Das Buch der Schatten - Dunkle Zeichen - Cate Tiernan - E-Book

Das Buch der Schatten - Dunkle Zeichen E-Book

Cate Tiernan

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Beschreibung

Liebe, Gefahr und Magie – die mitreißende Hexensaga geht weiter!

In letzter Minute wird Morgan von Bree und Robbie aus dem brennenden Haus gerettet, doch Cal und seine Mutter sind bereits spurlos verschwunden. Wie hatte Morgan sich nur so in Cal täuschen, wie seine Liebe für echt halten können? Er hatte einzig und allein ihre mächtige Hexenkraft gewollt. Und trotz alledem vermisst Morgan ihn. Doch als sie schwarze Magie in ihrer Nähe spürt, fürchtet sie Cals Rückkehr. Hunter geht den dunklen Zeichen nach, und was er dabei entdeckt, wirft Morgans Weltbild völlig aus der Bahn …

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Seitenzahl: 261

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Für GC und EF, mit großem Dank

© 2001 17th Street Productions, an Alloy company,

and Gabrielle Charbonnet

Published by arrangement with Rights People, London

Die amerikanische Originalausgabe erschien

unter dem Titel »Sweep – Awakening«

bei Penguin US, New York

© 2012 cbt Verlag, München

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Übersetzung: Elvira Willems

Umschlaggestaltung: © Isabelle Hirtz, München,

unter Verwendung mehrerer Motive von Shutterstock

kg ∙ Herstellung: AnG

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN 978-3-641-07360-2V004

www.penguin.de

Die Autorin

Foto: © Paul L. della Maggioro

Cate Tiernan wuchs in New Orleans auf und studierte russische Literatur an der New York University. Sie arbeitete zunächst in einem renommierten Verlag, bevor sie mit dem Schreiben begann. Ihre Serie »Das Buch der Schatten« wurde ein großer Erfolg und in mehrere Länder verkauft. Heute lebt Cate Tiernan mit ihrem Mann, zwei Töchtern und zwei Stiefsöhnen, einem Pudel und vielen Katzen in Durham.

Von Cate Tiernan ist bei cbt bereits erschienen:

Das Buch der Schatten – Verwandlung (38003)

Das Buch der Schatten – Magische Glut (38004)

Das Buch der Schatten – Bluthexe (38005)

Das Buch der Schatten – Flammende Gefahr (38006)

Prolog

»Morgan! Morgan! Bist du da drin? Morgan!«

O mein Gott, das klang wie Bree! Bree und Robbie!

Mich aufzusetzen war ein Fehler, denn selbst dreißig Zentimeter über mir war die Luft noch dicker. Ich würgte und hustete und saugte Luft ein und dann schrie ich: »Ich bin hier drin! Im Poolhaus! Hilfe!« Ein Hustenkrampf zerriss mir die Lunge und ich fiel keuchend zu Boden.

»Geh zurück!«, rief Bree von außen. »Bleib weg von der Mauer!«

Schnell rollte ich mich an die gegenüberliegende Wand, möglichst weit weg von ihrer Stimme, und blieb dort liegen, zusammengekrümmt und hustend. Vage registrierte ich das vertraute, kraftvolle Röhren des Motors von Das Boot, und plötzlich donnerte das Auto mit gigantischer, erderschütternder Wucht gegen die Mauer auf der anderen Seite, bis der Putz absprang, das Fenster klirrte und in Scherben auf mich niederregneten, und die Wand eingedrückt wurde. Ich linste unter meinem Mantel hervor und sah einen Riss in der Mauer, aus dem Rauch aufstieg und gen Himmel quoll, dankbar für die gewonnene Freiheit. Ich hörte das Dröhnen des Motors, das Quietschen der Reifen, und das ganze Gebäude bebte, als Das Boot noch einmal mit voller Wucht die Mauer rammte. Diesmal gingen Steine und Putz zu Boden, Holzpfosten brachen, und dann drang der eingedrückte, mit Asche bestreute Bug meines Wagens durch die Wand, die sich öffnete wie das Maul eines großen weißen Hais.

Die Fahrertür ging auf und Bree kletterte hustend über die Trümmer. Ich streckte die Hand nach ihr aus und sie packte mich an den Armen und schleifte mich über den Schutt. Draußen wartete Robbie auf uns, und als die Knie unter mir nachgaben, kam er herbeigelaufen und fing mich auf. Hustend und würgend beugte ich mich vornüber, während er und Bree mich hielten.

Dann hörten wir das Tatütata der Feuerwehr näher kommen, und in den nächsten drei Minuten fuhren nicht nur drei Löschwagen vor, sondern auch Sky und Hunter, und der wunderschön gepflegte Rasen um das Haus war im Handumdrehen ruiniert.

Und ich lebte.

