Das Meer, die Welle und ich - Mayla Wedekind - E-Book

Das Meer, die Welle und ich E-Book

Mayla Wedekind

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Beschreibung

Wasser, Wellen, Wind: Als Mayla zum ersten Mal auf dem Surfbrett steht, ist das der Beginn einer besonderen Liebesgeschichte zwischen ihr und dem Meer. Von nun an verbringt sie jede freie Minute auf dem Bord. Ob Ozean oder Ostsee – Mayla ist talentiert, macht schnell Fortschritte, behauptet sich bestens in dieser Jungswelt. Dennoch holen sie immer wieder Zweifel ein: Bin ich gut genug?, Was, wenn ich versage? Doch Welle um Welle lernt Mayla, sich freizuschwimmen: von Anspruchsdenken und Ängsten. Von dem Wunsch, alles kontrollieren zu wollen, und von Perfektionismus. In ihrer inspirierenden Autobiografie voller Erkenntnisse zeigt Mayla, was auch wir vom Meer lernen können – über Mut, Vertrauen und den richtigen Flow im Leben.

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Seitenzahl: 196

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Impressum

© eBook: 2024 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2024 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

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Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Projektleitung: Franziska Mohrfeldt

Lektorat: Pascal Akira Frank

Bildredaktion: Simone Hoffmann

Covergestaltung: Katja Wohnrath, ki36 Editorial Design, München

eBook-Herstellung: Chiara Knell

ISBN 978-3-8338-9298-1

1. Auflage 2024

Bildnachweis

Coverabbildung: Henning von Jagow

Illustrationen: iStockphoto

Fotos: Henning von Jagow

Syndication: Bildagentur Image Professionals GmbH, Tumblingerstr. 32, 80337 München, www.imageprofessionals.com

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Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung der Verfasserin dar. Sie wurden von der Autorin nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autorin noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

Die richtigen Dinge sind nur richtig, wenn sie auch zur richtigen Zeit ins Leben kommen.

»Beim Surfen wurde ich regelmäßig aus meiner Komfortzone gepusht. Den Kopf in den Sand zu stecken, wenn sich etwas änderte und die Dinge unangenehm wurden, war keine Option. Der beste Weg aus einer brenzligen Situation führt häufig mittendurch, wie beim Surfen, weil man sonst nicht zurück ans Ufer kommt. Ich suchte mir immer wieder anstrengende Bedingungen. Mein Selbstver-trauen wuchs mit jeder schwierigen Lage, die ich meisterte. Ich erahnte mein Potenzial und konzentrierte mich weniger auf Hindernisse. Ich merkte, wie ich mir Dinge vornahm, die ich zuvor nicht gewagt hatte.«

VORWORT

Träumend sitze ich auf dem Beifahrersitz. Die Straße führt über einen kleinen Hügel an den alten Häusern einer englischen Kleinstadt vorbei direkt zum Wasser. Das Meer. Ein ständiger Begleiter in meinem Leben, doch der Lockdown in London hat mich seit einem halben Jahr von ihm ferngehalten. Noch nie war ich so lange am Stück nicht an der Küste gewesen. Beim Anblick des braunen Brackwassers an der Ostküste Englands treten mir Tränen in die Augen. Obwohl das Wasser weder einladend warm noch sauber genug zum Schwimmen war, brachte die Weite des Meeres mein Herz zum Schwellen. In meinen Jahren auf Bali hatte ich nie so eine tiefe Rührung beim Anblick des Ozeans empfunden. Ich erinnere mich daran, wie ich die Schönheit zwar gesehen, jedoch nicht immer gespürt zu haben schien.

