Celebrity Sweetheart - Kirsti Kristoffersen - E-Book

Celebrity Sweetheart E-Book

Kirsti Kristoffersen

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Beschreibung

HILFE, MEIN CRUSH IST EIN STAR!

Karoline mit K fühlt sich wie im falschen Film: Mathias, in den sie sich im Sommer verliebt hat, wird über Nacht in ganz Skandinavien zu einem Star! Plötzlich kennen ihn alle in ihrer Schule, folgen ihm auf Insta und sind Fans der Castingshow Star Factory, an der er für Norwegen teilnimmt. Mathias scheint überall zu sein, nur nicht bei Karoline … Als Fotos von ihrem gemeinsamen Sommer gepostet werden, steht plötzlich auch Karoline im Blitzlichtgewitter. Kriegt sie es hin, die Freundin eines Superstars zu sein?

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Seitenzahl: 292

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Cover

Titel

Kirsti Kristoffersen

Celebrity Sweetheart

Band 2

Aus dem Norwegischen von Meike Blatzheim

Insel Verlag

Impressum

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Die Wiedergabe von Gestaltungselementen, Farbigkeit sowie von Trennungen und Seitenumbrüchen ist abhängig vom jeweiligen Lesegerät und kann vom Verlag nicht beeinflusst werden.

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Die Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel Kjendiskjæreste bei Cappelen Damm, Oslo.Wir bedanken uns bei NORLA – Norwegian Literature Abroad für die Übersetzungsförderung.

eBook Insel Verlag Berlin 2024

Der vorliegende Text folgt der deutschen Erstausgabe, 2024.

Erste Auflage 2024Deutsche Erstausgabe© der deutschsprachigen Ausgabe Insel VerlagAnton Kippenberg GmbH & Co KG, Berlin, 2024Alle Rechte vorbehalten. Wir behalten uns aucheine Nutzung des Werks für Text und Data Miningim Sinne von § 44b UrhG vor.

Der Inhalt dieses eBooks ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Wir behalten uns auch eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor.Für Inhalte von Webseiten Dritter, auf die in diesem Werk verwiesen wird, ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber verantwortlich, wir übernehmen dafür keine Gewähr. Rechtswidrige Inhalte waren zum Zeitpunkt der Verlinkung nicht erkennbar. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Umschlaggestaltung: zero-media.net, München

Umschlagabbildungen: iStock by Getty Images; Getty Images; FinePic®, München

eISBN 978-3-458-77994-0

www.insel-verlag.de

Übersicht

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Informationen zum Buch

Cover

Titel

Impressum

Kapitel1

Kapitel

2

Kapitel

3

Kapitel

4

Kapitel

5

Kapitel

6

Kapitel

7

Kapitel

8

Kapitel

9

Kapitel

10

Kapitel

11

Kapitel

12

Kapitel

13

Kapitel

14

Kapitel

15

Kapitel

16

Kapitel

17

Kapitel

18

Kapitel

19

Kapitel

20

Kapitel

21

Kapitel

22

Kapitel

23

Kapitel

24

Kapitel

25

Kapitel

26

Kapitel

27

Kapitel

28

Kapitel

29

Kapitel

30

Kapitel

31

Informationen zum Buch

Celebrity Sweetheart

Kapitel1

Es dauert ziemlich genau drei Tage, bis absolut alle über Scandinavia Superstar reden. Die Werbung ist jetzt überall, es ist unmöglich, durch Insta zu scrollen, eine Website aufzurufen oder den Fernseher einzuschalten, ohne dass Mathias in die Kamera und mir direkt ins Gesicht grinst, mir, die zurückschaut und sich fragt, wo sie den Anschluss verloren hat. Inzwischen sind auch Plakate mit den anderen Kandidatinnen und Kandidaten aufgetaucht, an der Bushaltestelle und im Einkaufszentrum. Die anderen werden genauso präsentiert wie Mathias, sie heißen Ditte, Benjamin und Linus, aber keins der Plakate ist auch nur annähernd so riesig wie das mit Mathias vor dem Supermarkt.

Am Freitag sitzen Mama, Papa und ich zu Hause auf dem Sofa, es gibt Tacos und wir gucken Alfie’s Late Night, so wie jede Woche. Obwohl mein Taco quasi nach nichts schmeckt, bekomme ich ihn in winzig kleinen Stücken doch herunter. Seit dem Tag, an dem TV9 die Sache mit der Castingshow angekündigt hat, befindet sich mein Körper in einer Art Zombiemodus. Mein Herz schlägt entweder super schnell oder mega langsam und setzt dann einen Schlag aus, bevor es wieder Fahrt aufnimmt. Und in meinem Kopf ist so ein unablässiges Summen, das mich im Unterricht ablenkt und nachts wach hält. Ich muss mich echt zusammenreißen, Mann! Wieder normal werden, so tun, als wäre nichts, aber ich weiß nicht, wie.

»Guckt mal, da ist Lars Kristian«, sagt Mama und greift nach der Fernbedienung, um den Ton hochzudrehen.

Lars Kristian ist ein ziemlich lauter Typ in Lederjacke und hochhackigen Stiefeln, der oft im Fernsehen auftritt, und eigentlich eher cringe. Aber Mama liebt ihn. Jetzt winkt er dem Publikum bei Alfie’s Late Night. Hinter ihm kommt Chrissy ins Studio. Mein Herz beginnt wieder zu rasen. Nicht mehr, weil ich einen Crush auf Chrissy hab, sondern weil er vielleicht etwas über Mathias sagen könnte.