1

Schwelende Glut

Sie sind heute Nacht geflohen, alle miteinander. Selene Belltower, Cal Blair, Alicia Woodwind, Edwitha von Cair Dal und andere – sie sind mir alle durch die Lappen gegangen. Sie haben gewusst, dass wir kurz davor waren, ihnen die Schlinge um den Hals zu legen. Es ist meine Schuld. Ich war zu vorsichtig, war zu sehr darauf bedacht, die Vorwürfe gegen sie zweifelsfrei zu beweisen, und habe es zu lange hinausgezögert. Ich habe versagt und zwar gewaltig. Und obendrein wäre Morgan beinahe gestorben, weil ich ihnen nicht das Handwerk gelegt habe.

Ich muss die Abwehrsprüche aufbrechen, um in Selenes Haus zu gelangen. Sie hatte unmöglich genug Zeit, um all ihre Sachen zu packen. Vielleicht finde ich im Haus einen Hinweis, irgendetwas, was mir verrät, wo sie hin ist und was sie mit ihren Leuten vorhat.

Verdammt, verdammt, verdammt!

– Gìomanach

Ich stand mit Bree und Robbie, meinen beiden ältesten Freunden, auf dem Rasen hinter Cals Haus, und wir starrten in die Flammen, die hungrig vom Poolhaus aufstiegen und eine Rauchwolke über den Novembervollmond schoben. Irgendwo in dem Inferno krachte es gewaltig und ein Teil des Daches stürzte ein. Weiß glühende Funken stoben in einer Fontäne gen Himmel.

»Mein Gott«, sagte Bree.

Robbie schüttelte den Kopf. »Du bist gerade noch rechtzeitig da rausgekommen.«

In der Ferne heulten Sirenen. Obwohl es der letzte Tag im November war und zentimeterhoher Schnee den Boden bedeckte, war die Nachtluft heiß und trocken, als ich tief einatmete und schluckte. »Ihr habt mir das Leben gerettet«, brachte ich mit erstickter Stimme heraus. Mein Hals war rau, die Brust tat mir weh und sämtliche Zellen in meinem Körper verlangten nach Sauerstoff.

»Grade so«, murmelte Robbie, schob mir einen Arm unter den Ellbogen und stützte mich.

Mir schauderte. Robbie musste mir nicht sagen, wie knapp es gewesen war, dass ich beinahe gestorben wäre in dem winzigen, in magische Sprüche eingehüllten geheimen Raum im Poolhaus. Dort eingesperrt von Cal, meinem Freund. Meine Augen, die vom Rauch eh schon brannten, füllten sich erneut mit Tränen.

Charismatisch, selbstbewusst und übermenschlich schön – Cal hatte etwas in mir geweckt, was sechzehn Jahre lang geschlummert hatte. Cal hatte mich geliebt, wie mich noch nie zuvor ein Junge geliebt hatte. Cal hatte mir geholfen zu erkennen, dass ich eine Bluthexe war, dass ich magische Kräfte besaß, wo ich nicht mal gewusst hatte, dass es so etwas überhaupt gab. Cal hatte mir gezeigt, wie Liebe und Magie ineinanderfließen konnten, bis mir schien, als würde mich die Energie des Universums umhüllen und durchströmen – nur dazu da, damit ich danach greife.

Doch Cal hatte mich auch angelogen und benutzt. Und vor noch nicht mal einer Stunde hatte er versucht, mich umzubringen, indem er das Poolhaus in Brand setzte.

Die heulenden Sirenen der Feuerwehrwagen kamen näher, und ich konnte den Widerschein ihrer kreisenden roten Lichter durch die dichten Rauchwolken sehen, wie ein höllisches Glühen vor dem wallenden Grau. Ich wandte mich um, um zu schauen, wo die Löschwagen waren, und schnappte nach Luft, als zwei dunkle, gesichtslose Silhouetten vor mir aufragten.

Es waren Hunter und seine Cousine Sky, zwei englische Hexen, die vor ein paar Wochen in unsere Kleinstadt gekommen waren. Oh, richtig, dachte ich benommen. Ich habe ihnen auch eine magische Botschaft geschickt und sie gebeten, mir zu helfen. Das hatte ich schon wieder vergessen.

»Morgan, geht es dir gut?«, fragte Hunter mit seiner klaren Stimme und dem englischen Akzent. »Brauchst du einen Arzt?«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich glaube, mir geht’s gut.« Jetzt, da ich atmen konnte, strömte Adrenalin durch meinen ganzen Körper, und ich fühlte mich seltsam losgelöst.

