannungen; in Routinemustern von Händen und Armen, in Schultergürtel- und Wirbelsäulenform; in Becken-, Knie- und Fußpositionen; aber auch in Mimik und Augenbewegungen, in Stimmmodulation, Schreibstil, Kommunikationsmethoden und nicht zuletzt dem Ausdruck der Gefühle.

Um all diese und noch viele weitere Botschaften zu begreifen, muss man in der Lage sein, sich mit dem Körper eines anderen zu verbinden. Diese Verbindung ist Teil eines Transfers von Informationen, die in jeder biologischen Sozialform ein fest verankerter Teil der Entwicklung sind. Es ist notwendig, die körperlichen Muster des Gegenübers zu erkennen; genauso wie es notwendig ist, dass man seine Bedürfnisse, Gefühle und Erkenntnisse an andere vermitteln kann – ohne dass man die dazugehörige Technik der mimischen oder gestischen Manipulation abrufen müsste. Besonders in den ersten, nicht sprachlich-verbalen Jahren des Lebens, ist diese Fähigkeit notwendig und daher auch allgegenwärtig. Wenn im weiteren Verlauf der persönlichen Entwicklung spezielle Fertigkeiten hinzukommen, bleibt diese besondere Art des Erkennens jederzeit abrufbar. Sie ist die Grundlage des Body Readings. Sie vollzieht sich von außen nach innen, und wirkt von dort wieder nach außen. Bevor man einen anderen Körper analysiert, wird jede Regung bei sich selbst erfahren, als Resonanz und Spürgrund, als eigenes körperliches Erleben. Wer nun meint, Body Reading sei nur etwas für Spürnasen, der verkennt die notwendige funktionelle Grundlage: die Prinzipien der Anthropologie, der Wissenschaft vom Menschen.

Body Reading ist eine archetypische, erbbiologisch fest verwurzelte Fähigkeit, um in einer sozialen Tierart, wie der des Menschen, überleben zu können. Warum viele Menschen diese Fähigkeit, die einfacher als Gehen oder Sprechen ist, nicht mehr bewusst wahrnehmen können, wird auch in diesem Buch beschrieben. Wichtiger aber sind die Möglichkeiten der Wiederentdeckung und Reanimierung der eigenen biologischen Organisation. Sich zunächst dieser uralten Fähigkeit bewusst zu werden, ist ein bedeutender Schritt; und das Wort Fähigkeit weist bereits auf eine Simplizität hin. Denn es meint im Gegensatz zu einer Fertigkeit angeborenes und nicht erlerntes Können. Body Reading ist also die Grundlage eines sozialen Körpers, eine angeborene Fähigkeit. Die funktionellen Erklärungen darüber sind eine gelernte Fertigkeit. Beides wird auf den folgenden Seiten (wieder) erlernt. Wie leicht das geht, zeigen die beiden wichtigsten Entdeckungen, die Sie bei anderen Menschen machen können: die Bewegungsökonomie – der funktionelle Blick – und die Ausdrucksharmonie – der Abgleich mit der Lebendigkeit, der Kongruenz von innen und außen.

|13|1.2  Bewegungsökonomie und Ausdrucksharmonie

Bewegungsökonomie ist die am leichtesten zu begreifende und wichtigste Eigenart des Lebens. Sie besagt: Wende nur das an Energie auf, was nötig ist. Wendest Du mehr an, verbrauchst Du Lebensenergie, ein unökonomisches Verhalten. Dies gilt besonders für die Skelettmuskulatur, wenngleich auch andere Organsysteme gestört werden können. Diese wissen sich jedoch in derlei Situationen selbst zu helfen. Die Ökonomie unseres Herzens oder Blutkreislaufs können wir zwar durch unser Verhalten negativ manipulieren, aber die eigentliche muskuläre Arbeit des Herzmuskels und die rhythmische Steuerung der Gefäße wird ökonomisch weiterarbeiten. Anders ausgedrückt: Wir können unseren Blutkreislauf durch ein Zuviel oder Zuwenig an Anregung beeinflussen, positiv wie negativ; aber die eigentliche physiologische Arbeit wird von der Körperintelligenz bestmöglich ausgeführt. Dies gilt für äußere Bewegungen in dem Maße nicht, denn die willkürliche Skelettmuskulatur ist jederzeit anfällig für unökonomisches Verhalten.

