Das Alte Ägypten - Martin Bommas - E-Book

Das Alte Ägypten E-Book

Martin Bommas

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Beschreibung

Ägypten – Reich der Pharaonen am Strom des Lebens, dem Nil. Der Band erläutert die Geschichte und die Entwicklungen des Alten Ägypten vom Jahr 3300 v. Chr. an und reicht bis zur Eroberung durch Alexander den Großen und damit dem Ende der Pharaonenzeit. Anhand der Königslisten vollzieht der Autor den Fortgang der Geschichte nach und verliert dabei nicht den Blick für die Individuen, welche die Geschicke des Reiches lenkten. Neben der Chronologie wird jedoch insbesondere der kulturellen Entwicklung des Alten Ägypten (Sprache, Schrift, Kunst, Literatur) Rechung getragen, denn neben den reinen historischen Fakten ist die Geschichte Ägyptens vor allem eine Kulturgeschichte, die sich selbst zwischen den großen Epochen des Alten, Mittleren und Neuen Reiches fortsetzte. Erstmals werden auch Zeugnisse der Alltagskultur herangezogen, welche die Geschichte aus nicht offizialisierter Perspektive erfahrbar machen.

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Geschichte kompakt

Herausgegeben vonKai Brodersen, Martin Kintzinger,Uwe Puschner, Volker Reinhardt

Herausgeber für den Bereich Antike:Kai Brodersen

Beratung für den Bereich Antike:Ernst Baltrusch, Peter Funke,Charlotte Schubert, Aloys Winterling

Martin Bommas

Das Alte Ägypten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung inund Verarbeitung durch elektronische Systeme.

© 2012 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), DarmstadtDie Herausgabe des Werkes wurde durchdie Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht.Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem PapierEinbandgestaltung: schreiberVIS, SeeheimSatz: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, Hemsbach

Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-23552-0

Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich:eBook (PDF): 978-3-534-72843-5eBook (epub): 978-3-534-72844-2