Als sie sich aufs Sofa gesetzt haben, streicht sich Lars Kristian durch das glänzende Haar, und Chrissy strahlt den Moderator Alfie, der hinter einem Pult sitzt, mit seinem blendend weißen Lächeln an.

»Herzlich willkommen, Lars Kristian und Chrissy höchstpersönlich!«, ruft Alfie. Erneuter Applaus im Saal. Dann wendet er sich an Lars Kristian. »Letztes Mal warst du als Manager von Desire bei uns, einer Band, die derzeit großen Erfolg in unseren Nachbarländern feiert! Und du, Chrissy, bist ebenfalls ein altbekannter Gast mit vielen Eisen im Feuer. Aber heute seid ihr beide hier, um über etwas ganz Neues zu sprechen. Schauen Sie sich das an.« Alfie spricht jetzt direkt in die Kamera zum Publikum vor den Bildschirmen und eine viel zu bekannte Melodie setzt ein, zusammen mit den schnell wechselnden Bildern, die ich seit letzter Woche bestimmt schon tausend Mal gesehen habe. Der Trailer mit Mathias. Diesmal erhasche ich nur einen kurzen Blick auf ihn, bevor der Clip zu Ende ist und das Studiopublikum noch einmal klatscht.

»Erzähl doch mal, Lars Kristian«, sagt Alfie. »Diese Werbung terrorisiert uns nun schon eine Weile, was hat es damit auf sich?«

»Die Sache ist die«, beginnt Lars Kristian. »Wir sind auf der Suche nach Skandinaviens größtem, coolstem und freshstem Talent zwischen zwölf und achtzehn Jahren! Die Sendung heißt … halten Sie sich fest: Star Factory! Und wir werden aus völlig unbekannten Teenies den Scandinavia Superstar suchen.«

Das Publikum klatscht erneut.

»Ihr seid also auf der Suche nach dem nächsten großen Teeniestar quer durchs Land gereist, und sogar über die Landesgrenze hinaus«, fasst Alfie zusammen.

»Ja, denn da gibt es eine echte Gap im Markt. Denk nur an Marcus & Martinus. Denk an Miley Cyrus, Taylor Swift und Billie Eilish. Oder auch an Justin Bieber, nicht wahr, was haben die sechs gemeinsam? Sie alle wurden wahnsinnig früh entdeckt.« Lars Kristian gestikuliert wild. »Wir wollen also genau solche Leute finden, Leute, die vielleicht selbst noch nicht wissen, dass Musik ihr Ding ist, und die besten von ihnen in ganz Skandinavien präsentieren.«

»Richtig, es ist keine norwegische, sondern eine skandinavische Show. Warum eigentlich?«, fragt Alfie.

»Wenn du nach Norwegen schaust, nicht wahr, nach Schweden, Dänemark und Finnland, in allen Ländern gab es schon Castingshows in Hülle und Fülle, es wurde schon überall nach den größten Talenten gesucht«, sagt Lars Kristian.

Das Publikum lacht, Alfie versucht ihm ins Wort zu fallen, will ihn unterbrechen.

»Lass mich den Gedanken zu Ende führen! Deshalb bietet es sich in der heutigen Streamingära an, Stars über Landesgrenzen hinweg aufzubauen, nicht wahr? Es ist für uns Skandinavier doch viel sinnvoller, zu teilen, was wir haben, uns gegenseitig Gutes zu tun und gemeinsam etwas aufzubauen, nicht wahr? Und ich denke, das wird uns gelingen, wir haben einige wahnsinnig gute Kids dabei«, sagt Lars Kristian.

»Und du bist der Moderator der Show«, wendet Alfie sich an Chrissy. Der zeigt seine weißen Zähne in einem breiten Grinsen und setzt zu einer Antwort an, aber bevor er antworten kann, unterbricht Alfie ihn. »Darüber sprechen wir nach der Pause!«, ruft er und anstelle des Studios flimmert Chips-Werbung über den Bildschirm.

Mein Handy pingt, Emma hat geschrieben.

Guckst du gerade Alfie? Hast du schon rausgefunden, ob deine dänische Freundin dabei ist?

Das erste Mal hab ich den Trailer für die Show bei Emma zu Hause gesehen und behauptet, ich hätte ein Mädchen erkannt, das ich im Sommer kennengelernt habe. Aber das war nur, weil ich meinen Schock und das Durcheinander verbergen wollte, nachdem ich Mathias entdeckt hatte.

Ich drücke auf die Taste seitlich am Handy, damit der Bildschirm schwarz wird. Drücke sie erneut, die Nachricht leuchtet mir entgegen. Schwarz. Wieder an. Wenn ich draufklicke, sieht sie, dass ich ihre Nachricht gelesen hab. Stattdessen öffne ich Instagram. Zwei Mädchen aus meiner Klasse, Julia und Jasmina, haben jeweils ein Foto aus der Sendung in ihren Storys geteilt. »OMG, das wird meeeega«, hat Julia über ein verschwommenes Foto vom Fernsehbildschirm mit Lars Kristians fettem Grinsen darauf geschrieben. Jasmina hat ein Boomerang gepostet, das abwechselnd den Fernseher und die selig lächelnde Julia auf dem Sofa neben ihr zeigt. »Jemand wartet auf News von MATHIAS«, steht da, zusammen mit jeder Menge grinsenden und Herzchenaugen-Emojis. Ich seufze. War ja klar. Ich bin nicht die Einzige, die »Norway’s New Dreamboy« vor dem Supermarkt gesehen hat. Nicht die Einzige, die gar nicht erwarten kann, mehr über ihn zu erfahren.

