Cherringham - Ungebetene Gäste - Matthew Costello - E-Book

Cherringham - Ungebetene Gäste E-Book

Matthew Costello

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Beschreibung

Nach dem Ende der zweiten Staffel dürfen sich die Fans von Jack und Sarah über ein ganz besonderes Geschenk zu Weihnachten freuen - das Cherringham-Weihnachtsspecial!

Seit Jahren tritt Bill Vokes auf der großen Weihnachtsfeier von Cherringham als Weihnachtsmann auf. Nur in diesem Jahr ist er kurz vor der Feier auf einmal spurlos verschwunden. Das ganze Dorf ist ratlos. Ist dem liebenswerten Bill, der wie kein anderer die Weihnachtszeit in Cherringham verkörpert, etwas zugestoßen? Jack und Sarah übernehmen den Fall und entdecken bald, dass diesen Weihnachtsmann Geheimnisse umgeben, die sich niemand hätte vorstellen können ...

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Inhalt

Cover

Cherringham – Landluft kann tödlich sein – Die Serie

Über diese Folge

Die Hauptfiguren

Über die Autoren

Ungebetene Gäste

Impressum

1. Ein wundervoller Abend

2. Der Baum wird erleuchtet

3. Ein leerer Raum

4. Ein Blick auf den Schnee

5. Die »Weihnachtsgans«

Grey Goose

6. Das Bill-Problem

7. Fragen

8. Heiße Suppe, heißer Verdacht

9. Ein eisiger Wind

10. Der Unsichtbare

11. Eine kleine Barauszahlung

12. Im Pflegeheim

13. Die Observierung

14. Die Wahrheit über Bill

15. Ein Deal für den Weihnachtsmann

16. Heiligabend

Cherringham – Landluft kann tödlich sein – Die Serie

»Cherringham – Landluft kann tödlich sein« ist eine Cosy-Crime-Serie, die in dem vermeintlich beschaulichen Städtchen Cherringham spielt. Bislang sind sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch vierundzwanzig spannende und in sich abgeschlossene Fälle mit dem Ermittlerduo Jack und Sarah erschienen.

Über diese Folge

Seit Jahren tritt Bill Vokes auf der großen Weihnachtsfeier von Cherringham als Weihnachtsmann auf. Nur in diesem Jahr ist er kurz vor der Feier auf einmal spurlos verschwunden. Das ganze Dorf ist ratlos. Ist dem liebenswerten Bill, der wie kein anderer die Weihnachtszeit in Cherringham verkörpert, etwas zugestoßen? Jack und Sarah übernehmen den Fall und entdecken bald, dass diesen Weihnachtsmann Geheimnisse umgeben, die sich niemand hätte vorstellen können …

Die Hauptfiguren

Jack Brennan ist pensioniert und frisch verwitwet. Er hat jahrelang für die New Yorker Mordkommission gearbeitet. Alles, was er nun will, ist Ruhe. Ein Hausboot im beschaulichen Cherringham in den englischen Cotswolds erscheint ihm deshalb als Alterswohnsitz gerade richtig. Doch etwas fehlt ihm, das er einfach nicht sein lassen kann: das Lösen von Kriminalfällen.

Sarah Edwards ist eine 38-jährige Webdesignerin. Sie führte ein perfektes Leben in London samt Ehemann und zwei Kindern. Dann entschied sich ihr Mann für eine andere. Mit den Kindern im Schlepptau versucht sie sich nun in ihrer Heimatstadt Cherringham ein neues Leben aufzubauen. Das Kleinstadtleben ist ihr allerdings viel zu langweilig. Doch dann lernt sie Jack kennen …

Über die Autoren

Matthew Costello ist Autor erfolgreicher Romane wie Vacation (2011), Home (2014) und Beneath Still Waters (1989), der sogar verfilmt wurde. Er schrieb für verschiedene Fernsehsender wie die BBC und hat dutzende Computer- und Videospiele gestaltet, von denen The 7th Guest, Doom 3, Rage und Pirates of the Caribbean besonders erfolgreich waren. Er lebt in den USA.

Neil Richards hat als Produzent und Autor für Film und Fernsehen gearbeitet sowie Drehbücher für die BBC, Disney und andere Sender verfasst, für die er bereits mehrfach für den BAFTA nominiert wurde. Für mehr als zwanzig Videospiele hat der Brite Drehbuch und Erzählung geschrieben, u.a. The Da Vinci Code und, gemeinsam mit Douglas Adams, Starship Titanic. Darüber hinaus berät er weltweit zum Thema Storytelling. Bereits seit den späten 90er Jahren schreibt er zusammen mit Matt Costello Texte, bislang allerdings nur fürs Fernsehen.

