Bomb Drop Desaster - Oliver Ludwig - E-Book

Bomb Drop Desaster E-Book

Oliver Ludwig

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Beschreibung

Ein Jahr nach Vincents Höllentrip hat sich sein Leben wieder einigermaßen eingependelt. Er genießt es mit seinen Kumpels zu skaten und lebt sein Leben. Doch als eine unbekannte Schönheit in sein Leben tritt, ist plötzlich nichts mehr, wie es war. Einige Stunden nachdem sich die beiden kennengelernt haben, liegt die schöne Unbekannte auch schon tot neben ihm im Bett und Vincent kann sich an nichts mehr erinnern. Um seine Unschuld zu beweisen, muss er diesmal weit über seine Grenzen hinaus gehen und ungeahnte Härte beweisen. Nach dem Erfolg von "Rollen voll Blut" folgt mit "Bomb Drop Desaster" der nächste rasante Skateboard-Thriller Pressestimmen zu "Rollen voll Blut": 'Schweißhände garantiert' (Monster Skateboard Magazine) 'Der perfekte Post-Skatesession-Stoff zum am Stück runterlesen' ( Ox-Fanzine)

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Ein Jahr nach Vincents Höllentrip hat sich sein Leben wieder einigermaßen eingependelt. Er genießt es mit seinen Kumpels zu skaten und lebt sein Leben. Doch als eine unbekannte Schönheit in sein Leben tritt, ist plötzlich nichts mehr, wie es war. Einige Stunden nachdem sich die beiden kennengelernt haben, liegt die schöne Unbekannte auch schon tot neben ihm im Bett und Vincent kann sich an nichts mehr erinnern. Um seine Unschuld zu beweisen, muss er diesmal weit über seine Grenzen hinausgehen und ungeahnte Härte beweisen …

Foto: ©Kathrin Fehnker

Oliver Ludwig wurde 1977 in Köln geboren. Er steht seit über 20 Jahren auf dem Skateboard und hat mit Rollen voll Blut seinen ersten Skateboard-Thriller geschrieben. Bomb Drop Desaster ist sein zweiter Roman, in dem die blutige Geschichte um den Protagonisten Vincent Hens nahtlos weitergeführt wird.

Oliver Ludwig

Bomb Drop Desaster

Thriller

©opyright 2014 by Autor

Titelbild: Oliver Ludwig (Darsteller: Julie Junge, Laurent Venohr)

Lektorat: Miriam Spies

Satz und Konvertierung: Fred Uhde, Leipzig (www.buch-satz-illustration.de)

ISBN: 978-3-95791-024-0

Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist

nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags gestattet.

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[email protected]

Mehr Infos jederzeit im Web unter www.unsichtbar-verlag.de

Unsichtbar Verlag | Wellenburger Str. 1 | 86420 Diedorf

»This is the worst trip I’ve ever been on«

Beach Boys, 1966

1.

Kickflip Indy Grab Transfer. Ich konnte kaum glauben, dass ich diesenTricktatsächlichgestanden hatte. Die Menge war am Johlen und mein Herz raste. Auch wenn mir eigentlich gar nicht nach johlen zumute war, ein solch gestandener Trick fühlte sich immer gut an. Doch heute nicht. Ich musste an Chris denken und der kurzzeitige Adrenalinkick verflüchtigte sich fast schneller wieder, als er gekommen war. Chris war mein bester Kumpel gewesen. Doch das war vorbei. Aus und vorbei. Er war er tot. Und das seit genau einem Jahr …

Anlässlich seines ersten Todestages wurde durch die Initiative sämtlicher Skateshops der Umgebung dieser Contest am Kap 686 veranstaltet. Auf dem großen Sarkophag-Gap, an dem ich den Trick gerade gestanden hatte, stand Chris’ Geburts- und Todestag. Darunter hatte zu seinen Ehren nahezu jeder Skater aus der Umgebung unterschrieben oder eine kurze Widmung hinterlassen. Ich bin mir sicher, dass das Chrisgefallenhätte. Selbst Chris’ Eltern waren aus Norderstedt angereist, um diesem Event beizuwohnen.

