Damenwahl - Georgette Heyer - E-Book

Damenwahl E-Book

Georgette Heyer

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Beschreibung

England, 1816: Kitty Charing bekommt ein unmoralisches Angebot. Die hübsche Adoptivtochter eines zänkischen Millionärs kann dessen Vermögen nur erben, wenn sie einen seiner Neffen heiratet. Da Kitty schon seit Jahren in ihren attraktiven Vetter Jack verliebt ist, sollte das eigentlich kein Problem sein. Aber Jack - ein stadtbekannter Herzensbrecher - zeigt kein Interesse, und Kitty ersinnt einen Plan, um den heiratsunwilligen Lebemann zu überzeugen. Sie verlobt sich zum Schein mit dem gutmütigen Freddy Standen, der Kitty nach London begleitet, damit sie dort den Mann ihres Herzens erobern kann ...

Georgette Heyers "Damenwahl" (im Original "Cotillion") ist ein amüsanter Reigen mit unwiderstehlich spritzigen Dialogen und liebenswürdigen Charakteren.


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Seitenzahl: 566

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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Über dieses Buch

England, 1816: Kitty Charing bekommt ein unmoralisches Angebot. Die hübsche Adoptivtochter eines zänkischen Millionärs kann dessen Vermögen nur erben, wenn sie einen seiner Neffen heiratet. Da Kitty schon seit Jahren in ihren attraktiven Vetter Jack verliebt ist, sollte das eigentlich kein Problem sein. Aber Jack – ein stadtbekannter Herzensbrecher – zeigt kein Interesse, und Kitty ersinnt einen Plan, um den heiratsunwilligen Lebemann zu überzeugen. Sie verlobt sich zum Schein mit dem gutmütigen Freddy Standen, der Kitty nach London begleitet, damit sie dort den Mann ihres Herzens erobern kann …

Über die Autorin

Georgette Heyer, geboren am 16. August 1902, schrieb mit siebzehn Jahren ihren ersten Roman, der zwei Jahre später veröffentlicht wurde. Seit dieser Zeit hat sie eine lange Reihe charmant unterhaltender Bücher verfasst, die weit über die Grenzen Englands hinaus Widerhall fanden. Sie starb am 5. Juli 1974 in London.

Georgette Heyer

Damenwahl

Aus dem Englischen von Emi Ehm

beHEARTBEAT

Digitale Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Copyright © Georgette Heyer, 1953

Die Originalausgabe COTILLION erschien 1953 bei William Heinemann.

Copyright der deutschen Erstausgabe:

© Paul Zsolnay Verlag GmbH, Hamburg/Wien, 1970.

Textredaktion: Birthe Schreiber

Lektorat/Projektmanagement: Kathrin Kummer

Umschlaggestaltung: Maria Seidel, atelier-seidel.de unter Verwendung einer Illustration © Richard Jenkins Photography, London

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Ochsenfurt

ISBN 978-3-7325-3179-0

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Für Gerald

Kapitel 1

Der Salon war, wie jeder andere Raum in Arnside House, groß, hoch und vor etwa zwanzig Jahren in einem Stil eingerichtet worden, der damals als Dernier Cri gegolten hatte. Seither war er jedoch etwas aus der Mode gekommen. Zwar wies der Raum keinerlei Anzeichen von Armut auf, etwa einen zerschlissenen Teppich oder geflickte Vorhänge, der bunte Brokat aber war verschossen, die Malerei an den getäfelten Wänden zeigte Risse, und auch die vergoldeten Bilderrahmen waren schon lange blind geworden. Ein zufälliger Besucher hätte vermuten können, dass für Mr. Penicuik, dem das Haus gehörte, harte Zeiten angebrochen waren. Zwei der drei Herren, die sich an einem Winterabend Ende Februar um halb sieben im Salon versammelt hatten, liefen jedoch nicht Gefahr, diesem Irrtum zu verfallen. Sie wussten, dass Großonkel Matthew, der bei dem gewaltigen Unternehmen der Trockenlegung des Fen-Country ein Vermögen gemacht hatte und einer der reichsten Männer Englands war, nur an der tief verwurzelten Abneigung litt, Geld für irgendetwas auszugeben, das nicht unmittelbar seiner eigenen Bequemlichkeit diente. Der dritte Herr wiederum verriet keinerlei Anzeichen, dass er überhaupt darüber nachdachte. Er richtete nicht wie sein Vetter, Lord Biddenden, sein Monokel missbilligend auf einen fleckigen Spiegel. Er machte auch nicht wie sein jüngerer Vetter, Ehrwürden Hugh Rattray, eine bissige Bemerkung über das unzulängliche kleine Holzfeuer im Kamin. Das ganze Dinner hindurch, welches bereits auf unkonventionelle Weise um fünf Uhr serviert worden war, hatte er Schweigen bewahrt. Das wäre vielleicht auch nicht gebrochen worden, hätte sein Vetter Hugh nicht einige freundliche Bemerkungen an ihn gerichtet, die leicht zu verstehen und fast ebenso leicht zu beantworten waren.

Als dieser dritte Herr also den Salon betreten hatte, war er geradewegs auf einen Sessel neben dem Kamin zugesteuert. Dort saß er nun, kaute an einem Zipfel seines Taschentuchs und starrte seinen älteren Vetter ausdruckslos an.

Lord Biddenden wusste, dass dieser Blick nichts als geistige Leere bedeutete, empfand ihn als unbehaglich und murmelte gereizt: »Ich wünschte, der dumme Kerl würde mich nicht so anstarren!«

»Er tut dir ja nichts«, sagte sein Bruder ernst, nahm jedoch ein Buch mit Kupferstichen von einem der Tische, und reichte es Lord Dolphinton. Er wies ihn an, sich die Bilder anzusehen und versicherte ihm, er würde sie sehr hübsch und interessant finden. Lord Dolphinton, daran gewöhnt, dass ihm seine viel weniger nette Mutter sagte, was er tun müsse, nahm das Buch dankbar entgegen und begann darin zu blättern.

Lord Biddenden fuhr im gleichen nörgelnden halblauten Flüstern fort: »Ich begreife nicht, was Onkel Matthew dazu gebracht hat, ihn einzuladen! Es ist absurd, anzunehmen, dass er ein Interesse an dieser Sache haben könnte!« Als Antwort erhielt er aber nur einen der ärgerlichen, missbilligenden Blicke seines Bruders. Mit einem Ausruf der Ungeduld ging er zum Tisch und begann, in ein, zwei Zeitschriften, die dort lagen, hin und her zu blättern. »Es ist äußerst aufreizend, dass Claud nicht hier ist!«, sagte er vielleicht zum siebenten Mal an diesem Tag. »Ich wäre sehr froh gewesen, ihn gut versorgt zu sehen!« Da diese Bemerkung auf dasselbe, nicht gerade ermutigende Schweigen traf, sagte Seine Lordschaft ziemlich scharf: »Du magst ja vielleicht Clauds Ansprüche nicht in Betracht ziehen, aber Gott sei Dank gehöre ich nicht zu den Leuten, die ihre Brüder vergessen! Ich sage dir, woher das kommt, Hugh: Du bist ein kaltherziger Bursche! Wenn du dich darauf verlässt, dass du auf dein Gesicht hin ein schönes Vermögen gewinnst, könntest du dich durchaus täuschen, und meine ganze Mühe wird für nichts und wieder nichts aufgewandt worden sein!«

»Was für eine Mühe?«, fragte der Rektor in einem Ton, der der Beschuldigung seines Bruders etwas Farbe verlieh.

»Wenn ich dir nicht vorgehalten hätte, was du der Familie schuldig bist, wärst du heute Abend nicht hier!«

Ehrwürden Hugh zuckte seine breiten Schultern und erwiderte einschränkend: »Die ganze Angelegenheit erscheint mir höchst ungehörig. Wenn ich der armen Kitty einen Heiratsantrag mache, dann geschieht das aus Mitleid und in dem Glauben, dass ihre Erziehung und ihr Charakter von der Art sind, die sie für einen Mann im geistlichen Stand zu einer passenden Ehefrau machen.«

»Unsinn!«, erwiderte Lord Biddenden. »Wenn Onkel Matthew das Mädchen zu seiner Erbin einsetzt, dürfte sie zwanzigtausend Pfund pro Jahr erben! Er kann nicht einmal ein Zehntel seines Vermögens ausgegeben haben, seit er dieses Haus erbaut hat. Und wenn man bedenkt, wie es angewachsen sein muss ... Mein lieber Hugh, ich bitte dich wirklich, etwas gewandter vorzugehen! Wenn ich Junggeselle wäre ...! Nun ja, es nützt nichts zu jammern, und ich bin wahrhaftig nicht einer, der einem seiner Brüder ein Vermögen missgönnen würde.«

»Wir sind jetzt seit fast vierundzwanzig Stunden in Arnside«, sagte Hugh, »und mein Großonkel hat uns noch immer nicht von seinen Absichten in Kenntnis gesetzt.«

»Wir wissen sehr gut über sie Bescheid«, erwiderte Lord Biddenden gereizt. »Und wenn du nicht errätst, warum er noch nichts gesagt hat, dann bist du ein größerer Narr, als ich geglaubt hätte. Natürlich hat er gehofft, dass Jack nach Arnside kommt. Und auch Freddy«, fügte er flüchtig hinzu. »Nicht, dass Freddy um einen Deut mehr wert ist als Dolphinton hier, aber vermutlich wünscht der Alte nicht, dass er ausgeschlossen wird. Nein, nein, es ist Jacks Abwesenheit, warum er den Mund hält! Und ich muss sagen, Hugh, dass ich das nie erwartet hätte und es für ein Glück halte. Verlass dich darauf, hätte sich die Gelegenheit geboten, dann hätte das Mädchen ihn erwählen müssen!«