Wer andere Menschen beobachtet, erkennt die vergeudete Energie besonders in Form von Verspannungen in Kiefer, Schultern, Bauch oder Beckenboden. Auch alle anderen Muskelgruppen sind, je nach Typ und Eigenart, betroffen. Sie sind so allgegenwärtig, dass sie niemandem auffallen, denn: gleich und gleich gesellt sich gern. Wenn man Kleinkinder oder Tiere beobachtet, bekommt man ganz ohne wissenschaftliche Vorgabe die bestmögliche Ökonomie präsentiert. Dies ist ein wichtiger Grund, warum viele diese Lebewesen so anziehend, beruhigend und vor allen Dingen wirklich finden. Auch der Erwachsene hat einen instinktiven Mechanismus, der es ihm verbieten könnte, seine Natürlichkeit derart häufig zu verlieren. Doch die kulturellen Gepflogenheiten, die den körperlichen Ausdruck in hohem Maße regeln, erweisen sich als mächtiger Klotz, insbesondere mit der Gewohnheit, emotionale Befindlichkeiten zu bagatellisieren.

Wer nicht gelernt hat, wie man einen Stift hält, welches Zuviel und Zuwenig von Muskeleinsatz beim Schreiben gebraucht wird, wie Schulter, Brustkorb und Kopf die Bewegung begleiten; sondern wer gelernt hat, wie man richtig und wie man schönschreibt, der hat seine Ökonomie aus dem Bewusstsein verdrängt. Das kann man beim Akt des Schreibens dann anhand einer unnötigen Verkrampfung der Unterarme und Finger, ja selbst des Beckenbodens, der Zehen oder anderer entfernter Muskeln als unökonomisch enttarnen. Diese Probleme gibt es bei allen Bewegungsformen, auch den einfachen wie Stehen, Gehen oder Sitzen. Mit Hilfe der Biomechanik, der messbaren Analyse des Körpers und seinen strukturellen Belastungen, den Bezugswerten von Zug und Druck, lassen sich diese Ungleichgewichte mathematisch verdeutlichen und nachempfinden. Das heißt aber nicht, dass unökonomisches Bewegen ein rein mechanischer Akt ist, der mit entsprechend mechanischen Gegenargumenten gelöst werden kann. Die Lösung ist meist |14|ein ebenso intensiver wie langwieriger Prozess, analog dem Anlernen solcher Muster. Besonders beachten sollte man dabei die zweite wichtige Eigenart beim Body Reading: die Ausdrucksharmonie.

Die Ausdrucksharmonie besagt, dass das, was ich ausdrücke, auch das ist, was ich empfinde. Wenn ich sage, mir geht es gut, aber mich gar nicht so fühle, bin ich unharmonisch im Ausdruck. Auch diese Form ist bei kleinen Kindern nicht möglich, wird aber ebenso wie die missachtete Bewegungsökonomie im Verlaufe der modernen Entwicklung anerzogen. Beide Eigenarten können miteinander, aber auch unabhängig voneinander auftreten. Jemand, der Schultern nach vorne, Finger verkrampft, Kopf gebeugt, Bauch und Beckenboden verspannt, über die Straße geht, ist zugleich unökonomisch und ausdrucksharmonisch, wenn er dabei streng und ernst dreinblickt und sich ebenso starr im Äußeren wie im Inneren präsentiert. Der Körper drückt seine Frustration oder seinen zwanghaften Charakter für alle sichtbar aus. Ganz anders ein Mensch mit dem gleichen Gangbild, den gleichen tiefen Regungen, aber einem gelöstem, entspannten oder rücksichtsvollem Ausdruck und Verhalten. Das betonte Freundlich- oder Höflichsein, welches die moderne Kultur kennt, obwohl einem gar nicht danach zu Mute ist: der klassische Fall fehlender Ausdrucksharmonie.

Die Ausdrucksharmonie ist somit der tiefere, ursächliche Aspekt, den es vor allem dann zu berücksichtigen gilt, wenn die Bewegungsökonomie zwar gestört, aber nicht so leicht wiederherzustellen ist. Hier ist es notwendig und darüber hinaus jederzeit empfehlenswert, die inneren Regungen miteinzubeziehen. Was mit Hilfe des hier vorgestellten Body Readings leichtfallen wird. Denn jede hochgezogene Schulter, jeder geschlossene Mund und jedes gekrümmte Becken erzählen eine Geschichte.