Der Transfer war mein letzter Trick im Run. Ich rollte langsam aus und ließ mich rückwärts auf den Boden fallen. Als ich in den wolkenlosenHimmel blickte, begann ich wieder zu grübeln. War das alles meine Schuld? Hätte ich die Tragödie vor einem Jahr verhindern können? Ob mich das jemals wieder losließe? Ich spürte, wie sich Tränen in meinen Augen bildeten.

– Hey Vince. Cooler Transfer.

– Ja, geiler Trick, Alter!

– Iiiiiiaaaahhh.

Schlagartig holte mich Steven mit einer ordentlichen Bierfontäne zurück in die Realität. Ehe ich mich versah, stürzten sich anschließend gleich drei meiner Kumpels auf mich. Ich kniff die Augen zusammen und legte schützend meine Arme über den Magen. Nachdem die Jungs eine kleine Pyramide auf mir veranstaltet hatten, rollten sie sich einzeln wieder ab und halfen mir auf die Beine.

– Gar nicht mal so schlecht, was Jungs?

– Nicht so schlecht? Du machst Witze, Vince. Wusste bis gerade gar nicht, dass du den Trick überhaupt drauf hast.

– Haha. Ich auch nicht, Steven. Das kannst du mir glauben.

Durch die Lautsprecherboxen hörte ich ein letztes Mal meinen Namen hallen, als auch schon Jimi Hendrix mit Easy Rider einsetzte. Ich denke spätestens seit der legendären Dogtown and Z-Boys-Doku durfte auch in der heutigen Zeit der rebellische Sound von Hendrix nicht fehlen. Da ich der letzte Starter des Contests war, stürmten bereits mit dem ersten Akkord sämtliche Skater den Platz. Es erinnerte fast schon an den Startschuss des Ironman-Marathons auf Hawaii.

Um nicht von der Flut von Skatern überrannt zu werden, schnappte ich mir schnell mein Board und rollte zum DJ-Pult, wo ich meinen Rucksack verstaut hatte.

Eigentlich hatte ich mir bis heute fest geschworen, keinen einzigen Contest mitzufahren, doch diesmal kam ich in Gedenken an Chris einfach nicht drum herum. Es ist nicht so, dass ich keine Contests mag oder mich so gegen das Kommerzialisieren des Skateboardings auflehnen wollen würde. Nein, es war schlicht und einfach Angst. Vor Jahren hatte ich mich ein einziges Mal für einen Contest gemeldet und kurz vor Beginn meines ersten Runs war ich so aufgeregt gewesen, dass ich eine Verletzung vortäuschte, um nicht starten zu müssen. Seit jenem Tag wollte ich nichts mehr von Contests wissen. Bis heute …

Völlig ausgepowert trank ich einen halben Liter Wasser auf ex und kramte mein Handy hervor. Drei Anrufe in Abwesenheit. Zweimal Vivien und ein Unbekannter Teilnehmer. Ich wählte Viviens Nummer.

– Hey Süße. Ich war bis gerade am Skaten … Du hattest angerufen?

Sie hechelte ein wenig. Dazu raschelte ihr Handy vom rauschenden Wind.

– Ja, warte kurz. Ich halte mal an.

Ich hörte durchs Handy ihre Fahrradbremse quietschen.

– So … sorry. Bin gerade mit dem Rad unterwegs. Ich wollte eigentlich nur fragen, ob es heute Abend bei unserer Verabredung mit Caro und Marco bleibt?

Ach du Scheiße. Das Abendessen bei meiner Schwester … Caro wollte uns heute ihren neuen Freund Marco vorstellen.

– Ähm, klar. Soll ich noch was mitbringen?

– Wäre ganz gut, wenn du noch ein paar Flaschen Bier besorgen könntest. Ich war zwar gerade einkaufen, aber die Flaschen hätte ich nicht mehr tragen können.

