Brennende Schwerter - Morgan Rhodes - E-Book

Brennende Schwerter E-Book

Morgan Rhodes

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Beschreibung

Dunkle Zeiten sind angebrochen im Reich des Westens. Mit einer blutigen Schlacht hat Tyrann Gaius, König von Limeros, die angrenzenden Königreiche Auranos und Paelsia unter seine Schreckensherrschaft gebracht. Für die junge Cleo, Thronfolgerin von Auranos, scheint die Lage aussichtslos. Während ihr Volk erbarmungslos unterdrückt wird, ist sie eine Gefangene in ihrem eigenen Palast und wird zur Verlobung mit Magnus, Gaius’ kaltherzigem Sohn, gezwungen. Doch in Cleo wächst Hoffnung, denn in ihrem früheren Feind Jonas von Paelsia findet sie unerwartet einen Verbündeten. Gemeinsam fassen sie einen gefährlichen Plan: König Gaius zu töten und die Freiheit zurückzuerobern ...

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Buch

Einst war das Reich des Westens in Frieden vereint, das Volk lebte in Harmonie und Wohlstand, die Magie der Elemente war tief im Leben der Menschen verwurzelt. Doch dann brachen dunkle Zeiten an, als das Land durch Machtstreben und politische Intrigen in drei Königreiche zerfiel. Die alten Götter gerieten in Vergessenheit, die Magie ging verloren. Und die rauen Zeiten scheinen kein Ende zu nehmen. Mit einer blutigen Schlacht hat Tyrann Gaius, König von Limeros, die angrenzenden Königreiche Auranos und Paelsia unter seine Schreckensherrschaft gebracht. Um seine Macht zu untermauern, zwingt Gaius seine Untertanen zum Bau einer das gesamte Land verbindenden Straße. Wer sich seinem Befehl widersetzt, wird brutal niedergeschlagen. Während die Menschen verzweifelt ums Überleben kämpfen, ruhen alle Hoffnungen auf den beiden ehemaligen Thronfolgern: Cleo von Auranos und Jonas von Paelsia. Doch Cleo ist eine Gefangene in ihrem eigenen Palast und wird zur Verlobung mit Magnus, Gaius’ kaltherzigem Sohn, gezwungen. Dennoch gibt sie nicht auf. Unter größter Gefahr versucht sie, die alte, mächtige Magie wiederzufinden, um das Königreich zu retten. Und mit ihrem früheren Feind Jonas hat sie einen unerwarteten Verbündeten, der unerschrocken den Aufstand gegen Gaius’ Streitmächte anführt. Gemeinsam fassen die beiden einen gefährlichen Plan: den König zu töten und die Freiheit zurückzuerobern …

Weitere Informationen zu Morgan Rhodes und zu lieferbaren Titeln der Autorin finden Sie am Ende des Buches.

Morgan Rhodes

BrennendeSchwerter

Falling Kingdoms

Band 2

Roman

Aus dem Amerikanischenvon Christine und Anna Julia Strüh

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2013unter dem Titel »Rebel Spring« bei Razorbill, an imprint of Penguin Group (USA) Inc., New York.

1. AuflageDeutsche Erstausgabe Juli 2014Copyright © 2013 by Penguin Group (USA) Inc.Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2014by Wilhelm Goldmann Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbHAll rights reserved including the right of reproductionin whole or in part in any form.This edition published by arrangement with Razorbill,a division of Penguin Young Readers Group,a member of Penguin Group (USA) Inc.Redaktion: Lothar StrühUmschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, MünchenUmschlagmotiv: FinePic®, MünchenAutorenfoto: © Shanon FujiokaKS • Herstellung: Str.Satz: DTP Service Apel, HannoverISBN: 978-3-641-13079-4V002www.goldmann-verlag.deBesuchen Sie den Goldmann Verlag im Netz

PERSONEN DER HANDLUNG

LIMEROS

Die Eroberer

Gaius Damora

Der König

Althea Damora

Die Königin

Magnus Lukas Damora

Der Prinz und Thronerbe

Lucia Eva Damora

Adoptierte Prinzessin;

prophezeite Magierin

Cronus

Hauptmann der Wache

Helena

Kammerzofe

Dora

Kammerzofe

Franco Rossatas

Assistent des Ingenieurs der

Reichsstraße

Eugeneia Rossatas

Francos Tochter

Lord Gareth

Ein Freund des Königs

AURANOS

Die Besiegten

Cleiona (Cleo)

Gefangengehaltene

Prinzessin

Aron Lagaris

Cleos Verlobter

Nicolo (Nic) Cassian

Cleos bester Freund

Mira Cassian

Nics Schwester

Lorenzo Tavera

Schneider in Hawk’s Brow

Domitia

Hexe

PAELSIA

Die Rebellen

Jonas Agallon

Anführer der Rebellen

Brion Radenos

Jonas’ Stellvertreter

Lysandra Barbas

Rebellin

Gregor Barbas

Lysandras Bruder

Tarus

Junger Rebell

Nerissa

Rebellin

Onoria

Rebellin

Ivan

Rebell

Talia

Alte Frau

Vara

Eine Freundin von Lysandra

DIE WÄCHTER

Alexius

Wächter

Phaedra

Wächterin

Timotheus

Ratsmitglied

Danaus

Ratsmitglied

Melenia

Ratsmitglied

Stephanos

Sterbender Wächter

Xanthus

Verbannter Wächter

BESUCHER

Ashur Cortas

Prinz von Kraeshia

PROLOG

Der Tod warf einen langen Schatten über die karge Ödnis Paelsias.

Die Neuigkeit vom Mord an Häuptling Basilius verbreitete sich rasch, und überall in den Dörfern trauerten die Menschen um einen mächtigen Mann – um einen Magier, der in diesem Land ohne offizielle Religion als lebender Gott gegolten hatte.