»Mit den Löschzügen kommt auch ein Krankenwagen«, erklärte Bree. »Du solltest dich untersuchen lassen, Morgan. Du hast große Mengen Rauch eingeatmet.«

»Also, wenn Morgan sich dem gewachsen fühlt, wäre es besser, wenn wir jetzt verschwinden würden.« Hunter warf einen Blick über die Schulter. Der erste Feuerwehrwagen bog gerade in die geschwungene, gekieste Einfahrt vor dem großen Haus, in dem Cal und seine Mutter Selene Belltower lebten. »Ich glaube nicht, dass wir mit einem Beamten reden möchten. Zu viele unangenehme Fragen. Sky, wenn du so nett wärst, sie einen Augenblick aufzuhalten, damit wir hier abhauen können …«

Sky nickte und machte sich mit weichen, beschwingten Schritten über den Rasen davon. Ein paar Meter vor dem Haus blieb sie stehen und hob die Hände. Ich sah verblüfft zu, wie ihre Finger in einem komplizierten Tanz durch die Luft fuhren.

»Was macht sie da?«, fragte Robbie.

»Sie wirft einen Zauber«, erklärte Hunter. »Sie lässt die Feuerwehrleute glauben, das Feuer sei auf das Haus übergesprungen. Die Illusion währt nicht länger als einige Augenblicke, aber sie lenkt sie von unseren Autos ab, während wir wegfahren.« Als Sky zu uns zurückkam, nickte er ihr anerkennend zu. »Machen wir uns auf den Weg. Wir haben keine Zeit. Robbie, wenn du Morgans Auto fährst, können wir uns alle unten am Ende der Straße treffen.«

Ich staunte benommen, wie schnell er die Kontrolle über die Situation übernahm. Kein großes Geschrei um das, was passiert war. Kein Ausdruck von Schock oder Entsetzen. Nur reine Geschäftigkeit. Normalerweise hätte mich das auf die Palme gebracht, doch im Augenblick beruhigte es mich, und ich fühlte mich fast sicher.

Robbie eilte zu meinem Wagen. Ich wollte ihm nach, doch Bree fasste mich am Arm. »Komm, du kannst mit mir fahren.«

Ich begegnete ihrem Blick. Selbst hier, an einer Brandstätte, war ihr glänzendes, schulterlanges Haar perfekt. Doch der Schock über das, was passiert war, stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.

Wir hatten uns mal so nah gestanden, dass die eine die Sätze der anderen zu Ende sprechen konnte. Das war, bevor sie sich in Cal verliebt, er sich aber für mich entschieden hatte. Heute Morgen waren Bree und ich noch Feindinnen gewesen. Doch heute Abend hatte ich sie gerufen, in meiner tiefsten Not hatte ich ihr mittels Gedankenkraft eine magische Botschaft geschickt. Ich hatte sie gerufen. Und sie hatte mich gehört und war mir zu Hilfe geeilt. Vielleicht bestand ja doch noch Hoffnung für uns.

»Komm«, wiederholte Bree und führte mich zu ihrem BMW. Sie half mir auf den Beifahrersitz und ging dann rüber zur Fahrerseite. Wir folgten dem schmalen, kurvenreichen Weg, der von der Rückseite des Grundstücks wegführte und sie warf immer mal wieder einen ängstlichen Blick in den Rückspiegel.

»Sie laufen immer noch ums Wohnhaus herum. Noch ist niemand in den Garten gekommen«, sagte sie. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. »Sieht so aus, als hätte Skys magischer Spruch funktioniert. Dieses ganze Hexenzeug haut mich echt von den Socken.«

Sie warf mir von der Seite einen Blick zu. »Es war total irre, deine Stimme so deutlich in meinem Kopf zu hören«, fügte sie nach einem Augenblick hinzu. »Ich dachte echt, ich spinne. Aber dann wurde mir klar, dass in letzter Zeit so viele abgedrehte Sachen passiert sind, dass ich es wohl ernst nehmen sollte.«

»Ich bin froh, dass du das getan hast. Du hast mich gerettet«, wiederholte ich. Meine Stimme war heiser und das Sprechen löste einen weiteren Hustenanfall aus.

»Bist du dir ganz sicher, dass es dir gut geht?«, fragte Bree, als ich mich wieder aufrichtete. »Keine Verbrennungen oder so?«

Nein, äußerlich nicht, dachte ich niedergeschlagen. Ich schüttelte den Kopf. »Ich lebe«, sagte ich. »Und das habe ich dir zu verdanken.« Es war nicht unbedingt ein Versöhnungsangebot, aber mehr brachte ich im Augenblick nicht zustande.

Am Ende der dunklen, ruhigen Straße fuhren wir hinter Skys grünem Ford an den Straßenrand. Robbie war schon dort, lehnte an der Tür meines Wagens, liebevoll Das Boot genannt. Beim Anblick des ramponierten Valiant Baujahr ’71 zuckte ich zusammen. Von einem kleineren Unfall vor einer Woche war er vorn schon ein wenig ramponiert und ein Scheinwerfer fehlte. Vor ein paar Minuten hatte Robbie dann die Wand des Poolhauses mit meinem Auto eingedrückt. Jetzt war auch die Motorhaube total verbeult.