Cherringham ist die erste Krimiserie des Autorenteams in Buchform.

Matthew CostelloNeil Richards

CHERRINGHAM

LANDLUFT KANN TÖDLICH SEIN

Ungebetene Gäste

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

beTHRILLED

Deutsche Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Dr. Arno Hoven

Lektorat/Projektmanagement: Rebecca Schaarschmidt

Covergestaltung: Jeannine Schmelzer unter Verwendung von Motiven © shutterstock: xpixel | suns07butterfly | furtseff | Andrew Roland | USBFCO

eBook-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-3143-1

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

1. Ein wundervoller Abend

Bill Vokes trat hinaus auf den Balkon des Gemeindehauses und betrachtete die weihnachtliche Szenerie.

Es hatte aufgehört zu schneien, und von hier oben sah der Abendhimmel funkelnd und klar aus, da sich die Wolken vorerst verzogen hatten. Überall glitzerten die schneebedeckten Dächer im Schein des aufgehenden Mondes.

Kaminrauch wehte träge aus den Schornsteinen.

Bill atmete das Gemisch herrlicher Düfte ein, die von der High Street aufstiegen: Kiefernharz, Äpfel mit Schokoglasur, Zimt, Glühwein …

Hm, sind das Donuts? Oder vielleicht dieser köstliche deutsche Kuchen? Zum Teufel, wie heißt der noch gleich? Ach ja, Stollen! Ich muss Emily daran erinnern, heute Abend welchen zu kaufen.

Seine Frau mochte diesen Kuchen fast so sehr wie er selbst.

Er sah hinab zur High Street: Mein Gott, was für ein Anblick von hier oben! Verdammt, der Gemeinderat sollte diesen Balkon das ganze Jahr über öffnen. Wir könnten den Tagesausflüglern ein Vermögen abknöpfen!

Er stützte die Hände auf die alte Sandsteinbrüstung und ließ seinen Blick über das Dorf wandern.

Der Weihnachtsmarkt erstreckte sich bis hinunter zum Ploughman und der Cherringham Bridge Road, und Bill sah Scharen von Menschen im warmen, orangenen Schein der Lichterketten, die an und zwischen den Buden hingen.

Einheimische, Touristen, Besucher aus anderen Dörfern und überall Kinder, die natürlich mit Schneebällen warfen. (Doch wen kümmerte das? Sollten sie ruhig ihren Spaß haben!) Leute unterhielten sich, lachten, lächelten, hatten Ballons in den Händen, kauften Geschenke, tranken Glühwein und teilten sich Tüten mit glühend heißen Maronen.

Direkt unter sich konnte Bill die Umrisse des diesjährigen Weihnachtsbaums sehen, dessen Lichter noch dunkel waren, aber bald erstrahlen würden.

Zur einen Seite gab sich Cherringhams Laien-Blaskapelle redliche Mühe, Jingle Bells zu spielen.

Vor den Musikern tanzte eine Handvoll sehr kleiner Kinder mit jener besonderen Ausgelassenheit, wie sie die Jüngsten zur Weihnachtszeit ergriff.

Bill beobachtete sie verzückt. Hin und wieder verlor eines der Kinder das Gleichgewicht und plumpste in den frischen Schnee, um sich sogleich mit einem aufgeregten Schrei wieder aufzurappeln und weiterzutanzen.

Wieder mal ein perfektes Cherringham-Weihnachten!, dachte er. Kann das Leben schöner sein?

Selbstverständlich war es kein Wunder, eine solch überwältigende Menschenmenge hier zu sehen – immerhin dürfte es nicht mehr allzu lange dauern, bis die Weihnachtsbeleuchtung feierlich eingeschaltet wurde.

Und danach wurden Geschenke an die Kinder verteilt. Eine vorzeitige Gabe vom Weihnachtsmann! Das Hauptereignis! Seine große Rolle!

Er wusste nicht mehr ganz genau, wann man ihn zum ersten Mal dazu überredet hatte, sich für diesen traditionellen Anlass als Weihnachtsmann zu verkleiden. Sicher könnte dabei auch sein beachtlicher Bauchumfang eine gewichtige Rolle gespielt haben – zumindest behauptete das die gute, alte Emily.

Aber er hatte es nie, niemals bereut. Rund zehn Jahre als Cherringham-Weihnachtsmann – und mit jedem Jahr machte es mehr Spaß.