»Was sollen wir nur ohne ihn tun?«, klagten in den folgenden Wochen viele. »Wir sind verloren!«

»Was für ein Unsinn«, murrte Lysandra, als sie sich bei Sonnenuntergang mit ihrem großen Bruder Gregor aus der Hütte ihrer Eltern schlich. »Er hat nie echte Magie gezeigt. Das war doch alles nur Geschwätz! Haben diese Leute etwa schon vergessen, dass er uns mit seinen horrenden Steuern alle fast in den Tod getrieben hätte? Häuptling Basilius war ein Lügner und ein Dieb, der abgeschottet von seinem Volk in Saus und Braus gelebt hat, während wir hier draußen verhungert sind!«

»Sei lieber still«, warnte Gregor, musste aber lachen. »Du äußerst deine Meinung viel zu freimütig, kleine Lys.«

»Da könntest du recht haben.«

»Eines Tages wird dich das in Schwierigkeiten bringen.«

»Mit Schwierigkeiten komme ich klar.« Lysandra richtete ihren Pfeil auf die Zielscheibe an einem etwa zwanzig Schritte entfernten Baum und ließ los. Sie traf genau ins Schwarze. Stolz erwärmte ihr Herz an diesem kühlen Abend, und sie sah erwartungsvoll zu ihrem Bruder hinüber.

»Schöner Schuss«, meinte er mit einem breiten Grinsen und schob sie ein Stück zur Seite, um selbst seinen Bogen zu spannen. »Aber der hier wird noch schöner.«

Sein Pfeil spaltete ihren glatt entzwei. Beeindruckend – das musste sie zugeben. Schon seit Monaten übten die Geschwister sich heimlich im Bogenschießen. Lysandra hatte ihren Bruder anflehen müssen, sein Wissen mit ihr zu teilen, aber schließlich hatte er nachgegeben. Es kam nicht oft vor, dass ein Mädchen den Umgang mit Waffen lernte, denn die meisten Paelsianer glaubten, Frauen sollten kochen, putzen und sich um ihre Männer kümmern.

Was absolut lächerlich war, zumal Lysandra sich schnell als Naturtalent erwiesen hatte.

»Glaubst du, sie kommen zurück?«, fragte sie Gregor leise und ließ ihren Blick über das nahe gelegene Dorf schweifen – über die strohgedeckten Hütten, die Fassaden aus Stein und Lehm. Aus vielen Schornsteinen der kleinen Behausungen stieg Rauch auf.

Gregors Gesicht verfinsterte sich. »Ich weiß es nicht.«

Vor einer Woche waren Vertreter des limerianischen Eroberers, König Gaius, in ihr Dorf gekommen und hatten Freiwillige für den Bau einer Straße im Osten gesucht, die der König möglichst schnell fertiggestellt haben wollte – die geplante Reichsstraße sollte nicht nur durch Paelsia, sondern auch durch die angrenzenden Königreiche Limeros und Auranos verlaufen.

Gregor und sein Vater waren dazu auserwählt worden, die Männer zu empfangen, und sie hatten sich den aufgesetzt freundlichen Gesichtern und einschmeichelnden Worten gestellt, ohne sich davon beeindrucken oder gar beeinflussen zu lassen. Die Dorfbewohner hatten das Angebot abgelehnt.

Der Blutkönig glaubte, er würde sie nun alle beherrschen, aber da irrte er sich gewaltig. Zwar waren sie arm, aber sie waren auch stolz. Niemand hatte das Recht, ihnen Befehle zu erteilen.

König Gaius’ Männer hatten das Dorf widerspruchslos verlassen.

»Basilius war ein Idiot«, murmelte Lysandra. »Er mag dem König vertraut haben, aber wir werden nicht den gleichen Fehler begehen. Wer so dumm ist, verdient es, aufgespießt zu werden. Mann, solche Blödheit macht mich echt krank.« Ihr nächster Pfeil verfehlte sein Ziel um Längen. An ihrer Konzentration musste sie offenbar noch arbeiten. »Erzähl mir von den Rebellen, die sich dem König widersetzen.«

»Warum willst du das wissen? Hast du vor, dich ihnen anzuschließen – als eins der wenigen Mädchen?«

»Vielleicht.«

»Komm, Schwesterherz«, sagte Gregor lachend und umfasste ihr Handgelenk. »Hier treiben sich bestimmt ein paar Kaninchen herum, an denen du deine Treffsicherheit üben kannst. Warum verschwendest du deine Pfeile an Bäume und deinen Atem an absurde Ideen? Mach dir keine Gedanken um die Rebellen. Wenn sich ihnen jemand aus unserer Familie anschließt, dann ich.«

»Meine Idee ist nicht absurd«, murrte Lysandra.

Aber ihr Bruder hatte nicht ganz unrecht – zumindest was ihre Bogenschießübungen anging. Die Landschaft in ihrer Umgebung war fast komplett verdorrt, nur sehr vereinzelt fanden sich noch ein paar grünere Fleckchen Erde, auf denen ihre Mutter und andere Frauen Gemüsegärten anlegten, die ihnen aber von Jahr zu Jahr weniger Ertrag einbrachten – und mehr Tränen. Ihre Mutter hatte nicht aufgehört zu weinen, seit sie von Basilius’ Tod erfahren hatte.