– Mach ich. Kein Problem. Ich denke ich bin so in einer guten Stunde zu Hause.

– Gut. Bin auch gleich zu Hause. Dann bis später.

– Ja, bis später.

Vivien und ich wohnten jetzt seit einem halben Jahr zusammen. Insgesamt waren wir knapp ein Jahr ein Paar und ich war noch immer verknallt wie am ersten Tag.

Nachdem ich aufgelegt hatte, setzte ich mich zu Steven und wir sahen uns das bunte Treiben der Skater an, die gerade wie Ameisen über den Kap jagten. Es herrschte einfach eine grandiose Atmosphäre. Dazu super Wetter und gute Musik. Nicht auszudenken, dass ich am Montag wieder im Gartencenter arbeiten musste, um mich um Lithodora, Steinaster und Fiederpolster zu kümmern. Mir grauste es beim alleinigen Gedanken daran. Doch das war nicht das Schlimmste. Nein, das Schlimmste an der Arbeit im Center war eindeutig das Zerlegen der CC-Wagen, auf denen die Pflanzen angeliefert wurden. Die CC-Wagen selbst waren mannshohe Beförderungskisten aus Stahl. Wenn der Lieferant dann das nächste Mal Ware brachte, nahm er stets die von mir zerlegten Wagen, sozusagen als Pfand, wieder mit. Und das Zerlegen von CC-Wagen war einfach eine beschissene Arbeit. Ich weiß nicht, wie oft ich mir hierbei bereits die Finger eingeklemmt, mir den Arm aufgekratzt oder sonstige Verletzungen zugezogen hatte.

Nach einigen Minuten der Entspannung schnappte ich mir schließlichmeineSachen, verabschiedete mich von Chris’ Eltern und rollte los.

Als ich mich im überfüllten REWE gerade bis zum Bier durchgekämpft hatte, klingelte mein Handy. Unbekannter Teilnehmer.

– Hallo?

– Guten Tag. Mein Name ist Thomas Seidel. Ich bin Journalist und schreibe für das Kölner Tagesblatt. Wir möchten demnächst eine neue Rubrik der Kölner Funsportszene mit ins Programm nehmen. In diesem Zusammenhang würden wir gerne ein Interview mit Ihnen führen.

– Entschuldigung, worum geht es genau? Bei mir ist es gerade etwas laut.

Ich lehnte mein Board ans Regal und drückte mein Handy fester ans Ohr.

– Es geht in erster Linie um die Kölner Funsportszene. Ich hatte von dem Contest heute gehört, der zu Ehren Ihres Freundes Chris veranstaltet wurde. Auch ich kannte Chris.

Das ist ja interessant.

– Und jetzt möchten Sie ein Interview mit mir?

– Ganz genau. Es wird auch nicht viel Zeit in Anspruch nehmen. Wenn Sie möchten, treffen wir uns in einem Café, ich stelle Ihnen ein paar Fragen und dann war’s das auch schon.

– Also schön. Meinetwegen. Wann und wo soll das Ganze denn stattfinden?

– Kennen Sie das Hallmackenreuther am Brüsseler Platz?

– Ja.

– Gut. Sagen wir um 17.30 Uhr?

– Alles klar. Das müsste ich schaffen.

– Dann bis gleich.

– Bis gleich.

Bis zum Interview blieben mir noch knapp anderthalb Stunden. Ich skatete nach Hause, stellte das Bier kalt und schwang mich unter die Dusche. Vivien war noch nicht zu Hause.

Nach dem Duschen schrieb ich ihr eine kurze Nachricht, dass ich noch mal wegmüsse. Dann machte ich mich auf den Weg zum Café.

2.