»Fantastischer Zulauf, was, Bill?«

Bill drehte sich zu Praveer Singh um. Der Vorsitzende des örtlichen Rotary Clubs, ein guter Freund von ihm, trat auf den Balkon.

»Oh ja. Jemand da oben passt auf das Wetter auf«, sagte Bill und schüttelte Praveer die Hand.

»Das steht fest«, stimmte Praveer ihm zu. »Wenn es am heutigen Abend nicht mehr schneit, sollten wir eine hübsche Summe zusammenbekommen.«

»An einem Abend wie diesem? Und für solch einen guten Zweck? Wer da nichts geben will, muss schon ein elender Tropf sein.«

»Genau.«

»Die schönste Weihnachtsbeleuchtung in den Cotswolds, schätze ich«, sagte Bill. »Aber mit Todd sind wir ja auch klar im Vorteil – der beste Elektriker diesseits von Oxford.«

»Das kann ich nur unterschreiben. Übrigens, hast du ihn gesehen?«

»Er ist eben noch mal runter, um alles zu prüfen«, antwortete Bill. »Ich glaube, er ist wegen der neuen Anlage ein wenig nervös.«

Bill zeigte auf den kleinen Tisch, auf dem ein Laptop und ein Mikrofon lagen.

»Ah, Cherringham wird digital, was?«, entfuhr es Praveer.

»Ich muss gestehen, dass mir der alte Messinghebel fehlt«, sagte Bill. »Dieses Gefühl von Macht, wenn man zuschaut, wie erst der Baum erstrahlt – und dann alle anderen Lichter in der ganzen High Street.«

»Mich wundert eher, dass du nie mit erstrahlt bist«, erwiderte Praveer. »Dieser Schalthebel war eine echte Todesfalle.«

»Wenigstens machen wir immer noch den Countdown – den kann der Computer bisher nicht«, meinte Bill. »Apropos, wie lange noch?«

Er sah, wie Praveer auf seine Uhr blickte.

»Eine halbe Stunde, zumindest nach meiner. Alles klar bei dir?«

»Keine Sorge, alter Knabe«, antwortete Bill. »Mein Kostüm ist unten im Hausmeisterraum, und ich brauche nur ein paar Minuten, um es überzuziehen.«

»Der Bart auch?«, fragte Praveer. »Brauchst du dabei wirklich keine Hilfe?«

»Ich kenne das alles aus dem Effeff«, entgegnete Bill. »Jahrelange Übung.«

Bill bemerkte noch zwei Gestalten, die durch die offenen Glastüren auf den Balkon kamen.

»Roger! Cecil!«, begrüßte er die beiden. »Was für eine Freude, euch beide zu sehen!«

Eine glatte Lüge, dachte Bill, während er strahlend lächelte.

Roger Reed, Manager der einzigen Bank in Cherringham, hatte Bill wie Dreck behandelt, als er vor vielen Jahren neu in der Stadt war.

Und Cecil Cauldwell – der Chef von Cauldwell’s Fine Properties und ein Snob erster Güte (Emily zufolge) – war mehr als herablassend gewesen, als Bill sein erstes Cottage kaufte.

Tja, leben und leben lassen, dachte Bill. Schließlich ist jetzt Weihnachten …

»Haben Sie die Zeit im Blick?«, fragte Roger und tippte auf seine Armbanduhr. »Wird ein bisschen knapp für Sie, oder?«

»Das Timing ist entscheidend, wie Sie wissen, Bill«, sagte Cecil neben ihm. »Wir waren noch nie auch nur eine Sekunde zu spät.«

Als würde ich das Dorf enttäuschen, dachte Bill. Dennoch erwiderte er: »Recht habt ihr, Jungs. Ich geh jetzt mal lieber in meine Rolle schlüpfen, was?«

»Hm, ja, na ja«, sagte Cecil und blähte die wabbeligen Wangen noch mehr auf als sonst. »Wir wollen die Kleinen nicht warten lassen.«

Mit einem verstohlenen Zwinkern zu Praveer ging Bill durch die großen Glastüren in den oberen Saal des Gemeindehauses und in Richtung Treppe.

Bill sah in den Spiegel und klebte sich sorgfältig den weißen Rauschebart an.

Der Geruch des Klebstoffs versetzte ihn jedes Mal in seine Schulzeit in West London zurück: in den engen Backstage-Bereich voller Sechzehnjähriger, die äußerst unglaubwürdig als Shakespeare’sche Könige und Adlige kostümiert waren.

Fünfzig Jahre ist das schon her, dachte er. Kaum zu glauben.

