Dalai Lama: Die Bilanz eines heiligen Lebens (GEO eBook Single) -  - E-Book

Dalai Lama: Die Bilanz eines heiligen Lebens (GEO eBook Single) E-Book

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Beschreibung

Warum lässt die Welt den Dalai Lama im Stich? 81 Jahre alt ist er jetzt. Und steht zunehmend allein da. Denn die chinesische Regierung drängt den Dalai Lama von der Weltbühne. Ist der Dalai Lama gescheitert mit seinem Weg der Versöhnung? Die Bilanz eines heiligen Lebens. Und ein exklusives Interview. Die großen Themen der Zeit sind manchmal kompliziert. Aber oft genügt schon eine ausführliche und gut recherchierte GEO-Reportage, um sich wieder auf die Höhe der Diskussion zu bringen. Für die Reihe der GEO eBook-Singles hat die Redaktion solche Einzeltexte als pure Lesestücke ausgewählt. Sie waren vormals Titelgeschichten oder große Reportagen in GEO.

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Seitenzahl: 31

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Herausgeber:

GEO

Die Welt mit anderen Augen sehen

Gruner + Jahr GmbH & Co KG,

Am Baumwall 11, 20459 Hamburg

www.geo.de/ebooks

eISBN: 978-3-65200-806-8

Inhalt

Warum lässt die Welt den Dalai Lama im Stich?

Von Florian Hanig

Zusatzinfos

Interview: »Eure Heiligkeit, sind Sie religionsmüde?«

Die säkulare Ethik des Dalai Lama

Literatur-Empfehlung

Warum lässt die Welt den Dalai Lama im Stich?

81 Jahre alt ist er jetzt. Und steht zunehmend allein da. Denn die chinesische Regierung drängt den Dalai Lama von der Weltbühne. Ist der Dalai Lama gescheitert mit seinem Weg der Versöhnung? Die Bilanz eines heiligen Lebens. Und ein exklusives Interview

Von Florian Hanig

Ihre Hände gleiten über das Holz, das raue Finger und schwielige Ballen schwarz und glatt poliert haben. Zwei Atemzüge, dann steht sie wieder auf: eine Frau im grauen Wickelrock mit Schürze, mit schwarzen Haaren, die sie gescheitelt und dann in Zöpfe geflochten hat. Sie führt die gefalteten Hände zu Stirn, Kehle, Herz und wirft sich wieder auf das Brett vor dem Altar des Buddhas der Barmherzigkeit. 108-mal vollführt sie die Bewegung. 108-mal zieht sie eine der Holzperlen ihrer Gebetskette weiter.

Wie alt mag diese Frau sein? Die Höhensonne hat ihre Haut ledrig gegerbt, aber zwischen den Falten funkeln ihre Augen grün wie Smaragde. Kein Schweißfilm glänzt auf ihrem Gesicht. Ihr Atem nach über einer Stunde des Sichhinwerfens und Aufstehens: gleichmäßig.

Wir dürfen die Frau weder fotografieren noch beim Namen nennen. Rund tausend Tibeter aus den chinesisch besetzten Gebieten sind im Dezember 2016 über die Berge ins nordindische Dharamsala gezogen. Sie riskieren, sobald sie nach Hause zurückkehren, Schikane, Haft, vielleicht sogar Folter. All das, um ihn zu sehen, den sie „den kostbaren Siegreichen“ nennen, den „Ozean der Weisheit“: Tenzin Gyatso, den 14. Dalai Lama.

Die bedingungslose, innige Frömmigkeit der betenden Frau berührt uns umso mehr, wenn wir an den Grund denken, warum wir, ein GEO-Reporter und ein Kamerateam, nach Dharamsala gekommen sind. Wir haben einen der wenigen Interviewtermine bekommen, die der Privatsekretär des Dalai Lama mit Rücksicht auf dessen Gesundheit noch vergibt. 45 Minuten, aus denen fast zwei Stunden werden.

Wir sind hier, weil sich die Welt abwendet vom Dalai Lama. Mit Ausnahme von Barack Obama und dem ehemaligen EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz hat sich kein hochrangiger Politiker in den vergangenen vier Jahren mehr getraut, den Dalai Lama zu treffen. Südafrika hat ihm dreimal ein Visum verweigert, unter anderem, als er mit seinem Freund Desmond Tutu dessen 80. Geburtstag feiern wollte.

Selbst der fröhliche Papst Franziskus, der sich im Kleinstwagen chauffieren lässt und Gefangenen die Füße wäscht, meidet den Tibeter – trotz mehrerer Anfragen. Nach Assisi, zum Gebetstreffen der Weltreligionen mit den führenden Vertretern, wurde das Oberhaupt der tibetischen Buddhisten 2016 nicht mehr eingeladen. Der tschechische Premier entschuldigte sich in einem Brief nach Beijing für einen Besuch des Dalai Lama im Oktober 2016 in Prag. Die Mongolei, kulturell eng mit Tibet verwandt („Dalai“ ist mongolisch für Ozean), hat ihn im Dezember 2016 zur Persona non grata erklärt.

Es ist eine Indizienkette aus Nicht-Einladungen, Nicht-Auftritten, versteckten Meldungen, die nur einen Schluss zulässt: China schafft es mehr und mehr, den Dalai Lama von der politischen Bühne zu drängen.

Was für ein Unterschied zu den 1990er und 2000er Jahren, als ihn die Anführer der freien Welt wie George W. Bush oder Johannes Paul II. als „engen Freund“ bezeichneten, Angela Merkel ihn im Kanzleramt empfing und Apple mit seinem Porträt warb: „Think different.“

Wie konnte es geschehen, dass aus dem „Gewissen der Welt“, mit dem sich jeder fotografieren lassen wollte, eine Art Unberührbarer geworden ist?