Als Alfie weitergeht, sitzen Chrissy und Lars Kristian immer noch im Studio.

»Willkommen zurück. Wir haben heute Besuch von Lars Kristian und Chrissy, die das größte und, soweit ich weiß, erste gesamtskandinavische Castingshow-Konzept vorstellen – einen Wettbewerb für Teenager aus dem ganzen Norden. Eigentlich schade, diese Altersgrenze, sonst hätte ich glatt mitgemacht«, sagt Alfie und das Publikum lacht wie auf Knopfdruck.

Mama und Papa lachen ebenfalls. Ich hatte beinahe vergessen, dass sie auch noch da sind, so sehr habe ich mich darauf konzentriert, nichts zu verpassen, was Lars Kristian sagt.

»Ja, achtzehn ist die obere Altersgrenze. Und wir sind uns sehr sicher, dass wir eine Truppe mit echtem Starpotenzial gefunden haben«, meint Lars Kristian.

»Die Auswahl steht also schon fest?«

»Yes! Wir haben in jedem Land mehrere Runden gedreht, um die wirklich begabten jungen Leute aufzuspüren und zu Auditions einzuladen. Bei einer derart jungen Crowd ist es verdammt wichtig, diejenigen, die rausfliegen, im Fernsehen nicht vorzuführen«, sagt Lars Kristian und löst eine neue Runde Beifall aus.

»Und unter diesen Jugendlichen befinden sich also echte Stars?«, fragt Alfie. Es klingt, als könnte er sich das nicht so recht vorstellen.

Doch Lars Kristian lässt sich nichts anmerken, er überschlägt sich fast vor Begeisterung. »Aber hallo! Jede Menge! Wir haben einige große Stars aus Norwegen dabei, das kann man nicht anders sagen, unter anderem einen jungen Gentleman, von dem ich annehme, dass er der Dreamboy jeder Menge Mädels da draußen werden wird.« Lars Kristian zwinkert in die Kamera.

Das Publikum jubelt und pfeift.

Er muss Mathias meinen. Norway’s New Dreamboy.

»Und was erwartet den Gewinner oder die Gewinnerin, wenn die Show im Herbst vorbei ist?«, fragt Alfie.

»Das ganze Paket! Wir sprechen von einem Plattenvertrag, einer Tour, einem Album, professionellem Management.« Lars Kristian zählt an den Fingern ab.»Und nicht zuletzt geht es um Fans«, sagt er und lehnt sich zufrieden in seinem Sessel zurück, während der Applaus übertönt, was Alfie zu sagen versucht.

Als der Beifall abebbt, übernimmt Chrissy das Wort und sagt, dass er sich mega darauf freut, so eine freshe Gang zu moderieren. Aber er scheint auf dem Sofa klein und unsichtbar geworden zu sein, denn Alfie stellt ihm keine weitere Frage und geht auch nicht auf das ein, was er erzählt.

»Mir bleibt also nicht mehr, als zu beteuern, wie sehr wir uns darauf freuen, dass es in einer Woche losgeht«, sagt er nur. »Meine Damen und Herren! LARS KRISTIAN! CHRISSY!«

Und der Applaus findet kein Ende.

»Jupp, das klingt spannend!«, sagt Mama neben mir begeistert und wieder zucke ich zusammen.

»Ich glaub, ich geh schlafen«, sage ich und fake ein Gähnen.

»Jetzt schon?« Papa klingt besorgt.

»Bin in letzter Zeit immer so müde«, lüge ich. Das stimmt kein bisschen, im Gegenteil, ich finde fast keine Ruhe vor meinem aufgedrehten Kopf.

Im Bett öffne ich Emmas Nachricht. Sie hat noch eine weitere geschickt.

Klingt nach einer nicen Show?!

Sorry, das Handy lag in meinem Zimmer.

Keine Ahnung, ob sie mir das glaubt.

Aber ja, nice Show! Klingt voll spannend.

Emma antwortet auf der Stelle.

Mega, dass du eine kennst, die da mitmacht!

Ich könnte es einfach sagen. Emma könnte ich es erzählen. Dass ich den kenne, der mehrere Meter groß an der Wand des Kiwi-Supermarkts hängt. Den, der auf einmal Norway’s New Dreamboy ist. Ich tippe.

Nee, sie ist nicht dabei. Aber ich muss dir was erzählen … Ich kenne nämlich diesen Jungen, den auf dem Plakat am Kiwi. Ich hatte im Sommer was mit ihm.

Doch dann sehe ich all die Fragezeichen vor mir. Die von Emma, von Julia und Jasmina und allen anderen, die die Show gucken, womöglich sogar von Mama und Papa? Ich müsste allen erzählen, dass Mathias und ich Schluss gemacht haben, weil … ja, warum eigentlich? Weil ich dachte, dass es zu schwierig wird, mit der Entfernung zwischen uns und so. Hätte ich es bloß gewusst. Dass das hier das Schwierige ist. Und was würde ich dann zu Star Factory sagen? Lügen und behaupten, dass ich davon gewusst habe? Oder besser nicht? Ich hatte im Sommer einen Freund und jetzt weiß ich, dass er mich die ganze Zeit über angelogen hat, so halt. Cringe! Außerdem kann ich ihn nicht mal anrufen. Er hat mich absichtlich aus seinem Leben ausgeschlossen. Um ein Star zu werden.