Er griff nach unten in den Kostümkarton, nahm die große rote Mütze mit dem weißen Pelzrand und der dazu passenden Troddel heraus und setzte sie sich vorsichtig auf die weiße Perücke.

Dann trat er einen Schritt zurück und begutachtete sich.

Nicht schlecht. Vielleicht ein bisschen … weit.

Er richtete das Polster unter dem roten Kittel und zog den Gürtel enger.

»Ho, ho, ho!«, sagte er.

Na also! Perfekt.

Er prüfte, ob die weißen Handschuhe in seiner Hosentasche waren, dann sah er auf die Uhr. Zwanzig vor sechs.

Hm, dachte er, gerade noch genug Zeit für eine Zigarette … vor allem außer Sichtweite von Emily.

Er holte sein Feuerzeug aus der Jackentasche und eine einzelne Zigarette aus der Schachtel heraus. Dann verließ er den Lagerraum des Hausmeisters und ging den Flur hinunter. Vom letzten Jahr her kannte er die kleine Tür, die sie dort für Lieferungen nutzten. Hoffentlich war sie nicht abgeschlossen.

An der Tür hob er den Riegel und zog fest daran.

Ja!

Er öffnete die knarrende Tür und ging hinaus auf den Gehweg.

Hier, weit weg vom Trubel, war es sehr still.

Ein schöner Moment.

Er achtete darauf, nicht die Tür hinter sich zu schließen.

Ich will ja nicht hier draußen festsitzen, wenn die Show losgeht!

Er steckte sich die Zigarette in den Mund, zündete sie an und blickte sich um. Der Dorfplatz lag im Dunkeln; die Straßenbeleuchtung war abgeschaltet worden, um den Moment hervorzuheben, wenn die Weihnachtsbeleuchtung anging – vom einen Ende der High Street bis hinunter zum anderen.

Aber die muss ich erst mal einschalten!, dachte er.

Das Bell Hotel gegenüber war natürlich schon hell erleuchtet, und auch aus dem Angel auf dieser Seite schien etwas Licht heraus.

Ein Jammer, dass ich da jetzt nicht ein schnelles Pint trinken kann.

Sobald ich alle Geschenke verteilt habe, muss ich mich runter in den Ploughman schleichen …

An diesem Ende der High Street standen keine Buden; hier parkten lediglich die zahlreichen Transporter der Standbetreiber.

Bill stand ganz allein hier, was es umso unvorstellbarer machte, dass gleich auf der anderen Seite des Gemeindehauses solcher Trubel herrschen würde.

Er nahm noch einen Zug von seiner Zigarette und blies den Rauch in die Abendluft. Die Kälte ließ ihn frösteln, denn aufgrund des klaren Himmels fielen die Temperaturen noch weiter.

Bill gönnte sich einen Moment, um die Straße und den Gehweg mit dem festgefahrenen und –getretenen Schnee zu betrachten, dessen Eiskristalle in dem Licht glitzerten, das aus dem Pub fiel.

Es war noch mehr Schnee angesagt worden, doch bisher hielt sich das klare Wetter.

Bei diesen Straßenverhältnissen möchte ich heute Abend nicht fahren müssen, dachte er.

Wie aufs Stichwort kroch ein Transporter die High Street in Richtung Gemeindehaus entlang und bog langsam auf den Platz ein.

Bill beobachtete, wie er näher kam und direkt vor ihm anhielt. Der Motor tickte leise.

Muss ein Nachzügler sein, der die Feierlichkeiten miterleben will.

Sollte sich lieber beeilen …

Die Autoscheiben waren von innen beschlagen, sodass Bill nicht erkannte, wer in dem Wagen saß.

Er wartete, dass der Transporter weiterfuhr, was er jedoch nicht tat.

Sucht der jetzt nach einem Parkplatz? Na, viel Spaß!

Er blickte auf seine Uhr.

Zehn vor sechs. Es wurde Zeit, zurück auf den Balkon zu gehen – Zeit für seinen dramatischen Auftritt: Er würde der jubelnden Menge zuwinken, den neuen Knopf für die Lichter drücken und so die Weihnachtszeit in Cherringham offiziell einläuten.

Die Zigarette kann ich aber noch aufrauchen. In meinem Alter hetzt man nicht bei den kleinen Freuden des Lebens …

Also zog er abermals an der Zigarette und sandte einen formvollendeten Kringel aus Rauch zum Abendhimmel.

2. Der Baum wird erleuchtet

»Wie wäre es mit noch einem Glühwein?«, fragte Sarah und ging Jack voraus auf die warmen Lichter der Bude zu.