»Also gut«, sagte Hunter, als wir alle ausgestiegen waren. Er sprach forsch, doch ich hatte das Gefühl, ihn wie durch eine dicke Stoffschicht zu hören. Irgendwie konnte ich mich nicht recht konzentrieren. »Man wird einen Haufen Fragen stellen, was hier heute Abend passiert ist, wie es zu dem Feuer kam und so weiter. Wir müssen uns abstimmen. Robbie, Bree, ich glaube, es ist das Beste, wenn ihr einfach so tut, als wärt ihr gar nicht hier gewesen. Dann wird euch auch niemand Fragen stellen.«

Robbie verschränkte die Arme. »Unseren Freunden von Cirrus werde ich die Wahrheit sagen«, erwiderte er. »Sie haben ein Recht darauf, es zu erfahren.« Cirrus war der Hexenzirkel, den Cal gegründet hatte und dem neben Robbie und mir noch vier andere Mitglieder angehörten.

»Cirrus«, sagte Hunter und rieb sich nachdenklich das Kinn. »Du hast recht, sie sollten es wissen. Aber sie sollen es bitte für sich behalten.« Er wandte sich mir zu. »Morgan, wenn du kannst, würde ich gern mit dir reden. Danach fahre ich dich in deinem Auto nach Hause.«

Ich zuckte zusammen. Reden? Jetzt?

»Hat das nicht bis morgen Zeit?«, fragte Bree mit eisiger Stimme.

»Ja«, pflichtete Robbie ihr bei. »Morgan sieht total fertig aus. Nichts für ungut, Morgan.«

»Ich fürchte, nicht«, sagte Hunter. Seine Stimme war ruhig, doch sein Tonfall duldete keinen Widerspruch.

Robbie sah aus, als wollte er widersprechen, doch dann reichte er Hunter nur meinen Wagenschlüssel.

»Wie gesagt, ich versuche herauszufinden, wo sie hin sind«, sagte Sky, an Hunter gewandt.

»In Ordnung«, meinte Hunter. »Wir sehen uns später zu Hause.«

»Wo wer hin ist?«, fragte ich. Das ging mir alles viel zu schnell.

»Cal und Selene«, antwortete Sky und fuhr sich mit einer Hand durch ihr kurzes, silberblondes Haar. »Ihr Haus ist mit Abwehrsprüchen versiegelt und beide Autos sind weg.«

Ich schluckte schwer. Der Gedanke, dass sie da draußen irgendwo waren, versetzte mich in Angst und Schrecken. Plötzlich überkam mich die irrationale Überzeugung, sie würden sich hinter einem Baum verstecken oder etwas gleichermaßen Melodramatisches tun, und mich genau in diesem Augenblick beobachten.

»Sie sind nicht mehr in Widow’s Vale«, sagte Hunter, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Da bin ich mir ganz sicher. Ich würde es spüren, wenn sie noch in der Nähe wären.«

Obwohl der logische Teil meines Gehirns mir sagte, dass nichts je absolut sicher war, hatte Hunters ruhige Art, mit mir zu sprechen, eine so beruhigende Wirkung auf mich, dass ich ihm glaubte. Mich überkam augenblicklich Erleichterung, gefolgt von einer Welle intensiven Schmerzes. Cal war fort. Ich würde ihn nie wiedersehen.

Hunter fasste mich am Ellbogen und führte mich zu meinem Auto. Er öffnete die Beifahrertür und ich stieg ein. Das Wageninnere war eiskalt, und in Kombination mit dem Adrenalin, das immer noch durch meinen Körper strömte, ließ mich das so sehr zittern, dass mir sämtliche Muskeln wehtaten. Hunter machte den Motor an, schaltete den intakten Scheinwerfer ein und setzte auf die ruhige, von Bäumen gesäumte Straße.

Er sagte nichts und dafür war ich ihm dankbar. Normalerweise waren Hunter und ich wie Funken und Schießpulver. Er war Sucher, und er war vom Internationalen Rat der Hexen ausgesandt, um herauszufinden, ob Cal und Selene ihre magischen Kräfte missbrauchten. Er hatte mir gesagt, sie wären böse. Bevor ich zu meinem Entsetzen erfahren hatte, dass er recht hatte, hatten Cal und ich ihn beinahe umgebracht. Das war nur eine Sache, warum ich mich in seiner Gegenwart äußerst unwohl fühlte.

Aufgrund einer dieser seltsamen Verbindungen, die unter Bluthexen gang und gäbe zu sein schienen, war Hunter Cals Halbbruder. Doch wo Cal dunkel war, war Hunter hell, mit sonnengebleichtem Haar, klaren grünen Augen und prominenten Wangenknochen. Er war schön, aber auf eine ganz andere Art als Cal. Hunter war kühl, wie Luft oder Wasser. Cal schwelte. Er war Erde und Feuer.

Cal. Jeder Gedanke führte zurück zu ihm. Ich starrte aus dem Beifahrerfenster und versuchte, die Tränen wegzublinzeln, doch es wollte mir nicht gelingen. Ich wischte sie mit dem Handrücken fort.