Ich lösche den Text, den ich gerade geschrieben habe. Tippe stattdessen:

Nee, sie war es doch nicht, muss mich vertan haben.

Kapitel2

Es kostet mich meine ganze Selbstdisziplin, nicht aufzuschauen, während ich mit Emma das Stadtzentrum durchquere. Es ist Abend und wir sind auf dem Weg zu Sagen nach Hause, wo er mit seinen Jungs abhängt. Ausgerechnet zu Sagen. Emma ist eingeladen, und auch wenn niemand ausdrücklich gesagt hat, dass ich mitkommen soll, bin ich doch dabei.

Als wir am Kiwi vorbeigehen, spüre ich förmlich Mathias’ Augen auf mich hinabschauen. Als würde mir sein Blick folgen. Er hängt jetzt seit über einer Woche dort.

Emma schnaubt. »Ich werd diese neue Show jedenfalls nicht gucken«, sagt sie, bleibt abrupt stehen und zeigt auf das Plakat.

»Also diese komische Castingshow«, erklärt sie, und wedelt mit dem Zeigefinger zu Mathias hoch.

»Mhm«, sage ich.

»Erst fand ich’s ja ganz nice, aber wo jetzt alle drüber reden, hab ich echt keine Lust mehr«, wiederholt sie.

»Ah.«

»Und du? Guckst du’s?« Sie dreht sich zu mir, ich schaue zu Mathias hoch und tue, als ob mich das alles kein bisschen interessiert, es ist mir egal, wer er ist, Norway’s New Dreamboy, der von seiner Plakatwand aus über uns wacht.

»Vielleicht. Gerade weil alle drüber sprechen, muss man doch rauskriegen, worum’s geht«, sage ich.

»Okay. Vielleicht hast du recht. Willst du Samstag dann zu mir kommen? Und wir gucken zusammen?«

Sofort werden meine Hände schwitzig. Auf gar keinen Fall kann ich Star Factory mit Emma gucken. Nicht, wenn ich nicht weiß, worauf ich mich einlasse, wie viel oder wenig von Mathias zu sehen ist und wie die Sendung abläuft. Was, wenn ich so weird reagiere wie letztes Mal? Oder noch schlimmer, wenn ich ohnmächtig werde? Wenn es um Mathias geht, traue ich mir nicht über den Weg. Ich muss die Sendung allein sehen.

»Ich kann nicht, bin bei Oma«, schwindle ich.

»Oh. Schon wieder? Okay«, sagt Emma und geht weiter. »Komm, Sagen wohnt da vorne.«

Erst nach dem dritten Klingeln öffnet Sagen die Kellertür seines Hauses.

»Hi«, sagt er und Emma umarmt ihn.

»Schön, dich zu sehen«, sagt sie und hält ihn fest. Er berührt irgendwie nur ihre Schulter statt ihrer Wange und wirft mir bloß einen schnellen Blick zu, bevor er uns den Rücken zukehrt und vorangeht, in Richtung eines Raums, aus dem es uns entgegendröhnt. Stimmen und Musik und noch was. Wir folgen ihm.

»Hi, Jungs«, ruft Emma und wirft, noch im Türrahmen, die Haare zurück. Ich bleibe hinter ihr stehen und hebe etwas unbeholfen die Hand, um die vier, die dort rumsitzen, zu begrüßen. Sagen, der eigentlich Sander heißt, wohnt hier. Er hockt sich ganz außen auf ein ziemlich abrocktes Ledersofa und nimmt einen Controller in die Hand. Emma setzt sich neben ihn, rückt nah an ihn ran. Etwas weiter weg sitzen Abdi, Per Hendrik – den alle nur Pelle nennen – und Tobias aus unserer Klasse. Tobias scheint überrascht zu sein, dass wir hier sind, schaut aber schnell wieder auf den Bildschirm. Eigentlich ist es gar kein Bildschirm, sondern eine weiße Wand, die ein Beamer beinahe komplett mit den Bildern des Autorennens füllt, das sie spielen. Das Bild ist in vier Teile geteilt, offensichtlich treten sie gegeneinander an.

Die Jungs spielen. Und spielen. Bestimmt zwanzig Minuten lang passiert nichts, außer dass sie alle vier mit ihren Konsolen in den Händen dasitzen und auf die Wand mit den vier Feldern starren. Dabei sind sie voll laut, egal ob sie gerade verlieren oder gewinnen. Ich schiele zu Emma rüber. Sie hat sich eng an Sagen gedrückt, jubelt, wenn er jubelt, und ruft »Yes!«, wenn er gewinnt. Seit wann interessiert sie sich für Autorennen? Ich werfe einen Blick auf mein Handy und sehe, dass Oma mir geschrieben hat.

Na so was. Mathias im Fernsehen? Liebe Grüße von Oma

Na klar. Jetzt, wo der Trailer auch im Fernsehen und nicht nur im Internet läuft und Lars Kristian bei Alfie und vermutlich in sämtlichen Morning-Shows und Radiosendern von Star Factory erzählt hat, hat es natürlich sogar Oma mitbekommen.

Ja, ist voll cool! Grüße

Wie aufregend! Grüß ihn von mir und sag toi, toi, toi. 👍👍👍👍👍

Ich antworte ihr nicht. Oma muss nicht wissen, dass Mathias und ich keinen Kontakt haben. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie auch meinen Eltern nichts von ihm erzählen wird.