Das Hallmackenreuther war, wie wahrscheinlich alle anderen Cafés an einem Samstagnachmittag auch, mehr als gut besucht. Ich ließ meinen Blick durch den Raum wandern, wobei mir einfiel, dass ich überhaupt nicht wusste, wie der Typ – wie hieß er noch mal, Seidel? – aussehen sollte. Ich kämpfte mich vor zum Tresen und setzte mich auf einen der Barhocker. Um nicht weiter aufzufallen, bestellte ich mir einen Kaffee und beschloss einfach zu warten. Wenn der Typ schon meine Nummer hatte, würde er mich bestimmt auch erkennen. Die Frage war nur, wo er überhaupt meine Nummer her hatte? Ich stand weder im Telefonbuch, noch hatte ich meine Nummer jemals ins Internet gestellt … Wie auch immer.

Nach einer Viertelstunde stupiden Wartens war der Reporter immer noch nicht in Sicht. Langsam wurde ich ungeduldig. Eigentlich wollte ich nicht viel Zeit für das Interview investieren, da ich im Anschluss gleich weiter zu meiner Schwester wollte. Ungeduldig ließ ich meinen Blick durch das Café wandern, als mir plötzlich eine junge Dame auffiel. Sie saß ebenfalls am Tresen und schien mich fast schon anzustarren. Etwas irritiert bestellte ich mir einen weiteren Kaffee und zückte meine Geldbörse. Als ich gerade zahlen wollte, fasste mir plötzlich jemand von hinten um die Hüfte.

– Ich nehm’ auch einen Kaffee und zwei Sambucas bitte.

Ich zuckte zusammen und blickte verdutzt neben mich. Es war die junge Dame vom Tresen. Sie duftete nach Pfirsich.

– Du trinkst doch Sambuca, oder?

Etwas ungläubig sah ich mich um, ob sie wirklich mich meinte … Sie meinte mich. Ich blickte ihr in die Augen und dachte an Vivien.

– Vielen Dank. Du musst mir aber nichts ausgeben.

– Ich weiß. Ich möchte aber.

Die Bedienung stellte die beiden Sambucas auf den Tresen. Daneben legte sie ein Päckchen Streichhölzer.

– Die zwei Kaffee kommen gleich.

Ich spürte, wie ich ein wenig verlegen wurde. Die pfirsichduftende Lady sah wirklich umwerfend aus. Sie hatte ein makelloses Gesicht und so feine, glatte Haare, dass jeder Haarspalter verzweifelt wäre. Dazu trug sie eine kurze Jeans und ein dunkles Trägertop. Um ihr Fußgelenk hatte sie eine kleine Perlenkette gebunden, die ihre Gesamtoptik noch einmal abrundete.

– Es tut mir wirklich leid, aber ich habe eine Freundin.

– Das ist schon in Ordnung. Wir trinken ja nur was zusammen. Sollen wir uns da drüben hinsetzen?

Sie deutete auf einen Tisch schräg hinter uns, der gerade frei geworden war. Ich blickte auf die Uhr. 18.05 Uhr. Der Reporter war bereits eine halbe Stunde überfällig. Langsam bezweifelte ich, dass er überhaupt noch kam. Zögernd blickte ich dem fremden Engel kurz in die Augen und willigte schließlich auf einen Sambuca ein. Sie nahm fröhlich die Schnäpse vom Tresen und ging voraus. Ich schnappte mir die beiden Kaffee, zahlte die Zeche und trottete ihr nach. Als ich hinter ihr herging umschleierte mich einmal mehr ihr Pfirsich-Duft, wie Zuckerwatte einen Holzstab. Mir war unwohl zumute. Was wäre, wenn Vivien mich jetzt sehen würde? Begeistert wäre sie bestimmt nicht …

Wir setzten uns.

– Ich bin übrigens Sarah. Und wie heißt du?

– Vince, ich meine Vincent. Meine Freunde nennen mich Vince.

– Schön dich kennenzulernen, Vince.

Sarah reichte mir ihre Hand. Sie hatte sehr dünne, wohlgeformte Finger.

– Hör zu Sarah. Es ist wirklich nett mit dir hier zu sitzen, aber ich würde sagen, wir trinken unseren Kaffee und dann muss ich auch weiter. Wie gesagt, ich bin vergeben und meine Freundin wartet zu Hause auf mich.