Allmählich merkte ich, dass ich die Straße, auf der wir fuhren, nicht wiedererkannte. »Wohin fahren wir?«, fragte ich. »Das ist nicht der Weg zu mir nach Hause.«

»Es ist der Weg zu mir nach Hause. Ich dachte, es wäre besser, wenn du dich zuerst wäschst, den Rauchgestank aus deinen Haaren kriegst und so weiter, bevor du deinen Eltern gegenübertrittst.«

Ich nickte, erleichtert, dass er sich auch darum Gedanken gemacht hatte. Meine Eltern – eigentlich meine Adoptiveltern – kamen nicht gut damit klar, dass ich so starke magische Kräfte besaß und Magie praktizierte. Abgesehen davon, dass sie katholisch waren, hatten sie Angst wegen dem, was meiner leiblichen Mutter Maeve Riordan widerfahren war. Maeve und mein leiblicher Vater Angus Bramson waren vor sechzehn Jahren bei einem Brand ums Leben gekommen. Niemand wusste genau, wie es dazu gekommen war, doch es schien ziemlich klar zu sein, dass es vor allem damit zusammenhing, dass sie Hexen gewesen waren.

Ich drückte eine Hand auf meinen Mund und versuchte verzweifelt, auf die Reihe zu kriegen, was in den letzten Wochen passiert war. Erst vor einem Monat hatte ich entdeckt, dass ich adoptiert worden war und dass ich von einem der sieben großen Clans von Wicca abstammte – was hieß, dass ich eine Bluthexe war. Meine leiblichen Eltern waren gestorben, als ich noch ganz klein war. Heute Abend hatte ich beinahe ihr Schicksal geteilt.

Und das durch Cals Hände. Durch die Hände des Jungen, mit dem ich den Rest meines Lebens hatte teilen wollen.

Vor uns saß ein dicker brauner Hase wie erstarrt auf der vereisten Straße, paralysiert vom Scheinwerfer meines Autos. Hunter hielt an und wir warteten.

»Kannst du mir erzählen, was heute Abend passiert ist?«, fragte er überraschend sanft.

»Nein.« Ich hatte die Hand immer noch auf den Mund gepresst und musste sie wegnehmen, um zu sprechen. »Jetzt nicht.« Meine Stimme brach, weil ein Schluchzen aufstieg. »Es tut zu sehr weh.«

Der Hase löste sich aus seiner Erstarrung und hüpfte auf die andere Straßenseite in Sicherheit. Hunter trat aufs Gaspedal und Das Boot fuhr weiter. »In Ordnung«, sagte er. »Dann später.«

Das Haus von Hunter und Sky lag in einer ruhigen Straße irgendwo am Rand von Widow’s Vale. Ich achtete nicht auf die Strecke. Jetzt da das Adrenalin, das durch mein knappes Entkommen aus dem Feuer ausgeschüttet worden war, allmählich versickerte, war ich erschöpft und total erschlagen.

Das Auto hielt. Wir waren in einer Einfahrt unter einem Baldachin von Bäumen. Wir stiegen aus und gingen in der nächtlichen Kälte einen schmalen Weg hinauf. Ich folgte Hunter in ein Wohnzimmer, wo in einem kleinen offenen Kamin ein Feuer brannte. Ein abgenutztes Sofa, das mit dunkelblauem Samt bezogen war, stand an einer Wand. Ein Bein war abgebrochen und es hatte Schlagseite wie ein Betrunkener. Gegenüber dem Sofa standen zwei nicht zueinander passende Lehnstühle und ein breites Holzbrett auf zwei Kisten diente als Couchtisch.

»Du brauchst eine Dusche und saubere Klamotten«, sagte Hunter.

Ich warf einen Blick auf die kleine Uhr auf dem Kaminsims. Es war kurz vor neun. Ich war mehr als zu spät dran zum Abendessen. »Zuerst muss ich meine Familie anrufen«, sagte ich. »Wahrscheinlich haben die inzwischen die Polizei alarmiert.«

Hunter reichte mir ein schnurloses Telefon. »Soll ich ihnen von dem Brand erzählen?«, fragte ich hilflos.

Er zögerte. »Das liegt bei dir«, sagte er schließlich. »Aber wenn du ihnen davon erzählst, wirst du ihnen sehr viel erklären müssen.«

Ich nickte. Er hatte recht. Noch etwas, worüber ich nicht mit meiner Familie reden konnte.

Nervös wählte ich unsere Nummer.

Mein Vater ging ran, und ich hörte die Erleichterung in seiner Stimme, als ich Hallo sagte. »Morgan, wo um alles in der Welt bist du?«, fragte er. »Wir waren kurz davor, die Polizei zu rufen!«

»Ich bin bei einem Freund zu Hause«, sagte ich und bemühte mich, so ehrlich zu sein wie möglich.