Mein Telefon pingt wieder. Es ist eine Benachrichtigung von Instagram; Mathias hat ein Bild gepostet. Mein Daumen zittert, als ich drauftippe. Es sind zwei Fotos in einem Post, das auf dem ersten muss ein Tonstudio sein, ein Raum mit jeder Menge Instrumente, Mikrofone und Lautsprecher. Bild Nummer zwei ist ein Selfie, Mathias steht hinter einem der Mikrofone und lächelt schief, er trägt Kopfhörer und schaut direkt in die Kamera. Seine Haare sind ein bisschen durcheinander, so wie ich sie am liebsten mag. Ich kann mir das Lächeln nicht verkneifen. »Working hard or hardly working?«, hat er daruntergeschrieben. Ich mache Screenshots von beiden Fotos und starre darauf. So weit von ihm entfernt habe ich mich noch nie gefühlt. Er sitzt in einem mega coolen Studio, ready für seinen Fernsehauftritt, ist das Gesprächsthema in ganz Norwegen. Und ich sitze hier, in einem ollen Kellerraum im Dorf, obwohl ich nicht mal richtig eingeladen bin. Ich klicke auf Mathias’ Profil und stutze, als ich die Anzahl seiner Follower sehe. Seit dem Sommer sind es gar nicht mehr geworden. Haben sie ihn trotz der vielen Werbung noch nicht gefunden? Strange, irgendwie.

Oder vielleicht auch nicht, mir fällt nämlich ein, dass sein Account ja auf privat steht. Aber warum schreibt er dann plötzlich auf Englisch? Ist er jetzt schon so wie Chrissy? Sieht ganz danach aus. Jetzt, wo er bald Fans in ganz Norwegen haben wird, macht er Selfies und bereitet sich darauf vor, bald famous zu sein. Der Gedanke macht mich traurig. Ich schiebe das Handy wieder in meine Tasche und schaue mich im Keller um. Noch vor einem halben Jahr hätte ich es mega aufregend gefunden, bei Sagen zu Hause zu sein, weil der erstens älter als wir ist und zweitens einer der coolsten Typen der Schule. Doch jetzt finde ich irgendwie nichts daran besonders spannend. Den anderen beim Zocken zugucken? Da würde ich ja noch lieber den Inhalt meiner Sockenschublade sortieren. Unauffällig spähe ich zu Emma rüber. Sie wirft die Haare zurück und versucht, total lässig zu wirken, aber ich durchschaue sie. Wenn sie wirklich so richtig in Sagen verliebt ist, wette ich, dass ihr Schmetterlinge in der Größe von Krähen durch den Bauch flattern. Das Gefühl kenne ich schließlich. Und beim Gedanken an Mathias und daran, was wir tun würden, wenn er jetzt hier wäre, sticht es in der Seite.

»Willst du mal?«, fragt Tobias und hält mir seinen Controller hin.

Ich schüttle den Kopf.

»Okay«, sagt er und lehnt sich zurück.

»Oder doch, gib her.« Ich nehme ihm den Controller aus der Hand. Bin in Gedanken immer noch bei Mathias. Komm schon, Karoline, würde er sagen, denk nicht so viel. Also versuche ich zu vergessen, dass ich mit den coolen Jungs in einem Keller sitze oder dass ich noch nie Autorennen gespielt hab und mich blamieren werde. Denn was bedeutet das schon? Mathias ist der Einzige, der etwas bedeutet. Und er ist nicht hier.

»Come on, Emma, mach doch auch mit«, sage ich. Und Sagen hält ihr fragend seinen Controller hin.

»Scheeeiße, ich kann das nicht, das wird voll der Fail«, sagt sie extra übertrieben und ich spüre, wie die Wut in mir hochkocht. Warum tut sie so dumm?

»Tja dann«, sage ich.

»Bist du bereit?«, fragt Sagen.

»Kein bisschen«, antworte ich und er lacht. Da lacht Emma auch.

Und dann legen wir los. Ich bin so was von schlecht, mehrmals dreht sich mein Auto auf der Strecke oder fährt voll in die Wand, und als ich eine halbe Minute nach den anderen ins Ziel fahre, lachen sie über mich.

»Noch mal!«, rufe ich und darf noch mal spielen.

Wieder verliere ich, aber Tobias meint, dass ich Pelle beinahe eingeholt hätte.

Wir spielen noch ein paar Mal, Tobias und ich wechseln uns ab, und nach und nach werde ich ziemlich gut. Einmal sind wir sogar schneller als Abdi. Alle jubeln, ich lache.

Als wir nach Hause gehen und ich mich an der Kreuzung, an der ihr Vater sie abholt, von Emma verabschiede, fühle ich mich innendrin ganz froh und leicht. Für einen kurzen Moment hatte ich Mathias vergessen. Doch dann ist alles wieder da.

Am Samstag hat Star Factory Premiere – bis dahin sind es nur noch ein paar Tage.

Kapitel3

Als endlich Samstag ist, bin ich beim Aufwachen beinahe überrascht, dass der Tag gekommen ist. Doch so ist es nun mal, die Zeit vergeht auch dann, wenn es sich anfühlt, als würde sie stillstehen.

Mama und Papa sind zum Abendessen bei einem befreundeten Paar eingeladen. Ich habe behauptet, dass Emma vorbeikommt, und sie haben Pizza, Limo, Süßigkeiten und noch eine ganze Menge anderes Zeug gekauft, von dem sie meinen, dass wir Lust darauf haben. Erst als sie gegen sechs losgegangen sind, dämmert mir, dass ich die ganze Pizza aufessen muss, damit sie nicht rauskriegen, dass ich allein war. Plus den größten Teil der Chips und der Süßigkeiten.