»Ich weiß nicht, warum du so etwas sagst«, erwiderte der Rektor steif. »Ja, ich kann wirklich nicht verstehen, warum du so eifrig bestrebt bist, mich um eine Dame anhalten zu lassen, die du anscheinend so wenig schätzt! Ich bin der Ansicht, dass sie eine wohlerzogene junge Frau ist, für die Leute wie mein Vetter Jack abstoßend sein müssen –«

»Ja natürlich, das ist schon wieder so ein Unsinn von dir!«, unterbrach ihn Seine Lordschaft. »Du magst ja ein hübscher Bursche sein, Hugh, aber so ein Prachtkerl wie Jack bist du noch lange nicht!«

»Ich hege keinen Wunsch, ein Prachtkerl zu sein, wie du es ausdrückst«, sagte Hugh noch steifer. »Und meiner Ansicht nach ist es nicht besonders wichtig, ob er abwesend oder anwesend ist.«

»Oh, verstell dich nicht so!«, rief Biddenden aus und warf unwillig ein Exemplar des Gentleman’s Magazine auf den Tisch. »Wenn du dir einbildest, mein lieber Bruder, dass dich Onkel, nur weil er deinen Lebensunterhalt bestritt, seinen übrigen Großneffen vorzieht, dann irrst du dich gewaltig! Ich staune, dass du einen derartigen Unsinn redest, wirklich! Jack war immer Onkels Liebling, das weißt du sehr gut! Verlass dich drauf, Onkel will, dass Kitty ihn erwählt, und das ist der Grund, warum er gar so verteufelt schlechter Laune ist! Meiner Seel, ich staune, dass er uns andere überhaupt eingeladen hat.«

Lord Dolphinton brachte seine Verwandten gelegentlich aus der Fassung, weil er genau aufpasste, was sie sagten. Jetzt hob er die Augen von dem Buch auf seinen Knien und warf ein: »Onkel sagte, er hat dich nicht eingeladen, George. Er sagte, er weiß nicht, warum du gekommen bist. Er sagte –«

»Unsinn! Das verstehst du nicht!«, sagte Lord Biddenden.

Lord Dolphintons Verstand war nicht besonders scharf und eignete sich auch nicht allzu bereitwillig die Gedanken anderer an, aber sowie er einmal einen Eindruck aufgenommen hatte, war er zäh. »Hat es aber so gesagt!«, beharrte er. »Sagte es gestern Abend, als du ankamst. Sagte es heute Morgen wieder. Sagte es –«

»Schon gut, Schluss jetzt!«, warf sein Vetter verdrossen ein.

Lord Dolphinton war jedoch nicht so leicht zum Schweigen zu bringen. »Sagte es, als wir uns zum Mittagessen setzten«, fuhr er fort und zählte die verschiedenen Gelegenheiten an seinen knochigen Fingern ab. »Sagte es beim Abendessen. Sagte, wenn dir nichts an Lammfleisch liegt, dann hättest du nicht zu kommen brauchen, weil er dich nicht eingeladen hat. Ich bin nicht so klug wie ihr Burschen, aber wenn mir die Leute ein- oder zweimal etwas sagen, kann ich mich daran erinnern.« Er bemerkte, dass diese schlichte Erklärung seiner Geisteskräfte seinen Vettern die Sprache verschlagen hatte und zog sich zufrieden wieder zu seinem Buch zurück.

Lord Biddenden tauschte einen bedeutungsvollen Blick mit seinem Bruder; Hugh bemerkte jedoch nur, dass er schon recht habe. Das allerdings tat er in einem derart verächtlichen Ton, dass es Biddenden zu dem Ausspruch anstachelte: »Nun, auf alle Fälle ist mein Besuch ebenso zweckdienlich wie der Dolphintons. Verdammt noch mal!«

»Ich bin ein Earl«, sagte Lord Dolphinton plötzlich, sich wieder ins Gespräch einschaltend. »Du bist kein Earl. Hugh ist kein Earl. Freddy ist kein –«

»Nein, du bist der einzige Earl unter uns«, warf Hugh beruhigend ein.

»George ist nur ein Baron«, sagte Dolphinton.

Lord Biddenden warf ihm einen Blick voller Abscheu zu und äußerte eine Bemerkung über den verarmten irischen Hochadel. Er hatte weniger Geduld mit Dolphinton als seine übrigen Vettern, und außerdem hatte dessen Bemerkung seine Empfindlichkeit etwas verletzt. Sein Stolz war größer als sein Geist, er hielt sich gern für das Oberhaupt einer hochstehenden Familie und hatte den Ehrgeiz, seine Verhältnisse zu verbessern. Wie wenig er auch von irischen Adelsprädikaten halten mochte, konnte er doch Dolphinton nie sehen, ohne dass es ihm einen schmerzlichen Stoß gab. Seinem Gefühl nach hätte eine gerechtere Vorsehung ihre Stellungen umkehren müssen. Nicht dass er mit Dolphinton mehr als dessen Titel hätte tauschen wollen! Sicherlich gab er nicht seine eigene angenehme Erbschaft gegen Dolphintons Grundbesitz in Irland, der, wie er mit gutem Grund vermutete, bis übers Dach mit Hypotheken belastet war. Dolphinton war außerdem das einzige Kind, und das hätte seinem Vetter nicht gefallen. Lord Biddenden hatte patriarchalische Instinkte. Er sah seine Geschwister gern unter seinem Dach versammelt und liebte das Gefühl, sie zu lenken. Er war an ihrem Vorankommen in der Welt fast genauso interessiert wie an seinem eigenen. Es war eine Quelle beträchtlichen Kummers für ihn, dass es ihm die Umstände unmöglich gemacht hatten, Hugh seinen ersten Lebensunterhalt zu sichern. Er, und nicht Matthew Penicuik, hätte Hughs Wohltäter sein sollen! Er vermochte es dem kränkelnden Onkel, der Hughs Pfarrei unterhielt, nie ganz zu verzeihen, dass er wider Erwarten noch immer am Leben war. Dass Hugh nur einen Fußmarsch vom Herrenhaus der Biddendens entfernt lebte, diente weder seinem Glück noch seiner Selbstachtung. Und doch ließ er sich davon nicht beeinflussen, denn er war ein Mann mit einem starken Sinn für Schicklichkeit und war sich seiner Pflicht bewusst, für alle seine Geschwister Zuneigung zu empfinden. Die traurige Wahrheit aber war, dass er nie lange mit Hugh zusammen sein konnte, ohne auf ihn böse zu werden. Da er ein gerechter Mann war, schrieb er Hugh keine Schuld daran zu, dass dieser um einen Kopf größer und viel schlanker war als er; wohl aber glaubte er, dass es Hughs eigene Schuld sei, anzunehmen, dass ihm sein geistliches Gewand das Recht verlieh, seinen älteren Geschwistern gegenüber kritisch zu sein. Voller Bedauern dachte Lord Biddenden an seinen zweiten Bruder Claud und wünschte, dass dieser nicht gerade in diesem Augenblick mit seinem Regiment in der Besatzungsarmee in Frankreich diente. Er hätte sich gefreut, Claud zu einem Vermögen zu verhelfen, denn er hatte ihn gern und sah außerdem voraus, dass er selbst in nicht allzu ferner Zeit verpflichtet sein würde, Claud beim Kauf seiner Beförderung finanziell zu unterstützen - falls er sie nicht sogar ganz würde bezahlen müssen. Captain Rattray war zwar dem Oberhaupt des Hauses gegenüber ehrerbietig, aber er verschlang auch ungeheure Mengen an Geld.

Diese Überlegungen wurden von Lord Dolphinton gestört, der erneut den Kopf hob, um einen Gedanken zu äußern, der langsam in seinem Gehirn aufgekeimt war. »Ich möchte lieber kein Earl sein«, sagte er düster. »Oder ein Viscount. Freddy wird ein Viscount. Das möchte ich nicht sein. Ich möchte auch nicht ein Baron sein, obwohl das nicht viel ist. George –«

»Ja, ja, wir wissen alle, dass ich ein Baron bin! Du brauchst die Adelsgrade nicht aufzuzählen!«, sagte Biddenden erbittert. »Du möchtest lieber überhaupt kein Pair sein. Ich weiß wirklich nicht, was für eine Grille du dir jetzt wieder in den Kopf gesetzt hast, aber das zumindest habe ich verstanden.«

»Es gibt keinen Grund, dass du so grob redest«, sagte Hugh. »Was wärst du denn gern, Foster?«

Lord Dolphinton seufzte. »Das ist es ja gerade«, sagte er kummervoll. »Ich möchte kein Militär sein. Oder Pfarrer, oder Arzt. Oder –«

Da der Rektor annahm, dass die Liste der Beschäftigungen, die sein Vetter nicht auf sich zu nehmen wünschte, wahrscheinlich lang werden würde, schritt er ein und sagte in seiner ernsten Art: »Warum magst du denn kein Earl sein, Foster?«

»Einfach nur so«, sagte Dolphinton schlicht.

Der ältere Vetter drohte aufgrund dieser Unterhaltung einen Anfall zu erleiden. Glücklicherweise wurde in diesem Moment allen weiteren Bemerkungen, zu denen sich Dolphinton vielleicht veranlasst fühlte, durch den Auftritt ihres Großonkels und Gastgebers Einhalt geboten.