1.3  Fähigkeiten beim Body Reading

Um den Körpergeschichten desAnderen folgen zu können, bringt jeder Menschen alle Anlagen mit. Angeboren sind ihm folgende Fähigkeiten, die für das Body Reading unabdingbar sind: Körperwahrnehmung; das Annehmen von Empfindungen; Empathie; die Erfahrung, dass der Körper mehr ist als ein Ding, dass der Körper fühlen kann. Darüber hinaus ist es notwendig, sich von dem, was wir im Anderen wahrnehmen, emotional distanzieren zu können. Beim Body Reading passiert dies in der Regel automatisch, wenn man sich verantwortlich dem Gegenüber annähert. Schmerzen oder Einschränkungen kann man zwar nachempfinden, wird sie aber nicht als persönliche Eigenart übernehmen. Dies kann jedoch für besonders mitfühlende oder sensible Menschen eine Herausforderung darstellen, wenn sie sich auf eine Rolle als Helfer oder Retter versteifen. Der Grundsatz lautet deshalb: Body |15|Reading erfolgt ohne Absicht auf Veränderung und zielt zunächst auf die Bewusstwerdung der eigenen Fähigkeiten.

1.4  Was ist Ihr Ziel?

Aus welchem Bedürfnis heraus haben Sie angefangen zu lesen? Was möchten Sie mit Body Reading erreichen, was sind die angestrebten Ziele? Geht es um schnelles Durchschauen, Chiffrieren, das Erkennen des Anderen, quasi ein Gedankenleser zu werden, so dass man jederzeit Frau oder Herr der sozialen Lage ist? Sind es therapeutische und/oder pädagogische Motive, um andere besser kennenzulernen, sie zu begreifen, um dann Hilfestellung und Unterstützung anbieten zu können? Oder steht das Selbstverständnis im Vordergrund, die Durchleuchtung des eigenen Wesens anhand der körperlichen Bedingungen? In jedem dieser Motive geht es um Erkenntnis, um Entwicklung und um ein Verständnis der Welt, in der wir leben. Und welche Ebenen der Persönlichkeit wollen Sie in den Arbeitsprozessen, Gesprächssituationen oder Verkaufspräsentation abrufen? Mentale, kognitive, emotionale, orthopädische oder physiologische? Oder alle zusammen?

So oder so: es geht nur über den Körper. Und dabei helfen spezielle Methoden, die es erlauben, Body Reading eindringlich zu erleben. Die wichtigste Methodik ist die Anerkennung der menschlichen Typologie: Es ist notwendig, jedem Menschen seinen individuellen Charakter zuzugestehen und diesen in die Lesart miteinzubeziehen. Darüber hinaus spielen konstitutionelle Voraussetzungen eine Rolle, insbesondere die Form der persönlichen Atmungsaktivität. Obwohl wir zahlreiche Grundlagen aufstellen werden, die bestimmten Körperbereichen bestimmte Gefühle, Themen oder Einstellungen zuordnen, steht zuvorderst der individuelle Typ. Und diesem ist vor allem anderen Rechnung zu tragen. Menschen sind keine Schablonen oder Maschinen; gleichwohl sind sie bestimmten Voraussetzungen unterworfen. Des einen Energie ist boden-, des anderen raumgewandt; der eine ist extrovertiert, der andere introvertiert. Nicht als erlerntes Merkmal oder biografische Konditionierung, sondern als Grundlage seiner persönlichen Form. Diese Eigenarten werden stets der jeweiligen Body-Reading-Erkenntnis zugeordnet.

Darüber hinaus ist Body Reading etwas Bekanntes. Eine Fähigkeit, die alle Wesen kennen und ausführen, wenn auch zumeist unbewusst. Es geht demnach um die Wiederentdeckung eines verloren gegangenen Bewusstseins. In diesem Buch werden Impulse gesetzt, um sich dieser ureigenen Fähigkeit wieder anzunähern, die aber ohne die Verwirklichung auf der Gegenseite keinen Effekt haben werden. Um dies zu fördern, werden Übungen eingebaut, mit der Sie die theoretischen Impulse praktisch umsetzen können.