»Klar«, antwortete er und folgte ihr durch die wuselnde Menge. »An einem Abend wie heute kann ich gut noch eine warme Schicht vertragen.«

Er wartete vor dem Stand, während Sarah die Getränke bezahlte. Die Bedienung – die Jack von ihrem Tagesjob im Sandwich-Laden wiedererkannte – füllte mit einer Kelle den Glühwein aus einem riesigen Kessel in winzige Styroporbecher. Sarah reichte ihm einen.

Komisch, dass die hier in England alle Getränke in Hobbit-Größe reichen, dachte Jack.

»Cheers«, sagte er und nippte vorsichtig an dem kochend heißen Gebräu.

»Cheers«, antwortete Sarah.

»Wow, das tut gut!«

Eine Minute lang blieben sie am Rand des Gedränges stehen, tranken ihren dampfenden Glühwein und ließen die Atmosphäre auf sich wirken.

Jack war schon bei einigen dieser Veranstaltungen gewesen, seit er hier lebte, doch jedes Jahr wirkten sie größer und schienen mehr Leute anzuziehen. Zwar kannte er viele Gesichter in der Menge, doch es mussten mehr Besucher als jemals zuvor von außerhalb gekommen sein.

Der rege Betrieb an den Buden und die vielen weihnachtlich gestimmten Menschen auf der Straße sorgten für eine großartige Stimmung.

Und das Tüpfelchen auf dem i war, dass zwei Tage ununterbrochener Schneefall alles in eine Szene aus einem Dickens-Roman verwandelt hatte.

Wie vollkommen anders als Bay Ridge in Brooklyn, dachte Jack.

»Na komm, du Träumer«, sagte Sarah schmunzelnd. »Wir wollen die Zeremonie doch nicht verpassen.«

»Es sieht aus wie eine Filmkulisse, oder?«

»Stimmt«, antwortete sie. »Ich sollte es nicht für selbstverständlich nehmen.«

»Du hast Glück, an einem Ort wie diesem Kinder großzuziehen.«

Er sah, wie sie lächelnd nickte.

»Ich glaube, als sie diese Veranstaltung zum ersten Mal so groß aufzogen, mit den Buden und allem, war Chloe sieben. Daniel muss ungefähr fünf gewesen sein. Er hockte im Schnee neben dem Baum und wollte partout nicht von dort weggehen, ehe der Weihnachtsmann kam, um Geschenke zu verteilen.«

»Sind die Kinder heute Abend hier?«

Wie die Zeit vergeht, dachte Jack.

»Irgendwo, ja. Chloe hilft beim Verkauf der Tombola-Lose, und Daniel ist mit seinen Freunden unterwegs. Ich vermute, die versuchen, an einem der Stände ein Bier zu ergattern.«

»Tja, wahrscheinlich finden sie die Zeremonie, bei der die Weihnachtsbeleuchtung eingeschaltet wird, nicht mehr ganz so spannend – ich hingegen schon«, sagte Jack.

»Ich auch«, pflichtete Sarah ihm bei. »Und übrigens müssen wir uns jetzt auf den Weg zum Gemeindehaus machen.«

Sie drehte sich um und bahnte sich einen Weg durch das Gedränge. Jack blieb dicht hinter ihr.

Als sie vor dem Gemeindehaus ankamen, hatte sich dort schon eine beachtliche Menge eingefunden.

Sarah erkannte einige der jüngeren Mütter aus dem Dorf wieder. Wie es aussah, wartete hier die halbe Cherringham Primary School auf den Weihnachtsmann. Überall waren aufgeregte Kinder: Sie plapperten, spielten, hüpften auf und ab oder schlitterten über den hart gefrorenen Schnee.

Und obwohl Jack und sie in dem dichten Gedränge nicht näher herankamen, war der Balkon auch aus ihrer Warte gut zu sehen.

»Ist es hier okay?«

»Bestens«, antwortete Jack. »Wie lange noch bis zum Countdown?«

»Ein paar Minuten.«

Sie sah, wie Jack zum Balkon, zu den Leuten und schließlich wieder zu ihr blickte.

»Meinst du?«, fragte Jack. »Die da oben sehen nicht aus, als wären sie bereit.«

Sarah schaute hinauf zum Balkon. Dort schien wirklich nicht alles reibungslos zu laufen.

Normalerweise müssten ungefähr jetzt der Bürgermeister und der Vorsitzende des Rotary Clubs jeweils eine kurze Ansprache über den guten Zweck in diesem Jahr halten und sich bei allen Organisatoren bedanken.