»Geht es dir gut? Du klingst heiser.«

»Mir geht’s gut. Aber Cal und ich … wir haben uns gestritten.« Ich hatte Mühe, ruhig zu sprechen. »Ich … ich bin ziemlich durcheinander. Deswegen habe ich auch nicht früher angerufen. Es tut mir leid«, fügte ich lahm hinzu.

»Wir haben uns große Sorgen gemacht«, sagte mein Vater. »Aber ich bin froh, dass es dir gut geht. Kommst du jetzt nach Hause?«

Die Haustür ging auf und Sky kam herein. Sie sah mich an, richtete den Blick dann auf Hunter und schüttelte den Kopf. »Keine Spur«, sagte sie leise.

Es lief mir eiskalt den Rücken hinunter. »Noch nicht gleich, Dad«, sagte ich in den Hörer. »Aber bald.«

Dad seufzte. »Vergiss nicht, dass morgen Schule ist.«

Ich verabschiedete mich und legte auf. »Du hast sie nicht gefunden?«, fragte ich Sky ängstlich.

»Sie sind weg. Sie haben ihre Spuren unter so vielen starken magischen Sprüchen verborgen, dass ich nicht mal sagen kann, in welche Richtung sie sind«, sagte Sky. »Aber sie sind definitiv nicht in der Nähe.«

Ich spürte mein Herz schlagen und wusste nicht, was ich aus dieser Information machen sollte. Nach einem Augenblick nahm Sky mich am Arm und führte mich behutsam die Treppe rauf. Ich stand viel zu sehr neben mir, um mehr wahrzunehmen, als dass oben drei Türen waren; die linke und rechte waren geschlossen und die dritte dazwischen stand offen und führte in ein kleines Bad.

Sky verschwand durch eine Tür und tauchte einen Augenblick später mit einem Bademantel wieder auf. »Den kannst du anziehen, wenn du aus der Dusche kommst«, sagte sie. »Leg deine Klamotten hier draußen hin, dann werfe ich sie in die Waschmaschine.«

Ich nahm den Bademantel und schloss die Tür. Plötzlich war ich befangen. Ich drehte mich um und wagte einen Blick in den Spiegel. Meine Nase war rot und dick, meine Augen angeschwollen und mein langes, dunkles Haar verfilzt und voller Asche. Ruß hatte sich in Streifen auf mein Gesicht und meine Kleider gelegt.

Ich sehe grauenhaft aus, dachte ich, und vor meinem inneren Auge tauchte wieder Cals Gesicht auf. Er war so unglaublich schön. Wie hatte ich jemals glauben können, dass er eine wie mich wirklich liebte? Wie hatte ich so blind sein können? Ich war eine absolute Idiotin.

Mit zusammengebissenen Zähnen zog ich mich aus, öffnete die Tür einen Spalt und warf meine Klamotten in einem Haufen in den Flur. Dann stieg ich unter die Dusche und schrubbte mich gründlich von oben bis unten ab, als könnte das Wasser mehr fortwaschen als den Schmutz und den Rauch, als könnte es meinen Kummer, das Entsetzen und die Wut mit fortschwemmen und den Abfluss hinunterspülen.

Danach trocknete ich mich ab und zog den Bademantel über. Sky war größer als ich und der Bademantel bauschte sich formlos und trist zu meinen Füßen. Nachdem ich mir mit einem Kamm durch die nassen Haare gefahren war, ging ich wieder nach unten.

Sky saß in einem der Lehnstühle, doch als ich runterkam, stand sie anmutig auf und ging rauf in ihr Zimmer. Im Vorbeigehen legte sie mir kurz eine Hand auf die Schulter.

Hunter stand am Kamin und legte ein Scheit aufs Feuer. Auf dem Couchtisch standen eine kleine Teekanne und zwei Keramikbecher. Er drehte sich zu mir um und sah mich an, und mir war sehr deutlich bewusst, wie gut er aussah.

Ich setzte mich aufs Sofa und Hunter ließ sich in einem der abgewetzten Lehnstühle nieder. »Besser?«, fragte er.

»Ein bisschen.« Meine Brust und mein Hals taten nicht mehr ganz so weh und das Brennen in meinen Augen hatte aufgehört.

Hunters grüne Augen waren unverwandt auf mich gerichtet. »Du musst mir erzählen, was passiert ist.«

Ich atmete tief durch, und dann erzählte ich ihm, dass Sky und ich zusammen gewahrsagt hatten. Dass sie mir geholfen hatte, Cal und seine Mutter in ihrem mit magischen Sprüchen abgeschirmten Haus auszuspionieren, als sie mit ihren Mitverschwörern darüber gesprochen hatten, dass sie mich umbringen würden, wenn ich mich weigern sollte, mich ihnen anzuschließen. Dass ich gesehen hatte, dass Cal den Auftrag hatte, mich zu verführen und mich auf ihre Seite zu ziehen, damit sie sich meine magischen Kräfte zunutze machen konnten. Dass ich erfahren hatte, dass sie auch hinter den magischen Werkzeugen des Hexenzirkels meiner Mutter her waren – Objekten von gewaltiger magischer Kraft, die sie in ihr Arsenal magischer Werkzeuge einreihen wollten. Dass ich zu Cal gefahren war, um mit ihm zu reden, und dass er mich mittels Magie überwältigt und zu sich nach Hause gebracht hatte.