Mr. Penicuiks hatte sich nach dem Dinner in sein Schlafzimmer zurückgezogen, um alle Verbände rund um seinen Gichtfuß entfernen und neu anlegen zu lassen. Sein Eintritt nun war höchst eindrucksvoll. Vor ihm schritt der Butler einher, der auf einem silbernen Tablett eine Pillenschachtel und ein halbgefülltes Glas mit einer übel aussehenden Mixtur trug. Mr. Penicuik selbst humpelte, links von einem muskulösen Lakaien und rechts von seinem Kammerdiener gestützt, herein. Ein Dienstmädchen bildete die Nachhut, beladen mit einem schweren, derben Spazierstock, mehreren Kissen und einem Schal. Lord Biddenden und sein Bruder wollten hilfreich auf ihren entkräfteten Verwandten zueilen, wurden aber für ihre Mühe heftig angefahren. Der Butler unterrichtete Lord Dolphinton vorwurfsvoll flüsternd, dass er im Sessel des gnädigen Herrn sitze. Sehr erschrocken verzog sich Dolphinton zu einem unbequemen Sitz in einiger Entfernung vom Kamin. Mr. Penicuik gab mannigfache Stöhnlaute, Beschwörungen und Schimpfworte von sich und wurde vorsichtig in seinen Lieblingssessel hinuntergelassen. Sein Gichtfuß wurde behutsam auf ein Kissen auf den Schemel vor ihm gebettet, ein zweites Kissen wurde ihm in den Rücken gestopft und sein Neffe Hugh zog ihm den Schal um die Schultern zurecht, wobei er unklugerweise fragte, ob er es so bequem habe.

»Nein, ich hab’s nicht bequem, und wenn du meinen Magen und meine Gicht hättest, dann würdest du mir keine so verdammt dumme Frage stellen!«, erwiderte Mr. Penicuik. »Stobhill, wo sind meine Herztropfen? Wo sind meine Pillen? Die helfen überhaupt nicht, aber ich habe sie bezahlt und Verschwendung kann ich nicht ausstehen! Wo ist mein Stock? Stell ihn dorthin, Mädchen, wo ich ihn erreichen kann, und steh nicht mit offenem Mund herum! Narrenpack! Hüpf nicht ständig um mich herum, Spiddle! Ich kann Hüpfer nicht ausstehen! Und geht nicht außer Hörweite der Glocke, denn sehr wahrscheinlich gehe ich zeitig schlafen, und ich will nicht warten müssen, während man euch überall sucht. Fort mit euch, alle miteinander! Nein, halt! Wo ist meine Schnupftabakdose?«

»Ich bilde mir ein, Sir, dass Sie sie in die Tasche steckten, als Sie vom Dinner aufstanden«, rechtfertigte sich Stobhill.

»Umso dümmer von dir, mich niedersetzen zu lassen, bevor ich sie wieder herausgenommen habe!«, sagte Mr. Penicuik und machte heroische Anstrengungen, eine Hand in seine Tasche zu stecken, wobei er wieder gequält stöhnte. Das Angebot der Spezialsorte Lord Biddendens aus einer eleganten Emaildose wurde undankbar zurückgewiesen. Mr. Penicuik sagte, er verwende seit Jahren »Nussbraun« und wolle kein neumodisches Zeug von irgendwem. Es gelang ihm mit Hilfe seiner zwei Diener, die Dose aus der Tasche zu ziehen; er sagte, das Zimmer sei kalt wie eine Gruft, und schalt den Lakaien aus, dass er kein besseres Feuer gemacht hatte. Der Lakai, neu im Dienst, erinnerte Mr. Penicuik dummerweise daran, dass dieser selbst befohlen hatte, im Salon nur ein kleines Feuer anzuzünden. »Der Mensch ist ein Idiot!«, sagte Mr. Penicuik. »Zum Teufel mit dem kleinen Feuer! Nicht, wenn ich selbst hier sitze, Tölpel!« Er verscheuchte die Diener und nickte seinen jungen Verwandten zu. »Im Allgemeinen sitze ich nicht hier«, informierte er sie. »Ich sitze nie woanders als in der Bibliothek, aber ich wollte euch Pack nicht dort zusammengedrängt haben.« Dann blickte er sich im Zimmer um, machte die Bemerkung, es müsse aufpoliert werden, er würde aber sein Geld nicht auf einen Raum vergeuden, den er vielleicht ein Jahr lang nicht wieder betreten würde, und schluckte zwei Pillen und die Herztropfen. Danach nahm er eine üppige Prise Schnupftabak, die ihn zu erfrischen schien, und sagte: »Also, ich habe euch allen mitgeteilt, dass ihr zu einem bestimmten Zweck herkommen sollt, und wenn einige von euch lieber nicht tun, was in ihrem eigenen Interesse liegt, dann will ich nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Ich habe ihnen einen Tag Gnadenfrist gegeben, jetzt aber ist Schluss! Ich will euch nicht alle hier behalten und mich um Haus und Hof bringen lassen, wenn ihr mich leer fresst, nur weil es ein paar verdammten Affen so passt. Wohlgemerkt, ich meine damit nicht, dass sie keine Chance haben sollen! Sie verdienen sie zwar nicht, aber ich habe gesagt, Kitty solle wählen, und ich stehe zu meinem Wort.«

»Ich vermute, Sir«, sagte Biddenden, »dass wir eine leise Ahnung von Ihren Absichten haben. Wollen Sie sich bitte erinnern, dass zumindest einer von uns nicht aus eigener Schuld fehlt?«

»Solltest du von deinem Bruder Claud sprechen, dann bin ich froh, dass er nicht da ist«, erwiderte Mr. Penicuik. »Ich habe nichts gegen den Jungen, aber ich kann Militärs nicht leiden. Wenn er will, kann er um Kittys Hand anhalten, aber ich kann dir jetzt schon sagen, dass sie nichts mit ihm zu tun haben will. Warum sollte sie auch? Sie hat ihn seit Jahren nicht mehr gesehen. Jetzt haltet alle den Mund und hört zu, was ich zu sagen habe. Ich habe lange darüber nachgedacht und entschieden, welcher Weg für mich der richtige ist, daher will ich es euch mitteilen. Dolphinton, verstehst du mich?«

Lord Dolphinton, der, die Hände locker zwischen den Knien gefaltet, mit einem Ausdruck äußerster Niedergeschlagenheit dasaß, zuckte zusammen und nickte.

»Ich glaube nicht«, sagte Mr. Penicuik leise zu Hugh. »Seine Mutter kann sagen, was sie will, aber ich persönlich denke schon immer, dass er im Oberstübchen nicht ganz richtig ist. Aber er ist genauso gut mein Großneffe wie jeder andere von euch, und ich habe mir vorgenommen, dass ich keinen Unterschied zwischen euch machen werde.« Er schwieg und blickte die versammelte Gesellschaft mit der Genugtuung eines Menschen an, der sich im nächsten Augenblick ohne Angst vor Widerspruch oder Unterbrechung an sein Publikum wenden wird. »Es geht um mein Testament«, sagte er. »Ich bin jetzt ein alter Mann und dürfte nicht mehr sehr lange leben. Nicht, dass mir etwas daran läge, denn ich habe mein Leben genossen und bezweifle nicht, dass ihr alle froh sein werdet, wenn ihr mich in meinem Sarg seht.« Hier schwieg er wieder und bediente sich mit der zitternden Hand fortgeschrittener Senilität mit einer zweiten Prise Schnupftabak. Diese darstellerische Leistung erzielte jedoch nur eine geringe Reaktion bei seinen Großneffen. Dolphinton und Ehrwürden Hugh fixierten ihn zwar nachhaltig, aber Dolphintons Blick kann nicht anders als ausdruckslos beschrieben werden, und der Hughs war ganz eindeutig skeptisch. Biddenden war damit beschäftigt, sein Monokel zu polieren. In Wirklichkeit war die Bürde der Jahre, an der Mr. Penicuik trug, nicht so groß, wie seine dürre Erscheinung den Uneingeweihten und seine Rede vielleicht glauben ließen. Wie er seine Besucher gerne informierte, war er der letzte lebende Vertreter seiner Generation. Da ihm jedoch vier Schwestern in die Welt voraus- und wieder aus ihr hinausgegangen waren, war das kein so eindrucksvoller Umstand, wie er es gerne darzustellen versuchte. »Ich bin der Letzte meines Namens«, sagte er und schüttelte traurig den Kopf. »Habe meine Generation überlebt. Nie geheiratet. Nie einen Bruder gehabt.« Diese tragischen Töne übten ihre Wirkung auf Lord Dolphinton aus. Er wandte seinen ängstlichen Blick Hugh zu. Hugh lächelte ihn beruhigend an und sagte mit tonloser Stimme: »Ganz richtig, Sir!«