Inhaltsverzeichnis

Geschichte kompakt

Karte Ägypten

Vorwort

    I. Die Vorgeschichte Ägyptens (ca. 10.000–3300)

  1. Neolithikum im Niltal

  2. Die frühe Besiedelung des Niltales

  3. Beginn der Industrialisierung

  4. Gräberfelder des neolithischen Ägypten

  5. Die Naqada-Kultur

5.1 Naqada II

5.2 Naqada III

   II. Die Frühzeit (Naqada III A–D, Dynastien 0–2; ca. 3300–2740)

  1. Staatsbildung

  2. Mythos als Ursprung von Geschichte

  3. Narmer

3.1 Narmer und der Ursprung ägyptischen Herrschaftsanspruchs

3.2 Die Dynastie 0

  4. König Aha und die 1. Dynastie

4.1 Königsnekropole in Abydos – Regierungssitz bei Memphis

  5. Die 2. Dynastie

  III. Das Alte Reich (Dynastien 3–6, 7–8; ca. 2686–2160)

  1. Der Übergang zum frühen Alten Reich

  2. Die 3. Dynastie

2.1 König Djoser

2.2 Djoser und die Nachwelt

  3. Die 4. Dynastie

3.1 Königtum und Jenseitsvorstellungen von Djoser bis Snofru

3.2 Die Wirtschaftsreform des Landes

3.3 Die Pyramiden und die Sphinx von Gizeh

  4. Die 5. Dynastie

4.1 Religionsvorstellungen

4.2 Der König als Sohn des Re in der 5. Dynastie

4.3 Sonnentempel

4.4 Pyramidentexte

  5. Das Ende des Alten Reiches

5.1 Die 6. Dynastie

5.2 Verfall der Zentralgewalt

5.3 Die zunehmende Macht der Gaufürsten

  6. Ausblick

  IV. Die Erste Zwischenzeit (Dynastie 7–8, 9–10, 11; ca. 2181–2055)

  1. Die Dynastien 7–8

  2. Verzerrtes Geschichtsbild

  3. Die Erste Zwischenzeit als Epoche

  4. Die 9.–10. Dynastie, Zeitalter der Herakleopoliten

  5. König Intef II. und die Inbesitznahme Oberägyptens während der 11. Dynastie

  6. Die kulturelle Entwicklung Ägyptens am Beispiel des Totenglaubens

  7. Schenkungen an die Stadtgötter

  8. Interregionalität während der Ersten Zwischenzeit

  9. Der Topos von den chaotischen Zuständen in der Ersten Zwischenzeit und dessen Neubewertung

10. Ausblick

   V. Das Mittlere Reich (Dynastien 11–13, ca. 2055–1773)

  1. Gründung und Vision des Mittleren Reiches

  2. Mentuhotep II. und das Ende der 11. Dynastie

  3. Mentuhotep III.–IV.

  4. Der Übergang zur 12. Dynastie

  5. Amenemhet I.

  6. Sesostris I. und der Beginn der Kultur des Mittleren Reiches: Literatur und Religion

  7. Amenemhet II. und Sesostris II.

  8. Literatur im Mittleren Reich als Kennzeichen kultureller Blüte

  9. Der reife Staat unter Sesostris III.: Königtum und Götterwelt

10. Wirtschaft und Verwaltung am Ende des Mittleren Reiches: Vom Gaufürstentum zum Patrimonalismus

11. Amenemhet III. und die Zentralisierung der Staatsmacht

12. Amenemhet IV. und Königin Neferusobek am Ende der 12. Dynastie

13. Niedergang während der 13./14. Dynastie

14. Ausblick

  VI. Die Zweite Zwischenzeit (Dynastien 14–17, 1773–1550)

  1. Der Übergang vom Mittleren Reich zur Hyksosherrschaft

  2. Die 14. Dynastie

  3. Die 15. Dynastie

3.1 Fürst Salitis und die Eroberung des Ostdeltas

3.2 Avaris und die Hyksos

  4. Die 15. Dynastie in Unter- und Mittelägypten, die 17. Dynastie in Oberägypten

  5. Hyksospolitik in Oberägypten und Nubien

  6. Die 17. Dynastie

6.1 Seqenenre lehnt sich gegen die Hyksos auf

6.2 Kamoses Kampf gegen die Hyksos in Avaris

6.3 Ahmose und die Vernichtung der Hyksos

  7. Die Zweite Zwischenzeit im Rückblick

 VII. Das Neue Reich I: Von der Gründung bis zum Ende der Amarnazeit (Dynastie 18; 1550–1295)

  1. Ahmose und die Gründung des Neuen Reiches

  2. Amenophis I. bis Thutmosis II

  3. Konsolidierung Ägyptens unter Hatschepsut

  4. Ägypten wird Weltmacht unter Thutmosis III

  5. Amenophis II. und Thutmosis IV.

  6. Amenophis III. individualisiert das ägyptische Königtum

  7. Amenophis IV./Echnaton und die Amarnazeit

  8. Tutanchamuns Versuch einer Rückbesinnung

  9. Haremhab, Gründungsvater einer Militärdynastie

VIII. Das Neue Reich II: Die Ramessidenzeit (Dynastien 19–20, 1295–1069)

  1. Die frühe Ramessidenzeit bis Ramses II.

  2. Ramses II.: Regierung durch erfolgreiche Selbstdarstellung

  3. Die Nachfolger Ramses’ II.

  4. Die mittlere Ramessidenzeit: Ramses III. und Ramses IV.

  5. Die späte Ramessidenzeit und der Niedergang des Neuen Reiches

  6. Das Ende des Neuen Reiches

  IX. Die Dritte Zwischenzeit (Dynastien 21–25; 1069–655)

  1. Der Beginn der Dritten Zwischenzeit

  2. Die 21. und 22. Dynastie

  3. Die lokalen Dynastien 23 und 24

  4. Die 25. Dynastie (Kuschitenzeit)

   X. Die Spätzeit (Dynastien 26–30; 672–332)

  1. Ägypten zu Beginn der Spätzeit

  2. Die 26. Dynastie (Saitenzeit)

  3. Die 27. Dynastie (Erste Perserherrschaft)

  4. Die letzten einheimischen Dynastien Ägyptens

  5. Die 31. Dynastie, die Zweite Perserherrschaft und das Ende des pharaonischen Ägypten

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Inhaltsverzeichnis

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Impressum

Geschichte kompakt

In der Geschichte, wie auch sonst,dürfen Ursachen nicht postuliert werden,man muss sie suchen. (Marc Bloch)