Als die Show endlich anfängt, warte ich bestimmt schon eine Viertelstunde vor dem Fernseher. Wann hab ich bitte zum letzten Mal darauf gewartet, dass eine Sendung losgeht? Vielleicht beim Kinderfernsehen, als ich klein war. Etwas sagt mir, dass ich nicht die Einzige bin, die heute Abend gespannt vor dem Fernseher hockt. Die Zeitungen haben darüber berichtet, dass die Show in allen skandinavischen Ländern zur selben Zeit ausgestrahlt wird und dass »große Erwartungen an dieses neue Konzept geknüpft sind, das sich zum Ziel gesetzt hat, in der modernen Ära der Streamingdienste ganz Skandinavien vor den Fernsehern zu versammeln«. Und dann, endlich, geht es los.

Das Intro erinnert an einen Hollywood-Film, mit pompöser Musik, Geigen und Trompeten, bevor sie einen Clip zeigen, der an den Trailer erinnert und in dem viele der Kandidatinnen und Kandidaten schnell hintereinander über den Bildschirm flimmern. So schnell, dass ich Mathias nicht entdecke, aber vielleicht ist er dabei. Dann das Star-Factory-Logo in Großbuchstaben. Es wird immer näher rangezoomt, bis es explodiert und sich in viele kleine Sterne auflöst, die sich über den Bildschirm verstreuen.

Chrissy steht in der Mitte einer großen Bühne, die ansonsten völlig leer ist, und spricht direkt in die Kamera.

»Hallo Norwegen, herzlich willkommen!«, sagt er enthusiastisch, hebt die Arme und lässt sie wieder fallen.

Dann erzählt er, dass es außer ihm noch drei andere Moderatorinnen und Moderatoren gibt, die genau jetzt dieselben Begrüßungsworte in Schweden, Dänemark und Finnland sagen, und schwupps, sind diese drei plötzlich auch auf dem Bildschirm zu sehen, der nun in vier langgestreckte Rechtecke geteilt ist, mit jeweils einem Moderator oder einer Moderatorin in bunter Kleidung. Sie rufen im Chor: »Willkommen zu Star Factory!«

»Ab nächsten Samstag werden junge Talents aus ganz Skandinavien gegeneinander antreten, und zwar in spektakulären Live-Shows«, erklärt Chrissy aus dem Off.

Dazu zeigen sie viele kurze Clips von verschiedenen Jugendlichen, die in Auditions singen.

»Jede Show hat ein Thema, alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer singen je ein Lied, das etwas mit diesem Thema zu tun hat, und ihr zu Hause stimmt für eure Favoriten ab, unabhängig davon, aus welchem Land sie kommen. Der Kandidat oder die Kandidatin mit den wenigsten Stimmen muss gehen. Am Ende werden zwei skandinavische Talente in einem fantastischen, hochkarätigen Finale gegeneinander antreten! Wer wird als allererster Gewinner oder als allererste Gewinnerin von Star Factory in die Geschichte eingehen? Das wird nur die Zeit zeigen. Wer wird euer Favorit sein? Aber heute wollen wir unsere jungen Talents erst einmal näher kennenlernen!«

Wie Lars Kristian schon bei Alfie erzählt hat, verzichten sie darauf, lauter Auditions mit Leuten zu zeigen, die es dann doch nicht weiterschaffen. Alle, die das Publikum zu sehen bekommt, sind auch in der Show dabei. Heute stehen sie allerdings noch nicht live auf der Bühne, sondern wir begleiten sie in den vier Ländern durch die ersten Wochen mit Proben und Vorbereitungen. Das Konzept geht auf, ich merke jetzt schon, dass ich mich für die Leute, die mitmachen, interessiere und wissen will, wer sie sind. Oder liegt das nur daran, dass Mathias ständig mit ihnen rumhängen wird? Wo steckt er eigentlich? Wir sehen Mädchen und Jungs, von denen einige noch echt jung und andere fast erwachsen sind, und ich überlege, ob es nicht eigentlich ein bisschen unfair ist, Zwölfjährige gegen Achtzehnjährige antreten zu lassen. Aber als alle schwedischen Kandidaten und Kandidatinnen im Freizeitpark Liseberg in Göteborg versammelt sind, sieht es zumindest so aus, als hätten sie Spaß.

Star Factory spart echt nicht an Talent. Die Show gibt von Anfang an alles, nicht nur einmal bekomme ich Gänsehaut. Ein Mädchen aus Dänemark, Ditte heißt sie, ist richtig gut. Sie legt gleich mit einem Song von Beyoncé los, der großartig klingt, und scheint über den Boden des Proberaums zu schweben. Im Interview nach ihrem Auftritt erzählt sie, dass sie Ballett tanzt. Wundert mich nicht.

Und dann, gerade als ich beinahe vergessen habe, weshalb ich die Show vor allem sehen wollte, als ich gerade die Schultern entspannt und es mir so richtig gemütlich gemacht habe, taucht Mathias auf dem Bildschirm auf.

Sie haben sich das Beste für den Schluss aufgehoben. Na klar. Die anderen aus Norwegen wurden schon vorgestellt, aber jetzt schwebt »Norway’s New Dreamboy« von der Seitenlinie ein, und mir bleibt die Luft weg, wenn ich daran denke, wie er auf die Hunderttausende vor den Fernsehern wirkt. Er sieht einfach mega aus. Sonnengebräunt und mit langem Pony, genau wie auf den Plakaten, er trägt ein schneeweißes T-Shirt mit Jeansjacke drüber. Die Kamera zoomt an ihn ran, Slow Motion auf sein Gesicht, bis es das komplette Bild ausfüllt. Und er guckt mit breitem Lächeln direkt in die Kamera.