Als Mr. Penicuik bemerkte, dass seine Zuhörer teilnahmslos blieben, ließ er sein Pathos fallen und sagte mit seiner üblichen Schroffheit: »Nicht, dass ich viele Tränen vergossen hätte, als meine Schwestern starben, denn so war es nicht! Das eine will ich zu Gunsten eurer Großmutter sagen, ihr beiden! Sie hat mich nie sehr belästigt. Aber Dolphintons Großmutter – sie war meine Schwester Cornelia, und das denkbar stupideste Frauenzimmer – na, lassen wir das. Rosie war die Beste von ihnen. Verdammt, Rosie habe ich wirklich gern gehabt, und Jack mag ich auch. Ist ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. Ich weiß nicht, warum der Schurke heute Abend nicht hier ist!« Diese Erinnerung brachte den zänkischen Ton in seine Stimme zurück. Ein, zwei Augenblicke lang saß er stumm da und sinnierte über den Treuebruch seines Lieblingsneffen. Biddenden warf seinem Bruder einen gelangweilten Blick zu, aber Hugh hielt die Augen auf Mr. Penicuik gerichtet und wartete höflich, dass er seine Rede wieder aufnähme. »Nun ja, ist ja belanglos«, sagte Mr. Penicuik bissig. »Was ich zu sagen habe, ist Folgendes: Es ist kein Grund vorhanden, warum ich mein Geld nicht hinterlassen sollte, wem ich will. Keiner von euch hat eine Spur Anspruch darauf, daher bildet euch das ja nicht ein. Gleichzeitig war ich nie einer, der seine Verwandten vergessen hätte. Niemand kann behaupten, ich hätte meiner Familie gegenüber meine Pflicht nicht erfüllt. Wenn ich an die vielen Male denke, die ich euch alle hierherkommen ließ – garstige, zerstörerische Jungen wart ihr! Außerdem habe ich Dolphintons Mutter, die keine Nichte von mir ist, eine Menge Ratschläge gegeben habe, als mein Neffe Dolphinton starb, und sie hätte gut daran getan, auf sie zu hören – na, Schluss damit! Ich habe ein Gefühl für meine Familie, das nicht zu erklären ist. George hat das auch: Das ist das Einzige, das ich an dir mag, George. Also schien mir, dass mein Geld einem von euch zukommen sollte. Gleichzeitig aber ist Kitty da und ich leugne nicht, dass ich es gerne sähe, dass sie es bekommt. Und wenn ich keinen Sinn dafür hätte, was der Familie gebührt, würde ich es ihr hinterlassen und kein Aufhebens mehr davon machen.« Er blickte von Biddenden zu Hugh und kicherte plötzlich heiter. »Ich wette, ihr habt euch oft gefragt, ob sie nicht meine Tochter sei, ha? Nun, ist sie nicht. Überhaupt nicht mit mir verwandt. Sie ist das Kind des armen Tom Charing, alles ganz in Ordnung, was immer ihr vermutet haben mögt. Sie ist außerdem leider die letzte Charing. Tom und ich wuchsen zusammen auf, aber sein Vater hat ihn ziemlich leer ausgehen lassen und meiner hat mich mit ziemlich vollen Taschen zurückgelassen. Tom starb, bevor Kitty aus der Gehschule war, und es waren keine Charings mehr da, außer ein paar säuerlichen alten Vettern. Daher adoptierte ich das Mädel. Überhaupt nichts Unehrenhaftes an der Sache, und kein Grund, warum sie nicht in jede Familie einheiraten könnte, die sie wählt. Daher habe ich es so geregelt, dass sie einer von euch haben soll, und mein Vermögen als Draufgabe dazu.«

»Ich muss schon sagen, Sir, das ist eine seltsame, grillenhafte Idee!«, bemerkte Biddenden. »Und noch dazu eine, die –«

»Grillenhaft!«, rief Hugh angewidert aus. »Ich würde sie eher empörend nennen!«

»Sehr gut, mein Junge; wenn du so denkst, dann bewirb dich nicht um sie«, erwiderte Mr. Penicuik.

»Bitte sei still, Hugh! Darf ich fragen, Sir, ob Ihr gesamter Besitz dem – äh – glücklichen Freier vererbt wird?«

»Er wird Kitty vererbt, sowie sie einmal sicher verheiratet ist. Ich halte nichts davon, Besitz aufzuteilen.«

»Und falls ihr kein Heiratsantrag gemacht wird?«

Mr. Penicuik kicherte wieder. »Das befürchte ich nicht.«

Hugh erhob sich und baute sich vor seinem Großonkel auf. »Ich werde nicht schweigen! Dieser ganze Plan muss jedem taktvollen Frauenzimmer abstoßend erscheinen. Bitte sehr, welchen von uns zu heiraten wollen Sie sie zwingen?«

»Steh nicht so da, dass ich einen steifen Hals bekomme!«, sagte Mr. Penicuik. »Ich werde sie nicht zwingen, einen von euch zu heiraten. Ich behaupte nicht, dass es mir lieber wäre, sie bekäme, ohne Namen zu nennen, einen Bestimmten eher als einen anderen, aber ich bin kein unvernünftiger Mensch und bereit, sie unter euch wählen zu lassen. Ihr seid eine Menge, aus der sie wählen kann.«

»Aber falls sie ablehnt, Sir?«, fragte Biddenden ängstlich.

»Dann hinterlasse ich mein Geld dem Waisenhaus oder so etwas!«, erwiderte Mr. Penicuik. »So verrückt wird sie nicht sein.«

»Ist es richtig, wenn ich annehme, Sir, dass Kitty kein eigenes Vermögen besitzt?«, fragte Hugh.

»Keinen roten Heller«, sagte Mr. Penicuik heiter.

Hughs Augen blitzten. »Und Sie behaupten, Sie zwingen sie nicht! Ich staune über Sie, Sir! Ich darf sagen, dass ich zutiefst empört bin! Was für eine Hoffnung kann ein Frauenzimmer in Kittys Verhältnissen, ohne Vermögen, haben, eine achtbare Verbindung einzugehen?«

»Natürlich kann sie keine haben«, sagte Mr. Penicuik, der in dem Maß, in dem der Zorn seines Großneffen anstieg, von Augenblick zu Augenblick liebenswürdiger wurde.

»Nein, wirklich!«, rief Lord Biddenden und erschauerte fast bei dem Gedanken an eine Heirat mit einem mitgiftlosen Frauenzimmer. »Wirklich, Hugh, du gehst zu weit! Ich weiß nicht, wo du deine fantastischen Ideen herhast! Man könnte ja fast glauben, dass noch nie eine Heirat arrangiert wurde, aber es muss dir doch bewusst sein, dass in unseren Kreisen so etwas immer gemacht wird! Deine eigenen Schwestern –«

»Heißt das, dass meine Schwestern zu Heiraten gezwungen wurden, die ihnen zuwider waren?«

Mr. Penicuik öffnete wieder seine Schnupftabakdose. »Wieso glaubst du, dass eine Heirat mit einem von euch dem Mädchen zuwider wäre?«, fragte er ausdruckslos. »Möglich zwar, dass gerade du ihr nicht gefällst, aber das will noch nicht heißen, dass keiner unter euch ist, den sie nicht gerne erwählen möchte. Sie kennt keine anderen Männer, daher muss es einer von euch werden.« Da er eine zu große Prise »Nussbraun« inhaliert hatte, nieste er mehrmals heftig. Als er sich von diesem Anfall erholt hatte, sagte er: »Ich werde offen mit euch sein. Jedermann kennt die Charings: Gute Herkunft, für jede Familie zwecks Ehe passend. Die Sache ist nur die, dass Kitty französisches Blut hat.« Diese Information war der Gesellschaft gut bekannt, aber Mr. Penicuik enthüllte sie ihnen mit der Miene eines Menschen, der ein schändliches Eingeständnis macht. »Evron war der Name. Ich habe selbst nie viel über die Familie gewusst. Sie waren Emigranten, aber nicht von Adel – oder, falls sie es waren, hat es mir Tom niemals erzählt. Sie werden euch nicht belästigen: Dafür habe ich schon gesorgt! Der Bursche, der behauptete, er sei Kittys Onkel, ist einmal hergekommen – oh, vor Jahren! Er brachte seine Söhne mit: Waren ein Paar struppige Schuljungen, die. Ich habe ihn bald kurzerhand weggeschickt. Das war vielleicht so ein sauberer Kunde! Es hatte keinen Zweck, dass er versucht hat, mich anzuschwindeln, und das habe ich ihm auch gesagt! Ein Schmarotzer, das war er, wenn nichts Schlimmeres. Aber soviel ich weiß, hat er sich wieder nach Frankreich verzogen. Ich jedenfalls habe nie mehr von ihm gehört. Aber Désirée – Kittys Mutter –« Er unterbrach sich. Sein Blick, der zwischen Biddenden und Ehrwürden Hugh hin und her gehuscht war, richtete sich nun auf die glimmenden Scheite der Feuerstelle. Er beendete den Satz nicht, sondern sagte nach einer Pause: »Ein hübsches kleines Ding, die Kitty, aber ihrer Mutter wird sie nie gleichkommen. Zu stark nach dem armen Tom geraten. Hat etwas vom Blick ihrer Mutter mitbekommen. Hie und da merkte ich es. Aber Mrs. Charing – na ja, egal. Das gehört nicht zur Sache.« Er streckte die Hand nach dem Klingelzug aus und riss heftig an ihm. »Ich lasse sie kommen«, sagte er. »Aber wohlgemerkt! Ich zwinge sie nicht, einen von euch dreien zu erwählen – na ja, dich kann sie ja nicht wählen, George, weil du bereits verheiratet bist! Ich weiß nicht, was dich hergeführt hat; ich habe dich jedenfalls nicht eingeladen!«

Lord Dolphinton, erfreut, seine Worte endlich bestätigt zu hören, wandte die Augen seinem älteren Vetter zu und bemerkte kurz und bündig: »Hab ich’s dir doch gesagt!«

Kapitel 2

Einige Minuten später betrat Miss Catherine Charing das Zimmer, begleitet von einer ältlichen Dame, deren spärliches graues Haar als Ringellocken zu beiden Seiten des liebenswürdigen, wenn auch reizlosen Gesichts baumelte. Sie trug kein Häubchen, ein Zeichen dafür, dass sie unverheiratet war. Ihr hochgeschlossenes Kleid war äußerst unkleidsam in Flohbraun gehalten, in der knochigen Hand hielt sie ein Retikül. Kaum hatte Mr. Penicuik sie erblickt, als er auch schon unnötig heftig ausrief: »Nicht Sie, Weib, nicht Sie! Glauben Sie, dass ich heute nicht schon genug von Ihrem Gesicht hatte? Fort mit Ihnen! Fort mit Ihnen!«

Die ältliche Dame gab einen schwachen gluckernden Laut von sich. Aber obwohl sie erschreckt dreinsah, schien sie von dieser unkonventionellen Begrüßung nicht überrascht zu sein. Sie sagte: »Oh, Mr. Penicuik! Zu einer solchen Zeit und bei einem so heiklen Anlass!«

»Kitty!«, unterbrach sie Mr. Penicuik. »Wirf Fish aus dem Zimmer!«

Die ältliche Dame kreischte protestierend auf, doch Miss Charing schob sie sanft, aber unerbittlich über die Schwelle. Sie sagte: »Ich habe dir ja gesagt, wie es sein würde!« Dann schloss sie die Tür, schenkte der Gesellschaft einen nachdenklichen Blick aus großen Augen und ging in die Mitte des Zimmers.