Lysandra brach es fast das Herz, ihre Mutter so traurig, so untröstlich zu sehen, und versuchte immer wieder, sie zur Vernunft zu bringen. »Ich glaube, wir sind alle für unser eigenes Schicksal verantwortlich – jeder Einzelne von uns«, hatte sie erst letzte Nacht zu ihr gesagt. »Wer uns anführt, spielt dabei keine Rolle.«

Ihre Mutter hatte ihr nur einen müden, resignierten Blick zugeworfen. »Du bist so naiv, Lysandra. Ich hoffe, dass dich das nicht eines Tages ins Unglück stürzt.«

Und jetzt betete sie regelmäßig zu dem toten Stammesführer, er möge ihrer ungehorsamen Tochter den rechten Weg weisen. Im Grunde war das nicht weiter verwunderlich. Lysandra hatte ihrer Mutter schon immer viel Kummer bereitet, weil sie sich einfach nicht wie eine anständige Tochter benahm, die anständige Dinge tat. Selbst ihren Freundinnen hatte sie sich nie wirklich zugehörig gefühlt, denn keine von ihnen verstand, warum sie so gerne Pfeile schnitzte, bis sie Blasen an den Finger bekam, oder sich noch spätabends draußen herumtrieb, bis ihre Nase so rot war, dass sie praktisch im Dunkeln leuchtete.

Plötzlich hielt Gregor sie am Arm fest und brachte sie zum Stehen.

»Was ist?«, fragte Lysandra.

»Sieh mal.«

Sie waren weniger als eine Meile vom Dorf entfernt. Vor ihnen lag eine kleine Lichtung, umgeben von verdorrten Büschen und kahlen Bäumen, auf der keine einzige Pflanze mehr wuchs. Eine alte Frau, die Lysandra als Talia, die Dorfälteste, erkannte, stand in der Mitte der Lichtung, vor ihr lag ein toter Rotfuchs. Die alte Frau hatte das Blut des Tieres in einen hölzernen Becher gefüllt, und jetzt malte sie damit rote Symbole auf den ausgetrockneten, rissigen Waldboden.

So etwas hatte Lysandra in ihrem ganzen Leben noch nie gesehen. »Was tut Talia da? Was malt sie?«

»Vier Symbole«, antwortete Gregor leise. »Weißt du, was sie bedeuten?«

»Nein, was?«

»Sie stehen für die vier Elemente: Feuer, Luft, Wasser und Erde.« Er zeigte auf ein Symbol nach dem anderen – ein Dreieck, eine Spirale, zwei übereinanderliegende Wellenlinien und ein Kreis im Kreis – und schluckte schwer. »Ich hatte keine Ahnung. Unsere Dorfälteste … Sie ist eine Hexe. Ein Altling.«

»Moment, du meinst ernsthaft, die alte, einfältige Talia ist eine … Hexe?«

Lysandra erwartete, ihr Bruder würde jeden Moment anfangen zu grinsen und zugeben, dass er nur einen Scherz gemacht hatte, aber er blieb ernst – todernst.

Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. »Ich hatte schon länger so einen Verdacht, aber jetzt wissen wir es sicher. Sie hat ihr Geheimnis all die Jahre über gut bewahrt. Du weißt, was normalerweise mit Hexen passiert.«

In ihrem Nachbarland Limeros wurden sie verbrannt. Gehängt. Geköpft. Und auch hier in Paelsia galten Hexen als Inkarnation des Bösen. Als Unglücksbringer. Als Fluch, der das ganze Land langsam, aber unaufhaltsam zugrunde richtete. In Limeros glaubten viele, Hexen seien dafür verantwortlich, dass ihre Heimat zu Eis erstarrt war.

Lysandra erinnerte sich an Talias ungewöhnliche Reaktion, als sie gehört hatte, dass Häuptling Basilius von König Gaius ermordet worden war. Sie hatte grimmig genickt, sich den Staub vom Rock geklopft und vier Worte gesagt: »Und so beginnt es.«

Alle anderen dachten, die alte Frau wäre verrückt, und beachteten sie nicht weiter, doch aus irgendeinem Grund jagten ihre Worte Lysandra einen kalten Schauer über den Rücken.

»Was beginnt?«, hatte sie gefragt. »Was meint Ihr damit?«

Da hatten sich Talias blasse, wässrige Augen direkt auf sie gerichtet. »Das Ende, meine Liebe. Das Ende beginnt.«

Auch jetzt dauerte es einen Moment, bis Lysandra wieder sprechen konnte, ihr Herz klopfte wild, und ihre Stimme zitterte. »Was meinst du mit Altling?«

»Ein Altling ist jemand, der die Elemente verehrt. Es ist eine alte Religion – älter als alles andere auf dieser Welt bis auf die Elementia selbst. Und wie es aussieht …« Er machte eine Kopfbewegung in Richtung der Symbole. »… wirkt Talia heute Abend Blutmagie.«

Lysandra schauderte. Blutmagie.

Natürlich hatte sie davon gehört, aber bis zu diesem Augenblick hätte sie es nie für möglich gehalten, dass solche Praktiken tatsächlich existierten. Ihr Bruder hatte schon immer eher an all das geglaubt, was man nicht sehen konnte und worüber kaum je jemand sprach – Magie, Hexen, Legenden –, aber Lysandra hatte den Geschichtenerzählern nie viel Beachtung geschenkt, denn sie war mehr an handfesten Tatsachen interessiert als an Märchen. Jetzt wünschte sie plötzlich, sie hätte besser zugehört.

»Zu welchem Zweck?«, fragte sie.

Genau in diesem Moment blickte Talia plötzlich zu ihnen hinüber, wie ein Raubvogel erspähte sie die Geschwister im schwachen Licht der Abenddämmerung.