Mein Herz setzt aus.

Mathias sieht aus wie ein Filmstar in einem Disneyfilm – und gleichzeitig genau so wie der Typ, den ich im Sommer auf einem ziemlich heruntergekommenen Campingplatz kennengelernt habe.

Es geht direkt mit einem Song weiter. Mathias gibt einem Typen am Klavier High Five, woraufhin der zu spielen beginnt und Mathias dann zu singen. Ein Lied, das ich nicht einordnen kann, aber das ich schon mal irgendwo gehört habe. Jedenfalls ist es unglaublich gut. Während er singt, schließt er die Augen, konzentriert sich und lässt sich fallen, und obwohl ich ihn schon oft habe singen hören, war es nie so. Also irgendwie so richtig. Das ist also sein Talent? Wow.

Dann gibt es einen schnellen Schnitt zu einer Aufnahme draußen, die Sonne in Mathias’ Augen. Und ich hab voll das Déjà-vu. Das hab ich doch schon mal gesehen. In dem Moment, in dem die Kamera leicht rauszoomt und Chrissy neben Mathias ins Bild kommt, weiß ich, wo sie sind. Auf dem Hersjøen! Das muss die Szene sein, die sie im Sommer gedreht haben. Als ich links hinter der Kamera stand und überhaupt nichts kapiert habe.

Chrissy und Mathias grinsen, ihre Million-Dollar-Smiles, die Insta-Grinsen, direkt in die Kamera.

»Mathias, Mathias, Mathias, erzähl doch mal was über dich«, fordert Chrissy ihn auf.

»Tja, was willst du denn wissen?«, fragt Mathias lächelnd.

»Wir wollen alles wissen!« Chrissy guckt in die Kamera und zwinkert.

Mathias lacht ein bisschen nervös und hebt die Hand, um sich den Pony aus der Stirn zu streichen. Shit, ist er hot. Und endlich erfahre ich, was sie damals vor der Kamera gesagt haben.

Mathias erzählt ein bisschen was über sich, woher er kommt, dass er gern Fußball spielt und so, nichts Neues und nichts Überraschendes.

»Was hast du diesen Sommer über gemacht?«, will Moderatoren-Chrissy wissen.

»Tja, diesen Sommer war ich überwiegend hier, auf dem Campingplatz«, sagt Mathias.

»Camping?! Ist das das neuste Ding?«, fragt Chrissy, dreht sich um und scheint den Blick über den Herrlichen Hersjøen hinter sich schweifen zu lassen.

»Ja, voll. Es war echt total cool«, sagt Mathias lächelnd.

Und ich sehe es deutlich, es ist sein erstes richtiges Lächeln in der kompletten Show. Mir wird ganz warm. Guckt er nicht vielleicht an der Kamera vorbei, so ein bisschen nach rechts hinten, dahin, wo ich stehe?

»Jetzt müssen wir nur noch die wichtigste aller Fragen klären«, sagt Chrissy. »Hast du eine Freundin?«

Mathias senkt den Blick auf die Tischplatte, bevor er ihn wieder hebt. Sein Lächeln wirkt irgendwie gekünstelt. »Nope«, sagt er rasch, »keine Freundin.«

»Habt ihr das gehört, da draußen? Er ist … Siiiiingle!«, ruft Chrissy und macht ein Gesicht wie in Edvard Munchs Schrei, indem er die Hände rechts und links an die Wangen legt und den Mund aufsperrt. Dann geht die Sendung mit etwas anderem weiter und ein paar Minuten später ist sie zu Ende.

Ich bleibe wie gelähmt sitzen und gucke Werbung, bis ich bemerke, dass mein Handy leuchtet und irgendwas auf dem Display aufploppt. Neue Twitter-Follower. Einer nach dem anderen folgt @MathiasLund, dazu kommen Benachrichtigungen, dass die Leute ihn in ihren Tweets getaggt haben. Anscheinend in mehreren Sprachen. Ein einziger Abend im Fernsehen und schon ist Mathias in ganz Skandinavien berühmt. Schnell öffne ich die App und deaktiviere die Benachrichtigungen. Ich ertrage gerade noch nicht, zu lesen, was alle anderen von ihm halten.

Mathias hat also im Sommer auf dem Campingplatz behauptet, dass er keine Freundin hat. Wusste er da schon, dass wir nach den Ferien nicht mehr zusammen sein würden? War es sozusagen Voraussetzung, dass er Single sein muss, wenn die Sendung ausgestrahlt wird? Das erklärt, warum er so komisch reagiert hat, als ich zufällig ausgerechnet in dem Moment auftauchte, als sie dieses Interview aufzeichnen wollten.

Aber, Moment mal, das Interview wurde an dem Tag aufgenommen, an dem Mathias und ich uns heimlich nachts rausschlichen und Oma mir deshalb später Hausarrest verpasste. Streng genommen hatte er also nicht gelogen. Und trotzdem. Ich hätte eine Menge dafür gegeben, seine Gedanken zu kennen. Damals wie heute. Ob Mathias gerade auch vor dem Fernseher sitzt und seinen eigenen Auftritt anschaut? Was hat er gedacht, als er das Interview vom Hersjøen gesehen hat – vielleicht wenigstens ein kleines bisschen an mich?