Das Element des Wassers hatte schon von klein auf meinen Alltag geprägt und geleitet. Einen Großteil meines Lebens verbrachte ich am und im Meer, es gab aber auch Phasen, in denen ich von ihm zumindest physisch weit entfernt war. Hätte mir zu meiner Zeit im Ausland jemand gesagt, dass ich einmal in London leben würde, hätte ich wohl mit Entgeisterung reagiert. England hatte mich nie interessiert. Mein Blick lag schon immer auf tropischen oder sonnenreichen Gegenden wie Portugal, Spanien oder auch Bali. Die raue englische Küste und das regnerische Wetter, das seinem Ruf alle Ehre macht, war dem norddeutschen meiner Heimat zu ähnlich.

Nach mehr als fünf Jahren auf Bali lebte ich gerade in Kiel, als ich ein Jobangebot in London als Cycling-Trainerin von der amerikanischen Firma Peloton bekam. Auf meinem Handgelenk sind die Worte »spontan und unabhängig« tätowiert, deswegen folgte ich dem Angebot, ohne lange zu zögern. Mein Tattoo ist eine Erinnerung an mich selbst, immer spontan und frei in Entscheidungen zu bleiben und mir zu erlauben, neue Dinge zu probieren, wenn sie sich ergeben. Das bedeutet, dass ich auch mal meine Komfortzone verlassen muss, wenn sich unerwartet Türen öffnen. Umgeben von Freunden und frisch verheiratet hatte ich mir in den letzten Jahren eigentlich ein bequemes Leben in Kiel aufgebaut, und auch das Surfen in der Ostsee, bei der ich aufgewachsen war, war mir immer mehr ans Herz gewachsen. Das Wellenreiten im dicken Neoprenanzug hatte zwar keine große Ähnlichkeit mit den tropischen Bikinisurfs, doch die wilden Wellen Europas schafften es, mich in ihren Bann zu ziehen und manchmal auch an meine Grenzen zu bringen.

Nachdem ich den Großteil meines Erwachsenenlebens in Australien und Indonesien verbracht hatte, war schon der Umzug in eine Stadt wie Kiel ein echter Kulturschock. Doch wenn mir meine Zeit im Ausland eines beigebracht hatte, war es dies: Wenn man immer nur in der sicheren Zone bleibt, wird man nie in der richtigen Position sein, um die großen Wellen des Lebens zu reiten. Ohne etwas zu wagen, wächst man auch nicht. Ich mochte die Existenz, die ich mir in den letzten Jahren aufgebaut hatte, und war dennoch bereit, eine andere Welle des Lebens zu nehmen. Als Landei im Herzen und ohne Gewissheit, was auf mich zukommen wird, brach ich auf in die Großstadt. Der Beginn eines neuen Kapitels und einer neuen Version von mir.

FREUDE

DAS WASSER UND ICH

Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, während der Atem durch meinen angespannten Körper rasselt. Ich spüre den Schmerz von Muskeln, deren Existenz mir vor einer Stunde nicht einmal bewusst zu sein schien. Mein Surfboard hatte mich in voller Fahrt am Hinterkopf getroffen, eine Lehre für mich, das Board immer im Blick zu behalten und die Konzentration nicht zu verlieren. Die Krämpfe in den Waden und die Beule am Kopf pulsieren noch lange, nachdem ich das Wasser verlassen habe. Doch da ist mehr. Unter dem rasenden Puls und dem Brennen des Salzwassers in meinen Schrammen fühle ich mich in diesem Moment so lebendig wie niemals zuvor. Freude strömt durch meine Poren und weckt jede Zelle meines Körpers auf. Ich habe nur einen Gedanken im Kopf: Dieses Gefühl möchte ich nie wieder missen.

Ich wuchs in Plön auf, einer kleinen, verschlafenen Stadt im nördlichen Schleswig-Holstein. Zur Ostsee brauchte man mit dem Auto nur eine halbe Stunde, und zu den vielen ringsum liegenden Seen war es nur ein Katzensprung. Beide prägten meine Kindheit und Jugend stark. Die tiefe Ruhe der Seen zog das aufgeweckte Mädchen in mir schon immer an, sodass ich die Sommermonate meistens im, auf und am Wasser verbrachte. Wo ich sonst mit dem Kopf in den Wolken war und meine Energie endlos schien, hatten die Seen etwas Beruhigendes, das mich ins Hier und Jetzt brachte. In den ersten warmen Tagen des Jahres in den noch kalten See zu springen fühlte sich wie ein Abwaschen der Wintermonate an. Schon damals war der Sprung ein Muss, denn beim langsamen Hineinwaten wurde meine Liebe zum Wasser dann doch getestet.