|16|1.5  Inhalt

Wir beginnen mit der leiblichen Basis. Anatomie und Biomechanik bilden die zentralen Grundpfeiler, besonders für den Bereich der Bewegungsökonomie. Darauf folgt eine klare Definition des Body Readings. Bisherige Ansätze und Methoden sollen untersucht und Licht ins Dunkel einer Erfahrungswissenschaft gebracht werden. Zumindest in abgeschwächter Form hat sie eine Tradition aufzuweisen, auf die wir uns zunächst stützen können. Der Kern wird die Praxislehre sein: was Menschen mit Hilfe auditiver, visueller und kinästhetischer Möglichkeiten beim Gegenüber lesen können. Wie und unter welchen Voraussetzungen funktioniert Body Reading? Darauf aufbauend wird der Körper, unterteilt in spezifische Regionen, analysiert. Welcher Körperbereich repräsentiert welches Verhalten; welche Emotionen, Empfindungen, Themen oder Erfahrungen sind hier sichtbar? Abschließen werden das Buch zwei größere Anhänge mit Ergänzungen zu den Themen Muskelblockaden und -reflexe sowie speziellen Formen des Body Readings und erweiterte Methoden. Als Ausblick verstanden wird dann die erste naheliegende Folgeoption dargelegt: die Körpertherapie anhand der analytischen Erkenntnis des Body Readings. Abschließen wird das Buch ein konkretes Fallbeispiel, an dem die hier aufgeführten Überlegungen und Methoden detailliert veranschaulicht werden.

1

Aus Gründen der Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter.

|17|2  Körperliche Grundlagen

2.1  Wahrnehmungsfelder

Der Körper hat eine Menge zu bieten: so viele Organe, Faszien, Sinne, Transportsysteme, Milieus oder Funktionen, dass es schwerfällt, grundlegende Dinge präzise zu verorten. Gleichwohl ist es möglich, bestimmte Zuordnungen zu machen. Wer folgende vier Fragen für sich zunächst in Ruhe beantwortet, kann die zentralen Felder seines Körpers erfahren.

Vier Fragen zur Reflexion

Erste Frage: Wo im Körper spüren Sie, wenn es warm oder kalt ist? Schreiben Sie die Antwort auf oder notieren Sie diese in Ihrem Gedächtnis, bevor Sie weiterlesen.

Zweite Frage: Wo im Körper wissen Sie, dass drei mal drei neun ist? Schreiben Sie die Antwort auf oder notieren Sie diese in Ihrem Gedächtnis, bevor Sie weiterlesen.

Dritte Frage: Wo im Körper fühlen Sie, ob Sie etwas oder jemanden mögen oder nicht? Schreiben Sie die Antwort auf oder notieren Sie diese in Ihrem Gedächtnis, bevor Sie weiterlesen.

Vierte Frage: Wo im Körper wissen Sie, in welche Richtung es geht? Wo wissen Sie, dass Ihre Handlungen und Ihr Verhalten richtig und mit Ihrem ureigenen Wesen in Einklang sind?

Schreiben Sie die Antwort auf oder notieren Sie diese in Ihrem Gedächtnis, bevor Sie weiterlesen.

Menschen, die diese vier Fragen beantworten, stimmen bisweilen in allen vier Antworten mit denjenigen überein, die im Folgenden vorgeschlagen werden. In den meisten Fällen ist ein Körperbereich, in seltenen Fällen sind zwei Körperbereiche vertauscht oder gänzlich umorientiert. Eine oder gar keine Überstimmung zu den folgenden Antworten ist äußerst selten.

Die vier folgenden Antworten sind richtig und falsch. Richtig, da sie die allermeisten Menschen ohne Mühe wahrnehmen und begreifen; falsch, weil es auch andere Betrachtungsweisen oder andere bedeutende Körperbereiche gibt. Gleich|18|wohl bieten diese vier folgenden körperlichen Felder eine Grundlage, um sich dem Körper anzunähern. Sie sind unter anderem in der Typenpsychologie von C. G. Jung repräsentiert und leicht zu erspüren, zu erfühlen, zu verstehen und zu begreifen (Jung, 2014).

Die erste Antwort lautet: im ganzen Körper. Jung nennt diese körperliche Funktion das Empfinden. Die ursprüngliche, reine Wahrnehmung ohne Benennung oder ein dazugehöriges Gefühl. Um ein Bild zu malen: Stellen Sie sich neben jemanden, der auf einem Stuhl sitzt und legen Sie dieser Person eine Ihrer Hände auf die Ihnen zugewandte Schulter. Sie nehmen die Festigkeit, die Temperatur, die Spannung und die Form der Schulter wahr, als reine Empfindung. Dies ist der erste Kontakt als Lebewesen mit der Welt. Pur, und ohne Namen.