»Braves Mädchen!«, sagte Mr. Penicuik beifällig. »Setz dich!«

»Nimm diesen Sessel!«, drängte Lord Biddenden.

»Hier wirst du bequem sitzen, meine liebe Kitty«, sagte Ehrwürden Hugh und wies auf den Stuhl, von dem er sich bei ihrem Eintritt erhoben hatte.

Um nicht ausgestochen zu werden, schluckte Lord Dolphinton und sagte: »Nimm meinen hier! Nicht bequem, aber würde mich sehr freuen, wenn – bitte, nimm ihn!«

Miss Charing war eine recht kleine Brünette. Sie hatte eine hübsche Gestalt und sehr hübsche Hände und Füße. Ihr Gesicht gewann an Schönheit durch ein großes dunkles Augenpaar, dessen Ausdruck ehrlich und unschuldig war. Sie hatte die Gewohnheit, diese Augen ernst (und manchmal beunruhigend) auf ihren Gesprächspartner zu heften. Sie hatte eine leichte Stupsnase, eine kurze Oberlippe, ein energisches Kinn und eine Fülle dunkler Locken, die so frisiert waren, wie ihr Vormund und ihre Erzieherin es wünschten. Sie trug ein damenhaftes Kleid aus grünem Batist mit hoher Taille und langen Ärmeln und einem einzigen schmalen Volant. Um ihren Hals hing ein kleines goldenes Medaillon an einem Band. Es war ihr einziges Schmuckstück.

Lord Biddenden, ein Mann mondäner Neigungen, hatte das Gefühl, dass ein paar Schmuckstücke und ein moderneres Kleid ihr Aussehen verbessert hätten. Sein Bruder wiederum betrachtete ihre bescheidene Erscheinung mit Beifall.

»Also, Kitty«, sagte Mr. Penicuik, »ich habe diesen dreien da erzählt, was für Absichten ich habe, und jetzt können sie für sich selbst sprechen. Biddenden natürlich nicht: Ihn meine ich nicht, obwohl ich nicht bezweifle, dass er schnell genug reden würde, wenn er könnte. Was den hergebracht hat, weiß ich wirklich nicht!«

»Ich vermute«, sagte Miss Charing und betrachtete seine Lordschaft, »er ist gekommen, um Hugh in Fahrt zu bringen.«

»Aber, Kitty! Auf mein Wort!«, stieß Biddenden hervor, sichtlich aus der Fassung geraten. »Es ist an der Zeit, dass du lernst, deine Zunge im Zaum zu halten!«

Miss Charing sah überrascht drein und richtete einen fragenden Blick auf Hugh. Dieser sagte mit ernster Güte: »George meint, dass Ausdrücke wie ›in Fahrt bringen‹ ungehörig sind, wenn sie ein Frauenzimmer benützt, liebe Base.«

»Ho!«, sagte Mr. Penicuik. »Das also hat er gemeint, ja? Nun, nun! Dann wäre ich ihm dankbar, wenn er seine Nase aus Sachen heraushielte, die ihn nichts angehen. Außerdem lasse ich nicht zu, dass ihr dem Mädchen beibringt, zimperlich zu reden. Nicht, solange sie unter meinem Dach lebt! Ich habe diesbezüglich von dieser Fish vollkommen genug!«

»Ich muss Ihnen sagen, Sir, dass meine Base vielleicht gut daran täte, ihre Konversation eher nach dem Vorbild Miss Fishguards zu formen und nicht nach dem – wie ich vermute – Vorbild von Jack«, erwiderte Hugh, der jede Silbe des Namens der Erzieherin betont ausgesprochen hatte.

»Blödsinn!«, sagte Mr. Penicuik rüde. »Es ist nicht Jacks Beispiel, dem sie folgt! Es ist meines! Ich wusste ja, wie es sein würde: Ich werde heute Nacht kein Auge zutun können. Zum Teufel, ich kenne keinen Burschen, der mir die Galle so hochsteigen lässt wie du, Hugh, mit diesem steifen Gesicht und deiner Weitschweifigkeit! Wenn ich mich nicht dazu entschlossen hätte, dass – aber ist ja egal! Ich habe mich nun einmal entschlossen, und ich werde mein Wort nicht zurückziehen. Das habe ich noch nie getan und ich werde es auch nie tun. Aber das ist noch kein Grund, dass Kitty sich schnell entschließen soll, welchen von euch sie haben will. Wenn sie meinem Rat folgt, wird sie abwarten und sehen, ob ... Nicht, dass es einer von euch verdient! Und wenn ihr glaubt, dass ich nach eurer Pfeife tanze, dann werdet ihr bald feststellen, dass ihr euch täuscht!«

Mit diesen plötzlich giftigen Worten zog Mr. Penicuik wieder am Klingelzug. Das tat er so heftig, dass es nicht überraschte, als nicht nur der Butler, sondern auch der Kammerdiener in den Salon stürzte, noch bevor der Nachhall des Klöppels ganz verklungen war. Mr. Penicuik verkündete seinen Entschluss, sich in die Bibliothek zurückzuziehen, und fügte hinzu, er habe für diesen Tag genug von seinen Verwandten gehabt. Er würde sie jedoch am nächsten Morgen wiedersehen, falls er – was mehr als wahrscheinlich sei – dann nicht zu krank wäre, um überhaupt jemanden außer dem Arzt zu empfangen. »Was aber nicht heißt, dass es mir nur im Geringsten gut täte, den zu sehen«, sagte er. Er stieß ein scharfes Geheul aus, als er aus seinem Sessel hochgehievt wurde, verfluchte seinen Kammerdiener und warf Lord Biddenden einen missgünstigen Blick zu. »Und wenn ich die ganze Nacht durchschlafen sollte, ohne ein einziges Zwicken dieser verdammten Gicht, möchte ich dich, George, trotzdem nicht mehr hier sehen!«, erklärte er.

Lord Biddenden wartete, bis man den Großonkel aus dem Zimmer geführt hatte und bemerkte dann mit einem bedeutsamen Blick: »Es ist natürlich nicht schwer zu verstehen, was ihn in diese üble Laune versetzt hat!«

»Hat dich eben nicht eingeladen«, sagte Dolphinton, sein Verständnis bekundend.

»Oh, halt den Mund!«, rief Biddenden aufgebracht. »Onkel muss wirklich altersschwach sein! Eine übel bewerkstelligte Angelegenheit –«

»In der Tat schlecht bewerkstelligt«, sagte Hugh. »Eine Taktlosigkeit, die zwar nicht dir, wohl aber unserer Base hier äußerst unangenehm sein muss!«

»Sie ist nicht unsere Base!«

»Mein lieber Bruder, wir haben sie für unsere Base gehalten, seit sie in der Wiege lag.«

»Ja, das weiß ich«, sagte Biddenden, »aber du hast gehört, was Onkel gesagt hat. Sie ist es nicht!«

Hugh sagte eisig: »Das habe ich nicht gemeint. Ich bin froh, sagen zu können, dass mir ein solcher Verdacht nie durch den Kopf ging.«

»Du hast ein bisschen zu dick aufgetragen, Hugh!«, sagte Biddenden mit einem kurzen Auflachen.

»Du vergisst, in wessen Gesellschaft du dich befindest!«, sagte Hugh, und seine Stimme wurde scharf vor Ärger.

Lord Biddenden besann sich, wurde rot und warf Kitty einen entschuldigenden Blick zu. »Verzeihung! Aber diese Angelegenheit hat mich derart gereizt ... Sie ist so zusammengepfuscht! Aber ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen. Wir sind es doch alle wirklich gewöhnt, leger miteinander zu verkehren, sodass es keinen Grund gibt, warum du auch nur im Geringsten gekränkt sein solltest!«

»O nein, bin ich gar nicht!«, versicherte ihm Kitty. »Ja, das ist etwas, das ich mich selbst sehr oft gefragt habe; nur sagte mir Hugh, er sei überzeugt, es könne nicht sein. Worüber ich, ehrlich gesagt, sehr froh war.«

»Ehrlich wahr?«, sagte Lord Biddenden, zwischen Amüsement und Missbilligung hin- und hergerissen. »Hugh hat dir das gesagt, ja? Das ist also dein feines Gerede wert, mein lieber Bruder! Keinen Verdacht, was du nicht sagst! Ich frage mich nur, ob du ewig versuchen wirst, uns alle an der Nase herumzuführen. Du solltest über solche Sachen nicht mit Hugh reden, meine liebe Kitty, aber ich halte schon meinen Mund! Zweifellos stehst du mit ihm in recht gutem Einvernehmen, und ich bin darüber wirklich froh!«

»Nun ja, ich wusste, dass es nutzlos gewesen wäre, die arme Fish zu fragen«, sagte Kitty naiv, »deshalb sprach ich Hugh darauf an, weil er ein Geistlicher ist. Hat euch Onkel Matthew gesagt, dass ich nicht seine Tochter bin?«

Sie wandte ihre Augen Hugh zu, während sie sprach, und er erwiderte etwas zurückhaltend: »Du bist die Tochter des verstorbenen Thomas Charing, Kitty, und seiner Frau, einer Französin.«

»Dass meine Mutter Französin war, wusste ich«, sagte Kitty. »Ich erinnere mich daran, dass mein Onkel Armand meine französischen Vettern zu uns auf Besuch brachte. Sie hießen Camille und André, und Camille reparierte mir meine Puppe, wozu sonst anscheinend niemand imstande war. Claud hatte damals gesagt, sie sei eine Aristo, und hat ihr den Kopf abgeschlagen.« Miss Charings Augen wurden dunkel bei dieser Erinnerung; sie fügte grimmig hinzu: »Was ich ihm niemals verzeihen werde!«

Diese Rede schien für die Chancen des abwesenden Captain Rattray, die Gunst dieser Erbin zu erzielen, nichts Gutes zu prophezeien.