»Er hat mich in einen Seòmar im hinteren Bereich des Poolhauses gesperrt«, sagte ich und vor meinem geistigen Auge tauchte ein detailliertes Bild des schrecklichen kleinen Geheimzimmers auf. »Die Wände waren mit finsteren Runen bedeckt. Er muss mich bewusstlos geschlagen haben. Als ich zu mir kam, hörte ich ihn und Selene draußen streiten. Sie sagte, er solle es nicht tun, er solle das Haus nicht anzünden. Aber Cal sagte …«, meine Stimme brach wieder, »… er sagte, er würde das Problem lösen. Damit meinte er mich. Ich war das P…P…Problem.«

»Schscht«, sagte Hunter leise. Er streckte die Hand aus und legte sie mir flach auf die Stirn. Ich spürte, wie sich von dort eine kribbelnde Wärme in mir ausbreitete wie tausend kleine Bläschen. Mit seinem Blick hielt er den meinen fest, während mich die Wärme durchströmte und meinen Schmerz so weit dämpfte, dass ich ihn leichter aushalten konnte.

»Danke«, sagte ich ehrfürchtig.

Er lächelte kurz, was sein Gesicht für einen Augenblick völlig verwandelte. »Morgan«, sagte er dann, »es tut mir leid, dass ich so drängen muss, aber das hier ist wichtig. Haben sie die Werkzeuge deiner Mutter bekommen?«

Maeve war aus Irland, ihrer Heimat, geflohen, nachdem ihr Hexenzirkel Belwicket stark dezimiert worden war. Vor Kurzem hatte ich ihre Werkzeuge gefunden, die uralten magischen Werkzeuge ihres Hexenzirkels. Selene hatte sie unbedingt haben wollen. »Nein«, antwortete ich. »Sie sind in Sicherheit. Ich wüsste es, wenn dem nicht so wäre – ich habe sie an mich gebunden. Außerdem habe ich sie versteckt.«

Hunter schenkte uns Tee ein. »Wo?«

»Ähm … im Kriechraum unter Brees Haus. Ich habe sie dort hingebracht, bevor ich zu Cal gefahren bin«, sagte ich. Als ich das sagte, klang es in meinen Ohren so lahm, dass ich zusammenzuckte und darauf wartete, dass Hunter mich anfuhr.

Doch er nickte nur. »Gut. Da Cal und Selene geflohen sind, denke ich, dass sie dort fürs Erste sicher sind. Aber nimm sie wieder an dich, sobald du kannst.«

»Was könnten sie denn damit machen?«, fragte ich. »Warum sind sie so gefährlich?«

»Ich bin mir nicht sicher, was genau sie damit anfangen könnten«, sagte Hunter. »Aber Selene besitzt, wie du weißt, sehr starke magische Kräfte und ist sehr erfahren im Umgang mit Magie. Einige der Werkzeuge, besonders der Athame und der Magierstab, wurden vor langer Zeit gefertigt, lange bevor Belwicket der dunklen Seite entsagt hat. Sie wurden seither natürlich gereinigt, aber ursprünglich wurden sie hergestellt, um dunkle Energien zu kanalisieren und zu konzentrieren. Ich bin überzeugt, dass Selene einen Weg finden würde, um sie in ihren Ursprungszustand zurückzuversetzen. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass Maeves Magierstab in Selenes Händen dazu benutzt werden könnte, die Macht der dunklen Welle zu verstärken.«

Die dunkle Welle. Ich spürte eine Kälte in der Magengrube. Die dunkle Welle hatte damals Maeves Hexenzirkel ausgelöscht und auch den Hexenzirkel von Hunters Eltern zerstört und seine Mutter und seinen Vater vor zehn Jahren gezwungen, unterzutauchen. Sie waren immer noch verschwunden.

Niemand schien genau zu wissen, was die dunkle Welle war – ob es ein Wesen mit einem eigenen Willen war oder eine unbeseelte zerstörerische Macht, so etwas wie ein Tornado. Alles, was wir wussten, war, dass die dunkle Welle, wenn sie hinüberfegte, eine Spur des Todes und des Schreckens hinterließ und ganze Ortschaften in Schutt und Asche legte. Hunter glaubte, dass Selene irgendwie in Verbindung mit der dunklen Welle stand. Doch er wusste nicht, inwiefern.