– Natürlich. Kein Problem. Ich wollte auch nur etwas Gesellschaft. Du sahst einfach sehr nett aus.

Sie raschelte mit der Streichholzschachtel und grinste mich an.

– Also. Sambuca?

– Okay.

3.

Als ich aufwachte, war ich komplett neben der Spur. Wo war ich? Vivien? Ich blickte mich um und sah mit verschwommenen Augen die Umrisse eines fremden Raumes. Was war passiert? Vorsichtig richtete ich mich auf. Mein Schädel brummte, doch das war gerade mein geringstes Problem. Ich lag offensichtlich in einem fremden Bett … Langsam wurde mein Blick klarer. Ich blickte an mir hinab und erschrak. Meine Klamotten! Bis auf meine Boxershorts hatte ich nichts an. Doch als ich neben mich fasste, spürte ich etwas Feuchtes an meiner Hand. Vorsichtig tastete ich weiter, ließ meinen Blick auf meine Hand wandern und erschrak plötzlich, wie nie zuvor in meinem Leben. Ich hatte geradewegs in eine riesige Blutlache gepackt! Mein Puls schnellte in die Höhe. Ich sprang aus dem Bett und traute meinen Augen nicht. Das komplette Bettlaken war blutverschmiert. Ich begann zu zittern. Was zum Teufel …? Vorsichtig hob ich die Bettdecke an und starrte in ein einziges Blutbad. Was um alles in der Welt war hier los? Völlig ungläubig blickte ich an mir herab und sah, dass auch meine Beine voller Blut waren. Ich rannte zur Tür und riss sie auf. Es war niemand zu sehen. Die einzige Erkenntnis die ich gewinnen konnte war, dass ich mich zweifelsohne in einem Hotelzimmer befand. Aber wo um alles in der Welt kam das ganze Blut her? Ich versuchte meine letzten Erinnerungen aufzufrischen. Doch das war leichter gesagt, als getan. Der erste Gedanke, der mir in den Sinn kam war Sarah, die mysteriöse Schönheit. Wir hatten einen Sambuca getrunken. Und dann? Ja, was war dann? Schließlich war es ja nur ein einziger Sambuca …

Verwirrt rannte ich ins Bad und wusch mir das Blut von den Beinen. Als ich fertig war, blickte ich in den Spiegel und erschrak erneut. Auf meiner linke Wange zeichnete sich ein tiefer Kratzer ab, der fast schon von einer Bärentatze hätte herrühren können. Vorsichtig tastete ich mit meinem Finger über die Wunde und schnellte zurück. Es brannte wie Feuer.

Ohne weiter nachzudenken rannte ich völlig überhastet zurück ins Zimmer und suchte meine Klamotten zusammen. Nachdem ich in meine Hose geschlüpft und mit einer Überwurfdecke das Blut auf dem Bett verdeckt hatte, tastete ich meine Taschen ab. Handy, Schlüssel, Portemonnaie. Es war noch alles da … Hektisch zog ich mein T-Shirt über und vergewisserte mich, dass nichts mehr von mir im Zimmer lag. Dann rannte ich zur Tür und lugte vorsichtig hinaus. Es war weit und breit niemand zu sehen. Ich atmete noch einmal tief durch und stürmte schließlich so schnell ich konnte aus dem Zimmer.

Wieder auf der Straße erkannte ich dann erstmals, wo ich mich überhaupt befand. Holiday Inn, Rudolfplatz. Die Abenddämmerung war gerade angebrochen und mir fiel das Treffen bei meiner Schwester ein. Hektisch kramte ich mein Handy aus der Tasche und blickte aufs Display. Sieben Anrufe in Abwesenheit. Ich löste die Tastensperre und schaute in die Anrufliste. Alle Anrufe waren von Vivien. Dazu noch eine SMS.