»Es ist zu spät«, sagte sie, gerade so laut, dass Lysandra und Gregor sie verstehen konnten. »Die Magie reicht nicht aus, um uns zu schützen, ich sehe nur die dunklen Schatten dessen, was auf uns zukommt. Ich kann sie nicht aufhalten.«

»Talia!«, rief Lysandra der alten Frau zu, und ihre Stimme klang selbst in ihren eigenen Ohren völlig verunsichert. »Was macht Ihr da? Hört auf, das ist gefährlich!«

»Ihr müsst etwas für mich tun, Lysandra Barbas.«

Verblüfft blickte Lysandra zu ihrem Bruder hinüber, wandte sich aber gleich wieder Talia zu. »Was wollt Ihr von mir?«

Statt zu antworten, hob die alte Frau ihre blutverschmierten Hände, und ihre Augen weiteten sich, als sähe sie überall um sich herum etwas wahrlich Schreckliches. Etwas durch und durch Böses. »Lauft!«

Talias Schrei war kaum verklungen, da schoss plötzlich ein brennender Pfeil aus der Dunkelheit und bohrte sich in ihre Brust. Sie taumelte zurück und stürzte zu Boden, und in Sekundenschnelle fingen ihre Kleider Feuer.

Gregor packte Lysandras Arm. »Sie ist tot!«

Hastig blickte er in die Richtung, aus der der Pfeil gekommen war, und riss seine Schwester gerade noch rechtzeitig zur Seite, um einem zweiten Schuss zu entgehen, der direkt auf sie gezielt war. Der Pfeil surrte um Haaresbreite an ihr vorbei und grub sich in einen Baumstamm. »Verdammt, das hatte ich befürchtet.«

»Was hast du befürchtet?« In diesem Moment erblickte Lysandra etwa fünfzig Schritte entfernt einen Mann mit einer Armbrust. »Er hat sie getötet!«, schrie sie, völlig außer sich vor Schreck und Angst. »Gregor – er hat sie getötet! Wer ist dieser Mann?«

Der Bogenschütze hatte sie entdeckt und nahm sofort die Verfolgung auf. Gregor fluchte laut und ergriff ihre Hand. »Komm schon, wir müssen hier weg!«

Lysandra legte keinen Widerspruch ein. Hand in Hand rannten sie so schnell sie konnten zurück zu ihrem Dorf.

Es stand in Flammen.

Chaos war über ihre Heimat hereingebrochen. Die Luft war erfüllt von Schreckensschreien, von Schmerzensschreien – von den qualvollen Schreien sterbender Menschen. Unzählige Männer in roten Uniformen galoppierten durch das Dorf, mit Fackeln in den Händen, und steckten erbarmungslos alles in Brand. Die Dorfbewohner rannten aus ihren brennenden Behausungen, um dem Flammentod zu entgehen – und wurden von den Schwertern der berittenen Soldaten niedergemetzelt.

»Gregor!«, stieß Lysandra entsetzt hervor, als sie eine schützende Hausmauer erreichten und abrupt zum Stehen kamen. »König Gaius – das ist sein Werk! Er will uns alle umbringen!«

»Wir haben sein Angebot ausgeschlagen. Das hat ihm nicht gefallen.« Gregor legte die Hände auf ihre Schultern und sah ihr eindringlich in die Augen. »Lysandra. Schwesterherz. Du musst von hier verschwinden. Lauf so weit weg, wie du kannst.«

Das Flammenmeer erhitzte die Luft und verwandelte die Abenddämmerung in albtraumhaftes Tageslicht. »Was redest du da? Ich kann nicht weg!«

»Lys …«

»Ich muss Mutter finden!«, schrie sie, riss sich von Gregor los und lief, so schnell sie ihre Beine trugen, durch ihr Dorf, vorbei an brennenden Häusern und mordenden Soldaten. Als sie die Hütte ihrer Eltern erreichte, kam sie stolpernd zum Stehen – auch ihr Zuhause brannte lichterloh. Auf der Schwelle lag die Leiche ihrer Mutter, ihr Vater lag ein Stück außerhalb in einer Blutlache.

Bevor sie das Grauen richtig begreifen konnte, war Gregor bei ihr, hob sie in seine Arme und rannte auf schnellstem Weg aus ihrem zerstörten Heimatdorf. Erst als sie die Ortsgrenze hinter sich gelassen hatten, machte er halt und setzte sie unsanft ab. Wortlos warf er ihr einen Bogen und einen Köcher voller Pfeile zu.

»Sie sind tot«, flüsterte sie. Ihr Herz fühlte sich bleischwer an.

»Auf dem Weg hierher habe ich einiges gehört und gesehen. Gaius’ Soldaten nehmen die Überlebenden gefangen, und sie werden sie zwingen, die Reichsstraße zu bauen.« Gregors Stimme brach. »Ich muss zurück und den anderen helfen. Geh, Lys – such die Rebellen. Tu, was du kannst, damit so etwas nicht auch anderswo passiert. Hast du mich verstanden?«

Lysandra schüttelte heftig den Kopf, in ihren Augen brannten zornige Tränen. »Nein, ich lasse dich nicht allein! Du bist alles, was mir noch bleibt!«

Gregor packte sie am Kinn. »Wenn du mir folgst«, grollte er, »werde ich dich eigenständig erschießen, um dir das Schicksal zu ersparen, das unseren Freunden und Nachbarn bevorsteht.«

Mit diesen Worten wandte er sich ab und eilte davon.

Und sie konnte nichts anderes tun, als ihm hinterherzublicken.

KAPITEL 1

JONAS

Auranos

Wenn der Blutkönig etwas durchsetzen wollte, griff er gern zu drastischen Maßnahmen.

Es war Mittag. Mit markerschütterndem Krachen sauste die Axt des Henkers nacheinander auf die Hälse dreier verurteilter Rebellen nieder und trennte ihre Köpfe vom Rumpf. Blut quoll aus den Halsstümpfen und lief vor den Augen der mehr als tausend versammelten Schaulustigen über den glatten Steinboden. Hilflos musste Jonas mit ansehen, wie die Köpfe mitten im Palasthof auf lange Pfähle gespießt wurden – eine grausige Mahnung an all diejenigen, die sich König Gaius zu widersetzen gedachten.