Ob Winter oder Sommer, eines blieb gleich: Im Wasser fühlte ich mich schwerelos, als würden all meine Sorgen gelöst und von der Strömung fortgetragen werden.

Ich liebte die Seen, noch mehr aber liebte ich das Meer. Von klein auf spielte ich stundenlang Meerjungfrau in der Ostsee und schien dabei ihre Kälte nicht wahrzunehmen. Während andere Kinder nach Muscheln und Schätzen tauchten, war ich fasziniert von den Mustern des Meeresgrunds, wo sich endlose Wellen in den Sand zeichneten. Ein gleichmäßig geformtes Auf und Ab, wie eine Hügellandschaft auf dem Grund des Meeres. Die anfangs besorgten Blicke meiner Eltern, wenn ich zu lange unter der Oberfläche blieb, ließen bald nach. Sie wussten, dass ihre »kleine Wasserratte« in ihrem Element war, als ich ihnen mit glitzernden Augen von den Fischen und dem unberührten Meeresboden erzählte.

In meiner Jugend gab es für mich nichts Schöneres, als einen Tag am Meer zu verbringen. Meerjungfrau spielen trat dabei immer mehr in den Hintergrund, und die Frage, welcher Bikini am besten die Bräune zeigte, wurde langsam wichtiger. Auch in meiner Teenagerzeit wusste ich jedoch immer, dass das Meer mir mehr geben konnte als nur eine gute Bräune. Als die Trennung meiner Eltern meiner jugendlichen Sorglosigkeit ein jähes Ende bereitete, schienen die Strandtage mit meinen Freunden die einzige wirkliche Auszeit zu sein, die ich so sehr brauchte. Das Wasser war auch in dieser Phase meines Lebens ein Ort des Abschaltens und Loslassens. Damals wusste ich nicht genau, warum es mich immer wieder zu ihm zog. Ob lange Herbstspaziergänge an den Seen oder ausgiebiges Sonnenbaden am Ostseestrand in den ersten Strahlen des Sommers – beides gehörte wie selbstverständlich zu meinem Leben. Das jährliche Anbaden Anfang März wurde ungeachtet des Wetters zur Tradition.

Die Zeit am Meer hilft mir auch heute noch, mich nicht nur zu entspannen, sondern auch zu beleben. Schon immer hat das Meer mir die Dualität des Lebens gezeigt, denn ich kenne nichts, was mir so viel geben und gleichzeitig so viel Energie rauben kann wie ein Strandtag. Die tiefen blauen Töne des Wassers haben eine beruhigende Wirkung auf mich, während die salzige Luft alle Sinne zu vitalisieren scheint. Nach einem langen Tag am Wasser kommen jedoch auch immer die Gefühle der Erschöpfung in mir hoch. Das Meer ist der Grund, warum ich um 19 Uhr ins Bett gehe und um 5 Uhr morgens wieder loslegen will.

Heute lade ich dieses Gefühl von Erschöpfung und Freude am Ende eines langen Surftages mit offenen Armen ein. Dehydriert und todmüde falle ich nur noch ins Bett, um meine blutdurchschossenen Augen zu schließen.

Der beste Schlaf, den man überhaupt haben kann: surfed out und das Herz voller Freude. Beim Einschlafen spürte ich jeden Muskel. Aber ich wusste: Am Morgen würde ich wie neugeboren aufwachen.

Das Salzwasser scheint nicht nur meine Nasennebenhöhlen durchgespült, sondern auch alle Sorgen weggewaschen zu haben. Dieses Gefühl ist der Grund, warum mich die Wellen auch am nächsten Tag wieder magisch anziehen werden.