Ich legte den Kopf in die Hände. »Geschieht all das, weil Cal und Selene Woodbanes sind?«, fragte ich leise. Woodbane war der Familienname eines der sieben großen Clans von Wicca. Ein Woodbane zu sein bedeutete traditionellerweise, keine moralischen Grenzen zu kennen. Woodbanes hatten im Laufe der Geschichte alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel genutzt, einschließlich die Anrufung dunkler Geister oder dunkler Energie, um noch mächtiger zu werden. Das hatte sich angeblich alles geändert, als sich der Internationale Rat der Hexen gebildet und Gesetze erlassen hatte, die den Gebrauch von Magie regelten. Doch wie ich gerade erfuhr, war die Welt von Wicca genauso zerbrochen und gespalten wie die alltägliche Welt, in der ich in den ersten sechzehn Jahren meines Lebens gelebt hatte. Und es gab viele Woodbanes, die sich nicht an die Gesetze des Rates hielten.

Zufälligerweise war ich auch eine Woodbane. Als ich es erfahren hatte, hatte ich es nicht glauben wollen, doch das kleine, rote Muttermal in Form eines Dolches, das ich unter der Achselhöhle trug, war der Beweis. Viele, wenn nicht gar die meisten, Woodbanes hatten es irgendwo. Es war bekannt als der Woodbane-Athame, denn es sah aus wie der zeremonielle Dolch, der zu jedem Satz magischer Werkzeuge gehörte.

Hunter seufzte, was mich daran erinnerte, dass er selbst auch halb Woodbane war. »Das ist die Frage, nicht wahr? Ich weiß ehrlich nicht, was es bedeutet, ein Woodbane zu sein. Ich weiß nicht, was angeboren ist und was anerzogen.«

Er stellte seine Tasse ab und stand auf. »Ich schaue mal, ob deine Sachen trocken sind. Dann fahre ich dich nach Hause.«

Sky folgte uns in ihrem Auto zu mir nach Hause, um Hunter wieder mit heim zu nehmen. Während der Fahrt sprachen wir nicht. Die beruhigende Wirkung seiner Berührung war inzwischen völlig verschwunden, und durch meinen Kopf wirbelten immer wieder die Bilder, wie Cal mich angelogen hatte, wie er mich angeschrien hatte, Magie gegen mich gewirkt und mich beinahe umgebracht hatte. Wie konnte etwas, was so schön gewesen war und sich so gut angefühlt hatte, sich in das hier verwandeln? Wie hatte ich so blind sein können? Und warum wollte ein beschämender Teil von mir ihm selbst jetzt noch zurufen: Verlass mich nicht, Cal. Komm zurück. O Gott. Galle stieg in meiner Kehle auf und ich schluckte.

»Morgan«, sagte Hunter, als er bei mir zu Hause vorfuhr. »Du verstehst doch, dass du in deiner Wachsamkeit auf keinen Fall nachlassen darfst, oder? Cal mag fort sein, aber wahrscheinlich kommt er zurück.«

Er würde zurückkommen? Hoffnung, Angst, Wut und Verwirrung schlugen über mir zusammen. »O Gott.« Ich krümmte mich auf dem Beifahrersitz und schlang die Arme um den Oberkörper. »O Gott. Ich habe ihn geliebt. Ich komme mir so dämlich vor.«

»Nicht doch«, sagte Hunter leise. Ich schaute auf. Er hatte das Gesicht abgewandt. Ich sah seine Wange, blass und glatt im milchigen Sternenlicht, das durch die Windschutzscheibe fiel.

»Ich weiß, wie sehr du Cal geliebt hast«, sagte Hunter. »Und ich verstehe auch, warum. Er hat vieles an sich, was wirklich schön ist. Und … und ich glaube, er hat dich auch geliebt … auf seine Art. Das hast du dir nicht eingebildet. Obwohl ich zu denen gehöre, die das Gegenteil behauptet haben.«

Jetzt wandte er mir das Gesicht zu und wir sahen einander an. »Hör zu. Ich weiß, dass du das Gefühl hast, niemals über das hier hinwegzukommen. Doch das wirst du. Es wird niemals ganz weggehen, aber irgendwann wird es nicht mehr so wehtun. Vertrau mir. Ich weiß, wovon ich rede.«

Ich wurde an das eine Mal erinnert, als wir geistig miteinander verschmolzen waren und ich gesehen hatte, dass er nicht nur seine Eltern, sondern auch seinen Bruder an die finsteren Mächte verloren hatte. Er hatte so viel gelitten, dass ich das Gefühl hatte, ich konnte ihm glauben.

Er machte eine Bewegung, als wollte er mein Gesicht berühren. Doch er schien sich zu bremsen und zog die Hand wieder zurück. »Du gehst jetzt besser ins Haus, bevor deine Eltern noch rauskommen«, sagte er.

Ich biss mir von innen auf die Wangen, damit ich nicht wieder anfangen musste zu weinen. »Okay«, flüsterte ich. Ich schniefte und richtete den Blick nach vorn. Im Wohnzimmer brannte Licht.