Drei junge Männer, die gerade erst erwachsen geworden waren – einfach hingerichtet, weil sie als Bedrohung und Unruhestifter galten. Die abgeschlagenen Köpfe starrten der Menschenmenge mit blicklosen Augen und erschlafften Gesichtszügen entgegen. Tiefrotes Blut rann langsam an den Holzpfählen hinab, während die Leichen zum Verbrennen weggeschafft wurden.

Der König, der dieses Land schnell und brutal erobert hatte, gab niemandem eine zweite Chance – ganz besonders nicht denjenigen, die gegen ihn aufbegehrten. Diese Rebellion würde rasch und erbarmungslos niedergeschlagen werden – und öffentlich.

Bei jedem tödlichen Hieb waberte wachsende Unruhe durch die Menschenmasse wie dichter Nebel, der sich nicht länger ignorieren ließ. So lange war Auranos ein freies, wohlhabendes Land gewesen, in dem Frieden herrschte – doch jetzt saß ein blutrünstiger König auf dem Thron.

Die Menschen standen dichtgedrängt auf dem großen Hof. Ganz in seiner Nähe sah Jonas zwei gut gekleidete junge Adelige mit angespannten Gesichtern und wachsamem Blick. Zwei dicke, betrunkene Männer stießen mit ihren Weinkelchen an, als würden sie einen Tag voller guter Aussichten feiern, während eine alte grauhaarige Frau in einem feinen Seidenkleid und mit tiefen Falten im Gesicht sich misstrauisch umschaute. Alle versuchten sie, sich den besten Platz zu sichern, um es ja nicht zu verpassen, wenn der König den Marmorbalkon hoch über ihnen betrat. In der Luft mischte sich der Qualm aus Schornsteinen und Zigarillos mit dem Aroma von backendem Brot, bratendem Fleisch und den widerlich süßlichen Parfüms, mit denen viele Adelige zu verschleiern versuchten, dass sie sich nicht regelmäßig wuschen. In dem Lärm – einer Kakofonie aus verschwörerischem Flüstern und kehligem Rufen – konnte Jonas nicht klar denken.

Vor ihnen erhob sich der auranische Palast, golden glitzernd wie eine gewaltige Krone, deren schlanke Spitzen hoch in den klaren blauen Himmel hinaufragten. Er stand direkt im Zentrum der Goldenen Stadt, die sich über eine Fläche von vier Quadratmeilen erstreckte. Selbst ihre Mauern waren von goldenen Adern durchzogen, die das Sonnenlicht einfingen und bei Tag leuchteten wie ein Berg Goldmünzen inmitten der scheinbar endlosen grünen Weite. Im Inneren führten kopfsteingepflasterte Straßen zu Villen, Tavernen und verschiedensten Geschäften. Nur die Privilegierten und Einflussreichen konnten es sich leisten, hier zu leben, aber heute standen die Tore allen offen, die der Rede des Königs beiwohnen wollten.

»Dieser Ort ist echt beeindruckend.« Brions Worte gingen im Lärm der Menschenmenge fast unter.

»Ach, meinst du?«, fragte Jonas und wandte sich mit grimmigem Blick von den gepfählten Köpfen ab. Die dunkelblauen Augen seines Freundes starrten unverwandt auf den Palast, als plane er, ihn zu stehlen und für gutes Geld zu verkaufen.

»An das Leben hier könnte ich mich glatt gewöhnen. Ein Dach über dem Kopf, goldene Fliesen unter den Füßen und so viel Essen und Trinken, wie das Herz begehrt. Ich bin dabei!« Brion sah zu den toten Rebellen auf und verzog das Gesicht. »Nun ja, vorausgesetzt, ich werde nicht geköpft.«

Die Rebellen, die heute hingerichtet worden waren, waren Auranier und nicht Teil von Jonas’ und Brions Gruppe – einem Zusammenschluss gleichgesinnter junger Männer, die sich im Namen Paelsias gegen den Blutkönig aufzulehnen gedachten. Seit Gaius vor drei Wochen den Palast erobert hatte, versteckten sie sich in dem großen Waldgebiet, das Auranos von ihrem sehr viel ärmeren Heimatland trennte. Das Wildland, wie der Wald im Volksmund genannt wurde, war dafür bekannt, dass es zahlreiche Gefahren barg: entflohene Verbrecher, wilde Tiere, und manche abergläubischen Idioten behaupteten sogar, Dämonen und böse Geister hausten in den Schatten der gigantischen Bäume, durch deren dichtes Blätterdach nur ein Schimmer Sonnenlicht fiel.

Mit Verbrechern und wilden Tieren konnte Jonas umgehen. Und im Gegensatz zu den meisten seiner Landsleute war er der festen Überzeugung, dass solche Legenden nur dazu da waren, den Menschen Angst zu machen.

Als er von den heutigen Hinrichtungen gehört hatte, hatte er sie mit eigenen Augen sehen wollen. Er war sicher gewesen, sie würden ihn in seiner Entschlossenheit bestärken, alles Menschenmögliche zu tun – alles zu riskieren –, damit die gestohlenen Länder dem Blutkönig wie Sand durch die Finger rinnen würden.

Aber stattdessen erfüllten sie ihn nur mit Grauen. Wenn die Axt fiel und ihr Blut floss, sah er in jedem der Jungen plötzlich seinen toten Bruder Tomas.

Drei junge Männer, die noch ihr ganzes Leben vor sich gehabt hatten – für immer zum Schweigen gebracht, weil sie Dinge gesagt hatten, über die niemand sprechen durfte.

Die meisten Menschen sahen in einem solchen Tod das Werk des Schicksals. Vor allem die Paelsianer glaubten, ihre Zukunft sei in Stein gemeißelt, und dass sie nichts tun konnten, als ihren vorbestimmten Weg zu gehen – auch wenn er sie ins Verderben führte. Jonas’ Ansicht nach schuf dieser Irrglaube ein Land, in dem keiner sich traute, sich gegen Unterdrücker zu wehren. Ein Land, das mühelos von einem Tyrannen erobert werden konnte, weil niemand darum kämpfte.