IM CHAOS DIE BALANCE BEHALTEN

Mit Wellenreiten begann ich relativ spät, denn Deutschland bietet nicht die besten Bedingungen zum Üben. So wäre es sicherlich übertrieben, die verwaschenen Wellen der Ostsee als Surfparadies zu bezeichnen. An der Nordseeküste treten an manchen Tagen auch mal gute Wellen auf, aber sie ist nicht der verlässlichste Surfspot, man muss schon das Glück auf seiner Seite haben.

Das richtige Wellenreiten kannte ich nur aus Filmszenen über den Lifestyle in Kalifornien oder Abenteuer auf Hawaii. Diese Bilder faszinierten mich schon früh, jedoch erschienen sie mir wie aus einer anderen Welt, weit weg von meinem einfachen norddeutschen Dasein. Als ich gerade Abi machte, kam der Film Soul Surfer heraus, in dem die Geschichte einer hawaiianischen Surferin erzählt wird, die ihren Arm bei einem Haiangriff verliert. Über den lockeren Surf-Lifestyle, besonders aber auch das Abenteuer, mit Haien zu schwimmen und sich in ungewisse Strömungen zu stürzen, wollte ich mehr wissen. Wellenreiten hatte also schon immer einen Platz in meinen Gedanken. Es war mit ein Grund, warum es mich nach dem Abitur für ein Jahr Work & Travel an die Ostküste Australiens zog, wo es einen ganz anderen Stellenwert im Alltag einnahm. Fast jeder Aussie an der Küste stand wohl zumindest schon einmal im Leben auf einem Brett, ähnlich wie in Deutschland vermutlich jeder Mensch schon mal einen Ball gekickt hat. Das Surfboard zählt hier zu einem natürlichen Bestandteil fast jeden Haushalts. Für mich als etwa Zwanzigjährige war es allerdings schwer, surfen zu lernen, und ich war neidisch auf die australischen Kinder, die sich den Sport einfach spielerisch nebenbei aneigneten.

Am Strand zu stehen und zu sehen, wie eine »richtige« Welle nach der anderen brach, gab mir einen Vorgeschmack auf die Gewalt, die das Meer am anderen Ende der Welt zu haben schien. Als ich beobachtete, wie sich die Wellen ihren Weg zum Strand bahnten mit einer Kraft und Schönheit, die ich so noch nicht erlebt hatte, war es um mich geschehen. Für mich waren Wind und Wellen sonst immer verbunden gewesen, ich wusste nicht, dass sie auch unabhängig voneinander auftreten können, wie hier in Australien. Andere Sportarten, die ich ausprobiert hatte, wurden unwichtig, und schon bald war es allein das Wellenreiten, das meinen Alltag bestimmte. Meine »Alles oder Nichts«-Haltung, die bei anderen Sportarten in Deutschland dazu geführt hatte, dass ich schnell mein persönliches Leistungsziel erreichte, kam mir auch beim Surfen zugute. Nachdem ich einmal Feuer dafür gefangen hatte, wollte ich so gut werden, wie ich konnte, und komplett eintauchen in dieses neue Universum.

Am Wellenreiten faszinierte mich besonders, dass es die Aspekte der Balance und der Unkontrollierbarkeit in sich vereint. Es ist ein Zusammenspiel zwischen den unzähmbaren Wogen des Meeres und einem statischen, menschengemachten Board. Ich wollte spüren und erleben, wie es sich anfühlt, die Kontrolle über das Brett zu haben, während die Wellen ihren eigenen Willen zu haben schienen. Jede Welle ist einzigartig und bringt eine neue Überraschung mit sich. Diese Ungewissheit, welches Gesicht das Meer mir heute zeigen wird, war mir allzu bekannt: spiegelglatt mit kleinen weißen Schaumkronen am Ufer oder stürmisch und bedrohlich, sodass der beißende Geruch der Algen und der salzige Wind einem die Tränen in die Augen treibt. Trotz ständiger Bewegung, Unregelmäßigkeiten und fordernder Bedingungen war mir auch hier in Australien das Meer seltsam vertraut. Als Wasserliebhaberin wollte ich jedes seiner Gesichter kennenlernen und wertschätzen, es jedoch in keinem Punkt versuchen zu verstehen oder zu beeinflussen. Stundenlang schaute ich mir die Wellen an, studierte Strömungen und probierte im Line-up – der Bereich im Wasser, wo sich die Surfer ansammeln, um von hier aus in die Wellen zu paddeln –, ein Muster im Wellengang zu erkennen. Das Studium des Meeres ist eines der schwersten, denn nur eins ist gewiss: Es bleibt in Bewegung.