Lord Biddenden sagte verdrossen: »Meine liebe Kitty, das muss doch schon Jahre her sein!«

»Ja, aber ich habe es nicht vergessen, und ich werde meinem Vetter Camille immer dankbar sein.«

»Lächerlich!«

Hugh warf ein: »Du bist lächerlich, George. Aber ich muss dir zustimmen, dass mein Onkel in dieser Angelegenheit einen Mangel an Takt gezeigt hat, der die gegenwärtige Situation jedem kultivierten Menschen widerwärtig macht. Ich bin überzeugt, es wäre für unsere Base angenehmer, wenn du und Dolphinton sich in ein anderes Zimmer zurückziehen würden.«

»Für dich«, erwiderte Seine Lordschaft, »wäre es bestimmt angenehmer. Und ich würde dir auch gerne jeden Gefallen tun, aber wenn du dir einbildest, dass ich um sieben Uhr zu Bett gehe, irrst du dich gewaltig!«

»Es besteht nicht die geringste Notwendigkeit, dass du zu Bett gehst. Wirklich, George!«

»Aber natürlich!«, sagte Seine Lordschaft herb. »Zweifellos hat Onkel ein behagliches Feuer in der Bibliothek anzünden lassen, aber wenn es in irgendeinem anderen Raum dieses Hauses noch eines geben sollte, dann müsste ich es erst noch entdecken.«

»Nun, in seinem Schlafzimmer gibt es natürlich noch eines«, sagte Kitty. »Und wenn es dir nichts ausmacht, mit Fish beisammenzusitzen, dann gibt es noch im Schulzimmer ein Feuer. Nur dürfte dir das vermutlich nicht sehr gefallen.«

»Wahrhaftig nein!«

»Und dem armen Dolph gefiele es auch nicht. Außerdem will er etwas sagen«, fuhr Kitty fort, die mit einem nachsichtigen Auge beobachtet hatte, wie Lord Dolphinton seinen großen Mund krampfhaft öffnete und schloss.

»Na, Foster, was ist denn?«, fragte Hugh ermutigend.

»Ich gehe nicht mit George!«, verkündete Dolphinton. »Ich mag George nicht. Bin nicht gekommen, um ihn zu sehen. Er sollte nicht hier sein. Wurde nicht eingeladen!«

»Oh mein Gott, jetzt sind wir wieder bei dem gelandet!«, murmelte Biddenden. »Du könntest genauso gut ins Bett abziehen, Dolphinton, wie hier bleiben.«

»Nein, das könnte ich nicht«, erwiderte Dolphinton energisch. »Ich bin nämlich nicht verheiratet! Und außerdem bin ich ein Earl.«

»Was hat denn das damit zu tun, bitte sehr? Ich wollte, du –«

»Das ist wichtig!«, sagte Dolphinton. »Immer eine gute Sache, einen Earl zu heiraten. Dann wird man Gräfin.«

»Das ist vermutlich eine Liebeserklärung«, sagte Biddenden höhnisch. »Sehr hübsch, muss ich schon sagen, Foster.«

»Bist du so freundlich, mir einen Heiratsantrag zu machen, Dolph?«, erkundigte sich Miss Charing, in keiner Weise aus der Fassung gebracht.

Lord Dolphinton nickte mehrmals, dankbar, dass sie so schnell verstanden hatte. »Sehr glücklich, so freundlich zu sein«, sagte er. »Keineswegs volle Taschen – nein, ganz davon zu schweigen! Will nur sagen – hatte immer sehr viel Hochachtung vor dir. Erweise mir die Ehre, meine Hand anzunehmen.«

»Auf mein Wort!«, stieß Biddenden hervor. »Wenn man nicht die Wahrheit wüsste, könnte man glauben, dass du dich in hohem Maß verstellst, Foster!«

Lord Dolphinton, der sich unbehaglich bewusst wurde, dass er den Faden seiner wohlvorbereiteten Rede verloren hatte, sah unglücklicher drein denn je und wurde bis zu den Wurzeln seiner schütteren braunen Locken rot. Er warf Miss Charing einen flehenden Blick zu, die sich sofort erhob, zu ihm ging, sich auf einen Stuhl neben ihn setzte, seine Hand beruhigend tätschelte und sagte: »Unsinn! Du hast das sehr ordentlich gesagt, Dolph, und ich verstehe dich vollkommen! Du hast um mich angehalten, weil es dir deine Mama befohlen hat, nicht war?«

»Stimmt«, sagte Seine Lordschaft erleichtert. »Wollte dich nicht ärgern, Kitty – mag dich wirklich! Ich musste einen Versuch machen.«

»Ganz richtig. Deine Besitzungen sind entsetzlich verschuldet und deine Taschen haben nichts als Löcher, daher hast du um mich angehalten. Aber in Wirklichkeit willst du mich gar nicht heiraten, nicht wahr?«

Seine Lordschaft seufzte. »Das hilft nichts«, sagte er schlicht.

»Oh doch, weil ich deinen Antrag nicht annehme, Dolph«, sagte Miss Charing tröstend. »Jetzt kannst du dich also wieder beruhigen.«

Sein Blick klarte sich auf, nur um sich sofort wieder zu verdüstern. »Nein, das kann ich trotzdem nicht«, sagte seine Lordschaft unglücklich. »Sie wird wütend sein und sagen, dass ich es bestimmt verdorben habe.«

»Worüber ich staune«, sagte Biddenden leise zu seinem Bruder, »ist, dass Tante Augusta ihm überhaupt erlaubt hat, ohne sie herzukommen.«

»Wollte nicht mit«, sagte Dolphinton und erschreckte seine Verwandten wieder einmal mit seiner Fähigkeit, dem Kern von Bemerkungen zu folgen, die nicht an ihn gerichtet waren. »Onkel Matthew sagte, er würde sie seine Schwelle nicht überschreiten lassen. Sagte, ich müsse allein herkommen. Ich hatte nichts dagegen, nur wird sie sagen, dass ich es nicht so gemacht habe, wie sie es angeordnet hat. Aber das habe ich doch! Habe dir meinen Antrag gemacht, sagte, dass ich ein Earl bin, sagte, es wäre mir eine Ehre. Wird es nur nicht glauben, das ist alles.«

»Oh, quäl dich nicht!«, sagte Biddenden. »Wir drei sind Zeugen dafür, dass du dich mit aller erdenklichen Glut und Gewandtheit ausgedrückt hast.«

»Findest du das wirklich?«, fragte Dolphinton hoffnungsvoll.

»Oh, der Himmel schenke mir Geduld!«, rief sein Vetter aus.

»In der Tat, die geht dir wirklich ab!«, sagte Hugh streng. »Du kannst ganz beruhigt sein, mein lieber Foster: Du hast genau das getan, was dir unsere Tante befohlen hat. Ich bin sogar davon überzeugt, dass selbst ihre Überredungskunst unsere Base nicht dazu bewogen hätte, ihr Nein in ein Ja zu verwandeln.«

»Nun, das kannst du wirklich sagen«, räumte Miss Charing ein. »Nur bin ich sehr gut imstande, für mich selbst zu sprechen, danke, Hugh. Willst vielleicht du mir jetzt einen Heiratsantrag machen?«

Nachdem sich Lord Dolphinton seiner Mission ehrenhaft entledigt hatte, wandte er seinem geistlichen Vetter einen interessierten Blick zu. Lord Biddenden rief aus: »Das ist unerträglich!«, und selbst Hugh sah etwas fassungslos drein. Er zögerte, bevor er mit einem erzwungenen Lächeln sagte: »An diese Situation ist ein Grad von Peinlichkeit geknüpft, der vermutlich leichter bewältigt werden könnte, wenn wir allein miteinander sprechen könnten.«

»Ja, aber du kannst von George und dem armen Dolph nicht erwarten, dass sie sich in ein Zimmer zurückziehen, das nicht geheizt ist!«, wandte Miss Charing vernünftig ein. »Es wäre zwecklos, Onkel Matthew um Erlaubnis zu bitten, heute Abend noch mehr Feuer anzünden zu lassen – das wisst ihr doch! Nichts regt ihn so auf wie verschwenderische Extravaganz. Er wird der Überzeugung sein, dass es eine große Kohlenverschwendung ist, eigens für George oder Dolph ein Feuer anzuzünden. Und bezüglich dieser peinlichen Situation denke ich, wenn sie mir nichts ausmacht, braucht sie auch dir nichts auszumachen. Ja, ich bin froh, möglichst vielen von euch sagen zu können, dass ich nicht den leisesten Wunsch habe, einen von euch zu heiraten!«

»Sehr wahrscheinlich nicht, Kitty, aber dass du dich derart hitzig ausdrückst, ja, es überhaupt wagst! Das steht dir ganz und gar nicht zu. Ich bin erstaunt, dass Miss Fishguard – sicherlich eine vortreffliche Frau – dir nicht ein besseres Benehmen beigebracht hat ...«