Niemand, so schien es, außer Jonas. Er glaubte nicht an Schicksal, Vorbestimmung oder Magie. Die Zukunft war nicht in Stein gemeißelt. Und wenn er genug Leute fand, die bereit waren, an seiner Seite zu kämpfen, dann würde er sie ändern.

Einen kurzen Moment verstummte das aufgeregte Stimmengewirr, nur um sogleich noch lauter anzuschwellen. König Gaius – ein großer, gut aussehender Mann mit stechenden dunklen Augen – war auf den Balkon hinausgetreten und ließ seinen Blick so gemächlich über die Menge schweifen, als würde er sich jedes einzelne Gesicht genauestens einprägen.

Plötzlich spürte Jonas den heftigen Drang, sich zu verstecken – was, wenn der König ihn erkannte? -, zwang sich aber zur Ruhe. Zwar war er Gaius einmal persönlich begegnet, aber unter so vielen Menschen würde er ganz sicher nicht entdeckt werden. Sein grauer Umhang verbarg seine Identität gut genug – zumal fast alle Männer hier, einschließlich Brion, ganz ähnliche Umhänge trugen.

Als Nächstes erschien Magnus, der Kronprinz von Limeros, auf dem Balkon. Er war seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten, nur jünger natürlich, und auf seiner Wange prangte eine lange Narbe, die selbst aus der Ferne kaum zu übersehen war.

In der Schlacht um Auranos war Jonas dem Prinzen begegnet – er würde nie vergessen, wie Magnus ihn vor einem tödlichen Schwerthieb bewahrt hatte. Aber jetzt kämpften sie nicht länger auf derselben Seite. Sie waren Feinde.

Königin Althea trat neben ihren Sohn, ihre Haltung majestätisch, ihre dunklen Haare von grauen Strähnen durchzogen. Jonas sah sie zum ersten Mal, erkannte sie aber dennoch sofort. Hochmütig blickte sie auf die Menge hinab.

Plötzlich packte Brion Jonas am Arm. »Willst du Händchen halten?«, fragte er und grinste amüsiert. »Ich glaube nicht, dass …«

»Bleib einfach ruhig«, warnte Brion ohne den Hauch eines Lächelns. »Wenn du jetzt den Kopf verlierst, wirst du wahrscheinlich, ähm, den Kopf verlieren. Kapiert?«

Im nächsten Moment verstand Jonas, was seinen Freund derart beunruhigt hatte. Auf dem Balkon erschienen Aron Lagaris und Prinzessin Cleiona Bellos, die jüngste Tochter des verstorbenen Königs von Auranos. Bei ihrem Anblick brach die Menge in lauten Jubel aus.

Das Licht der Sonne schimmerte auf Prinzessin Cleionas langen goldenen Haaren.

Einst hatte Jonas diese Haare gehasst und davon geträumt, sie ihr einzeln auszureißen. Für ihn hatten sie den Reichtum eines Königreiches symbolisiert, das sein eigenes Land in bitterste Armut gedrängt hatte.

Jetzt wusste er, dass nichts so einfach war, wie es schien.

»Sie ist ihre Gefangene«, flüsterte er.

»Danach sieht es aber nicht aus«, erwiderte Brion. »Aber klar, wenn du es sagst …«

»Die Damoras haben ihren Vater umgebracht und ihren Thron gestohlen. Cleo hasst sie – wie könnte es anders sein?«

»Und jetzt steht sie gehorsam neben ihrem Verlobten.«

Ihrem Verlobten. Jonas sah zu Aron hinüber, und seine Augen wurden schmal.

Der Mörder seines Bruders stand hoch über ihnen an einem Platz höchster Ehre, flankiert von seiner zukünftigen Frau und dem Eroberer.

»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Brion besorgt.

Jonas konnte nicht antworten. Er stellte sich vor, wie er die Palastmauer erklomm, auf den Balkon sprang und Aron mit bloßen Händen in Stücke riss. Es war bei weitem nicht das erste Mal, dass er sich ausmalte, wie er diesen eingebildeten Dreckskerl auf brutalste Weise zur Strecke brachte, aber er hatte gedacht, dieses Verlangen nach Rache wäre den hehren Zielen eines Rebellen gewichen.

Offenbar hatte er sich geirrt.

»Ich will ihn sterben sehen«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

»Ich weiß.« Brion hatte miterlebt, wie Jonas um seinen Bruder getrauert hatte – wie er, rasend vor Wut und Kummer, geschworen hatte, blutige Rache zu nehmen. »Und das wirst du auch. Aber noch nicht heute.«

Allmählich, ganz allmählich, legte sich Jonas’ Zorn. Seine Muskeln entspannten sich, und nach einem Moment ließ Brion seinen Arm los.

»Geht’s wieder?«, fragte er.

Jonas wandte keine Sekunde den Blick von dem hassenswerten, arroganten Jungen auf dem Balkon. »Mir wird es erst wieder gutgehen, wenn dieser Abschaum endlich tot ist.«

»Das ist ein würdiges Ziel«, räumte Brion ein. »Aber wie ich schon sagte – heute ist es noch nicht so weit. Beruhig dich.«

Jonas schnaubte. »Jetzt erteilst du mir also schon Befehle.«

»Als stellvertretender Anführer unserer kleinen Rebellenbande muss ich das Kommando übernehmen, wenn unser Befehlshaber verrückt wird. Das gehört zu meinen Aufgaben.«

»Gut zu wissen, dass du wenigstens diese Aufgabe ernst nimmst.«

»Für alles gibt es ein erstes Mal.«

Oben auf dem Balkon trat Aron näher an Cleo heran und ergriff ihre Hand. Sie wandte ihr wunderschönes Gesicht, um ihn anzusehen, aber auf ihren Lippen erschien kein Lächeln.