Das Interesse an Geschichte wächst in der Gesellschaft unserer Zeit. Historische Themen in Literatur, Ausstellungen und Filmen finden breiten Zuspruch. Immer mehr junge Menschen entschließen sich zu einem Studium der Geschichte, und auch für Erfahrene bietet die Begegnung mit der Geschichte stets vielfältige, neue Anreize. Die Fülle dessen, was wir über die Vergangenheit wissen, wächst allerdings ebenfalls: Neue Entdeckungen kommen hinzu, veränderte Fragestellungen führen zu neuen Interpretationen bereits bekannter Sachverhalte. Geschichte wird heute nicht mehr nur als Ereignisfolge verstanden, Herrschaft und Politik stehen nicht mehr allein im Mittelpunkt, und die Konzentration auf eine Nationalgeschichte ist zugunsten offenerer, vergleichender Perspektiven überwunden.

Interessierte, Lehrende und Lernende fragen deshalb nach verlässlicher Information, die komplexe und komplizierte Inhalte konzentriert, übersichtlich konzipiert und gut lesbar darstellt. Die Bände der Reihe „Geschichte kompakt“ bieten solche Information. Sie stellen Ereignisse und Zusammenhänge der historischen Epochen der Antike, des Mittelalters, der Neuzeit und der Globalgeschichte verständlich und auf dem Kenntnisstand der heutigen Forschung vor. Hauptthemen des universitären Studiums wie der schulischen Oberstufen und zentrale Themenfelder der Wissenschaft zur deutschen, europäischen und globalen Geschichte werden in Einzelbänden erschlossen. Beigefügte Erläuterungen, Register sowie Literatur- und Quellenangaben zum Weiterlesen ergänzen den Text. Die Lektüre eines Bandes erlaubt, sich mit dem behandelten Gegenstand umfassend vertraut zu machen. „Geschichte kompakt“ ist daher ebenso für eine erste Begegnung mit dem Thema wie für eine Prüfungsvorbereitung geeignet, als Arbeitsgrundlage für Lehrende und Studierende ebenso wie als anregende Lektüre für historisch Interessierte.

Die Autorinnen und Autoren sind in Forschung und Lehre erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Jeder Band ist, trotz der allen gemeinsamen Absicht, ein abgeschlossenes, eigenständiges Werk. Die Reihe „Geschichte kompakt“ soll durch ihre Einzelbände insgesamt den heutigen Wissensstand zur deutschen und europäischen Geschichte repräsentieren. Sie ist in der thematischen Akzentuierung wie in der Anzahl der Bände nicht festgelegt und wird künftig um weitere Themen der aktuellen historischen Arbeit erweitert werden.

Kai Brodersen      

Martin Kintzinger

Uwe Puschner     

Volker Reinhardt 

Karte Ägyptens

Vorwort

Geschichtsbilder sind Resulte eingehender Selektionsprozesse von Ereignissen der Vergangenheit. Damit sind sie einem ständigen Wandel unterworfen, ganz gleich, ob sie einem Gegenwartsbewusstein entstammen oder ob es sich um Rekonstruktionen seit Jahrtausenden vergangener Geschichte handelt.