Verfluchte Scheiße! Wie sollte ich ihr das bloß erklären? Verschleppt in ein Hotel. Im blutverschmierten Bett aufgewacht. Ohne jede Erinnerung. Auch wenn es stark an den Film Red Corner – Labyrinth ohne Ausweg erinnerte, so klang die ganze Geschichte doch mehr als absurd. Noch dazu war Richard Gere in dem Film neben einer Leiche aufgewacht und wurde anschließend von einem Polizeiteam überrumpelt. Doch in meinem Fall gab es weder eine Leiche noch ein Polizeiteam …

Ich blickte auf die Uhr. 21.55 Uhr. Mit Caro waren wir um 20.00 Uhr verabredet gewesen. Ich wählte Viviens Nummer. Nachdem es zweimal geklingelt hatte, nahm sie ab.

– Vincent! Mensch, wo steckst du denn?

Sie nannte mich nie Vincent. Ich bekam ein schlechtes Gewissen.

– Hey Vivi. Es tut mir wirklich wahnsinnig leid. Ich, ich …

Ich überlegte einen Augenblick, was ich sagen könnte. Die Wahrheit wäre wahrscheinlich jetzt nicht das Cleverste.

– Ich hab einfach die Zeit verpennt. Ich weiß, dass es gerade heute ziemlich unpassend ist, aber ich mach mich sofort auf den Weg. Bist du bei Caro?

– Ja, ich hab sogar noch bis neun zu Hause auf dich gewartet. Ist denn alles in Ordnung?

Nein, leider nicht …

– Ja, natürlich. Mach dir keine Sorgen. Ich bin gleich bei euch.

– Ist gut. Bis gleich.

– Ja, bis gleich.

Ich legte auf. Es fing an zu nieseln.

4.

Caro wohnte in einem schicken Altbauhaus direkt am Rathenauplatz. Sie war seit einigen Jahren in der Medien­branche beschäftigt und hatte vor nicht allzu langer Zeit dort richtig Fuß gefasst. Seitdem bekam sie überdurchschnittlich gutes Gehalt und konnte sich so eine stilvolle Wohnung mitten in Köln leisten. Das Haus, in dem sie wohnte stand sogar unter Denkmalschutz. Bereits das Treppenhaus machte aufgrund der extrem hohen Decken sowie der massiven Marmor-Treppe einiges her. Nachdem ich die Treppe hochgestiegen war, wurde ich vor der Wohnungstür auch schon von Marco in Empfang genommen. Etwas ungewöhnlich dachte ich mir. Schließlich kannten wir uns noch gar nicht. Ich hätte eher damit gerechnet, dass Caro uns einander vorstellt, aber was sollte es. Marco streckte mir lächelnd seine Hand entgegen.

– Hallo Vincent. Freut mich dich kennenzulernen. Was ist denn mit deinem Gesicht passiert?

– Ich. Ich …

Während ich nach Luft schnappte, überlegte ich kurz, mir eine Geschichte zurechtzulegen, winkte dann aber einfach ab, um die Situation zu überspielen.

– Lange Geschichte … Ist bloß ein kleiner Kratzer.

– Wie ein kleiner Kratzer sieht das aber nicht aus … Na ja. Komm erst mal rein.

– Okay.

In der Diele kamen gleich Kira und Jimmi, die zwei Katzen meiner Schwester, angelaufen und blickten mich neugierig an. Ich kniete mich hin und kraulte beiden den Nacken. Sie begannen zu schnurren. Als ich wieder aufstehen wollte, wurde mir kurz schwarz vor Augen. Hoffentlich hatte ich keine Gehirnerschütterung.

Wir gingen durch einen langen Flur, bis wir schließlich in Caros großer Wohnküche ankamen. Vivien und Caro schauten mich erschrocken an.

– Oh Mann, Vince. Warum hast du nichts gesagt. Das sieht ja übel aus.

– Keine Sorge. Mir geht’s gut.

Vivien blickte mir mitleidig entgegen. Ich setzte mich neben sie und war einfach gerade froh hier zu sein.