In dieser Zeit wurde ich oft daran erinnert, wo meine physikalischen Grenzen waren und überschritt diese regelmäßig. Wenn der feste Boden unter den Füßen verschwindet und man sich dem Meer hingibt, gibt man gleichzeitig auch einen Teil der eigenen Kontrolle auf. Da im Wasser alle Sinne gebraucht werden, kann dieser Kontrollverlust den Körper schnell aus der Balance bringen.

Auf meinem Surfboard zu sitzen, während die Strömung kraftvoll in eine andere Richtung zieht und der eben noch flache Ozean meterhohe Wellen produziert, erfordert Konzentration. Den Atem kontrollieren. Die Schultern entspannen. Loslassen und die Kontrolle abgeben.

Die eigene körperliche Reaktion hängt dabei von der subjektiven Bewertung ab. Schätze ich eine Situation als bedrohlich ein, dann verfalle ich sehr wahrscheinlich in Panik, inklusive aller körperlichen Reaktionen. Aber ich muss mir stets bewusst sein, dass der Kampf gegen das Wasser sinnlos ist, da es immer stärker sein wird. Eine Wahl ist zu treffen: das unbekannte Gefühl als Herausforderung annehmen und gemeinsam mit dem Meer an einem Strang ziehen oder letztendlich im Kontrollverlust verloren gehen.

Auch wenn ich immer mehr Freude als Angst beim Anblick des Meeres verspürte, verstehe ich, warum sich viele Menschen nicht hineinwagen. Gerade wenn man nicht am Wasser aufwuchs, kann die unbekannte Kraft des Ozeans überwältigend sein. Um sich mit ihm »anfreunden« zu können, muss man die verschiedenen Gesichter erleben und akzeptieren, bis der Körper Vertrauen hat, dass die Unsicherheit nicht unbedingt Gefahr bedeutet.

Diese Lektionen musste ich gleich am Anfang meiner Surfkarriere lernen. Ich war zwar am Meer groß geworden und wusste von Strömungen, der Kraft des Wassers und all den Unwägbarkeiten. Doch als ich in Indonesien das erste Mal eine »richtige« Welle brechen sah, wusste ich, dass diese Wellen ein anderer Schnack sind. Ihre Schönheit verschlug mir fast den Atem. Die Wunder der Natur hatten mich schon immer fasziniert, doch der Anblick einer perfekt brechenden Welle ging über alles hinaus, was ich bisher erlebt hatte. Mein Wissen über den Ozean endete hier. Was ich da sah, überstieg alles. Klingt dramatisch? War es auch, denn diese perfekte Welle veränderte mein Leben dramatisch.

AUF DER SUCHE NACH DER PERFEKTEN WELLE ODER NACH DIR SELBST?

Als ich Deutschland mit 19 Jahren verließ, hatte ich keinen blassen Schimmer, dass ich vor dem Erreichen meines 27sten Lebensjahrs nicht zurückkommen würde. Was als kleines Abenteuer anfing, wurde zur Suche nach guten Wellen, einem tieferen Verständnis des Meeres – und nach mir selbst. Gelangweilt von anderen Sportarten, die mir zwar leichtfielen, aber mich nicht forderten, machte mir das Wellenreiten meine Begrenzungen allzu deutlich. Zudem zeigte es mir, dass ich mein Können häufig falsch einschätzte. Sport war immer eine zentrale Komponente meines Lebens gewesen, und auch in Wettkämpfen hatte ich immer das Gefühl gehabt, die Kontrolle zu haben. Nicht aber beim Surfen.