Auf die Auswahl von geschichtsträchtigen Ereignissen der Antike haben wir heute selbstverständlich keinen Einfluss mehr. Was Primärquellen angeht, sind Forscher darauf angewiesen, bewusst gemachte Zeugnisse auszuwerten und unbewusst hinterlassene Daten, wie durch Ausgrabungen gewonnene archäologische Funde, zum Sprechen zu bringen. Die Ägyptologie stellt hier keine Ausnahme dar, auch sie ist auf die Bewertung vorhandener und noch zu gewinnender Quellen angewiesen. Dabei hat die Auswertung gezielt für einen späteren Gebrauch gefertigter altägyptischer Quellen wie Monumente, die die Geschichte derer beleuchten, die sie in Auftrag gaben, den Blick auf die offene Geschichte verstellt. Diese lässt sich nicht immer mit Namen und Regierungsjahren von Pharaonen verbinden. Es liegt in der Natur der Sache, dass nichtoffizialisierte Zeugnisse einen bisweilen unverstellten Blick auf das Alte Ägypten ermöglichen, weil sie sich weniger formalen Zwängen ausgesetzt sahen. Setzt man die Literarizität im Alten Ägypten mit 5 % an – ein sehr optimistischer Wert –, so erhält man den ungefähren Bevölkerungsanteil der kulturschaffenden Elite an der ägyptischen Gesellschaft. Zu Recht wurde seit dem 20. Jahrhundert innerhalb der sich geschichtswissenschaftlich betätigenden deutschsprachigen Ägyptologie der Begriff der Hochkultur bemüht, um die herausragenden Errungenschaften des frühen Alten Ägypten zu benennen. In der Soziologie verwendet, bezeichnet dieser Begriff jedoch die von Eliten als meinungsbildend genutzten Kulturleistungen und bildet damit einen Gegenpol zur Alltagskultur. Dies hatte zur Folge, dass diejenigen Wissenschaftler, die sich um die Identifizierung des Aspektes der Hochkultur bemühen, am kulturschaffenden Prozess offenbar unbeteiligte Schichten ausblenden, obwohl gerade diese die Empfänger waren. Dies hat gerade für das Alte Ägypten seit den 1980er Jahren zu einem unbequem hohen Abstraktionsgrad geführt. Die unteren Schichten namhaft zu machen ist erst gelungen, als während der 1960er Jahre in der englischsprachigen Soziologie und parallel zur Gründung dessen, was heute als Cultural Studies bezeichnet wird, low culture als Untersuchungsgegenstand akzeptiert wurde. Die gegen Ende der 1960er Jahre vermehrt einsetzenden Siedlungsgrabungen in Ägypten sind das wohl deutlichste Kennzeichen dieser Entwicklung. Heute geht es vermehrt darum, die verschiedenen Kommunikationsebenen zwischen den sozialen Schichten Ägyptens zu identifizieren und zu dekodieren. Besondere Aufmerksamkeit verdient dabei für das Alte Ägypten der Akt der Aufführung, der insbesondere dann wichtig wird, wenn die unteren Schichten abgeholt werden sollen: Kulturell siginifikante Interpretationen werden plausibel, universell und sogar vernünftig, wenn sie nur häufig wiederholt werden.

Der vorliegende Band möchte hier neue Wege gehen. Er hat es sich zur Aufgabe gesetzt, neben der pharaonischen Geschichte von den Anfängen bis zur Eroberung des Landes durch Alexander den Großen 333/32 v. Chr., insbesondere kulturgeschichtliche Zusammenhänge zu beleuchten. Dabei soll der Blick auf, oder besser: für die die schweigenden Mehrheiten der Bevölkerung des Alten Ägypten geöffnet werden, wie er sich in Prozessakten, privaten Briefen, aber auch in Hausgrundrissen und pathologischen Befunden erschließt. So fragt dieser Band nicht nur nach gesicherten historischen Daten, sondern auch nach den Strategien kulturellen Erinnerns und Vergessens, nach dem Publikum von Rezitationstexten, nach Ausdrucksformen individueller Religiosität, sozialer Ausdifferenzierung usw. Im Vordergrund steht dabei die Frage, wie Bedeutung generiert und verbreitet wird und welche sozialen Praktiken, Glaubensvorstellungen, Institutionen und politische Strukturen den Fortbestand des pharaonischen Ägypten über 3000 Jahre hinweg garantierten oder in Zweifel zogen.

Birmingham, im Juli 2011

Martin Bommas

I.     Die Vorgeschichte Ägyptens (ca. 10.000–3300)

1.   Neolithikum im Niltal

Kulturgeschichte Ägyptens

Die Geschichte Ägyptens beginnt lange vor dem Erscheinen der ersten Schriftzeugnisse. Sie ist in erster Linie die Konsequenz aus der zunächst saisonalen, später dauerhaften Besiedelung des Niltals, die bis auf den heutigen Tag fortdauert. Mit dem Eindringen von Bevölkerungsgruppen im Niltal beginnt die Kulturgeschichte des Alten Ägypten.