– Auch wenn es sich jetzt vielleicht etwas seltsam anhört, aber lasst uns bitte nicht weiter darüber reden. Wäre das okay?

– Kein Problem. Sag einfach, wenn wir was für dich tun können. Du weißt, dass wir immer für dich da sind.

Ich strich Vivien über die Wange und mein Herz begann vor Aufregung zu rasen. Ihre schwarzen Haare glänzten im goldgelben Licht der Lampe, wie ein frisch geteerter Boden im Sonnenaufgang. Sie trug ein enges, rotes Trägertop und eine Kette mit schwarzen Holzperlen, die ich ihr vor gut zwei Wochen in Amsterdam gekauft hatte. Während ich sie ansah, musste ich wieder an das Blutbad im Hotelzimmer denken. Welcher Teufel hatte mich bloß geritten mit einem fremden Mädel mitzugehen? Aber, war ich überhaupt mitgegangen? Ich blickte Vivien in die Augen. Lief ich plötzlich Gefahr, alles aufs Spiel zu setzen?

Caro winkte mir von der anderen Seite des Tisches zu.

– Wenn du magst, kann ich dir gern noch ein Stück Lasagne warm machen. Ist jede Menge übrig geblieben.

– Ja, gerne. Ich hab auch tierischen Hunger. Es tut mir auch echt leid, dass ich so spät erst hier aufgekreuzt bin.

– Ist schon Okay. Du wirst schon deine Gründe haben.

– Vergessen wir das einfach.

Caro stand auf und ging zum Backofen. Sie war ein gutes Stück kleiner als ich und hatte lange, braue Haare, die zu einem Zopf zusammengebunden waren. Sie trug eine enge schwarze Jeans und ein weißes Shirt, dessen Ärmel sie hochgekrempelt hatte. Zudem war sie Barfuß unterwegs. Ich schätzte, dass sie alles andere als unattraktiv war, auch wenn ich das als Bruder schwer beurteilen konnte. Marco rückte ein Stück näher an mich heran.

– Hey Vincent. Wenn du Bock hast, können wir uns gleich nach drüben ins Wohnzimmer verdrücken und Fußball gucken.

– Ja, mal sehen. Aber eigentlich bin ich nicht so der Fußballfan.

– Hm. Auch nicht Bundesliga?

– Gerade nicht Bundesliga.

Vivien strich mir durch die Haare und beugte sich ein wenig vor, um Marco besser sehen zu können.

– Ja, da hab ich echt Glück mit Vince. Der steht nur auf Skateboarding. Und das läuft eh nie im Fernsehen.

– Das stimmt. Skateboarden will scheinbar niemand wirklich sehen.

– Oder es gibt da einfach nicht so viele Fanatiker.

– Wie dem auch sei. Wie siehst du das denn, Vincent?

Marco tippte mich an. Ich schreckte auf. Mir schwirrten wieder die Bilder aus dem Hotelzimmer im Kopf herum.

– Wie, was?

– Wie stehst du denn zu den ganzen Fußballfanatikern?

Ich war ein wenig überfordert. Fußball, Fanatiker, Hotelzimmer, Blut? Ich versuchte mich zu sammeln.

– Ich denke Fanatismus ist ein schwieriges Thema. Generell würde ich sagen, dass Fanatismus nie wirklich förderlich ist, da die vermeintlichen Fanatiker meist Gefahr laufen, die Realität aus den Augen zu verlieren. Das gilt in meinen Augen sowohl für den Fußball als auch für sonstige Dinge oder Ideologien.

Caro drehte sich zu uns und knuffte Marco in die Seite.

– Ha, ha. Marco ist definitiv ein kleiner Fußball­fanatiker. Es gibt kaum ein Spiel im Fernsehen, das er verpasst. Selbst wenn Kasachstan gegen die Färöer-Inseln spielt.