Dies wahrzunehmen fühlte sich nicht immer gut an, fast als würde mir der Ozean jeden Tag aufs Neue hämisch einen Spiegel vorhalten. In ihm sah ich mich als Versagerin, die in einer Art Größenwahn versuchte, die Illusion des coolen Surfergirls aufrechtzuerhalten. Oft ertappte ich mich selbst bei dem Gedanken, dass das Meer schuld ist an meinem Unvermögen: »Wenn ich nur die perfekte Welle hätte, dann würde ich surfen wie eine Meerjungfrau.« Das Wasser und das Brechen der Wellen zu verstehen war die Grundlage, die ich mir zunächst einmal erarbeiten musste. Wie konnte ich lernen, eine Welle zu reiten, wenn ich gar nicht genau wusste, wo und wie sie brach?

Die Schuld den äußeren Gegebenheiten anzulasten war einfach, doch wirklich in mich hineinzuschauen und mir mein eigenes Unvermögen einzugestehen bedeutete Arbeit, Anstrengung und Ehrlichkeit.

Dies war auch die Zeit, in der ich anfing, an mir selbst zu arbeiten und mir meine eigenen Schatten genauer anzusehen. Nach dem Abitur war ich etwas kopflos durchs Leben gerannt, nicht genau wissend, was ich mit mir anfangen sollte. In Australien hatte ich nun die Chance, mich selbst neu zu entdecken, denn ich traf nur auf Menschen, die mich noch nicht kannten und sich keine Meinung über mich gebildet hatten. Oft hatte ich mich vorher dabei ertappt, anderen die Schuld für meine Planlosigkeit in die Schuhe zu schieben, doch im Ausland war ich plötzlich auf mich allein gestellt, sodass dieser Mechanismus nicht mehr funktionierte. Es fühlte sich fast an wie ein großer Reset, bei dem all meine Einstellungen wieder zurück auf null gesetzt wurden.

Allein im Ausland zu sein kann zwar beängstigend, aber auch eine Chance für einen Neustart sein. Weit entfernt von meinem gewohnten Umfeld in Deutschland merkte ich, wie andere Facetten von mir ans Licht kamen. Dabei wurde ich nicht gerade gnädiger mit mir selbst, sondern noch härter. Die Suche nach der »perfekten Welle« begann, und mein Blick war wie fixiert auf eine Vision meiner Zukunft. Die »perfekte Welle« war nicht nur die Suche nach der idealen Woge im Ozean, sondern auch nach der Idee, wie ich mein Leben gestalten wollte. Dabei gab es Momente, in denen ich mich derart in die Suche nach der wirklichen Welle im Meer hineinsteigerte, dass ich den Sinn dafür verlor, im Hier und Jetzt zu sein.

Wie oft verschwenden wir unsere kostbare Lebenszeit auf der Suche nach der perfekten Welle? Stattdessen sollten wir mit den gegebenen Umständen arbeiten und uns auf sie einlassen.

KLEINE SCHRITTE, GROSSE SPRÜNGE

In Australien entschied ich mich, erst mal nicht nach Deutschland zurückzukommen, sondern die nächsten Jahre dem Wellenreiten zu widmen. Am Anfang war mir noch nicht klar, was das für mein Leben bedeutete. Demütig musste ich mir eingestehen, dass richtig surfen zu lernen viel Arbeit war, und damit kamen auch viele Stunden, die ich im und am Ozean verbringen musste. Der ganze Prozess nahm mehr Zeit in Anspruch, als ich erwartet hatte. Mir fiel es schwer, Niederlagen hinzunehmen und jede noch so kleine Verbesserung zu erkennen und wertzuschätzen. Es dauerte eine ganze Weile, bis mir meine Fortschritte vollkommen bewusst wurden und noch viel länger, sie dann auch von ganzem Herzen zu feiern. Ich war es gewohnt, nur das große Ganze am Ende zu zelebrieren und die kleinen Zwischenschritte nicht wahrzunehmen. Allerdings war es beim Wellenreiten nicht so, dass ich zum Schluss feiern konnte, denn es gab kein klares Ende des Lernens.