Den Namen geben Sie dieser Sinnesempfindung mit dem Körperbereich, der als Antwort auf die zweite Frage folgt. Im Kopf benennen Sie, was Sie tun. Ich berühre die Schulter dieser oder jenen Person, die ich mehr oder weniger kenne, die so und so groß, so und so alt ist. All diese gedanklichen Speicher sind Teil dieser Benennung. Ebenso wie die Beschreibung, wo und wie das stattfindet, was Sie tun. Die Benennung besticht durch eine Klarheit, die auch der Mathematik anheim ist.

Die dritte Antwort lautet: im Herz; wobei Herzraum hier treffender ist und von vielen auch häufig genannt wird. Jung nennt diese Fähigkeit das Fühlen, konkret: das gefühlvolle Wahrnehmen. Das Mögen oder das Nicht-Mögen. Das emotionale Hinzu oder Hinweg von Wesen und Dingen. Ein sinnvollerer Begriff als das Fühlen ist in diesem Zusammenhang das Werten oder Bewerten; denn es ist elementar, diese Fähigkeit von Gefühlen wie Wut, Trauer oder Freude zu unterscheiden. Gefühle sind ein ganzkörperliches Erlebnis, eine außerordentliche Erfahrung, die den besonderen Reiz des Lebens ausmachen. Echte Gefühle kommen immer ohne eine Bewertung aus und kennen keine innere Absicht. Das Werten oder Bewerten hingegen zeichnet eine Intentionalität aus, eine Absicht, mit der Sie die Welt, die Sie vorher benannt haben, in Ihrem Sinne einordnen. Sie können die Person, der Sie die Hand auflegen, besonders gerne haben oder besonders abstoßend finden, aber genauso gut können Sie diese ein wenig mögen oder ein wenig nicht mögen. Sie können auch wegen dieser Person gelangweilt sein, bis hin zu einer Form des Desinteresses. Doch auch dieses Desinteresse entspringt einer Wertung, mit der Sie der Welt gegenüberstehen. Eine innere Haltung, mit der Sie den beschriebenen und nüchtern benannten Empfindungen eine Bedeutung geben.

Die vierte Antwort ist am schwersten zu beschreiben, da sie körperlich am entferntesten vom Ort der Beschreibung, dem Kopf, liegt: im Bauch. Jung nennt dies die Intuition, diejenige Form des Wissens, die weit über das gelernte Wissen im Kopf hinaus geht. Und die dafür sorgt, dass wir tatsächlich handeln; dass wir wissen, aufgrund welcher innerer Werte und auf welche Zielen wir uns bewegen. Die Hand liegt |19|auf der Schulter dieser Person und das ist sinnvoll so, denn so kann ich vier grundlegende Fähigkeiten des Menschen in diesem Bild erfahren.

Diese vier Fähigkeiten, die Empfindung, die Benennung, die Bewertung und die Intuition, sind nicht mysteriös, sondern nachvollziehbar. Nur wenige Menschen verspüren einen starken Widerstand, diese vier Grundfähigkeiten samt ihrer körperlichen Verortung zu verneinen. Die meisten hingegen können mit Hilfe dieser Körperbereiche schnell in Resonanz zu den eigenen unterschiedlichen, eigentümlichen Fähigkeiten treten; indem sie erfahren, dass es diese und viele andere Unterschiede im Körper gibt. Die vier Körperbereiche und ihre Funktionen sind ein erster Zugang zum Body Reading und wir kommen im Verlauf des Buches wieder darauf zurück. Doch auch hier steht vor jeder beschriebenen Struktur das vollständige Sein, das sich längst nicht nur aus dem Genannten zusammensetzt.

Wie man sich diesem menschlichen Sein, den vier Regionen und den vielen anderen Kräften des Körpers annähert, wird die folgende erste Übung zeigen. Sie werden eine Menge über sich erfahren, wenn Sie sich an folgenden Ideen orientieren: Nehmen Sie sich für diese Übung zehn Minuten Zeit und lesen Sie die Aufgabenstellung nur, wenn Sie direkt danach die Übung ausführen. Messen Sie die zehn Minuten erst, nachdem Sie die Aufgabe in Gänze gelesen und verstanden haben und hören Sie spätestens nach zehn Minuten auf. Wenn Sie nicht mehr weiterwissen, können Sie auch vorher aufhören.