Bedeutung von Klimaeinflüssen

Die früheste Besiedelung des Niltales kann dank intensiver archäologischer Forschung und einer zunehmend erfolgreichen Deutung materieller Daten als Ausdruck geistiger Entwicklung heute weitestgehend als eigenständig und ohne direkten Bezug auf spätere Phänomene verstanden werden. Wesentlich für diese Erfolge ist die Erkenntnis, dass Verhaltensmuster früher, und insbesondere schriftloser Kulturen von Umweltfaktoren bestimmt werden. Dies bedeutet aber keineswegs, dass die ägyptische Vorgeschichte losgelöst von den sogenannten historischen Epochen des Alten Ägypten gesehen werden darf, da deren Ausbildung ohne das reiche prähistorische Erbe nicht vollständig gedeutet werden kann. Die Vorgeschichte Ägyptens ist keineswegs eine Besiedelungsgeschichte des Niltals, das vielbemühte Zitat Herodots, demzufolge Ägypten „das Geschenk des Nils“ sei, trifft für die hier behandelte Epoche noch nicht zu. Dies ist dem Umstand zu verdanken, dass erstens das Klima während der Vorgeschichte Ägyptens nicht trocken war, sondern eine Besiedelung der Wüste noch zuließ. Zweitens ist der durchschnittliche Nilhöchststand weitaus niedriger als während späterer Epochen, in manchen Jahren besteht das Niltal sogar aus wenig dauerhaften und vereinzelten Wadis (Täler), die sich durch Schlammablagerungen voneinander abgrenzen.

Das Paläolithikum

Zu den ältesten Hinweisen auf menschliche Lebensformen am Ende des Paläolithikums ca. 11.000 (soweit nicht anders angegeben, verstehen sich alle Jahreszahlen als v. Chr.) zählen Silexfunde, zumeist Hammersteine, die auf eine industrielle Herstellung hindeuten, auch wenn in der Nähe von Qau el-Kebir unterirdische Flintminen bereits um ca. 33.000 nachweisbar sind. Im Niltal selbst sind diese Werkzeuge jedoch nur in El-Kâb bezeugt, wo um 8000 nomadisierende Jäger leben, die im Winter fischten und Wildtiere jagten und die Wüste im Spätsommer nutzten. Zwischen 11.000 und 5000 sind im Niltal kaum andere menschliche Tätigkeiten bezeugt und mangels Keramik oder Ackerbau noch als paläolithisch zu bezeichnen. In der Westwüste sind hingegen ab ca. 9300 rege Siedlungstätigkeiten feststellbar, für die das feuchte Holozän verantwortlich zu machen ist. Dem Elkâbien im Niltal entspricht hier das frühe Neolithikum (ca. 8500–6100), das in der Westwüste entsteht und durch Tierhaltung geprägt ist. Weit im Süden, in Orten wie Nabta Playa, kann eine Besiedelung durch Jäger und Sammler festgestellt werden, die saisonal den Siedlungsort wechseln, ab ca. 7500 tauchen erstmals Brunnen in Bir Kiseiba auf. Gleichzeitig und ebenfalls unter dem Einfluss des noch günstigen Klimas blüht bereits im frühen Neolithikum im Fayum der offenbar von der Levante beeinflusste Getreideanbau sowie die Zucht von Schafen, Ziegen, Rindern und Schweinen. Keines dieser Tiere ist in Ägypten endogen vorhanden. Doch zusammen mit Emmer und Gerste werden sie aus Südwestasien über die Levante und die Sinaihalbinsel eingeführt, sodass für die Zeit um ca. 5000 nicht nur von Handelskontakten außerhalb des Niltals auszugehen ist, sondern auch von einer Verbreitung der Agrarwirtschaft, die von nun an schnell Fahrt aufnimmt. Tierhaltung lässt sich gleichzeitig auch in der Urschicht von Merimde Beni-Salame an der Westgrenze des Deltas nachweisen, wo die Jagd als Folge davon eine nur untergeordnete Rolle spielt. Über ihren Nährwert hinaus lässt sich die Bedeutung von Rindern bereits ab 5400 in Bestattungen nachweisen. Zeitgleich mit der jüngsten Merimde-Beni-Salame-Schicht um ca. 4600–4350 entstehen östlich des Niltales Siedlungen mit Friedhöfen in verlassenen Siedlungsbezirken, von denen die El-Omari-Kultur (benannt nach ihrem Entdecker) eine der aufschlussreichsten ist. Hier lässt sich nun kaum mehr Wüstenjagd nachweisen, die Bewohner dieser Orte konzentrieren sich auf Viehzucht und Ackerbau. Die Besiedelung der Westwüste erreicht im Mittleren bis Späten Neolithikum ihren Höhepunkt: Häuser größerer Siedlungen weisen erstmals Lehmverputze auf und außerhalb der Siedlungsverbände gründen Hirten offenbar Außenposten, um ihr Vieh zu weiden. Auch wenn sich diese Kulturen auf den ersten Blick ähneln und die Siedler in der Westwüste erst langsam auf ihre eigenen Herden vertrauen, betreiben sie gleichzeitig, wenn auch in reduzierter Form, Wüstenjagd mit effektiven Fernwaffen, die aus steinernen Pfeilspitzen hergestellt werden.