Da fiel Lord Biddenden ein, dass der Streit mit Kitty wohl kaum den Plan, den er im Auge hatte, fördern würde. Also fügte er in herzlicherem Ton hinzu: »Aber ich muss immerhin einräumen, dass eine solche Situation wie diese, an sich betrachtet, die Grenze des Anstands ohnehin schon überschritten hat! Glaube mir, Kitty, du tust mir leid! Du bist zum Gegenstand eines grillenhaften Einfalls gemacht worden, den ich nur als geistige Verwirrung bezeichnen kann.«

»Ja, aber zum Glück kenne ich euch alle sehr gut, daher brauche ich keine Bedenken zu haben, euch die Wahrheit zu sagen«, erklärte Kitty. »Ich will das widerliche Vermögen Onkel Matthews nicht. Und was die Sache angeht, einen Herrn zu heiraten, der um mich anhält, nur weil ich den Vorteil einer schönen Apanage besitze, so würde ich eher mein ganzes Leben lang eine alte Jungfer bleiben! Und du lass dir gesagt sein, Hugh, dass ich so etwas nicht von dir geglaubt hätte!«

Der Rektor war von dieser plötzlichen Attacke natürlich etwas überfahren und antwortete nicht sofort. Lord Dolphinton, der ihr intensiv zugehört hatte, war erfreut, als er entdeckte, dass er eine Aufklärung zu geben vermochte. »Hättest nicht kommen sollen«, sagte er zu seinem erstarrten Vetter Hugh. »Nicht das Wahre für einen Mann geistlichen Standes. George hätte auch nicht kommen sollen. Zwar nicht geistlichen Standes, aber nicht eingeladen.«

»Ein Vermögen nicht erben wollen!«, rief Biddenden aus, dem es die Ungeheuerlichkeit einer solchen Erklärung ermöglichte, Dolphintons unwillkommene Einmischung in den Streit zu ignorieren. »Pah! Unsinn! Du weißt nicht, was du redest.«

»Im Gegenteil«, sagte der Rektor, als er sich erholt hatte, »ihre Gefühle ehren sie! Meine liebe Kitty, niemand ist sich besser bewusst als ich, welcher Art deine Überlegungen anlässlich dieser Gelegenheit sein müssen. Ja, du musst mir glauben, dass ich sie teile! Dass unser Großonkel mich zum Empfänger seines Vermögens machen würde, war ein Gedanke, der mir niemals in den Sinn gekommen ist. Wenn ich mir je Überlegungen über seine Absichten erlaubt hätte, dann hätte ich angenommen, dass er seinem Adoptivkind eine ansehnliche Apanage hinterlassen würde und den Rest seines Besitzes jenem Familienmitglied, von dem wir alle wissen, dass es sein Lieblingsgroßneffe ist. Ich nehme an, keiner von uns hätte die Richtigkeit einer solchen Entscheidung infrage gestellt. Aber keiner von uns hätte sich vorgestellt, dass er, was immer kommen möge, dieses Adoptivkind mittellos auf der Welt zurücklassen würde.« Er sah den erschrockenen Ausdruck in Miss Charings Augen und sagte sehr sanft: »Er versicherte uns, dass er das, liebste Kitty, tun wolle, sollten wir oder du es ablehnen, seinem – ich zögere nicht, es zu sagen – ungeheuerlichen Befehl Folge zu leisten.«

»Mittellos!«, wiederholte Kitty, als sei ihr das ein unbekanntes Wort.

Lord Biddenden zog einen Stuhl herbei, setzte sich neben sie, ergriff ihre Hand und tätschelte sie. »Ja, Kitty, das ist die Sache in aller Kürze«, sagte er. »Ich wundere mich nicht, dass du so entsetzt dreinsiehst! Deinen Widerwillen muss jeder empfindsame Mensch teilen. Die traurige Wahrheit ist, dass du nicht in ein Vermögen hineingeboren wurdest. Dein Vater – ein Mann aus vortrefflicher Familie, natürlich – war leichtsinnig. Ohne die Großzügigkeit unseres Onkels, ohne die Adoption wärst du in Umständen aufgezogen worden, bei denen wir nicht verweilen wollen – fern aller Annehmlichkeiten des Lebens, eine Waise ohne einen Groschen Geld, ohne einen Beschützer, der dir Ansehen verliehen hätte! Meine liebe Kitty, du hättest dich heute vielleicht sogar glücklich schätzen können, dich in ähnlicher Lage wie Miss Fishguard zu befinden!«

Aus dem eindrucksvollen Senken der Stimme ging klar hervor, dass er ihr die tiefsten Abgründe beschrieben hatte, in denen seine Fantasie sie sich vorzustellen vermochte. Seine Feierlichkeit übte ihre letzte Wirkung aus. Instinktiv blickte Kitty zum Rektor, auf dessen Urteil sie sich in den letzten Jahren gewohnheitsmäßig verlassen hatte.

»Ich kann nicht sagen, dass dies unwahr wäre«, reagierte Hugh leise auf diesen Blick. »Ja, ich muss zugeben, dass du - wie auch immer unser Onkel sich heute verhalten hat, und wie ungehörig es in meinen Augen auch sein mag - ihm für seine Großzügigkeit in der Vergangenheit sehr zu Dank verpflichtet bist.«

Sie entzog ihre Hand dem warmen, schlappen Griff Lord Biddendens, sprang auf und sagte impulsiv: »Ich hoffe, dass ich nicht undankbar bin, aber wenn ihr von Großzügigkeit sprecht, habe ich das Gefühl, dass mir das Herz platzen muss!«

»Kitty, Kitty, sprich nicht so zügellos!«, sagte Hugh.

»Nein, nein, aber ihr versteht nicht!«, rief sie. »Ihr redet von seinem Vermögen und wisst, dass es groß ist. Alle sagen das, aber ich selbst sehe keinen Grund, das zu vermuten! Wenn er einem großmütigen Impuls nachgab, als er mich adoptierte, dann hat er ihn in all diesen Jahren wieder wettgemacht! Nein, Hugh, ich will nicht schweigen! Frag die arme Fish, was für ein Gehalt sie von ihm für meine Erziehung bekommt! Frag sie, wie viele Tricks sie immer wieder anwenden muss, nur damit ich nicht in Lumpen herumlaufe! Nun, vielleicht nicht gerade in Lumpen, aber schaut dieses Kleid an, das ich anhabe!«

Alle drei Herren gehorchten, aber es war nur Lord Biddenden, der die Berechtigung ihrer Klage erkannte. Hugh sagte: »Ich versichere dir, du siehst sehr gut aus, Kitty. Sehr nett und anständig«

»Ich will nicht nett und anständig aussehen!«, unterbrach ihn Kitty mit roten Wangen und funkelnden Augen. »Ich will elegante Kleider haben, und ich will meine Haare nach der neuesten Mode geschnitten haben, und ich will zu Gesellschaften und Abendgesellschaften und ins Theater und in die Oper gehen und nicht – überhaupt nicht! – eine arme, kleine Provinzgans sein!«

Wieder war nur Biddenden imstande, ihre Gefühle zu verstehen. »Sehr verständlich«, sagte er. »Das ist durchaus nicht verwunderlich. Ja, du bist hier so eingesperrt gehalten worden, dass du vermutlich noch niemals ein Konzert besucht hast!«

»Sehr richtig«, stimmte ihm Hugh zu. »Ich habe dem Onkel immer wieder geraten, dass dir, Kitty, ein gewisser Grad an vernünftiger Unterhaltung gewährt werden sollte. Leider fürchte ich, dass seine Gewohnheiten und Vorurteile zu tief verwurzelt sind. Und leider kann ich nicht von mir behaupten, dass meine Worte bei ihm Gehör finden.«

»Genau!«, sagte Biddenden. »Und daran wird sich auch nichts ändern, solange du unter diesem Dach weilst, Kitty! Wie wenig dir auch die Vorschläge unseres Onkels behagen mögen, so musst du dir doch alle Vorteile vor Augen halten, die mit einer passenden Heirat verknüpft sind. Du wirst eine Stellung von erstrangiger Achtbarkeit einnehmen; du wirst die Herrin eines ansehnlichen Haushalts sein, imstande, die Dinge so anzuordnen, wie du es willst! Mit der gewohnten Sparsamkeit, die du erlernt hast, wirst du dich von vornherein in behaglicheren Verhältnissen befinden; und im Lauf der Zeit wirst du imstande sein, dir jede denkbare Extravaganz zu leisten.«

Am immer verkniffener werdenden Mund des Rektors war zu erkennen, dass ihm diese Skizzierung der Zukunft wenig behagte. Er sagte: »Ich denke, ich spreche für Kitty, wenn ich sage, dass ich ihre Geisteshaltung für zu gewissenhaft halte, als dass sie es zuließe, sich nach Extravaganzen zu sehnen. Ich bin kein Puritaner! Ich sympathisiere völlig mit ihrem Wunsch, den ihr durch die hypochondrischen Gewohnheiten unseres Onkels auferlegten Einschränkungen –«

»Oh!«, rief Kitty sehnsüchtig, »Ich möchte so gern extravagant sein!«

»Du wirst mir erlauben, dich besser zu kennen, als du dich selbst kennst, liebe Kitty!«, antwortete Hugh fest. »Natürlicherweise wünschst du dir, die Welt besser kennen zu lernen. Du möchtest vermutlich die Metropole besuchen, und das wirst du auch! Du sehnst dich danach, die Vergnügungen zu kosten, die von jenen Menschen genossen werden, welche das darstellen, was als vornehme Welt bekannt ist. Diese Wünsche sind nur allzu verständlich. Ich wage aber zu prophezeien, dass du in kürzester Zeit viele dieser Vergnügungen als hohlen Trug erkennen wirst. Du musst nicht glauben, dass ich, solltest du mir deine Hand schenken, deinem Wunsch nach etwas mehr Heiterkeit, nicht nachkommen würde! Ich habe nichts gegen die unschuldigen Vergnügungen beim Tanz, ich selbst habe mich häufig im Theater vergnügt! Und während ich das Glücksspiel immer verabscheuen muss, so bin ich doch nicht so bigott, dass ich nicht einigermaßen gut Whist spiele oder Quadrille tanze oder bei einem privaten Lotteriespiel meine Rolle beherrsche.«

»Hugh«, unterbrach ihn Kitty, »George muss dich gezwungen haben, mir diesen Heiratsantrag zu machen!«

»Ich versichere dir auf mein Ehrenwort, dass dem nicht so ist!«

»Du willst doch gar nicht, dass ich deine Frau werde! Du – du liebst mich nicht!«, sagte sie mit erstickter Stimme, und Tränen stiegen ihr in die Augen.