2.2  Das Bild meines Körpers (Übung)

Nehmen Sie sich ein leeres Blatt Papier und einen Stift. Malen Sie ins obere Drittel des Blattes einen Kreis, Ihren Kopf darstellend. Von da aus zeichnen Sie absteigend einen Strich, die Wirbelsäule, der in das Becken (ein Dreieck) hineinragt. Von dieser Grundstruktur ausgehend lautet die Aufgabe: Zeichnen Sie ein menschliches Skelett (Abbildung 2-1).

|20|

Abbildung 2-1:  Zeichnen Sie ein menschliches Skelett (Zeichnung: grafikramer.de)

Es ist erstaunlich schnell möglich, alle gut zweihundert Knochen zu zeichnen. Dabei helfen folgende Bedingungen: alle Gelenke und Knochen, die Sie selbst hinzufügen sollen, reichen als numerische Angabe, als klare Wiedergabe Ihres Wissens und nicht als ästhetisches Abbild der Wirklichkeit. So notieren Sie neben der Wirbelsäule die Anzahl der Kochen, aus der sie konkret besteht, eventuell auch unterteilt in verschiedene Segmente, die der Wirbelsäule zugeschrieben werden. Die gleiche numerische Zusammenfassung können Sie auch auf andere Bereiche anwenden, in denen viele Knochen zusammenliegen oder eine ähnliche Funktion erfüllen.

Dort, wo nur einzelne Knochen im Körper liegen, zeichnen Sie einen Strich, egal welche Form der Knochen morphologisch besitzt. Wichtig ist gleichwohl die Länge des Striches und wo dieser Knochen im Körperraum auf das nächste Gelenk trifft. |21|Gelenke markieren Sie mit einem Kreis, so dass wie in einer Kette Gelenke und Knochen aufeinander folgen können. Von Bedeutung ist die Anzahl der Knochen, die das jeweilige Gelenk bilden: Wie viele Striche verbinden die Kreise miteinander? Bei allen Knochen, die links und rechts gleichermaßen vorkommen, genügt es nur eine Seite zu zeichnen oder numerisch zu beschriften. Fangen Sie jetzt an zu zeichnen und zu beschriften.

Wenn Sie fertig sind, stehen Sie auf und gehen ein paar Schritte.

Legen Sie das fertige Bild auf einen anderen Platz im Raum (einen anderen Tisch, Stuhl o. Ä.) und betrachten Sie es wie ein Gemälde in einer Ausstellung. Dann gehen Sie gedanklich weiter zu anderen Bildern, zu anderen Zeichnungen des menschlichen Skelettes, die ebenfalls in der Ausstellung präsentiert werden. Dies wird Folgendes ersichtlich machen: Es gibt sehr wenige Menschen, selbst solche nicht, die professionell mehr oder weniger mit dem Körper, seiner Bewegung oder seiner Funktionalität zu tun haben, die alle Knochen richtig einzuordnen wissen, von der Anzahl und der räumlichen Struktur. Aus Sicht des Body Readings sind dabei sämtliche „Fehler“ in der Zeichnung Ausdrücke des eigenen Körpergefühls. Das kann direkt oder indirekt erfahrbar sein. Das Lesen des Körpers anhand des Selbstbildes vom Skelett ist Stoff für ein eigenes Buch und eine leichte Möglichkeit Body Reading zu erleben.

Schlagen Sie die Seite 154 im Anhang auf und betrachten Sie diese Zeichnungen (Abbildungen 2-2a bis 2-2f ab Seite 154, Zeichnung: grafikramer.de) als Gemälde in einer Ausstellung. Mit Hingabe und Interesse. Was sehen Sie? Vergleichen Sie dann diese Bilder mit Ihrem eigenen Bild. Was ist gleich, was ist ähnlich, was ist anders? Was haben diese Zeichnungen, was ich nicht habe, was wiederum habe ich, was dort fehlt?

Die Bilder sind ideal für eine erste generelle Überlegung, da sie in ähnlicher Form weit verbreitet sind. Anhand dieser typischen „Fehler“ können erste Berührungen mit dem Body Reading gemacht werden. Es genügt allein die anatomischen Voraussetzungen mit der konkreten Umsetzung zu vergleichen.