2.   Die frühe Besiedelung des Niltales

Besiedelung des Niltals

Bedingt durch einen Klimawandel zwischen ca. 4900 und 4400 wird menschliches Leben in der Wüste nun jedoch und bis in heutige Zeit erschwert und in der Folge davon das Niltal vermehrt zum bevorzugten Siedlungsgebiet von Menschen, die zuvor nomadisierend saisonale Siedlungen in den Wadimündungen unterhielten. Hervorgerufen durch die Veränderung des Klimas und das Aufkommen von Sahel-Bedingungen trocknen fortan die regenlosen Wadilandschaften aus, beziehungsweise ergießen sich Sandlawinen in das Niltal. Dadurch versanden nicht nur die Wadis, sondern wird auch eine dauerhafte Besiedelung unmöglich. Die ehemaligen Wadibewohner siedeln nun dauerhaft in den nilnahen Bereichen der Wadimündungen und leiten damit einen Besiedelungsprozess ein, der erst während des Alten Reiches zum Abschluss kommt. Die Anfänge dieser Entwicklung lassen sich jedoch bereits für frühere Epochen fassen, auch wenn diese nur sporadisch sind. Bereits um ca. 7000 ist, wie dies der Ort El-Kâb zeigt, das Niltal Ziel zeitweiser Besiedelung. Außerhalb El-Kâbs, dessen Kenntnis wir glücklichen Fundumständen verdanken, ist eine menschliche Besiedelung zwischen 7000 und 5400 im unmittelbaren Bereich des Niltals nicht nachweisbar. Erst ab ca. 5400 kann eine Besiedelung des Niltals mit der Fayum-A-Kultur festgestellt werden, die sich jedoch bereits 100 Jahre später wieder auflöst. Wesentlich ist, dass die lithische Produktion dieser Gegend mit der der Westwüste in weiten Teilen Übereinstimmung zeigt.

Subsistenzwirtschaft

Bestimmend für die Einschätzung der Umweltfaktoren ist deren Einwirken auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Niltales, die im Wesentlichen von der jährlichen Nilüberschwemmung sowie von der dadurch hervorgerufenen Ablagerung mineralreicher Nilsedimente günstig beeinflusst werden. Dieses Zusammenwirken sichert bereits im frühen Neolithikum eine auf Ackerbau und Viehzucht beruhende Subsistenzwirtschaft, die mit Fischfang und der Jagd von Wüstentieren einhergeht. Diese Lebensweise, die hauptsächlich während des Nilhochstandes und der damit verbundenen Notwendigkeit, Wasser effektiv ab- beziehungsweise umzuleiten erhebliches organisatorisches Talent erfordert, genügt offenbar, um einer rasch wachsenden Bevölkerung nachhaltig einen ausreichenden Wohlstand zu sichern. Mit zunehmendem Bevölkerungswachstum bildet sich spätestens im Chalkolithikum eine Wohlstandsgesellschaft heraus, die zum einen die Ausbildung von Handwerkern erkennen lässt, zum anderen erwirtschaftete Überschüsse an die sich langsam ausbildenden Eliten abführen kann.