Er erwiderte steif: »Meine Ehrerbietung vor dir ist höchst aufrichtig. Seit ich in einer Pfarrei eingesetzt wurde, die nicht so weit entfernt ist, konnte ich meinen Großonkel häufiger besuchen. Ich hatte reichlich Gelegenheit, dich zu beobachten, und zu meinem Wohlwollen kam die Achtung hinzu. Ich bin überzeugt, dass es in deinem Charakter nichts gibt, was dem entgegenstünde, dass du eine höchst passende Frau für jeden Mann geistlichen Standes werden könntest.«

Sie blickte erstaunt zu ihm auf. »Ich?!«, rief sie aus. »Wo du mich doch ewig wegen Leichtfertigkeit gescholten hast. Jedes Mal, wenn ich meine Zunge nicht so im Zaum hielt, wie du es magst, hast du die Stirn gerunzelt und mir gesagt, ich solle mit meinem Los nicht unzufrieden sein! Wie kannst du nur so reden?«

Er ergriff ihre Hand und sagte lächelnd: »Das sind die Fehler der Jugend, Kitty. Ich gestehe, ich habe versucht, dich zu leiten. Es war nie meine Absicht, dich zu schelten!«

»Wenn du nicht von George gezwungen wirst, dann muss es Onkel Matthew gewesen sein!«, erklärte sie und riss ihre Hand los.

»In gewisser Weise, ja«, erwiderte er. »Es ist schwer für dich, die Motive zu verstehen –«

»Nein, überhaupt nicht!«

»Doch!«, sagte er fest. »Du musst wissen, Kitty – du musst erkennen, wie schmerzlich das auch sein mag –, dass George nur die Wahrheit gesagt hat. Du hängst völlig von unserem Onkel ab. Sollte er sterben und dich unverheiratet oder nicht mit einem von uns verlobt zurücklassen, so bist du tatsächlich in einer verzweifelten Lage. Ich möchte dich nicht verletzen, aber ich muss dir sagen, da die Welt nun einmal so ist, wie sie ist, dass eine achtbare Heirat für ein mitgiftloses und verwaistes Frauenzimmer schwer zustande zu bringen ist. Was könntest du tun, um dich zu erhalten, wenn du allein in der Welt zurückbleibst? George hat von einer Stellung gesprochen, wie sie Miss Fishguard einnimmt, aber bestimmt ohne zu überlegen! Miss Fishguard ist eine vortreffliche Frau. Aber es gehen ihr die Kenntnisse ab, wie man sie heutzutage von einer Erzieherin, die eine Anstellung in den ersten Kreisen sucht, erwartet, um sie ihren Schülern zu vermitteln. Ihr Wissen ist nicht umfassend; ihre Leistungen auf dem Pianoforte sind nicht überragend; sie besitzt keine Fertigkeit in der Aquarellmalerei; sie beherrscht die französische Sprache wenig, die italienische überhaupt nicht.«

Kitty wandte das Gesicht ab und errötete gekränkt. »Du meinst, dass mir diese Kenntnisse abgehen.«

»Da es unser Onkel versäumt hat, Lehrer anzustellen, welche den Mängeln deiner Erziehung abgeholfen hätten, muss es notwendigerweise so sein«, erwiderte er ruhig. »Du weißt, liebe Kitty, wie oft ich dir empfohlen habe, deine Studien auch nach Verlassen des Schulzimmers fortzusetzen.«

»Ja«, gab Kitty ohne Begeisterung zu.

»Es würde mir viel Vergnügen bereiten, deine Studien zu lenken und mit dir lesen zu können«, sagte er. »Ich glaube sagen zu dürfen, dass ich für einen guten Gelehrten gehalten werde, und bin ganz sicher, dass es eine angenehme Aufgabe sein muss, den Geschmack einer so intelligenten Schülerin, wie du es bist, liebe Base, zu lenken und ihr Wissen zu erweitern.«

Lord Biddenden, der den gemessenen Reden seines Bruders mit wachsender Missbilligung gelauscht hatte, konnte seine Ungeduld nicht länger zähmen. »Also wirklich, Hugh!«, stieß er hervor. »Ein schöner Heiratsantrag für das arme Mädchen, muss ich schon sagen! Genug, um sie von Anfang an gegen eine Ehe mit dir einzunehmen.«

»Kitty versteht mich«, sagte Hugh ziemlich hochmütig.

»Nun ja, ich glaube schon«, sagte Kitty. »Und George hat vollkommen recht. Es würde mir äußerst missfallen, zu einer Gelehrten gemacht zu werden, und ich habe nicht das Gefühl, Hugh, dass ich überhaupt die Sorte Mädchen bin, die du heiraten solltest. Und wenn ich so darüber nachdenke, dürfte es doch eine Möglichkeit geben, mit der ich mir mein Brot verdienen könnte! Ich könnte eine Stellung als Haushälterin suchen. Das ist etwas, worin ich keinen Unterricht brauche. Ich leite dieses Haus, seit ich sechzehn war, und bin imstande, die arme Fish von Pflichten zu erlösen, für die sie ganz und gar ungeeignet ist. Ich glaube außerdem, jeder wäre sehr froh, mich anzustellen, denn wenn es eines gibt, worüber ich alles weiß, ist es strengste Sparsamkeit!«

»Also, Kitty, jetzt rede keinen Unsinn!«, bat Lord Biddenden verdrossen.

Der Rektor hieß ihn mit einer Geste seiner wohlgeformten Hand schweigen. »Wenn dich deine Jugend, Kitty, schon für eine solche Stellung ungeeignet macht, dann tun das zusätzlich deine Herkunft und deine Erziehung. Ich glaube außerdem kaum, dass dir das gefallen würde.«

»Nein, bestimmt nicht«, sagte sie offen. »Aber es würde mir auch nicht gefallen, mit dir verheiratet zu sein, Hugh.«

»Bitte! Was habe ich dir gesagt?«, warf Biddenden ein.

»Verzeih«, sagte Hugh ernst, aber gütig. »Ich für meinen Teil würde mich glücklich schätzen, dich meine Frau nennen zu können.«

»Es ist sehr liebenswürdig von dir, das zu sagen«, erwiderte Kitty. »Aber falls du die Wahrheit sagst, dann kann ich nicht begreifen, warum du bis heute nicht die geringste Andeutung gemacht hast.«

Jetzt war die Reihe an ihm, rot zu werden. Er blickte sie jedoch weiter unverwandt an und erwiderte nach einem fast unmerklichen Zögern: »Der Gedanke kam mir schon häufig in den Sinn. Ich glaube, es liegt mir nicht, mich, wie die übliche Wendung lautet, auf den ersten Blick zu verlieben. Ich empfinde aber seit langem die aufrichtigste Wertschätzung und Zuneigung für dich. Du bist jung, du hast deinen zwanzigsten Geburtstag noch nicht erreicht. Ich dachte, es sei noch nicht an der Zeit, mich dir zu erklären. Ich hatte auch manchmal den Verdacht, dass du eine deutliche Vorliebe für ein anderes Familienmitglied hast! Und deshalb erschien es mir zwecklos, mich an dich zu wenden. Ich kam in der Erwartung nach Arnside, alle drei meiner Vettern hier versammelt vorzufinden, habe aber nur Dolphinton angetroffen. Unter diesen Umständen zögere ich nicht, dich zu bitten, Kitty, meine Hand anzunehmen und mir zu glauben, dass du in der Pfarrei von Garsfield eines sicheren und achtbaren Asyls gewiss sein kannst.«

»Du machst mir also nicht wegen des Vermögens von Onkel Matthew einen Heiratsantrag, sondern aus Ritterlichkeit einem mittellosen Geschöpf gegenüber. Einem Geschöpf, von dem du annimmst, dass es von – von jedem sonst abgewiesen würde?«, fragte Kitty atemlos. »Ich – da würde ich lieber Dolph heiraten!«

Bei diesen erschreckenden Worten fuhr Lord Dolphinton hoch. Er hatte seit einer Weile am Griff eines Papiermessers gesogen, das ihm bequem bei der Hand gewesen war, und ließ das Messer nun aus seinen plötzlich kraftlosen Fingern fallen. »Äh?«, stieß er hervor. »Aber – hast gesagt, du tust’s nicht! Erinnere mich deutlich! Hast gesagt, ich kann mich beruhigen!«

»Und das kannst du auch, denn es war mein Ernst!«, sagte Kitty wütend. »Es gibt keinen einzigen, für den ich auch nur die geringste Vorliebe hätte, und ich wünsche auch keinen einzigen aus eurer hassenswerten Familie zu heiraten! Ich glaube, dass Hugh ein Schwindler ist und Claud eine grausame Natur hat, und Dolph und Freddy sind ganz einfach dumm, und was Jack betrifft, so bin ich aufrichtig dankbar, dass er nicht genügend albern war, um herzukommen, weil ich ihn mehr als euch alle miteinander verabscheue. Gute Nacht.«