»Sie verdient einen besseren Mann als diesen Mistkerl«, murmelte Jonas.

»Was?«

»Schon gut.«

Innerhalb weniger Minuten war die Menschenmenge noch weiter angewachsen, und die glühende Mittagssonne brannte erbarmungslos auf sie alle nieder. Jonas wischte sich mit dem Ärmel seines Umhangs den Schweiß von der Stirn.

Endlich trat König Gaius vor und hob die Hand. Sofort kehrte Ruhe ein.

»Es ist mir eine große Ehre, hier vor euch zu stehen«, begann der König mit kräftiger Stimme, die im gesamten Palasthof zu hören war, »nicht nur als König von Limeros, sondern nun auch als Herrscher über Auranos und Paelsia. Es gab eine Zeit, in der die drei Königreiche Myticas eins waren – ein einziges starkes, wohlhabendes Land, in dem Frieden herrschte. Und jetzt, nach so langer Zeit, wird es endlich wieder so sein.«

Aufgeregtes Gemurmel machte sich unter den Versammelten breit, die meisten Gesichter zeigten trotz Gaius’ geschmeidiger Worte immer noch Misstrauen und Angst. Dem Blutkönig eilte sein Ruf voraus. Den geflüsterten Gesprächen vor und nach den Hinrichtungen hatte Jonas entnommen, dass ein Großteil der Anwesenden noch nicht sicher wusste, ob König Gaius ihr Feind oder vielleicht doch ein Freund war. Viele bezweifelten, dass die Rebellen recht daran getan hatten, sich ihm zu widersetzen – vielleicht machten sie nur alles noch schlimmer, indem sie den König verärgerten.

Diese bodenlose Ignoranz – diese Bereitschaft, sich dem Eroberer zu beugen und alles zu glauben, was ihm über seine verlogenen Lippen kam – machte Jonas krank.

Aber selbst er musste zugeben, dass Gaius ein ausgezeichneter Redner war, jedes seiner Worte schien mit Gold überzogen und versprach Hoffnung für die Hoffnungslosen.

»Ich habe entschieden, mit meiner Familie eine Zeit lang hier, in diesem wunderschönen Palast zu leben, zumindest bis der Wandel vollzogen ist. Auch wenn euer Land ganz anders ist als unsere geliebte Heimat Limeros, können wir es kaum erwarten, euch besser kennenzulernen, und wir sehen es als unsere heilige Pflicht an, alle Bürger unseres vereinten Königreiches in dieses neue Zeitalter zu führen.«

»Von wegen, der bleibt doch nur deswegen hier, weil Limeros komplett zugefroren ist«, meinte Brion, ohne auf das zustimmende Gemurmel um sie herum zu achten. »Bei ihm klingt es wie eine schreckliche Qual, in einem Land zu wohnen, das nicht unter Schnee und Eis begraben liegt.«

»Heute habe ich euch etwas Wichtiges zu verkünden, wovon wir alle profitieren werden«, sagte der König. »Auf meinen Befehl wurde schon mit dem Bau einer großen Straße begonnen, die unsere drei Länder miteinander verbinden wird.«

Jonas zog die Stirn kraus. Eine Straße?

»Die Reichsstraße beginnt am Tempel der Cleiona, zu Pferd nur ein paar Stunden von dieser Stadt entfernt, und zieht sich durchs Wildland nach Paelsia. Von dort führt sie weiter nach Osten in die Verbotenen Berge und dann nach Norden über die Grenze zu Limeros, wo sie schließlich am Tempel der Valoria endet. Ich habe bereits mehrere Männer losgeschickt, die Tag und Nacht an der Straße arbeiten, um sie so schnell wie möglich fertigzustellen.«

»In die Verbotenen Berge?«, flüsterte Jonas. »Was nutzt eine Straße in einer Gegend, wo niemand hinwill?«

Was führt der König jetzt wieder im Schilde?

Da blitzte plötzlich etwas Goldenes am Himmel auf, und als er den Blick hob, sah er zwei Falken hoch über der Menschenmenge kreisen.

Selbst die Wächter wollen wissen, was hier vor sich geht.

Diesen lächerlichen Gedanken behielt er lieber für sich. Die Geschichten über Unsterbliche, die in der Gestalt von Falken in die Menschenwelt kamen, waren nicht mehr als das: Geschichten, die Eltern ihren Kindern zur Schlafenszeit erzählten. Auch seine eigene Mutter hatte ihm solche unterhaltsamen Märchen erzählt.

Die Lippen des Königs verzogen sich zu einem Lächeln, das selbst auf Jonas aufrichtig freundlich gewirkt hätte, wenn er nicht genau gewusst hätte, was für eine Finsternis sich dahinter verbarg. »Ich hoffe, ihr freut euch über diese Straße genauso sehr wie ich. Ich weiß, wir mussten alle schwere Zeiten durchmachen, und es betrübt mich sehr, dass ich dieses Blutvergießen nicht verhindern konnte.«

In der Menschenmenge wurde unruhiges und ärgerliches Gemurmel laut, aber viel zu viele der Anwesenden blieben stumm.

Sein Plan geht auf, dachte Jonas erschüttert. Er täuscht all diejenigen, die getäuscht werden wollen.

»Ja, klar …«, murmelte Brion. »Er hat es genossen. Am liebsten hätte er in dem ganzen Blut gebadet.«

Davon war Jonas überzeugt.

»Wie ihr sehen könnt, geht es Prinzessin Cleiona sehr gut«, fuhr Gaius fort. »Sie wurde nicht verbannt oder eingesperrt, nur weil sie die Tochter meines Feindes ist. Und warum sollte sie auch? Nach all dem Schmerz und Kummer, den sie so tapfer ertragen hat, habe ich sie mit offenen Armen in meinem neuen Zuhause willkommen geheißen.«

Er tat, als hätte er ihr eine Wahl gelassen, aber das glaubte Jonas keine Sekunde.