Mein klingelndes Handy reißt mich aus meinen Gedanken. Norah, auf FaceTime. Norah! Wir haben seit Wochen nicht mehr miteinander gesprochen.

»Karoline, hallo, Karoline?«, höre ich, sehe aber nichts.

»Hallo, ich bin dran«, sage ich, und dann erscheint Norah auf dem Display.

»Mist, bei mir war es viel zu dunkel«, sagt sie. Es ist schön, sie zu sehen, ihre Locken sind etwas kürzer, sie tanzen um ihren Kopf herum, und sie schaut mich aus großen, braunen Augen direkt an.

»Was ist denn, weinst du?«

»Tu ich das?«, frage ich und fahre mir mit der Hand durchs Gesicht. Tatsächlich, sie ist nass.

»Ich hatte eigentlich vor, weiterhin sauer auf dich zu sein, aber wie soll das gehen, wenn du heulst?« Norah seufzt.

»Sauer? Warum das denn?«

»Hallo, das ist ja wohl klar?! Wir haben den ganzen Sommer zusammen verbracht, ich habe zwei richtig gute neue Freunde gefunden, die ich ziemlich gern hab und denen ich vertraut hab, und dann stellt sich raus, dass die beiden das größte Geheimnis der Welt mit sich rumtragen und mir nichts davon gesagt haben.«

Sie klingt wirklich ziemlich wütend.

»Norah, ich wusste auch nichts davon, echt nicht. Ich schwöre!«

»Echt jetzt? Du weißt schon, wovon ich rede, oder? Mathias bei Star Factory zur besten Sendezeit, dein Ernst? Alle reden von nichts anderem! Okay, er hat dir bestimmt gesagt, dass du’s für dich behalten sollst, aber ich bin trotzdem voll enttäuscht, dass du mir nichts erzählt hast.«

»Norah … ich wusste es nicht! Kapierst du? Ich wusste es nicht! Er hat es mir auch nicht erzählt«, sage ich und diesmal spüre ich, wie die Tränen meine Wangen herunterlaufen.

»Shit«, sagt Norah. »Sorry. Aber ihr wart doch zusammen?«

Ich halte meinen Pulloverärmel vors Gesicht. Schaffe es nicht, sie anzuschauen. Es tut einfach so weh.

»Hmm. Was für ein Riesenarsch«, sagt Norah. »Nicht weinen, ja? Du hast die Sendung auch geguckt, oder?«

Hinter meinem Pulloverärmel nicke ich.

»Okay, pass auf. Ich bin dir so’n bisschen aus dem Weg gegangen, weil ich so sauer auf euch war, vor allem auf dich, weil du mir nichts davon erzählt hast, dass Mathias plötzlich als krasser Dreamboy überall in der Werbung auftaucht und so. Dann hab ich mich geärgert, dass du offenbar nicht mal gemerkt hast, dass ich dich ignoriert hab, und heute Abend war ich mega wütend, weil ich niemanden hab, mit dem ich über all das reden kann, und ich dich anrufen musste, obwohl ich so sauer war. Verstehst du?« Norah lacht leise.

Ich nehme den Arm vom Gesicht und lächle ihr zu. »Ich hab in den letzten Wochen gar nichts mitgekriegt«, erkläre ich. »Es hätte auch ein Erdbeben geben können, ohne dass ich es gemerkt hätte. Ich war irgendwie total weit weg.«

»Karoline ahnte nicht, dass sie bei einem Erdbeben sterben würde; sie hatte andere, wichtigere Dinge im Kopf«, sagt Norah mit dramatischer Stimme, und ich lache halbherzig.

»Aber echt. Ich mein, Mathias? Ist er jetzt ein Star oder was? Wie weird ist das bitte?«

»Voll weird«, sage ich und füge hinzu: »Bei uns hängt sein Gesicht an der größten Plakatwand der Stadt.«

»Echt?«

»Ja, aber so was von riesig! Ich hab ’nen Schock gekriegt, als ich es gesehen hab.«

»Das glaub ich dir sofort«, sag Norah, und ich bin froh, dass sie sich nicht daran festbeißt, dass ich von nichts gewusst habe.

»Ich hab ihm auf Insta geschrieben«, meint sie.

»Aber nichts über mich, oder?«

»Nein, hab ihm nur gratuliert und gesagt, dass ich’s cool finde. Und dass ich für ihn voten werde und so.«

»Hat er dir geantwortet?«

»Nein, aber er hat die Nachricht gelikt.«

»Okay.«

Wir werden beide still. Norah scheint in ihrem Zimmer auf dem Bett zu sitzen, an der Wand hängen ein paar Poster und auf einem Tisch neben ihr steht eine Lampe, die aussieht wie ein Hase.

»Aber du, Norah …«, setze ich an und berühre meine Wangen, um sicherzugehen, dass sie nicht wieder nass sind.

»Mhm?«

»Was glaubst du, warum er mir nichts erzählt hat? Ich mein, wir waren ja irgendwie zusammen oder so, warum hat er mir nicht erzählt, dass er bei Star Factory mitmacht?«

Auf dem Display seufzt Norah. »Keine Ahnung, Karoline. Davon versteh ich echt nichts. Warum rufst du ihn nicht einfach an? Oder schickst ihm eine Nachricht?«

Ich schüttle den Kopf. »Kann ich nicht«, sage ich und spüre die Tränen schon wieder hinter den Lidern brennen.