3  . Beginn der Industrialisierung

Rohstoffgewinnung und Export

Das wohl sichtbarste Zeichen der Entwicklung eines spezialisierten Handwerks ist die Herstellung von Keramik. Ab dem frühen Chalkolithikum lässt sich eine zunehmende Standardisierung der Lebensgewohnheiten beobachten. Insbesondere in Oberägypten waren Töpfer in der Lage, in bevölkerungsstarken Regionen diesem Bedarf mit der Schaffung einer hoch spezialisierten Keramikindustrie zu begegnen, die nicht nur lokal, sondern auch regional verbreitet wurde. Diese Entwicklung lässt jedoch auch wichtige Rückschlüsse auf den für die Produktion notwendigen Rohstoffnachschub zu, der als Teil der frühesten Industrialisierung anzusehen ist. In der Westwüste ist Keramik das einzige sicher nachweisbare neolithische Element während des früheren und mittleren Neolithikums. Die Gefäße sind allesamt dekorierte Schalen, die keinerlei Brandspuren aufwiesen. Sie sind mit Punkten und Schnurbändern verziert, was möglicherweise auf eine Verwendung als dauerhafte Aufbewahrungsgegenstände anstelle von Korbwaren hindeutet. Etwa gleichzeitig mit der Dürre – aber davon offenbar unabhängig – kommt in Orten wie Bir-Kiseiba in Unternubien eine neue Form der Keramik auf, die sich insbesondere durch geglättete und polierte Oberflächen kennzeichnet, sowie durch reduzierten Brand geschwärzte Gefäßränder ab dem späten Neolithikum. Hierbei handelt es sich jedoch möglicherweise um eine vom Niltal unabhängige technologische Entwicklung, wo etwa gleichzeitig in Badari bei Assiut ebenfalls black-topped-ware auftaucht. Im späten Neolithikum werden diese Gefäße nun auch zum Kochen verwendet wie dies Brandspuren zeigen.

Frühe Massenindustrie

Ein weiteres wichtiges Beispiel für die frühe Industrialisierung ist die Silexindustrie, die sich zwar regional entwickelt, aber im Hinblick auf Materialbeschaffung und Warenabsatz zunehmend auf gut entwickelte Netzwerke und Handelswege angewiesen ist. Obwohl ihrem Kern nach eine Massenindustrie, gelang es den Handwerkern mit der Herstellung von Luxusgütern wie Fischschwanzmessern und rhomboiden Flintmessern äußerst hohe Qualitätsstandards zu erzielen und damit die an ausgefallenen Gütern interessierte Elite zu erreichen. Möglicherweise ist zu diesem frühen Zeitpunkt auch die Metallurgie als ein Gewerbe mit ganzjährig angestellten Spezialisten anzusprechen, die ihr Wissen über komplizierte Arbeitsvorgänge gezielt an nachfolgende Generationen weitergaben, wie dies beispielsweise im chalkolithischen Maadi zu beobachten ist.

4.   Gräberfelder des neolithischen Ägypten

Erste groß angelegte Friedhöfe

Der Nachweis einer zunehmenden Elitebildung lässt sich jedoch insbesondere an den ab dem späten Neolithikum ausgreifenden Friedhöfen ablesen. Aufgrund des in dieser Zeit hohen Nilstandes sind zwischen ca. 11.000 und 8000 im Niltal keine Bestattungen nachzuweisen. Ein Glücksfall ist in diesem Zusammenhang der Friedhof von Gebel Ramlah in der Südwestwüste zu werten, der um ca. 4500–4000 datiert und in Verbindung mit einer zugehörigen Siedlung betrachtet werden kann. Das Vorkommen von tulpenförmigen Bechern, ansonsten Kennzeichen des mittelägyptischen Ortes Deir Tasa, der über weitreichende Verbindungen mit Siedlungen in der Ost- und Westwüste verfügt, erlaubt eine gesicherte chronologische Einordnung dieser neolithischen Bestattungen und eine Einbindung in die Badari-Kultur. Bei Gebel Ramlah handelt es sich um einen über einen langen Zeitraum hinweg genutzten Friedhof mit Familien- und Einzelgräbern, in denen die Toten in angewinkelter Lage auf der rechten Seite und mit Blick nach Süden bestattet wurden. Die Tatsache jedoch, dass die tulpenförmigen Becher auch in Wadi Atulla in der Ostwüste gefunden wurden, sind bei aller Vorsicht als frühe Hinweise auf eine sich langsam formierende, einheitliche Bestattungskultur zu werten.

Badari-Kultur