– Na, na. Jetzt mach aber mal einen Punkt. Ich gebe ja zu, dass ich gerne Fußball schaue, aber ich bin dadurch noch lang kein Fanatiker!

– Das weiß ich doch. Aber ich ärger dich doch so gern.

– Ha, ha, das stimmt. Was meinst du, Vincent: Gibt es im Skateboarding auch Fanatiker?

Ich blickte zu Caro, die gerade meine Lasagne aus dem Ofen holte und jetzt zum Aufwärmen in die Mikrowelle stellte.

– Also ich denke nicht. Auch wenn man das wahrscheinlich nicht ganz ausschließen kann. Ich glaube aber, dass man das Ganze ein wenig differenzieren sollte. Denn bei den sogenannten Sport-Fanatikern geht es ja meistens nicht um die Ausübung des Sports an sich, sondern eher um das ganze Drumherum. Wie beispielsweise beim Fußball die Hooligans, die es einfach nicht leiden können, wenn jemand Fan einer anderen Mannschaft ist. Beim Skateboarden ist so was insofern nicht möglich, da es einfach keine Mannschaften in dem Sinne gibt. Da kämpft jeder für sich. Es mag zwar sein, dass es auch hier den ein oder anderen Fan gibt, der sein Zimmer mit Bildern von Ryan Sheckler zugepflastert hat, aber ich denke, das ist insofern okay, als dass er dadurch keinem anderen schadet. Zudem sehe ich persönlich Skateboarding auch nicht als Sport an. Meiner Meinung nach ist und bleibt Skateboarden eine Freizeitaktivität, die eine ganze Lebenseinstellung mit sich zieht. Wer skatet sollte das Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit spüren. Es geht nicht darum der Beste oder Stärkste zu sein, sondern einfach um die Freude am Skaten. Das ist alles was zählt …

Stille. Jetzt blickte ich in fragende Gesichter, bis plötzlich die Klingel der Mikrowelle ertönte. Marco stand auf und ging Richtung Wohnzimmer.

– Gut gesagt. Ich werd’ jetzt trotzdem kurz die Fußballergebnisse checken gehen …

Nachdem Marco im Wohnzimmer verschwunden war, machte ich mich über die Lasagne her und ließ anschließend den Abend mit den beiden Mädels in der Küche ausklingen.

5.

Als wir wieder zu Hause waren, strich ich meine Schuhe von den Füßen und ließ mich aufs Sofa fallen. Ich war völlig K. o.. Normalerweise würde ich mir jetzt die Fernbedienung schnappen und die Fernsehkiste einschalten, doch der Zapper lag gerade am anderen Ende der Couch und mir somit einfach zu weit weg. Vivien polterte in der Küche. Mir fielen die Augen zu.

– Hey Vince. Hier ist ein Päckchen für dich.

Ich erschrak.

– Was? Wie?

– Ein Päckchen. Hier. Es lag zwischen der Post im Briefkasten.

Vivien stand im Türrahmen zum Wohnzimmer und hielt einen DIN A5 großen Luftpolsterumschlag in der Hand.

– Von wem ist der Umschlag?

– Keine Ahnung. Da steht kein Absender drauf. Komisch, da steht nicht einmal unsere Adresse drauf, nur dein Name. Hier, mach’s doch mal auf.

Sie reichte mir das Päckchen. Vorsichtig öffnete ich den Umschlag und es kam eine DVD mit einem großen roten X zum Vorschein. Ohne Anschreiben oder sonst eine Info. Ich vermutete stark, dass dies eine DVD vom Contest am Nachmittag war. Mein Kumpel Steven hatte dort den ganzen Nachmittag gefilmt. Ich legte die DVD auf unseren Couchtisch und lehnte mich wieder zurück.

– Willst du denn gar nicht wissen, was da drauf ist?

– Das kann ich dir sagen. Das wird von Steven sein. Er hatte heute Nachmittag den Contest gefilmt. Ich schau es mir morgen an.

Vivien verschwand wieder in der Küche und mir fielen erneut die Augen zu.