Als ich diesen Umstand einsah, änderte sich meine Perspektive maßgeblich. Das erste Mal länger auf dem Brett zu stehen fühlte sich an, als hätte ich eigenhändig ein Haus gebaut – vom Fundament bis zum Dachstuhl. Für diesen Erfolg hatte ich an der richtigen Stelle des Ufers rauspaddeln, mich korrekt positionieren, eine gute Welle wählen, mit aller Kraft paddeln und schlussendlich auch erfolgreich aufstehen und stehen bleiben müssen. Das Gefühl der Freude war unbeschreiblich, doch mir schlich sich ein Gedanke ein: Vielleicht war Surfen nicht wie das Bauen nur eines Hauses, sondern einer ganzen Stadt. Und so begann ein ständiges Lernen und Weiterentwickeln, bei dem mir erst nach einigen Jahren richtig bewusst wurde, dass dieses Projekt nie zu Ende gebaut sein würde.

Die Unbeständigkeit und vielen Gesichter des Ozeans machten es dabei unmöglich, meine nächsten Schritte zu planen und auszuführen. Das Wissen, wie eine Welle bricht und wo man sich platzieren muss, um sie zu bekommen, kann man sich nicht an Land aneignen. Man muss dazu im Wasser sein – learning by doing. Mit der Zeit wurde mir auch klar, dass nur eine hundertprozentige Konzentration auf das Surfen es ermöglichen würde, überhaupt weiterzukommen. Aus diesem Grund beschloss ich, nicht nur eineinhalb Jahre in Australien zu verbringen, sondern zu reisen und weitere fünf Jahre in Indonesien, besonders auf Bali zu verbringen, um dort die Wellen studieren zu können. Ich setzte mir diesen neuen Fokus für mein Leben und war bereit, dafür andere Dinge aufzugeben. Mit wilder Entschlossenheit stürzte ich mich in das Studium des Ozeans und lernte immer mehr über das Wellenreiten und das Meer.

»Kennst du eine, kennst du alle« war jedoch bei den Wellen nie der Fall. Die Grundregeln des Surfens konnte ich zwar übertragen, aber die Ungewissheit über die verschiedenen Bedingungen blieb. Ich erinnere mich noch an viele Momente, in denen es sich anfühlte, als würde sich mein »Fortschritt« in Wahrheit rückwärts bewegen. Die Stadt, die ich mir mühselig aufzubauen versuchte, war wie auf Wolken errichtet, die manchmal wieder verpufften. Ich hatte zwar gelernt, die kleinen Fortschritte zu erkennen und wertzuschätzen, jedoch musste ich lernen, bei Rückschritten nicht den Kopf in den Sand zu stecken. Ähnlich wie die Gewalt der Wellen war der Prozess des Lernens unkalkulierbar und teilweise gnadenlos. Trotz meiner ambitionierten Ziele vor Augen musste ich mich mit dieser neuen Art des Lernens arrangieren und mir selbst Zeit geben. Was jedoch immer da war, war die Freude. Sie wurde nicht nur während des Surfens, sondern auch für mein Leben zum Leitstern.

Während die Mitschüler meines Abiturjahrgangs anfingen, ihre Bachelorarbeiten zu schreiben, zog es mich immer tiefer in die Welt des Wellenreitens, und ich sah keinen Grund, diesen Lebensstil in naher Zukunft aufzugeben. Endlich hatte ich etwas gefunden, was mir Freude bereitete und mich gleichzeitig dazu herausforderte, über mich selbst hinauszuwachsen.

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