»Meine nächste Ankündigung an diesem Tag betrifft eure Prinzessin.« König Gaius streckte eine Hand aus. »Komm her, meine Liebe.«

Cleo warf Aron einen argwöhnischen Blick zu, bevor sie sich dem König zuwandte. Nur kurz zögerte sie, dann überquerte sie den Balkon und trat an die Seite des Königs. Ihr Gesicht war undurchschaubar, ihre Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst, aber ihr Kopf hoch erhoben. Um ihren Hals hing eine glitzernde Saphirkette, und auch ihre Haare waren mit kleinen Edelsteinen durchflochten, die farblich perfekt zu ihrem dunkelblauen Kleid passten. Wieder schwoll der Lärm der Menschenmenge an, wohin man auch sah, flüsterten die Leute aufgeregt miteinander über die Tochter ihres ehemaligen Königs.

»Prinzessin Cleiona musste große und schmerzliche Verluste erleiden, dennoch steht sie heute hier vor euch. Sie ist wahrlich eins der tapfersten Mädchen, die ich je kennengelernt habe, und ich verstehe gut, warum die Menschen in Auranos sie so sehr lieben.« Sowohl die Stimme als auch das Gesicht des Königs schien echte Zuneigung auszudrücken, als er auf die Prinzessin hinablächelte. »Wie ihr wisst, ist sie mit Aron Lagaris verlobt, einem stattlichen jungen Mann, der sie in Paelsia beschützt hat, als einer dieser Wilden grundlos über sie hergefallen ist.«

Erneut packte Brion Jonas’ Arm und hielt ihn in schraubstockartigem Griff fest. Erst da wurde Jonas bewusst, dass die Lügen über seinen Bruder ihn dazu gebracht hatten, mit geballten Fäusten einen Schritt nach vorn zu machen.

»Bleib ruhig«, knurrte Brion.

»Ich versuche es ja.«

»Gib dir mehr Mühe.«

Der König zog Cleo noch näher zu sich. »So hat Lord Aron sich in den Augen des verstorbenen Königs Corvin als würdig erwiesen, und als Belohnung wurde ihm die Hand der Prinzessin und eine Hochzeit versprochen, auf die ganz Auranos schon gespannt wartet.«

Ein Lächeln erschien auf Arons Lippen, und seine Augen glitzerten triumphierend.

Plötzlich dämmerte Jonas, worauf diese ganze Rede hinauslief: Der König würde bekanntgeben, wann Cleos und Arons Hochzeit stattfinden sollte.

»Für mich gibt es keinen Zweifel, dass die Prinzessin mit Lord Aron einen sehr guten Fang gemacht hat«, sagte Gaius und nickte dem jungen Adeligen zu.

Jonas schäumte vor Wut, er konnte nicht fassen, dass dieser Bastard sich ungestraft mit seinen Verbrechen brüsten durfte – ja, dass er gar noch für sie belohnt wurde! Sein Hass war wie ein lebendiges Wesen, ein hässliches Ungetüm, das drohte, seine Rachsucht wieder auflodern zu lassen und ihn für alles andere blind zu machen.

»Gestern bin ich zu einem wichtigen Entschluss gelangt«, fuhr der König fort.

Stille senkte sich über die Menschenmenge, als würden alle in gespannter Erwartung seiner nächsten Worte die Luft anhalten. Jonas konnte den Blick nicht von Lord Aron und seinem selbstzufriedenen, widerwärtig fröhlichen Gesicht abwenden.

»Hiermit erkläre ich die Verlobung von Lord Aron Lagaris und Prinzessin Cleiona Bellos für beendet«, verkündete der König.

Ein erschüttertes Raunen lief durch die Menge, und Arons überhebliches Grinsen erstarrte.

»Prinzessin Cleiona verkörpert die Schönheit und die Stärke dieses goldenen Königreichs«, sagte Gaius. »Sie ist euer aller Tochter, und ich weiß, wie sehr sie euch am Herzen liegt. Ihre Hochzeit scheint mir die perfekte Gelegenheit, die Länder Myticas noch enger miteinander zu vereinen. Aus diesem Grund freut es mich ganz besonders, euch verkünden zu dürfen, dass eure geliebte Prinzessin Cleiona Aurora Bellos schon in vierzig Tagen meinen Sohn, Prinz Magnus Lukas Damora, heiraten wird.«

König Gaius nahm erst Cleos, dann Magnus’ Hand und legte sie mit feierlicher Geste ineinander. »Gleich nach der Hochzeit werden Magnus und Cleiona gemeinsam durch Mytica reisen – als Zeichen der Eintracht und der glücklichen Zukunft, die uns allen bevorsteht.«

Einen Moment herrschte Schweigen, dann fing ein Großteil der Versammelten an zu applaudieren – manche eher verhalten, andere voller echter Begeisterung über die Ankündigungen des Königs.

»Huch«, machte Brion. »Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.«

Einen Moment konnte Jonas nur mit großen Augen zum Balkon hochstarren, völlig entgeistert. »Ich habe genug gehört«, stieß er schließlich hervor. »Lass uns von hier verschwinden. Sofort.«

»Ich folge dir.«

Jonas riss seinen Blick von Cleos ausdruckslosem Gesicht los und begann, sich einen Weg durch das Chaos zu bahnen. Es war die Neuigkeit über die Reichsstraße, die ihn derart verstört hatte – was hatte das nur zu bedeuten? Was plante König Gaius wirklich? Das Schicksal einer Prinzessin, die bald seinen Todfeind heiraten würde, sollte seine geringste Sorge sein.

Und dennoch machte ihm Cleos neue Verlobung schwer zu schaffen.

KAPITEL 2

CLEO

Auranos

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